01_Chemische Einwirkungen

Beurteilungsmaßstäbe zur Beurteilung der Exposition mit Gefahrstoffen

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1. Zweck der Zusammenstellung

Bei der Bewertung von Ergebnissen aus Gefahrstoffmessungen wird oft die Frage gestellt, welche Unterschiede gibt es zwischen den verschiedenen Grenzwerten, welcher Grenzwert ist rechtlich verbindlich und woher kommt der jeweilige Grenzwert.

Der Fachbereich Gefahrstoffe erläutert in dieser Zusammenstellung neben nationalen Begriffen auch die europäischen Grenzwerte, die Herkunft und rechtliche Bedeutung der unterschiedlichen Begriffe.

Für weitere Begriffe im Zusammenhang mit der Gefahrstoffverordnung wird auf das „Begriffsglossar zu den Regelwerken der Betriebssicherheitsverordnung, der Biostoffverordnung und der Gefahrstoffverordnung“, veröffentlicht auf der Internetseite der BAuA1 (Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin) verwiesen.

2. Werte zur Beurteilung der inhalativen Exposition an Arbeitsplätzen

Beurteilungsmaßstäbe sind bei der Beurteilung der inhalativen Exposition an Arbeitsplätzen im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung und zur Überprüfung der Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen heranzuziehen.

2.1. Verbindliche nationale Beurteilungsmaßstäbe

Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin veröffentlicht regelmäßig eine aktuelle Liste2 aller „Luftgrenzwerte nach GefStoffV“, die von der GefStoffV adressiert werden. Sie stammen aus TRGS 900, TRGS 910 und weiteren TRGS.

2.1.1. Arbeitsplatzgrenzwerte (AGW) und Allgemeiner Staubgrenzwert

Arbeitsplatzgrenzwerte (AGW) sind rechtsverbindliche Grenzwerte, die vom Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS) beschlossen und vom BMAS (Bundesministerium für Arbeit und Soziales) im GMBl. (Gemeinsames Ministerialblatt) veröffentlicht werden.

Die Werte und Erläuterungen dazu sind in der Technischen Regel für Gefahrstoffe TRGS 900 enthalten. Die BAuA stellt die aktuelle Version der TRGS 900, die jeweiligen Änderungen und die Begründungen zur Verfügung. AGW sind toxikologisch begründet und geben an, bis zu welcher Konzentration eines Stoffes akute oder chronische schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit eines Beschäftigten im Allgemeinen nicht zu erwarten sind (§ 2 Abs. 8 GefStoffV). Arbeitsplatzgrenzwerte können für einzelne Stoffe oder für Stoffgruppen (z. B. Mangan und seine anorganischen Verbindungen) erstellt sein.

Der Arbeitgeber stellt sicher, dass die Arbeitsplatzgrenzwerte eingehalten werden. Er hat die Einhaltung durch Arbeitsplatzmessungen oder durch andere geeignete Methoden zur Ermittlung der Exposition zu überprüfen (§ 7 Abs. 8 GefStoffV).

Der Allgemeine Staubgrenzwert ist ein Arbeitsplatzgrenzwert, der für schwerlösliche bzw. unlösliche („inerte“) Stäube gilt, die nicht andersweitig reguliert sind.

Er unterscheidet sich vom AGW dahingehend, dass er nicht wie diese stoffspezifisch festgelegt ist. Beispiele für Stäube, für die der Allgemeine Staubgrenzwert gilt, sind in Abschnitt 2.5 der TRGS 900 angegeben. Für alveolengängige und einatembare Stäube (A-Stäube und E-Stäube) ist jeweils ein separater Allgemeiner Staubgrenzwert festgelegt worden. Der Allgemeine Staubgrenzwert ist rechtsverbindlich und gilt nicht für lösliche Stoffe, Lackaerosole, grobdisperse Partikelfraktionen, für toxische Stäube oder für Nanomaterialien.

2.1.2. Akzeptanzkonzentration und Toleranzkonzentration

Für bestimmte krebserzeugende Stoffe der Kategorie 1A und 1B werden in der TRGS 910 auf der Grundlage von Exposition-Risiko-Beziehungen (ERB) Akzeptanz- und Toleranzkonzentrationen veröffentlicht, die für die Gefährdungsbeurteilung und die Umsetzung von Maßnahmen zur Reduzierung der Exposition gegenüber krebserzeugenden Stoffen heranzuziehen sind. Die Exposition-Risiko-Beziehung (ERB) beschreibt den Zusammenhang zwischen der Stoffkonzentration (inhalative Aufnahme) und der statistischen Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer Krebserkrankung bei bestimmten krebserzeugenden Stoffen.

Die Akzeptanzkonzentration (AK) ist ein verbindlicher stoffspezifischer Beurteilungsmaßstab, der für bestimmte krebserzeugende Stoffe im Rahmen des Maßnahmenkonzeptes in der TRGS 910 festgelegt ist. Es ist die Konzentration eines Stoffes in der Luft am Arbeitsplatz, die bei 40-jähriger arbeitstäglicher Exposition mit dem Akzeptanzrisiko assoziiert ist. Bei Unterschreitung wird das Risiko einer Krebserkrankung als gering und akzeptabel angesehen.

Die Toleranzkonzentration (TK) ist ebenfalls ein verbindlicher stoffspezifischer Beurteilungsmaßstab, der für bestimmte krebserzeugende Stoffe in der TRGS 910 festgelegt ist. Es ist die Konzentration eines Stoffes in der Luft am Arbeitsplatz, die bei 40-jähriger arbeitstäglicher Exposition mit dem Toleranzrisiko assoziiert ist. Bei Überschreitung wird das Risiko einer Krebserkrankung als hoch und nicht tolerabel angesehen.

Die Akzeptanzkonzentration und die Toleranzkonzentration eines Stoffes werden nach der in der TRGS 910 beschriebenen Methodik über ihre Exposition-Risiko-Beziehung (ERB) ermittelt.

2.1.3. Beurteilungsmaßstäbe aus stoffspezifischen TRGS

Der AGS hat in Einzelfällen Beurteilungsmaßstäbe (BM) für Stoffe festgelegt, für die weder ein rein toxikologisch begründeter AGW noch gemäß dem ERB-Konzept risikobasierte Akzeptanz- bzw. Toleranzkonzentrationen abgeleitet werden können. Diese Beurteilungsmaßstäbe sind jedoch nicht technikbasiert.

Diese BM werden jeweils in einer separaten TRGS zusammen mit den bei Tätigkeiten mit dem Stoff erforderlichen Schutzmaßnahmen beschrieben und veröffentlicht. Zurzeit gibt es drei Stoffe bzw. Stoffgruppen mit einem solchen BM und der entsprechenden TRGS: Quarz (TRGS 559), Chrom(VI)-Verbindungen (TRGS 561) und granulär biobeständige nanoskalige Stäube (TRGS 527). Weitere Informationen dazu finden sich in den Bekanntmachungen des BMAS zu Beurteilungsmaßstäben3.

2.2. Grenzwerte der
Europäischen Union

2.2.1. Verbindliche europäische Grenzwerte (BOELV)

BOELV (Binding Occupational Exposure Limit Value) sind verbindliche Grenzwerte der EU, die mit § 7 Abs. 11 GefStoffV formal in nationales Recht übernommen werden. BOELV werden als AGW oder im Rahmen des ERB-Konzepts (Exposition-Risiko-Beziehungen) in nationale Grenzwerte überführt. Dabei dürfen keine höheren, nationalen Grenzwerte festgelegt werden, national geringere Werte sind allerdings zulässig. Das Institut für Arbeitschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) stellt eine Liste mit Stoffen zur Verfügung für die BOELV festgelegt sind und verweist auf deren nationale Umsetzung4.

2.2.2. Europäische Richtgrenzwerte (IOELV)

IOELV (Indicative Occupational Exposure Limit Value) sind gesundheitsbasierte, nicht verbindliche europäische Richtgrenzwerte. Die Mitgliedsstaaten der EU müssen nationale Grenzwerte für diese Stoffe festlegen und dabei die IOELV berücksichtigen, dürfen aber höhere oder niedrigere nationale Grenzwerte festlegen.

2.3. Weitere Beurteilungsmaßstäbe

Stehen keine verbindlichen Beurteilungsmaßstäbe zur Bewertung der inhalativen Exposition zur Verfügung, können gemäß TRGS 402 folgende Beurteilungsmaßstäbe herangezogen werden:

2.3.1. MAK-Werte

MAK-Werte (Maximale Arbeitsplatzkonzentrationen) sind Grenzwertvorschläge der Ständigen Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe („MAK-Kommission“) bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Sie sind toxikologisch begründet und werden einmal im Jahr mit Hinweisen zu Änderungen und Neuaufnahmen veröffentlicht.

MAK-Werte sind nicht rechtsverbindlich entsprechen aber dem Stand der Wissenschaft. Sie sind häufig die Basis für die nach einer Kommentierungsphase folgende Festlegung von AGW.

2.3.2. Internationale Grenzwerte

Grenzwerte für chemische Belastungen am Arbeitsplatz anderer Länder oder anderer wissenschaftlicher Expertenkommissionen können beim Fehlen verbindlicher nationaler Beurteilungsmaßstäbe ebenfalls herangezogen werden. Eine Zusammenstellung internationaler Grenzwerte enthält z. B. die Datenbank „GESTIS-Internationale Grenzwerte für chemische Substanzen“ des IFA5.

2.3.3. DNEL-Werte (Derived No
Effect Level) nach REACH-VO

Der DNEL-Wert (Derived No Effect Level) ist eine im Rahmen der REACH-Registrierung abgeleitete Expositionshöhe für einen Stoff, unterhalb derer die menschliche Gesundheit nicht beeinträchtigt wird.

DNEL werden gemäß REACH-Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 insbesondere für Stoffe mit Vermarktung größer 10 Tonnen im Stoffsicherheitsbericht gefordert und müssen im SDB angegeben werden.

DNEL werden unterschieden nach

  • wahrscheinlichstem Expositions- bzw. Aufnahmeweg: inhalativ (Aufnahme über die Atemwege), dermal (Aufnahme über die Haut) oder oral (Verschlucken),
  • wahrscheinlichster Expositionsdauer (Langzeit- oder Kurzzeitwerte),
  • systemischen oder lokalen Wirkungen sowie
  • relevanten Personengruppen: Arbeitnehmer, Verbraucher und Menschen, die über die Umwelt indirekt exponiert sind.

DNEL für die inhalative Exposition können gemäß TRGS 402 als Beurteilungsmaßstab zur Bewertung der Exposition und zur Überprüfung der Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen herangezogen werden, wenn kein AGW oder andere Beurteilungsmaßstäbe zur Verfügung stehen.

Das IFA stellt eine GESTIS-DNEL-Liste mit DNEL-Werte für Arbeitnehmer (lokale und/oder systemische Effekte bei inhalativer Langzeitexposition) zusammen mit weiteren Erläuterungen zur Verfügung6.

Weiterhin wurden in Anhang XVII der REACH Verordnung im Zusammenhang mit Beschränkungen DNEL-Werte (inhalativ, dermal) für 1-Methyl-2-pyrrolidon (NMP) und N,N-Dimethylformamid veröffentlicht. Bezüglich der genannten dermalen DNEL gibt TRGS 402 den Hinweis, dass von einer Einhaltung der dermalen DNEL nach Anhang XVII REACH-Verordnung ausgegangen werden kann, falls die Anforderungen der TRGS 401 eingehalten sind und dadurch die dermale Exposition z. B. durch das Tragen von Schutzhandschuhen wirksam ausgeschlossen ist.

2.3.4. DMEL-Werte (Derived Minimal Effect Level) nach REACH-VO

DMEL-Werte (Derived Minimal Effect Level) wurden ergänzend besonders für krebserzeugende Stoffe von der europäischen Chemikalienagentur eingeführt. Sie sind nicht in der REACH-Verordnung verankert, sondern lediglich in Leitlinien beschrieben.

DMEL-Werte sind wie die DNEL-Werte vom Registranten abgeleitete Werte und beschreiben eine Exposition unterhalb derer ein geringes, aber tolerierbares Risiko der Gefährdung der menschlichen Gesundheit besteht.

Gemäß BekGS 409 haben DMEL-Werte keine rechtliche Verbindlichkeit. Im Gegensatz zu dem deutschen Expositions-Risikokonzept für krebserzeugende Arbeitsstoffe gibt es für die DMEL-Werte bisher noch keine Referenzrisiken, die EU-weit als hinnehmbar betrachtet werden. Damit bleibt den Registranten selbst überlassen, welches Erkrankungsrisiko sie bei der Aufstellung von DMEL-Werten zugrunde legen. Daher können DMEL-Werte nur dann für die Gefährdungsbeurteilung genutzt werden, wenn das zu Grunde liegende Risiko ebenfalls angegeben wurde.

3. Werte zur Beurteilung von Biomonitoringbefunden

Außer Luftgrenzwerten gibt es weitere Grenzwerte, die für die Bewertung der Ergebnisse aus Biomonitoring relevant sind. Weitere Informationen zu Biomonitoring und zur Verwendung der Grenzwerte sind in der Arbeitsmedizinischen Regel 6.2 enthalten.

3.1. Biologische Grenzwerte (BGW)

Biologische Grenzwerte (BGW) sind Grenzwerte für toxikologisch-arbeitsmedizinisch abgeleitete Konzentrationen von Stoffen, deren Metaboliten oder von Beanspruchungsindikatoren im entsprechenden biologischen Material (z. B. Urin), bei denen im Allgemeinen die Gesundheit von Beschäftigten nicht beeinträchtigt wird.

BGW sind rechtsverbindliche Grenzwerte, die der AGS beschließt und das BMAS in der TRGS 903 veröffentlicht.

3.2. BAT-Werte (Biologische Arbeitsstoff-Toleranz-Werte)

BAT-Werte (Biologische Arbeitsstoff-Toleranz-Werte) werden ebenfalls von der Ständigen Senatskommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft („MAK-Kommission“ der DFG) als nicht rechtsverbindliche Richtwerte einmal im Jahr veröffentlicht und können in den Fällen berücksichtigt werden, in denen kein BGW vorliegt. Auch BAT-Werte entsprechen dem Stand der Wissenschaft.

1 https://www.baua.de/DE/Angebote/Rechtstexte-und-Technische-Regeln/Regelwerk/Glossar/Glossar_node.html

2 https://www.baua.de/DE/Aufgaben/Geschaeftsfuehrung-von-Ausschuessen/AGS/Luftgrenzwerte.html

3 https://www.baua.de/DE/Aufgaben/Geschaeftsfuehrung-von-Ausschuessen/AGS/Beurteilungsmassstaebe.html

4 https://www.dguv.de/ifa/fachinfos/arbeitsplatzgrenzwerte/verbindliche-arbeitsplatzgrenzwerte-der-eu-kommission/index.jsp

5 https://www.dguv.de/ifa/gestis/gestis-internationale-grenzwerte-fuer-chemische-substanzen-limit-values-for-chemical-agents/index.jsp

6 https://www.dguv.de/ifa/gestis/gestis-dnel-liste/index.jsp


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