Wie wir bereits jetzt spüren wird es zu mehr Wetterextremen kommen. Die heißen Tage werden häufiger und heißer. In vielen Arbeitsstätten werden die in der technischen Regel für Arbeitsstätten ASR A3.5 genannten 26°C überschritten. Es sind dann zwar noch lange keine klassischen „Hitzearbeitsplätze“, aber trotzdem wird es insbesondere Mitarbeitern mit Vorerkrankungen nicht nur gesundheitliche Probleme bereiten. Im Jahr 2023 gab es in Deutschland nach der Definition des Deutschen Wetterdienstes rund 11,5 heiße Tage mit einer Höchsttemperatur von mindestens 30 Grad Celsius. Bei Hitze kann das körpereigene Kühlsystem überlastet werden. Als Folge von Hitzebelastung können bei empfindlichen Personen Regulationsstörungen und Kreislaufprobleme auftreten. Typische Symptome sind Kopfschmerzen, Erschöpfung und Benommenheit. Hitze wirkt sich in vielfältiger Weise auf den Körper aus. Überhitzung, Wasser- und Elektrolytverlust belasten vor allem das Gehirn, den Kreislauf und die Nieren. Bestehende Erkrankungen von Herz, Lunge und Nieren können sich verschlimmern und auch Frühgeburtsraten erhöhen sich bei Hitzewellen.
Das Thema hitzebedingte Mortalität rückt zunehmend in den Fokus internationaler Untersuchungen. So wurde etwa im Jahr 2020 der Indikator „heat-related mortality“ in den „Lancet Countdown on health and climate change“ aufgenommen. Weltweit wurde die Anzahl der hitzebedingten Sterbefälle im Jahr 2018 mit 296.000 beziffert. In den Jahren 2018–2020 treten zum ersten Mal in Deutschland innerhalb des Untersuchungszeitraums (1992 bis 2021) in drei aufeinanderfolgenden Jahren signifikante Anzahlen hitzebedingter Sterbefälle auf. Insbesondere das Jahr 2018 liegt mit einer geschätzten Anzahl von etwa 8.700 hitzebedingten Sterbefällen in einer ähnlichen Größenordnung wie die historischen Hitzejahre 1994 und 2003 (jeweils rund 10.000 Sterbefälle). Für die Jahre 2019 und 2020 schätzen Modelle etwa 6.900 beziehungsweise 3.700 Sterbefälle (Winklmayr et al. 2022).
Die meisten Arbeitnehmer werden (hoffentlich) bzgl. des Verhaltens an heißen Tagen unterwiesen und erhalten die typischen und guten Tipps, um sich gegen die Hitze zu wappnen: Darauf zu achten, an heißen Tagen mehr zu trinken. Leichte Kost zu sich zu nehmen (Obst, Gemüse oder leicht verdauliche Speisen), lauwarme Duschen oder Fußbäder zur Abkühlung zu nutzen. Auch feuchte Tücher auf Gesicht, Nacken oder Armen können guttun. Luftige Kleidung zu tragen wie leichte, lange Kleidung, Sonnenbrille und Kopfbedeckung usw.
Als Schutzmaßnahme mit der meisten Effizienz um Dehydration zu vermeiden und somit sowohl die geistige als auch die körperliche Leistungsfähigkeit zu erhalten weisen Miller & Bates 2010 auf die Bedeutung einer ausreichenden Flüssigkeitszufuhr hin.
Der Klimawandel bewirkt aber auch psychische Belastungen. Die Hitze führt zu erhöhter Reizbarkeit und Stress: Dies kann die Stimmung und das emotionale Wohlbefinden beeinträchtigen. Es kommt in tropischen Nächten zu Schlafstörungen: Dies führt zu Müdigkeit und Erschöpfung (Bühn & Voss, 2023).
Zu den psychischen Auswirkungen zählen dabei:
- Direkte psychische Auswirkungen: Naturkatastrophen und extreme Wetterereignisse können Traumata, Angst und Stress auslösen. Menschen, die solche Ereignisse direkt erleben, können unter posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) oder anderen psychischen Problemen leiden.
- Indirekte psychische Auswirkungen: Die Unsicherheit über die Zukunft, wirtschaftliche Instabilität und der ständige Druck, sich an veränderte Bedingungen anzupassen, können chronischen Stress und Angst verstärken.
Verschiedene Studien zeigen aber auch einen klaren Zusammenhang mit Arbeitsunfällen:
- Beeinträchtigte Konzentration und Müdigkeit: Hitzestress und schlechtere Luftqualität können die Konzentration und Reaktionsfähigkeit beeinträchtigen, was das Unfallrisiko erhöht.
- Psychische Belastungen und Aufmerksamkeit: Stress und psychische Probleme können die Aufmerksamkeit und das Urteilsvermögen beeinträchtigen. Arbeitnehmer, die unter starkem Stress stehen oder psychische Probleme haben, sind möglicherweise weniger aufmerksam und machen eher Fehler.
- Körperliche Erschöpfung: Hitze und erhöhte physische Anforderungen durch geänderte Arbeitsbedingungen können zu körperlicher Erschöpfung führen, was ebenfalls das Unfallrisiko erhöht.
Neben Herz-/Kreislaufproblemen kann es bei Betroffenen zu Einschränkungen der kognitiven (Yeoman et al., 2022) und physischen Leistungsfähigkeit kommen, was ebenfalls in Unfällen münden kann. Cedeño Laurent et al. (2016) untersuchen den Zusammenhang zwischen Temperatur und kognitiver Leistungsfähigkeit. Zwei kognitive Tests wurden über einen Zeitraum von 12 Tagen im Juli im Großraum Boston täglich durchgeführt: Der Stroop-Farb-Wort-Test (STROOP) zur Bewertung der selektiven Aufmerksamkeit/Verarbeitungsgeschwindigkeit und ein visueller Additions-/Subtraktionstest mit zwei Ziffern (ADD) zur Bewertung der kognitiven Geschwindigkeit und des Arbeitsgedächtnisses. Die Studie zeigt eine Zunahme der Reaktionszeit (STROOP = 13,4 %, p 0001; ADD = 13,3 %, p 0,001) und eine Verringerung des Durchsatzes (STROOP = –9,9 %, p 0,001; ADD = –6,3 %, p = 0,08) während der Hitzewelle bei den Bewohnern ohne Klimaanlage im Vergleich zu den Bewohnern mit Klimaanlage.
Verschiedene Studien finden einen signifikanten Anstieg der Unfallzahlen am Arbeitsplatz in Abhängigkeit von der Temperatur (z.B. Adam-Poupart A et al. (2015); Fogleman M et al. (2005)). Rameezdeen & Elmualim (2017) finden in Ihrer Studie, dass ältere Arbeitnehmer bei Hitze anfälliger sind für Unfälle und sie bei Hitzewellen mit größerer Wahrscheinlichkeit schwerere Unfälle erleiden als jüngere Arbeitnehmer.
Drescher & Janzen (2023) untersuchen anhand von Daten aus der Schweiz die Auswirkungen auf Arbeitsunfälle. In ihrer Studie werteten die Forschenden Arbeitsunfälle von 1996 bis 2019 aus. Drescher und Janzen zeigen, dass mit Temperaturen über 30 Grad auch die Zahl der Arbeitsunfälle steigt – und zwar um 7,4 Prozent. Drescher und ihr Ko-Autor berechnen auch den wirtschaftlichen Schaden, den die Unfallzunahme an Hitzetagen ab 30 Grad, aber auch an Sommertagen mit 25 bis 30 Grad und Kältetagen mit Minusgraden verursacht: Demnach beliefen sich im Beobachtungszeitraum die Kosten der temperaturbedingten Unfälle auf etwa 90 Millionen Schweizer Franken jährlich. Die medizinischen Kosten und die verlorene Arbeitszeit aufgrund von temperaturbedingten Arbeitsunfällen verursachen hohe Kosten. Die sozialen Kosten des Kohlenstoffs werden unterschätzt, wenn bei ihrer Berechnung die Auswirkungen einer suboptimalen Temperatur auf die Sicherheit am Arbeitsplatz nicht einbezogen werden (Park et al., 2021).
Überträger von Infektionskrankheiten werden sich aus dem Süden kommend bei uns dank der höheren Temperaturen wohler fühlen. Laut Weltklimarat werden durch Erwärmungen von 1,5 °C auf 2 °C besonders Malaria und Denguefieber zunehmen und auch in neuen Gebieten auftreten. Stechmücken wie die Ägyptische Tigermücke (Aedes aegypti, = Gelbfieber, Denguefieber, Zikafieber und einige andere Viruserkrankungen) oder die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus, = Dengue-, Chikungunya- und Gelbfieberviren) breiten sich in Europa immer weiter aus. Die globalisierte Mobilität von Menschen und Gütern leistet allerdings bei der Änderung des Infektionsgeschehens einen signifikanten Beitrag (Becker, 2008). Eine übersichtliche Darstellung über diesen Faktor findet sich in BAuA (Tabelle 1, 2022).
Wir werden auf die sich klimabedingt ändernden Einwirkungen am Arbeitsplatz in der Beurteilung der Arbeitsbedingungen Antworten finden müssen.
Im DIN gibt es mittlerweile ein eigenes Arbeitsgremium zum Klimawandel. Der KU-AK 4 ist ein Arbeitsgremium der DIN Koordinierungsstelle Umweltschutz zum Thema Anpassung an den Klimawandel. In ihm versammeln sich Expert*innen, die jeweils mit ihrer Fachexpertise auf den Klimawandel schauen und daran arbeiten, die Anpassung an die Folgen des Klimawandels in die Normung zu tragen und Normungsgremien darin zu unterstützen, die Herausforderungen des Klimawandels und die Anpassung von Normen anzugehen. Auch der VDI e.V. hat die Klimafolgenanpassung zum Focus-Thema auserkoren und befasst sich in seinen Gremien mit der Problematik. DGUV und VDSI e.V. befassen sich ebenfalls in Ihren Gremien intensiv mit dem Thema.
Literatur:
Adam-Poupart A, Smargiassi A, Busque MA, Duguay P, Fournier M, Zayed J, Labrèche F. Effect of summer outdoor temperatures on work-related injuries in Quebec (Canada). Occup Environ Med. 2015 May;72(5):338–45. doi: 10.1136/oemed-2014–102428 . Epub 2015 Jan 24. PMID: 25618108 .
Bauer S, Bux K, Dieterich F, Gabriel K, Kienast C, Klar S, Alexander T. Klimawandel und Arbeitsschutz. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Bericht, 2022.
Becker N. Influence of climate change on mosquito development and mosquito-borne diseases in Europe. In: Parasitology Research 103, 2008, H. 1, 19–28
Bühn S, Voss M. Gutachten Klimawandel und Gesundheit – Auswirkungen auf die Arbeitswelt. BMAS, Februar 2023
Cedeño Laurent JG, Williams A, Oulhote Y, Zanobetti A, Allen JG, Spengler JD. Reduced cognitive function during a heat wave among residents of non-air-conditioned buildings: An observational study of young adults in the summer of 2016. PLoS Med 15(7), 2018
Drescher K, Janzen. When weather wounds workers: The impact of temperature on workplace accidents. ECONSTOR, BGPE Discussion Paper, No. 226, Juli 2023
Fogleman M, Fakhrzadeh L, Bernard TE.
The relationship between outdoor thermal conditions and acute injury in an aluminum smelter. Int J Ind Ergonom 2005;35:47–55.
Miller, V, Bates, G. Hydration. Hydration. Hydration. Ann. Occup. Hyg., 2010, Vol. 54, No. 2, 134–136
Park J., Pankratz N., Behrer A. Temperature, workplace safety, and labor market inequality. IZA Discussion Paper No. 14560, 2021
Rameezdeen R, Elmualim A. The Impact of Heat Waves on Occurrence and Severity of Construction Accidents. Int. J. Environ. Res. Public Health 2017, 14, 70; doi:10.3390/ijerph14010070
Winklmayr C, Muthers S, Niemann H, Mücke HG, an der Heiden M: Heat-related mortality in Germany from 1992 to 2021. Dtsch Arztebl Int 2022; 119: 451–7. DOI: 10.3238/arztebl.m2022.0202
Yeoman K, Weakley, A, DuBosea, W, Honnc, K, McMurry, T, Eitera, B, Baker, B, Poplina, G. Effects of heat strain on cognitive function among a sample of miners. Elsevier, Applied Ergonomics, 102, 2022
Silvester Siegmann
Der Nachdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung. ecomed MEDIZIN, ecomed-Storck GmbH, Landsberg am Lech,
aus Umweltmedizin – Hygiene – Arbeitsmedizin 2024, Jg. 29, H. 2 (7–11)



