03_Aus der Wissenschaft

Neurologische Komplikationen bei COVID-19

Die Fallberichte und -serien zunächst aus China, dann vor allem Italien, Spanien und den USA haben früh Hinweise dafür erbracht, dass COVID-19 Erkrankte eine Vielzahl neurologischer Komplikationen erleiden. Prof. Dr. Hans-Peter Hartung und Prof. Dr. Orhan Aktas, Klinik für Neurologie, fassen in einem Kommentar, online erschienen in Nature Reviews Neurology, die Berichte zusammen.

Im Dezember 2019 wurde der erste Fall einer SARS-CoV-2 Infektion in Wuhan berichtet. Seither hat diese primär die Lunge befallende Erkrankung weltweit über 5,6 Millionen Menschen betroffen. In Deutschland waren es 181.300. Global hat COVID-19 etwa 350.800 Todesopfer gefordert, in Deutschland beinahe 8.400. (Johns Hopkins University Corona Virus Research Center, 27.05.2020).

Prof. Hans-Peter Hartung (Direktor der Klinik für Neurologie) und Prof. Aktas, (Leiter des MS-Zentrums an der Klinik für Neurologie und stellv. Direktor der Klinik) haben die Berichte über neurologische Manifestationen in einem gerade online erschienenen Kommentar in der Fachzeitschrift Nature Reviews Neurology zusammengefasst. So kommt es zu Schlaganfällen unterschiedlicher Ursache (ischämisch, hämorrhagisch, im Rahmen einer Koagulapathie), Sinusvenenthrombosen, cerebralen Blutungen, Encephalopathie, Meningitiden, Encephalitiden, akute disseminierte Encephalomyelitis, Myelitis, aber auch zu neuromuskulären Erkrankungen wie Myasthenia gravis, Miller-Fisher- und Guillain-Barré-Syndrom.

Häufige neurologische Symptome sind eine Herabsetzung oder Aufhebung des Riechvermögens, eine Geschmacksstörung, Schwindel, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen.

Ob es sich um zufällige Assoziationen oder ursächliche Verknüpfungen handelt, ist weiter unklar. So ist zu bedenken, dass Patienten mit Schlaganfällen dieselben Risikofaktoren aufweisen, wie sie für schwer verlaufende COVID-19-Erkrankungen beschrieben wurden: Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Übergewicht. Allerdings gibt es auch Hypothesen, denen zufolge es bei COVID-19 zu einem sog. Zytokinsturm kommt, einer explosionsartigen Freisetzung entzündungsfördernder Immunmediatoren, welche u.a. die Gefäßwände schädigen und die Blutgerinnung erheblich verstärken können.

Die neurologischen Manifestationen könnten auch indirekte Folge anderer Effekte sein, die durch zytotoxische CD8 T-Lymphozyten des COVID-19 befallene Patienten, postinfektiöse kreuzreaktive Immunantworten (sog. Molekulares Mimikry) oder überwältigende entzündliche Reaktionen verursacht sind.

Neben diesen indirekten Kollateralschäden werden auch Folgen einer direkten Invasion des zentralen Nervensystems durch das Virus angenommen.

Unklar ist bislang, ob durch COVID-19 die Krankheitsaktivität von Autoimmunerkrankungen verstärkt wird bzw. Patienten mit neuroimmunologischen Krankheiten besonders empfänglich für eine COVID-19 Infektion sind. Zu bedenken ist, dass solche Patienten durch eine Immuntherapie möglicherweise eine virale Infektion mit COVID-19 schlechter abwehren können. Insofern ergeben sich Konsequenzen im Management von neurologischen Autoimmunerkrankungen wie der Multiplen Sklerose oder von immun-vermittelten Neuropathien. Wichtig wird zu erforschen sein, ob die bei diesen Erkrankungen angewendeten Immuntherapien den Erfolg einer möglichen Vakzination gegen COVID-19 vermindern. In jedem Fall ist das therapeutische Management dieser Patienten an die COVID-19 Situation anzupassen.

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