05_Datenschutz

Fragerecht des Arbeitgebers und Beschäftigtendatenschutz im Hinblick auf sogenannte Diversitätsmerkmale

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1. Einleitung

Die Arbeitswelt wird nicht zuletzt als Folge der Globalisierung, aber auch aufgrund gesellschaftlicher Veränderungen zunehmend durch Vielfalt und Diversität geprägt, die von Unternehmen vermehrt als Chance und Gewinn wahrgenommen werden. Internationalen Studien der Wirtschaftsberatungsgesellschaft McKinsey aus den Jahren 2018 und 2020 zufolge „haben Unternehmen, die sich durch einen hohen Grad an Diversität auszeichnen, eine größere Wahrscheinlichkeit, überdurchschnittlich profitabel zu sein.“1

Der in diesem Zusammenhang häufig verwendete englische Begriff Diversity verweist auf den internationalen Rahmen, in dem Ansätze zum Diversity-Management entstanden sind und diskutiert werden.2 In einer jüngeren Studie eines Wirtschaftsberatungsunternehmens wird berichtet, dass die globale Finanzbranche dieses Thema auch bei Kunden- und Partnerunternehmen einfordere. So habe zum Beispiel die amerikanische Beteiligungsgesellschaft Blackrock angekündigt „sich künftig nur noch an solchen Unternehmen mehrheitlich zu beteiligen, deren Vorstände ‚divers‘ genug besetzt [seien].“3 Ein ähnliches Ziel hätten auch andere Unternehmen der Branche.

Solche Aussagen wecken die Sorge, dass internationale Unternehmen in Zukunft Partnerunternehmen auch bestimmte Diversitätsquoten bei den Beschäftigten abverlangen könnten, die diese dann nachzuweisen hätten. Gegenstand dieser Arbeit ist die Frage, ob deutsche Unternehmen als Arbeitgeber persönliche Daten der Beschäftigten erheben und verarbeiten dürfen, um die gesellschaftliche Vielfalt ihrer Beschäftigten abbilden zu können.

2. Diversitätsmerkmale

Der Begriff der Diversität umfasst die Vielfalt aller Menschen in ihren Gemeinsamkeiten und Unterschieden. Eine gesetzliche Definition gibt es nicht. Die seit 2011 als Verein organisierte Wirtschaftsinitiative „Charta der Vielfalt“, die sich für die Förderung von Diversity in Unternehmen durch Förderung eines vorurteilsfreien Arbeitsumfelds einsetzt,4 erfasst Diversität nach einem mehrschichtigen Modell aus der US-amerikanischen Soziologie. Als Kerndimensionen von

Diversität werden danach sieben nahezu unveränderliche Persönlichkeitsmerkmale bezeichnet:

  • Alter,
  • ethnische Herkunft und Nationalität,
  • Geschlecht und geschlechtliche Identität,
  • körperliche und geistige Fähigkeiten,
  • Religion und Weltanschauung,
  • sexuelle Orientierung sowie
  • soziale Herkunft.5

Im Detail variieren Darstellung und Zuschnitt der Diversitätsmerkmale einschließlich der für die vorliegende Fragestellung wesentlichen Kernmerkmale auch in Wissenschaft und Lehre,6 jedoch handelt es sich in jedem Fall um eng mit der Persönlichkeit verbundenen Merkmale, die dem verfassungsrechtlichen Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes – GG) zuzurechnen sind.

3. Fragerecht des Arbeitgebers

Das Recht des Arbeitgebers, im Bewerbungsgespräch oder während des bestehenden Arbeitsverhältnisses nach derartigen Merkmalen zu fragen oder entsprechende Daten auf andere Weise zu erheben, unterliegt engen Grenzen.

Die überkommene Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) verlangte dafür zumindest ein berechtigtes Interesse an den Angaben.7 „Ein solches Interesse ist [danach] nur dann gegeben, wenn eine Abwägung der verfassungsmäßig geschützten Positionen des Arbeitnehmers mit dem Informationsbedürfnis des Arbeitgebers zu dessen Gunsten ausfällt. […] Mittlerweile ergibt sich die Rechtmäßigkeit eines Fragerechts aus dem Diskriminierungs- und dem Datenschutzrecht.“8

Die Interessenabwägung steht dabei weiterhin im Mittelpunkt.

4. Allgemeines
Gleichbehandlungsgesetz

Die unter Punkt 2 aufgeführten Kernmerkmale der Diversität stimmen zum Großteil mit den in § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) aufgezählten Merkmalen Rasse oder ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexuelle Identität überein. Eine Diskriminierung von Beschäftigten aufgrund dieser Merkmale ist dem Arbeitgeber nach § 7 Abs. 1 AGG verboten. Daraus ergibt sich nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Europäischer Gerichtshof – EuGH) und des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich auch ein entsprechendes Frageverbot. „Ein berechtigtes Interesse an der Einholung von Information über Bewerber tritt zurück, sofern die Information es ermöglicht, nicht gerechtfertigte Unterscheidungen nach unzulässigen Differenzierungsgründen zu treffen.“9 Eine Ausnahme gilt nach § 8 Abs. 1 AGG nur, wenn das erfragte Merkmal oder dessen Fehlen eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung für die Tätigkeit oder Erfüllung der gesetzlichen Pflichten des Arbeitgebers ist. Dies ist aber für die Erhebung der Merkmale der Diversität, soweit sie von § 1 AGG erfasst werden, in aller Regel nicht der Fall.

5. Datenschutzrecht

Zu prüfen ist auch, ob eine Verarbeitung von Informationen zu den beschriebenen Diversitätsmerkmalen mit dem Datenschutzrecht vereinbar ist. Die wesentlichen datenschutzrechtlichen Bestimmungen sind in der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO)10 und dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) niedergelegt, das in seinem Anwendungsbereich die Regelungen der DS-GVO konkretisiert (vgl. § 1 Abs. 6 BDSG).11

Die DS-GVO regelt unter anderem den Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten (Art. 1 DS-GVO). Erfasst wird nach Art. 2 Abs. 1 DS-GVO die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie die nichtautomatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen.

Die Diversitätsmerkmale von Beschäftigten sind personenbezogene Daten gemäß der Begriffsbestimmung des Art. 4 Nr. 1 DS-GVO, da es sich um Informationen handelt, die sich auf identifizierte natürliche Personen (betroffene Personen) beziehen.

Für den Anwendungsbereich des Bundesdatenschutzgesetzes (§ 1 Abs. 1 und 4 BDSG) erweitert § 26 Abs. 7 BDSG den sachlichen Anwendungsbereich des Beschäftigtendatenschutzes. Danach wird die nicht automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten auch dann erfasst, wenn die Daten nicht in einem Dateisystem gespeichert sind oder werden sollen. „Auch die individuelle Auskunft (Anruf beim früheren Arbeitgeber), die handschriftliche Notiz über den oder die Beobachtung des Beschäftigten ist demnach ein erlaubnisbedürftiger Vorgang.“12

5.1. Verarbeitung von Daten

Art. 4 Nr. 2 DS-GVO definiert als Verarbeitung jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe, die im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten steht. Beispielhaft werden das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, der Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung von Daten genannt. Unter Erheben von Daten fällt das Beschaffen von personenbezogenen Daten bei dem Betroffenen selbst,13 sodass das Befragen der Beschäftigten darunterfällt. Aber auch „zufällige Kenntnisnahme wird bei einer Verwendung z.B. im Wege der Niederschrift zum Erfassen oder zur Speicherung“.14

Die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten richtet sich grundsätzlich nach Art. 6 DS-GVO (siehe dazu weiter unten Punkt 5.3).

5.2. Besondere Kategorien
personenbezogener Daten

Grundsätzlich untersagt ist nach Art. 9 Abs. 1 DS-GVO die Verarbeitung personenbezogener Daten, aus denen die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen, sowie die Verarbeitung von genetischen Daten, biometrischen Daten zur eindeutigen Identifizierung einer natürlichen Person, Gesundheitsdaten oder Daten zum Sexualleben oder der sexuellen Orientierung einer natürlichen Person. Die Mehrzahl der oben genannten Diversitätsmerkmale fällt in die Kategorie besonders schützenswerter personenbezogener Daten, sodass die Verarbeitung insoweit grundsätzlich unzulässig ist.15

5.2.1. Rechtmäßigkeit der
Verarbeitung

Art. 9 Abs. 2 Buchstabe a bis j DS-GVO regeln Ausnahmetatbestände, unter denen auch eine Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten zulässig ist. Sie werden durch § 22 und 26 BDSG weiter konkretisiert.16 Vorliegend kommen zwei Ausnahmefälle in Betracht:

5.2.1.1. Einwilligung

Art. 9 Abs. 2 Buchstabe a DS-GVO regelt in Verbindung mit § 26 Abs. 2 und 3 Satz 2 BDSG den Fall der wirksamen Einwilligung der betroffenen Person.

„Einwilligung“ der betroffenen Person ist nach Art. 4 Nr. 11 DS-GVO jede freiwillig für den bestimmten Fall, in informierter Weise und unmissverständlich abgegebene Willensbekundung, dass sie mit der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten einverstanden ist.

Für die Einwilligung in die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten bedarf es nach Art. 9 Abs. 2 Buchstabe a DS-GVO ihrer ausdrücklichen Erklärung für einen oder mehrere festgelegte Zwecke. Aus Erwägungsgrund 42 zur DSGVO geht hervor, dass eine Einwilligung nur dann freiwillig erfolgt, wenn die betroffene Person „eine echte oder freie Wahl hat und somit in der Lage ist, die Einwilligung zu verweigern oder zurückzuziehen, ohne Nachteile zu erleiden“.17

§ 26 Abs. 2 Satz 1 und 2 BDSG konkretisieren für den Fall der Verarbeitung personenbezogener auf der Grundlage einer Einigung, dass für die Beurteilung der Freiwilligkeit der Einwilligung insbesondere die im Beschäftigungsverhältnis bestehende Abhängigkeit der beschäftigten Person sowie die Umstände, unter denen die Einwilligung erteilt worden ist, zu berücksichtigen sind.

Freiwilligkeit kann danach insbesondere vorliegen, wenn für die beschäftigte Person ein rechtlicher oder wirtschaftlicher Vorteil erreicht wird oder Arbeitgeber und beschäftigte Person gleichgelagerte Interessen verfolgen. Im Übrigen sind die Bedingungen für die Einwilligung nach Art. 7 DS-GVO zu beachten.

Eine Verarbeitung der Beschäftigtendaten zu den oben genannten Diversitätsmerkmalen mit Personenbezug wäre folglich, auch soweit sie unter Art. 9 Abs. 1 DS-GVO fallen, auf Grundlage einer Einwilligung grundsätzlich möglich. Es muss jedoch im Einzelfall genau geprüft werden, ob die Einwilligung tatsächlich freiwillig erfolgte, da die bestehende strukturelle Ungleichheit zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten zu einer Drucksituation führen kann, in der eine wirksame Einwilligung mangels Freiwilligkeit ausscheidet.18

5.2.1.2. Zwecke des
Beschäftigungsverhältnisses

Eine weitere Ausnahme wird durch Art. 9 Abs. 2 Buchstabe b DS-GVO für den Fall begründet, dass die Verarbeitung erforderlich ist, damit der Verantwortliche oder die betroffene Person die ihm bzw. ihr aus dem Arbeitsrecht und dem Recht der sozialen Sicherheit und des Sozialschutzes erwachsenden Rechte ausüben und seinen bzw. ihren diesbezüglichen Pflichten nachkommen kann. Für Zwecke des Beschäftigtenverhältnisses wird die Bestimmung durch § 26 Abs. 3 BDSG konkretisiert.

§ 26 Abs. 3 Satz 1 BDSG spezifiziert damit die in Art. 9 Abs. 2 vorgegebenen Regelungen zum Umgang mit Daten der Beschäftigten. Danach ist eine Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten ausnahmsweise zulässig, wenn sie zur Ausübung von Rechten oder zur Erfüllung rechtlicher Pflichten aus dem Arbeitsrecht, dem Recht der sozialen Sicherheit und des Sozialschutzes erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person an dem Ausschluss der Verarbeitung überwiegt. Neben der Erforderlichkeitsprüfung des Art. 9 Abs. 2 Buchstabe b DSGVO ist also nach § 26 Abs. 3 BDSG zusätzlich noch eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit vorzunehmen.19

Vorschriften, die eine Verarbeitung der personenbezogenen Daten zu Diversitätsmerkmalen von Beschäftigten zur Ausübung von Rechten oder Pflichten aus dem Arbeitsrecht oder dem Recht der sozialen Sicherheit und des Sozialschutzes erfordern, sind allerdings nicht ersichtlich. Die Verarbeitung kann daher nicht auf diese Ausnahme gestützt werden.

5.3. Sonstige personenbezogene
Daten

Soweit Daten zu den genannten Diversitätsmerkmalen nicht einer der besonderen Kategorien personenbezogener Daten nach Art. 9 Abs. 1 DS-GVO unterfallen, wie z.B. Alter, Geschlecht oder Staatsangehörigkeit, richtet sich die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung grundsätzlich nach Art. 6 DS-GVO. In den Fällen der Datenverarbeitung zu Zwecken des Beschäftigtenverhältnisses sind auch die spezifischeren Regelungen des § 26 Abs. 1 BDSG anwendbar.

5.3.1. Zwecke des
Beschäftigungsverhältnisses

Personenbezogene Daten dürfen gemäß § 26 Abs. 1 BDSG für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses verarbeitet werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung oder zur Ausübung oder Erfüllung der sich aus einem Gesetz oder einem Tarifvertrag, einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung (Kollektivvereinbarung) ergebenden Rechte und Pflichten der Interessenvertretung der Beschäftigten erforderlich ist. Demnach ist § 26 BDSG nur anwendbar, wenn die Verarbeitung personenbezogener Daten einen sachlichen Bezug zum Beschäftigtenverhältnis aufweist.20

Bei der Auslegung des Merkmals „für Zwecke des Beschäftigtenverhältnisses“ ist auf die Öffnungsklausel des Art. 88 DS-GVO zurückzugreifen. Danach können die Mitgliedstaaten spezifischere Vorschriften für die Verarbeitung personenbezogener Beschäftigtendaten im Beschäftigungskontext vorsehen. Beispielhaft werden aufgezählt: Zwecke der Einstellung, der Erfüllung des Arbeitsvertrags einschließlich der Erfüllung von durch Rechtsvorschriften oder durch Kollektivvereinbarungen festgelegten Pflichten, des Managements, der Planung und der Organisation der Arbeit, der Gleichheit und Diversität am Arbeitsplatz, der Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, des Schutzes des Eigentums der Arbeitgeber oder der Kunden sowie für Zwecke der Inanspruchnahme der mit der Beschäftigung zusammenhängenden individuellen oder kollektiven Rechte und Leistungen und für Zwecke der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses vorsehen.

Die Erhebung personenbezogener Daten zu Diversitätsmerkmalen der Beschäftigten zum Zwecke der Abbildung der Diversität der Mitarbeiter gegenüber möglichen Geschäftspartnern dient nicht einem der aufgeführten Zwecke des Beschäftigtenverhältnisses, sondern der unternehmerischen Tätigkeit des Arbeitgebers, sodass der sachliche Anwendungsbereich des § 26 Abs. 1 BDSG nicht eröffnet und Art. 6 DS-GVO als allgemeine Regelung einschlägig ist. Eine Verarbeitung personenbezogener Daten ist danach nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der unter Art. 6 Abs. 1 Buchstaben a bis f DS-GVO aufgezählten Bedingungen erfüllt ist, von denen vorliegend zwei in Betracht kommen.

5.3.2. Einwilligung

In Betracht kommt nach Art. 6 Abs. 1 Buchstabe a DS-GVO die Einwilligung der betroffenen Person, die für einen oder mehrere bestimmte Zwecke abgegeben werden muss. Sie muss ebenfalls die Anforderungen der Art. 4 Nr. 11 und Art. 7 DS-GVO erfüllen, d.h. freiwillig, in informierter Weise und unmissverständlich abgegeben werden. Anders als nach Art. 9 Abs. 2 Buchstabe a DS-GVO, ist allerdings keine ausdrückliche Erklärung dazu erforderlich. Eine eindeutige bestätigende Handlung, mit der die betroffene Person zu verstehen gibt, dass sie mit der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten einverstanden ist, ist nach Art. 4 Nr. 11 DS-GVO ausreichend.

5.3.3. Wahrung berechtigter
Interessen des Verantwortlichen

Eine Verarbeitung personenbezogener Daten ist nach Art. 6 Abs. 1 Buchstabe f DS-GVO auch zulässig, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen.

5.3.3.1. Berechtigtes Interesse

In der vorliegenden Fragestellung liegt die Erhebung personenbezogener Daten, wie oben (Punkt 5.3.1) festgestellt, im unternehmerischen Interesse des Arbeitgebers (als Verantwortlicher der Datenverarbeitung) an der Abbildung der Diversität gegenüber möglichen internationalen Geschäftspartnern. Welche Interessen als „berechtigt“ im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Buchstabe f DS-GVO anzusehen sind, legt die DS-GVO nicht fest.

Die durch Art. 29 der EU-Datenschutzrichtlinie21 als unabhängiges Beratungsgremium der Europäischen Kommission in Fragen des Datenschutzes eingesetzte sogenannte Artikel-29-Datenschutzgruppe hat in einer Stellungnahme zum Begriff des „berechtigten Interesses“ im Sinne des Art 7 Buchstabe f EU-Datenschutzrichtlinie22 ausgeführt: „Nach Auffassung der Artikel-29-Datenschutzgruppe könnte der Begriff des berechtigten Interesses ein breites Spektrum von Interessen einschließen, nichtige oder sehr zwingende, unkomplizierte oder strittigere. In einem zweiten Schritt, wenn es zur Abwägung dieser Interessen gegen die Interessen und Grundrechte der betroffenen Personen kommt, sollten dann eine restriktivere Herangehensweise und eine substanziellere Analyse stattfinden. [ ]

Als relevant im Sinne von Artikel 7 Buchstabe f [der EU-Datenschutzrichtlinie bzw. Art. 6 Abs. 1 Buchstabe f DS-GVO] muss ein „berechtigtes Interesse“ daher:

  • rechtmäßig sein (d. h. dem anwendbaren EU-Recht und einzelstaatlichen Recht entsprechen);
  • hinreichend klar artikuliert sein, damit eine Prüfung der Ausgewogenheit der Interessen möglich ist, in der es gegen die Interessen und Grundrechte der betroffenen Person abgewogen wird (d. h., es muss hinreichend spezifisch sein);
  • ein tatsächliches und gegenwärtig vorliegendes Interesse darstellen (d. h. nicht spekulativ sein).“23

Diese Ausführungen haben auch für die Auslegung der Nachfolgevorschrift des Art. 6 Abs. 1 Buchstabe f DS-GVO Bedeutung.

Danach dürfte auch ein wirtschaftliches oder ideelles Interesse des Verarbeiters als Rechtfertigung grundsätzlich in Betracht kommen.24 Solange aber ein Erfordernis der Darlegung der Diversität im Unternehmen im Geschäftsverkehr mit internationalen Partnern tatsächlich noch nicht besteht und lediglich für die Zukunft befürchtet wird, müsste das Interesse wohl als spekulativ im Sinne der zitierten Ausführungen bezeichnet werden mit der Folge, dass es nicht zur Rechtfertigung der Verarbeitung personenbezogener Daten herangezogen werden könnte.

5.3.3.2. Interessenabwägung

Sofern ein bestehendes berechtigtes Interesse anzunehmen wäre, müsste schließlich noch eine nach Art. 6 Abs. 1 Buchstabe f DS-GVO ausdrücklich vorgeschriebene Interessenabwägung zwischen dem berechtigten Interesse des Arbeitgebers an der Verarbeitung personenbezogener Daten und dem Recht der betroffenen Beschäftigten auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) vorgenommen werden.25 Dabei sind „die jeweils einander gegenüberstehenden Rechte und Interessen […] [nach der Rechtsprechung des EuGH] grundsätzlich von den konkreten Umständen des betroffenen Einzelfalls abhängig und dementsprechend auch einzelfallbezogen zu ermitteln und zu beurteilen.“26 „Im Rahmen der Interessenabwägung spielen unter anderem der mit der Datenverarbeitung verfolgte Zweck und die dahinter stehenden Interessen, Art, Inhalt und Aussagekraft der Daten sowie die Folgen derer Verarbeitung und (potenziellen) Verwendung und die davon betroffenen oder sonst involvierten Interessen eine Rolle.“ In diesem Zusammenhang könnte es etwa darauf ankommen, ob der Nachweis hinreichender Diversität dem Unternehmer regelmäßig abverlangt wird oder ob es sich lediglich um Einzelfälle handelt und welche Bedeutung die jeweils angestrebte Geschäftsbeziehung im Einzelfall für das Unternehmen hat. Zu berücksichtigen ist schließlich auch „die vernünftige Erwartungshaltung der betroffenen Person bzw. die Absehbarkeit (Branchenüblichkeit) der Verarbeitung.“27

5.4. Zwischenfazit

Als Zwischenergebnis kann festgehalten werden, dass eine zulässige Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten zu Diversitätsmerkmalen allenfalls auf Grundlage einer Einwilligung erfolgen kann, aber auch eine Verarbeitung personenbezogener Daten, die nicht dem besonderen Schutz des Art. 9 Abs. 1 DS-GVO unterliegen, sich ohne Einwilligung der betroffenen Personen wohl nicht rechtfertigen lassen könnte.

5.5. Anonymisierung

Die Grundsätze des Datenschutzes gelten für Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen.28 Für die Abbildung der Diversität der Beschäftigten etwa in Form von Quoten ist es grundsätzlich nicht erforderlich, dass diese Daten einzelnen Personen zugeordnet werden können.

„Bei der Anonymisierung handelt es sich um einen Vorgang, der darauf gerichtet ist, dass die personenbezogenen Daten ihren Personenbezug verlieren. […] Eine hinreichende Anonymisierung führt dazu, dass die Grundsätze des Datenschutzrechts […] nicht mehr anwendbar sind (vgl. Erwägungsgrund 26, Satz 4 und 5 DS-GVO).“29 Nach Auffassung des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) stellt der Vorgang der Anonymisierung damit selbst eine rechtfertigungsbedürftige Verarbeitung im Sinne des Art. 4 Nr. 2 DS-GVO dar.30

Dieser Ansicht wird allerdings im Schrifttum widersprochen.31 Rechtsprechung liegt zu der Frage soweit ersichtlich noch nicht vor.

Voraussetzung für eine zulässige Anonymisierung personenbezogener Daten ist aber in jedem Fall deren zulässige Erhebung, die vorliegend, wie oben gesehen, wohl nur im Wege der Zustimmung der betroffenen Personen möglich ist. Dabei muss sich die Zustimmung, wenn man mit dem BfDI die Anonymisierung als Verarbeitung im Sinne des Art. 4 Nr. 2 DS-GVO versteht, auch auf den Anonymisierungsvorgang sowie die weitere Verwendung der anonymisierten Daten erstrecken.

1 McKinsey & Company: Neue Studie belegt Zusammenhang zwischen Diversität und Geschäftserfolg, Pressemitteilung vom 24. Januar 2018, abrufbar im Internetauftritt von McKinsey & Company: https://www.mckinsey.com/de/news/presse/neue-studie-belegt-zusammenhang-zwischen-diversitat-und-geschaftserfolg; McKinsey & Company: Zusammenhang zwischen Diversität und Geschäftserfolg so deutlich wie nie, Pressemitteilung vom 19. Mai 2020, abrufbar im Internetauftritt von McKinsey & Company: https://www.mckinsey.de/news/presse/2020–05–19-diversity-wins.

2 Vgl. Gregull, Elisabeth: Migration und Diversity,
Internetveröffentlichung, Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), Dossier Migration, abrufbar im Internetauftritt der bpb: https://www.bpb.de/themen/migration-integration/dossier-migration/223777/migration-und-diversity/.

3 Atruvia AG: Diversity in deutschen Unternehmen, Umfragestudie in Zusammenarbeit mit dem Handelsblatt Research Institute, 2021, S. 38, abrufbar im Internetauftritt der Atruvia AG: https://atruvia.de/uploads/files/Diverse-Landingpages/Diversity-in-deutschen-Unternehmen.pdf.

4 Vgl. im Internetauftritt der Initiative „Charta der Vielfalt“: https://www.charta-der-vielfalt.de/ueber-uns/.

5 Vgl. im Internetauftritt der „Charta der Vielfalt“: https://www.charta-der-vielfalt.de/fuer-arbeitgebende/vielfaltsdimensionen/mit Verweis auf Gardenswartz und Rowe: „Four Layers of Diversity“.

6 Vgl. z.B. die leicht abweichende Darstellung im Internetauftritt der Freien Universität Berlin: https://www.fu-berlin.de/sites/diversitaet-und-lehre/diversitaetsmerkmale/index.html.

7 BAG, Urteil vom 5. Oktober 1995 – 13 Sa 128/93.

8 Dütz, Wilhelm; Thüsing, Gregor: Arbeitsrecht, 26. Auflage, München 2021, Rn. 90, 90a.

9 Schlachter in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 24. Auflage 2024, § 7 AGG, Rn. 5 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des EuGH und des BAG.

10 Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung), abrufbar in der Gesetzesdatenbank Europäischen Union: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=celex:32016R0679.

11 Riesenhuber, in: BeckOK Datenschutzrecht, 46. Edition, Stand: 1. August 2023, § 26 BDSG, Rn. 20.

12 Riesenhuber, in: BeckOK Datenschutzrecht, Stand 1. August 2023, § 26 BDSG, Rn. 40.

13 Schild, in: BeckOK, DS-GVO, 46. Edition, Stand: 1. November 2023, Art. 4, Rn. 35.

14 Ernst, in: Paal/Pauly (Hrsg.), DS-GVO / BDSG, 3. Auflage 2021, Art. 4 DS-GVO, Rn. 23.

15 In den übrigen Fällen unterliegt die Verarbeitung allein den allgemeinen Rechtmäßigkeitsanforderungen nach Art. 6 DS-GVO, siehe unten Punkt 5.3).

16 Albers/Veit, in: BeckOK Datenschutzrecht, Wolff/Brink/v. Ungern-Sternberg, 46. Edition, § 22 BDSG, Rn. 15.

17 Erwägungsgrund 42, Satz 5 DS-GVO.

18 Vgl. Gola/Pötters, in: Gola/Heckmann, Datenschutz-Grundverordnung – Bundesdatenschutzgesetz, 3. Auflage 2022, § 26 BDSG, Rn. 68.

19 Kritisch hierzu Gola/Pötters, in: Gola/Heckmann, Datenschutz-Grundverordnung – Bundesdatenschutzgesetz, 3. Auflage 2022, § 26 BDSG, Rn. 75.

20 Franzen, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 24. Auflage 2024, § 26 BDSG, Rn. 6 ff; Tiedemann, in: Sydow/Marsch, DS-GVO | BDSG, 3. Auflage 2022, Art. 88 DSGVO, Rn. 6.

21 Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr; sie wurde mit Wirkung vom 25. Mai 2018 durch die Datenschutz-Grundverordnung abgelöst (Art. 94 DS-GVO).

22 Stellungnahme 06/2014 zum Begriff des berechtigten Interesses des für die Verarbeitung Verantwortlichen gemäß Artikel 7 der Richtlinie 95/46/EG vom 9. April 2014, abrufbar in der Gesetzesdatenbank Europäischen Union: https://ec.europa.eu/justice/article-29/documentation/opinion-recommendation/files/2014/wp217_de.pdf.

23 Stellungnahme 06/2014 zum Begriff des berechtigten Interesses des für die Verarbeitung Verantwortlichen gemäß Artikel 7 der Richtlinie 95/46/EG vom 9. April 2014, S. 31 f., in der Gesetzesdatenbank Europäischen Union: https://ec.europa.eu/justice/article-29/documentation/opinion-recommendation/files/2014/wp217_de.pdf.

24 Vgl. auch Albers/Veit, in: BeckOK Datenschutzrecht, Wolff/Brink/v. Ungern-Sternberg, 46. Edition, Art. 6 DS-GVO, Rn. 68.

25 Albers/Veit, in: BeckOK Datenschutzrecht, Wolff/Brink/v. Ungern-Sternberg, 46. Edition, Stand:
1. August 2023, Art. 6 DSGVO, Rn. 70 ff.

26 Albers/Veit, in: BeckOK Datenschutzrecht, Wolff/Brink/v. Ungern-Sternberg, 46. Edition, Stand: 1. August 2023, Art. 6 DSGVO, Rn. 72 .

27 Albers/Veit, in: BeckOK Datenschutzrecht, Wolff/Brink/v. Ungern-Sternberg, 46. Edition, Stand: 1. August 2023, Art. 6 DSGVO, Rn. 71 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des EuGH und dem Schrifttum); vgl. Erwägungsgrund 47, Satz 1 und 3 DS-GVO.

28 Erwägungsgrund 26, Satz 1 DS-GVO.

29 Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI): Positionspapier zur Anonymisierung unter der DSGVO unter besonderer Berücksichtigung der TK-Branche, 29. Juni 2020, S. 3, abrufbar im Internetauftritt des BfDI: https://www.bfdi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Konsultationsverfahren/1_Anonymisierung/Positionspapier-Anonymisierung.pdf?__blob=publicationFile&v=6.

30 BfDI: Positionspapier zur Anonymisierung unter der DSGVO unter besonderer Berücksichtigung der TK-Bran- che, 29. Juni 2020, S. 5, abrufbar im Internetauftritt des BfDI: https://www.bfdi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Konsultationsverfahren/1_Anonymisierung/Positionspapier-Anonymisierung.pdf?__blob=publicationFile&v=6.

31 Thüsing, Gregor / Rombey, Sebastian: Anonymisierung an sich ist keine rechtfertigungsbedürftige Datenverarbeitung, ZD 2021, 548–553.


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