Die Arbeit auf Intensivstationen in Kliniken und Krankenhäusern ist geprägt durch meist hohe psychische und physische Belastung. Oft müssen unter hohem Zeitdruck Entscheidungen über medizinische Eingriffe gefällt werden, die über Leben und Tod entscheiden können. Menschliche Fehler können weitreichende Folgen haben. Hier sichert die professionelle und gelingende Kommunikation Menschenleben. Kommunikationsstörungen sind dabei häufig die Ursache von Fehlern. Für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind Intensivstationen außerdem die am stärksten emotional belasteten Bereiche im Krankenhaus. Folgende Faktoren spielen hier eine Rolle:
- Besondere physische Belastung für Ärzte und Pflegepersonal durch Schichtdienst
- Hohe Arbeitsbelastung von teils bis zu 60 Stunden pro Woche und mehr
- Immer höhere Technisierung der Arbeitsumgebung und „Teilung“ der Arbeitsbereiche
- Arbeit in permanenter Erwartung unvorhergesehener Ereignisse und daraus folgender Abläufe, was eine permanente Daueraufmerksamkeit erfordert
- Ständige Bereitschaft, instabile, multimorbide und/oder auch lebensbedrohlich erkrankte Menschen (Corona-Patienten) aufzunehmen
- Plötzliches Auftreten von Komplikationen rund um die Uhr, die auch lebensbedrohlich sein können und die sofortiges Handeln erfordern
- Befunde und Therapiepläne müssen innerhalb kürzester Zeit ausgewertet, über bestmögliche Therapien schnell entschieden werden
- Hohe Sterblichkeit, auch aufgrund der Entscheidung für oder gegen Operationen, die vom Personal seelisch verarbeitet werden müssen
- In der Corona-Krise höchster Druck durch die Einhaltung von Vorsichtsmaßnahmen und Unsicherheit über das richtige Verhalten gegenüber Patienten und auch im Team gegenüber dem „neuen“ Virus
Tiefe Müdigkeit und Aggressivität zugleich
Es verwundert daher nicht, dass die hohe Arbeitsdichte und der emotionale Stress von den Mitarbeitenden auf den Intensivstationen nicht immer adäquat physisch und psychisch bewältigt werden kann. Psychische Erschöpfungssyndrome sind bei Ärzten und Pflegenden auf Intensivstationen häufig festzustellen. Symptome sind emotionale Erschöpfung, tiefe Müdigkeit, Antriebslosigkeit bei gleichzeitiger Aggressivität und Distanziertheit. Diese Symptome zeichnen auch das Burnout-Syndrom aus. Nicht zu Unrecht gehen ärztliche und pflegende Tätigkeiten mit einem erhöhten Burnout-Risiko einher.
Auslöser sind häufig Konflikte im Team, hohe Arbeitsbelastung und „End-of-life“-Situationen.
Eine kollegiale Kommunikation kann solchen Erschöpfungssyndromen entgegenwirken, interprofessionelle Gesprächsrunden stellen die Grundlage für eine gesunde Teamstruktur dar. Mangelhafte Kommunikation, zum Beispiel in Notfallsituationen oder bei Übergaben, gefährdet die Patientensicherheit und führt im schlimmsten Fall zu Behandlungsfehlern. Maßnahmen zur Verbesserung der Kommunikation auf der Intensivstation müssen daher in jedem Fall ergriffen werden, denn Kommunikation auf der Intensivstation ist im wahrsten Sinne des Wortes lebensnotwendig. Folgende Hindernisse stehen diesem hohen Kommunikationsbedarf entgegen:
- Organische und seelische Auswirkungen von Krankheiten auf die emotionale Befindlichkeit des Patienten und damit auch auf die Fähigkeit zu kommunizieren
- Kommunikationshindernisse durch die mangelnde Informationsweitergabe beim Schichtdienst (hier spielen Zeitknappheit, Übermüdung und unterschiedliches Kommunikationsverhalten eine Rolle)
- Störungen in den Beziehungen der behandelnden Ärzte und des Pflegepersonals (unausgesprochene und schwelende Konflikte und Missverständnisse)
- Sprachliche Barrieren (zum Beispiel aus soziokulturellen Gründen, aber auch zwischen jungem und altem Personal)
- Zeitdruck, Überlastung und Ausbildungsdefizite im Arbeitsteam (Schichtdienste, Nachtschichten, unvollständiger Freizeitausgleich)
Folgende Situationen auf den Intensivstationen sind „störanfällig“ in der Kommunikation:
- Übergaben bei Schichtwechsel (Arzt-Arzt, Arzt-Pflege, Pflege-Pflege)
- Verlegung von Patientinnen und Patienten
- Notfallsituationen
Hier spielen Unterbrechungen und Ablenkungen durch Kolleginnen und Kollegen, Telefonate, aber auch Übermüdung und Erschöpfung nach langen Arbeitstagen eine große Rolle, viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind zum einen kaum noch in der Lage, konzentriert und aufmerksam zu kommunizieren und um anderen scheint es häufig kaum möglich, ungestörte Gesprächssituationen herzustellen.
Wie sieht an größtmöglicher Sicherheit orientierte Kommunikation aus?
Es scheint zunächst geboten, die sicherheitsrelevante Bedeutung der Kommunikation in der Intensivmedizin sowohl von Seiten der Klinikleitung als auch im Intensivteam anzuerkennen. Die leitenden Ärztinnen und Ärzte müssen trotz Zeitnot und der Dringlichkeit des ärztlichen Tuns auf den Intensivstationen stets die Entwicklung einer guten Arbeitsatmosphäre und eines Zusammenhalts im Blick haben. Ein erster Schritt in diese Richtung wäre es, folgende Kommunikationsziele anzusteuern:
- Regelmäßige und feste Informationsstrukturen festlegen (Welcher Ort? Welche Zeit? Welches Team? Art der Behandlung?)
- Rolle und Funktion der einzelnen Teammitglieder genau festlegen
- Teamgespräche als wichtigen Bestandteil der täglichen Arbeit auf der Intensivstation integrieren (Vorgespräche, Kommunikation während der Operation, Nachgespräche nach Patientenentlassung)
- Kommunikation über emotionale Belastung des Teams im Kontakt mit den individuellen Schicksalen der Patientinnen und Patienten im Nachgang ermöglichen (schwierige medizinische Entscheidungen, Reanimationen, Sterbebegleitung)
- Kommunikation über Arbeitszeitgestaltung, die Burnout und Übermüdung verhindern soll (Mitgestaltung des Dienstplans und die Teilnahme an klinikinternen Forschungsprojekten)
- Über den Umgang mit den Restriktionen durch die Coronapandemie und datenschutzrechtliche Einschränkungen sprechen und die Möglichkeit der Gestaltung von und Mitwirkung bei Kommunikation schaffen
Direkter und kollegialer Austausch in einer offenen Gesprächsatmosphäre sollte somit das Ziel einer verbesserten Kommunikation auf den Intensivstationen der Kliniken sein, um die psychische und physische Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewährleisten. Um die Sicherheit der Patientinnen und Patienten sicherzustellen, muss das Problem Burn-out bekämpft werden. Dafür ist eine gut strukturierte und auch standardisierte Kommunikation sehr hilfreich.
Professionelle Kommunikation in Intensivstationen verhindert Behandlungsfehler und muss in regelmäßigen Weiterbildungen und durch Vorbereitung auf verschiedene „Notfallsituationen“ (zum Beispiel Reanimationstrainings in Simulatorzentren) geübt werden. Besonders wichtig ist das Trainieren von „genuinen“ Notfallsituationen. Häufig werden diese aber noch nicht regelmäßig durchgeführt.
Checklisten für vollständige Faktenübermittlung
Als eine mögliche konkrete Strategie zur Vermeidung von Informationsverlusten sind Übergabechecklisten, so zum Beispiel die sogenannte 5-Finger-Methode entwickelt worden (siehe Tabelle oben). Gegenüber der „klassischen“ Übergabemethode haben die Beteiligten mehr wichtige Fakten zum jeweiligen Patienten bekommen. Diese Methode ist insbesondere für jüngere Kolleginnen und Kollegen interessant, die noch über wenig Erfahrung in Übergabesituationen verfügen.