02_Versorgungsforschung

Meinungen zu Reformvorschlägen für das deutsche Gesundheitssystem

1. Vertrauen in die Politik

Wenn es ganz generell um das Gesundheitssystem in Deutschland geht, hat die große Mehrheit der Bürger (69 %) großes (55 %) oder sogar sehr großes Vertrauen (14 %), dass die Politik auch in Zukunft eine qualitativ hochwertige und bezahlbare medizinische Versorgung für alle Bürger sicherstellt.

Ein Viertel der befragten Bürger (26 %) hat eher weniger und 4 Prozent haben gar kein Vertrauen, dass dies auch künftig gewährleistet wird.

Diejenigen, die im Zuge der Befragung angaben, dass unser Gesundheitssystem von Grund auf reformiert werden müsste, haben mehrheitlich weniger oder gar kein Vertrauen in die künftige Gesundheitspolitik. Von denjenigen, die keinerlei Veränderungen am Gesundheitssystem für nötig erachten, haben wiederum fast alle großes oder sogar sehr großes Vertrauen in die künftige Gesundheitspolitik.

2. Reformbedarf beim deutschen Gesundheitssystem

Nur eine Minderheit der Bundesbürger (16 %) meint, dass unser Gesundheitssystem von Grund auf verändert werden müsste. 69 Prozent sehen allerdings in einigen Bereichen Reformbedarf.

13 Prozent finden, dass im Großen und Ganzen keine Veränderungen nötig sind.

Auch von den Bürgern mit geringem Vertrauen in die deutsche Gesundheitspolitik ist nur etwas mehr als ein Drittel der Ansicht, dass das Gesundheitssystem von Grund auf verändert werden müsste.

3. Prioritäten für das deutsche Gesundheitssystem der Zukunft

Den Befragten wurden verschiedene Reformvorschläge bzw. Aspekte in zufälliger Reihe vorgelegt und um eine Einschätzung gebeten, wie wichtig ihnen diese für das deutsche Gesundheitssystem in den nächsten Jahren sind.

Wie die folgende Übersicht zeigt, werden alle vorgeschlagenen Ansätze für eine Reformierung des Gesundheitssystems in Deutschland jeweils von einer Mehrheit als zumindest wichtig angesehen. Betrachtet man allerdings die Ergebnisse daraufhin, wie vielen jeweils ein Aspekt „sehr wichtig“ ist, ergibt sich eine klare Hierarchie der Prioritäten.

An erster Stelle stehen dabei die Bezahlbarkeit der Gesundheitsversorgung für den Einzelnen (76 %), die Verbesserungen der Arbeitsbedingungen für Pflegepersonal (75 %) sowie der gleiche Zugang aller Bürger zu einer hochwertigen medizinischen Versorgung (72 %): Etwa drei Viertel der Bürger sind diese Aspekte jeweils „sehr wichtig“.

Zwei Drittel der Befragten halten es für sehr wichtig, dass das Gesundheitssystem langfristig solide finanziert ist und dabei berücksichtigt wird, dass es künftig immer mehr alte Menschen geben wird (68 %).

Für 62 Prozent ist es sehr wichtig, dass mehr in die Ausbildung von medizinischem und Pflegepersonal investiert wird.

Jeweils mehr als 50 Prozent schätzen es als sehr wichtig ein, dass sich Ärzte und Pflegekräfte für den einzelnen Patienten mehr Zeit nehmen (können) (59 %) und dass Patienten schneller medizinisch versorgt werden, z.B. durch schnellere Termine beim Haus- oder Facharzt (54 %).

Jeder Zweite hält es für sehr wichtig, dass die Kosten für die Sicherung des Gesundheitssystems gerechter verteilt werden (49 %), wobei dieser Aspekt 90 Prozent der Befragten zumindest „wichtig“ ist.

Alle anderen Aspekte werden jeweils von weniger als der Hälfte der Befragten als sehr wichtig eingeschätzt.

Dass die bisherige Trennung zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung zugunsten einer einheitlichen Krankenversicherung für alle aufgegeben wird, ist für 43 Prozent sehr wichtig und für zwei Drittel zumindest „wichtig“.

Jeder Dritte hält mehr Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Pandemien für sehr wichtig, wobei der Aspekt für 79 Prozent der Befragten zumindest „wichtig“ ist. Die Einrichtung von Gesundheitszentren für eine Versorgung „aus einer Hand“ (32 %), mehr Informationen für die Bürger für gesundheitsbewusstes Verhalten (30 %) und die stärkere Nutzung der Möglichkeiten der Digitalisierung bei der Gesundheitsversorgung (29 %) sind für jeweils etwa ein Drittel im Hinblick auf das Gesundheitssystem „sehr wichtig“.

Ein Viertel der Befragten hält es für sehr wichtig, dass Patienten bei einem Arztbesuch mehr Einblick in die Kosten einer Behandlung erhalten als bisher (24 %) und dass Pflegekräfte mehr Verantwortung übernehmen dürfen (23 %). Letzterer Aspekt ist 74 Prozent zumindest „wichtig“.

Ein Angebot von Video- oder Telefonsprechstunden durch Hausärzte oder Fachärzte halten nur 16 Prozent der Befragten für sehr wichtig.

Frauen halten alle Aspekte tendenziell etwas oder deutlich häufiger für sehr wichtig als Männer – insbesondere halten Frauen es deutlich häufiger als Männer für sehr wichtig, dass sich Ärzte und Pflegekräfte für den einzelnen Patienten künftig mehr Zeit nehmen (können). Dass mehr in die Ausbildung von medizinischem und Pflegepersonal investiert wird, schätzen Befragte unter 30 Jahren häufiger als der Durchschnitt als sehr wichtigein, dass mehr Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Pandemien ergriffen werden sollten, hingegen die über 60-Jährigen.

Die – kleine – Gruppe der Bundesbürger, die meinen, dass das Gesundheitssystem von Grund auf verändert werden müsste, halten die meisten vorgeschlagenen Reformansätze tendenziell häufiger für sehr wichtig als der Durchschnitt der Befragten.

Insbesondere betrachten sie den gleichen und schnelleren Zugang zu medizinischer Versorgung, eine gerechtere Verteilung der Kosten des Gesundheitssystems und die Aufhebung der Trennung zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung deutlich häufiger als sehr wichtig.

4. Vermittlung grundlegender Kenntnisse zum Thema Gesundheit

Im Zuge der Corona-Pandemie sind die Bürger in den vergangenen Wochen viel häufiger als sonst mit Gesundheitsinformationen zu Hygiene und dem Schutz vor Ansteckung in Berührung gekommen. Eine große Mehrheit der Bundesbürger (89 %) ist der Meinung, dass Grundkenntnisse zum Thema Gesundheit künftig als fester Bestandteil an Kitas und Schulen vermittelt werden sollten. Nur 9 Prozent halten das nicht für erforderlich.

5. Ausstattung der Gesundheitsämter

Eine Mehrheit von knapp zwei Dritteln der befragten Bürger (65 %) hält es für nötig, dass die Gesundheitsämter mit mehr Personal und Ausrüstung ausgestattet werden sollten, um ihre Aufgaben angemessen bewältigen zu können. Etwa jeder vierte Befragte (23 %) hält eine bessere Ausstattung der Gesundheitsämter nicht für nötig.

6. Telefonische Krankschreibungen

Im Zuge der Corona-Krise war es für einige Wochen möglich, dass Ärzte Patienten bei Erkältungen auch telefonisch krankschreiben konnten und der Patient nicht in der Praxis vorstellig werden musste. Gut ein Drittel der Bundesbürger (36 %) ist der Ansicht, dass es diese Möglichkeit auch in Zukunft bei leichteren Erkrankungen wie Erkältungen generell geben sollte.

Eine Mehrheit von 60 Prozent meint hingegen, dass auch in solchen Fällen künftig vor einer Krankschreibung wieder eine Untersuchung in der Praxis nötig sein sollte. Deutliche Unterschiede ergeben sich in dieser Frage zwischen jüngeren und älteren Befragten: Während sich bei den unter 45-Jährigen Befürworter und Gegner einer telefonischen Krankschreibung die Waage halten, findet unter den über 45-Jährigen jeweils eine deutliche Mehrheit, dass Krankschreibungen künftiger wieder nur nach Arztbesuch erfolgen sollten.

7. Herstellung medizinischer Produkte

Eine überwältigende Mehrheit von 92 Prozent der Bundesbürger ist der Meinung, dass bestimmte Medikamente und Schutzmaterialien künftig verstärkt in Deutschland bzw. Europa produziert werden sollten, um Lieferengpässe zu vermeiden, auch wenn die Preise für diese Medizinprodukte dadurch steigen würden. Nur 5 Prozent halten eine teilweise Rückverlagerung der Produktion nach Deutschland bzw. Europa nicht für notwendig.

8. Anhang – Fragestellungen

  1. Wenn Sie einmal an unser Gesundheitssystem in Deutschland insgesamt denken: Wie groß ist Ihr Vertrauen, dass die Politik auch in Zukunft eine qualitativ hochwertige und bezahlbare medizinische Versorgung für alle Bürgerinnen und Bürger sicherstellt: Haben Sie diesbezüglich in die Politik sehr großes, großes, eher weniger oder gar kein Vertrauen?
  2. Wenn Sie an unser Gesundheitssystem denken, wie es heute ist: Müsste das Gesundheitssystem in Deutschland Ihrer Meinung nach in einigen Bereichen verändert werden, müsste es von Grund auf verändert werden oder sind im Großen und Ganzen keine Veränderungen nötig?
  3. Beim Gesundheitssystem können jedem Bürger ja verschiedene Dinge wichtig sein. Bitte geben Sie bei den folgenden Aspekten und Vorschlägen jeweils an, ob Ihnen das für unser Gesundheitssystem in Deutschland in den nächsten Jahren sehr wichtig, wichtig, weniger wichtig oder gar nicht wichtig ist.

ZUFÄLLIGE REIHENFOLGE

  • dass jeder Bürger den gleichen Zugang zu einer qualitativ hochwertigen medizinischen Versorgung hat
  • dass Patienten schneller medizinisch versorgt werden, z.B. durch schnellere Termine beim Haus- oder Facharzt
  • dass Gesundheitszentren eingerichtet werden, in denen verschiedene Ärzte, Pflegekräfte und andere Gesundheitsberufe zusammenarbeiten, um eine Versorgung „aus einer Hand“ zu ermöglichen
  • dass sich Ärzte und Pflegekräfte für den einzelnen Patienten mehr Zeit nehmen (können)
  • dass die Gesundheitsversorgung für den Einzelnen bezahlbar bleibt
  • dass die Kosten für die Sicherung des Gesundheitssystems gerechter verteilt werden
  • dass das Gesundheitssystem auch langfristig solide finanziert ist und dabei berücksichtigt wird, dass es künftig immer mehr alte Menschen geben wird
  • dass mehr Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Pandemien ergriffen werden
  • dass die Möglichkeiten, die sich durch die Digitalisierung ergeben, auch bei der Gesundheitsversorgung stärker als bisher genutzt werden, z.B. digitale Patientenakte, Einsatz von Computern bei Operationen o.ä.
  • dass Hausärzte oder Fachärzte ihren Patienten neben einem Besuch in der Praxis auch die Möglichkeit der Video- oder Telefonsprechstunde anbieten
  • dass die Bürger künftig mehr als bisher darüber informiert werden, wie Erkrankungen vermieden werden können, z.B. durch ein gesundheitsbewusstes Verhalten, Hygieneregeln, usw.
  • dass Patienten bei einem Arztbesuch mehr Einblick in die Kosten einer Behandlung erhalten als bisher, z.B. indem auch gesetzlich Versicherte von ihrem Arzt eine Rechnung über die abgerechnete Behandlung erhalten
  • dass die bisherige Trennung zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung aufgehoben und eine einheitliche Krankenversicherung für alle eingeführt wird
  • dass die Arbeitsbedingungen für Pflegepersonal verbessert werden, z.B. durch bessere Bezahlung oder bessere Arbeitszeiten
  • dass mehr in die Ausbildung von medizinischem und Pflegepersonal investiert wird
  • dass Pflegekräfte mehr Verantwortung übernehmen dürfen
  • Im Zuge der Corona-Pandemie sind die Bürger in den vergangenen Wochen viel häufiger als sonst mit Gesundheitsinformationen zu Hygiene und dem Schutz vor Ansteckung in Berührung gekommen. Wenn Sie einmal an unser Bildungssystem denken: Sollten künftig Grundkenntnisse zum Thema Gesundheit, z.B. wie man sich gesundheitsbewusst verhält und vor Krankheiten schützt, als fester Bestandteil an Kitas und Schulen vermittelt werden oder halten Sie das nicht für erforderlich?
  • Manche fordern, dass künftig die Gesundheitsämter mit mehr Personal und Ausrüstung ausgestattet werden sollten, um ihre Aufgaben angemessen bewältigen zu können. Halten Sie das für nötig oder ist das Ihrer Meinung nach nicht nötig?
  • Im Zuge der Corona-Krise war es für einige Wochen möglich, dass Ärzte Patienten bei Erkältungen auch telefonisch krankschreiben konnten. Dies bedeutet, dass der Arzt auf Grundlage eines telefonischen Gesprächs mit dem Patienten über die Krankschreibung entscheidet und der Patient nicht in der Praxis vorstellig werden muss. Sollte das auch in Zukunft bei leichteren Erkrankungen wie Erkältungen generell möglich sein oder sollte auch in solchen Fällen künftig vor einer Krankschreibung wieder eine Untersuchung in der Praxis nötig sein?
  • Um Lieferengpässe wie in den letzten Jahren zu vermeiden, fordern einige, dass bestimmte Medikamente und Schutzmaterialien künftig verstärkt in Deutschland bzw. Europa produziert werden sollten, auch wenn die Preise für diese Medizinprodukte dadurch steigen. Teilen Sie diese Meinung oder teilen Sie diese Meinung nicht?

forsa Politik- und Sozialforschung GmbH
im Auftrag der Robert Bosch Stiftung

Aktuelle Ausgabe

Partnermagazine

Akademie

Partner