07_Aus dem Bundestag

Corona als Arbeitsunfall und Berufskrankheit

Vorbemerkung der Fragesteller

Wer aus Sicht der Fragestellenden bei seiner Arbeit durch SARS-CoV-2 (Corona) erkrankt, muss durch die gesetzliche Unfallversicherung entsprechend entschädigt werden. Erkrankungen durch das SARS-CoV-2-Virus können die Voraussetzungen einer Berufskrankheit nach § 9 Absatz 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) in Verbindung mit Nummer 3101 der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung erfüllen (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Schriftlichen Fragen 64 und 65 der Abgeordneten Jutta Krellmann auf Bundestagsdrucksache 19/22831). Die Voraussetzungen dafür lauten „Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war“ (ebd.). Unter bestimmten Voraussetzungen ist auch eine Anerkennung als Arbeitsunfall nach § 8 Absatz 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch möglich (ebd.). Damit gibt es zwei verschiedene Anerkennungsverfahren für dieselbe Erkrankung.

Aus Sicht der Fragestellenden bleibt aber unklar, welche anderen Beschäftigtengruppen unter welchen Bedingungen eine Entschädigung erhalten. Es gibt Presseberichte darüber, dass Tausende Berechtigte keine Entschädigung bekommen, weil ihre Erkrankung nicht bei der Unfallversicherung angezeigt wird (vgl.

https://www.buzzfeed.com/de/danieldrepper/coronavirus-entschaedigung-
berufskrankheit).

Deshalb wird die Bundesregierung zur aktuellen Entwicklung von Berufskrankheiten und Arbeitsunfällen aufgrund von Corona befragt.

Vorbemerkung der
Bundesregierung

Auch der Bundesregierung ist es wichtig, dass Personen, die im beruflichen Kontext an Corona erkranken, unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehen. Dies kann zum einen in bestimmten Branchen über das Berufskrankheitenrecht erfolgen. Andererseits kann eine Erkrankung bei Versicherten jeder Branche als Arbeitsunfall anerkannt werden. Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten sind jeweils gleichwertige Versicherungsfälle in der gesetzlichen Unfallversicherung, die Ansprüche auf das volle Leistungsspektrum auslösen.

  1. Unter welchen Bedingungen kann nach Kenntnis der Bundesregierung eine durch SARS-CoV-2 verursachte Erkrankung (Corona) von den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung als Arbeitsunfall anerkannt werden (bitte begründen)?

a) Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass Beschäftigte aller Wirtschaftszweige oder Tätigkeitsbereiche Anspruch haben, eine durch SARS-CoV-2 verursachte Erkrankung als Arbeitsunfall anerkannt zu bekommen, und wenn nein, welche Einschränkungen gibt es für bestimmte Beschäftigtengruppen, und warum?

b) Was unternimmt die Bundesregierung, um die Bevölkerung und Betriebe über die Möglichkeit aufzuklären, dass eine durch SARS-CoV-2 verursachte Erkrankung ein Arbeitsunfall sein kann?

Die Fragen 1 bis 1b werden gemeinsam beantwortet.

Ein Arbeitsunfall liegt vor, wenn es infolge der versicherten Tätigkeit der Betroffenen zu einer durch SARS-CoV-2 verursachten Erkrankung kommt. Ob die Voraussetzungen zur Anerkennung einer COVID-19-Erkrankung als Arbeitsunfall vorliegen, prüft der zuständige Träger der gesetzlichen Unfallversicherung im Einzelfall. Hierbei werden nach Auskunft der Deutschen gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) für die gewerblichen Berufsgenossenschaften und die Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand sowie nach Auskunft der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) für die landwirtschaftliche Unfallversicherung einheitliche Kriterien angewandt.

Eine Infektion mit dem SARS-CoV-2-Erreger muss auf eine nachweislich mit dem Virus infizierte Person („Indexperson“) zurückzuführen sein. Dies setzt einen intensiven beruflichen Kontakt mit dieser Indexperson voraus. Hierbei kommt es vor allem auf die Dauer und die Intensität des Kontaktes an. Lässt sich keine konkrete Indexperson feststellen, kann im Einzelfall auch eine größere Anzahl nachweislich infizierter Personen innerhalb eines Betriebs oder einer Einrichtung ausreichen, um als Nachweis für die Verursachung infolge der versicherten Tätigkeit zu dienen. Dies gilt im Übrigen auch, wenn die Infektion auf dem Weg zur oder von der Arbeit eingetreten ist.

Im Einzelfall ist aber auch zu prüfen, ob im maßgeblichen Infektionszeitraum Kontakt zu anderen Indexpersonen außerhalb der versicherten Tätigkeit bestand und ob dies einer Anerkennung als Arbeitsunfall entgegensteht.

Diese Voraussetzungen gelten für alle in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Personen und damit ohne Einschränkung für alle Beschäftigtengruppen sowie weitere Gruppen von Versicherten wie z. B. Kinder in Kindertageseinrichtungen oder in Tagespflege, Schülerinnen und Schüler, Studierende, ehrenamtlich tätige und bürgerschaftlich engagierte Menschen.

Die DGUV und die SVLFG informieren in ihren Informationsangeboten im Internet ausführlich zum Thema COVID-19. Dort finden sich auch weiterführende Informationen dazu, dass eine Infektion mit SARS-CoV-2 ein Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit sein kann (https://www.dguv.de/de/mediencenter/hintergrund/corona_arbeitsunfall/index.jsp und

https://www.svlfg.de/faq-uv-corona). Dies gilt entsprechend für die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung.

  1. Wie viele Anzeigen auf Anerkennung einer durch SARS-CoV-2 verursachten Erkrankung (Corona) als Arbeitsunfall wurden nach Kenntnis der Bundesregierung 2020 bei den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung gestellt, und wie viele davon wurden anerkannt (bitte jeweils gesondert nach Geschlecht, Wirtschaftszweig und Unfallversicherungsträger sowie jeweils Monat der Anmerkung ausweisen; bitte in Summe sowie nach Verletzten- bzw. Übergangsgeld und Rentenleistung aufschlüsseln)?

Die Anzahl der Unfallanzeigen sowie die davon bislang anerkannten Versicherungsfälle können der folgenden Tabelle entnommen werden (vorläufiger Stand bis einschließlich 20. November 2020). Es ist zu beachten, dass noch nicht zu allen Meldungen eine versicherungsrechtliche Entscheidung getroffen werden konnte, da auch ganz aktuell eingegangene Meldungen enthalten sind.

Die vorgenannten statistischen Angaben beruhen auf Auskünften der DGUV. Die Daten wurden in einer Sondererhebung aggregiert erhoben. Eine Aufschlüsselung nach Geschlecht, Wirtschaftszweig und Monat der Anerkennung liegt nicht vor.

Nach Auskunft der SVLFG liegen für die landwirtschaftliche Unfallversicherung zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Unfallmeldungen zu COVID-19-Erkrankungen vor.

Wie hoch waren nach Kenntnis der Bundesregierung die Entschädigungsleistungen der Unfallversicherungsträger aufgrund einer durch SARS-CoV-2 verursachten Erkrankung (Corona) als Arbeitsunfall (bitte differenzieren nach Unfallversicherungsträgern, Branchen bzw. Wirtschaftszweigen, Bundesländern, Geschlecht sowie Dauer der Arbeitszeit: Vollzeit, Teilzeit, Leiharbeit und befristete Arbeitsverträge)?

Angaben zu Entschädigungsleistungen sind nach Auskunft der DGUV erst im Folgejahr verfügbar. Die SVLFG hat mangels Unfallmeldungen noch keine Entschädigungsleistungen zu verzeichnen.

Unter welchen Bedingungen kann nach Kenntnis der Bundesregierung eine durch SARS-CoV-2 verursachte Erkrankung (Corona) von den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung als Berufskrankheit anerkannt werden (bitte jeweils begründen)?

a) Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass Beschäftigte aller Wirtschaftszweige oder Tätigkeitsbereiche Anspruch haben, eine durch SARS-CoV-2 verursachte Erkrankung als Berufskrankheit anerkannt zu bekommen, und wenn nein, welche Einschränkungen gibt es für bestimmte Beschäftigtengruppen, und warum?

b) Was unternimmt die Bundesregierung, um die Bevölkerung und Betriebe über die Möglichkeit aufzuklären, dass eine durch SARS-CoV-2 verursachte Erkrankung eine Berufskrankheit sein kann?

Die Fragen 4 bis 4b werden gemeinsam beantwortet.

Eine durch SARS-CoV-19 verursachte Erkrankung kann eine Berufskrankheit (BK) im Sinne der Nr. 3101 der Berufskrankheitenliste sein. Entsprechend der Bezeichnung der BK Nr. 3101 setzt die Anerkennung voraus, dass die Betroffenen „im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt“ waren. Bei diesen Tätigkeiten ist typischerweise von einem deutlich erhöhten Infektionsrisiko auszugehen. Die Aufzählung ist aber nicht abschließend, sodass auch in anderen Berufszweigen eine Anerkennung als Berufskrankheit grundsätzlich möglich ist. Voraussetzung hierfür ist, dass vergleichbare Infektionsrisiken mit SARS-CoV-2 wie im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium festgestellt werden.

Um dies zu prüfen, hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) verschiedene Stellen und Einrichtungen wie das Robert-Koch-Institut, die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin und die Landesgesundheitsämter der großen Flächenstaaten um Daten gebeten. Abgesehen von den bereits bekannten Erkenntnissen über das Gesundheitswesen, Meldepflichten nach dem Infektionsschutzgesetz und die Situation in bestimmten Schlachtbetrieben liegen dort allerdings keine flächendeckenden Daten über berufsbezogene Infektionen vor. Das BMAS führt die Recherche unvermindert fort und hat hierzu beim Ärztlichen Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten des Ministeriums eine Arbeitsgruppe eingerichtet. Die Arbeitsgruppe hat in einer ersten kursorischen Bewertung zunächst zwei Veröffentlichungen geprüft, die auf Basis umfangreicher Daten der Barmer Ersatzkasse bzw. der Allgemeinen Ortskrankenkassen erstellt wurden. Eine weitere Auswertung befindet sich derzeit noch in der Erstellung.

Aus dem vorliegenden Datenmaterial ergaben sich bislang keine wissenschaftlichen Erkenntnisse für besondere Infektionsrisiken in anderen Tätigkeiten, die denen im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium vergleichbar wären. Die Arbeitsgruppe des Sachverständigenbeirats ist derzeit mit der vertieften Prüfung weiterer nationaler und auch internationaler wissenschaftlicher Veröffentlichungen befasst. Sobald die Ergebnisse vorliegen, werden sie auf der Homepage des BMAS veröffentlicht.

In den Tätigkeiten, in denen derzeit keine Anerkennung einer COVID-19-Erkrankung als Berufskrankheit möglich ist, ist jedoch die Anerkennung als Arbeitsunfall möglich. Hierdurch wird ebenfalls das Leistungsspektrum der gesetzlichen Unfallversicherung eröffnet. Die versicherten Personen sind demnach unabhängig vom Versicherungstatbestand umfassend geschützt. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen.

Über die Möglichkeiten der Anerkennung einer Erkrankung durch SARS-CoV-2 als Berufskrankheit informieren die für die relevanten Tätigkeitsbereiche zuständigen Unfallversicherungsträger ihre Mitgliedsbetriebe und zusätzlich auf ihren Homepages. Auch die DGUV hat entsprechende Pressemitteilungen veröffentlicht und informiert auf ihrer Homepage (https://www.dguv.de/de/mediencenter/hintergrund/corona_arbeitsunfall/index.jsp).

  1. Wie viele Berufskrankheiten nach Nummer 3101 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung „Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war“ wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in den letzten zehn Jahren bei den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung angezeigt, und wie viele davon wurden anerkannt (bitte jährlich und in Summe ausweisen)?

Nach Auskunft der SVLFG wurden in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung in den letzten zehn Jahren insgesamt 11 Fälle der BK Nr. 3101 angezeigt. Hierbei kam es zu 2 Anerkennungen (in den Jahren 2011 und 2019) und 9 Ablehnungen (jeweils 1 Fall in den Jahren 2012, 2016 und 2018, 2 Fälle in 2015 und 4 Fälle in 2019). Im Übrigen wird auf die Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 67 auf Bundestagsdrucksache 19/22831, S. 45 verwiesen.

Wie viele Anzeigen auf Anerkennung einer durch SARS-CoV-2 verursachten Erkrankung (Corona) als Berufskrankheit wurden nach Kenntnis der Bundesregierung 2020 bei den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung gestellt, und wie viele davon wurden anerkannt (bitte jeweils gesondert nach Geschlecht, Wirtschaftszweig und Unfallversicherungsträger sowie jeweils Monat der Anmerkung ausweisen; bitte in Summe sowie nach Art der Leistung – z. B. Rentenleistung – aufschlüsseln)?

Von der DGUV wurden folgende statistische Angaben für den Zeitraum bis einschließlich 20. November 2020 mitgeteilt. Eine Aufschlüsselung nach Geschlecht, Wirtschaftszweig, Monat der Anerkennung und Art der Leistung liegt nicht vor. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen.

Nach Auskunft der SVLFG ist dort bisher eine BK-Verdachtsanzeige eingegangen. Diese wurde abgelehnt.

Wie hoch waren nach Kenntnis der Bundesregierung die Entschädigungsleistungen der Unfallversicherungsträger aufgrund einer durch SARS-CoV-2 verursachten Erkrankung (Corona) als Berufskrankheit (bitte differenzieren nach Unfallversicherungsträgern, Branchen bzw. Wirtschaftszweigen, Bundesländern, Geschlecht sowie Dauer der Arbeitszeit: Vollzeit, Teilzeit, Leiharbeit und befristete Arbeitsverträge)?

Angaben zu Entschädigungsleistungen sind nach Auskunft der DGUV erst im Folgejahr verfügbar. Die SVLFG hat noch keine Entschädigungsleistungen zu verzeichnen.

Wie viele mit dem Coronavirus infizierte Beschäftigte wurden nach Kenntnis der Bundesregierung dem Robert Koch-Institut 2020 gemeldet, und in welchen Branchen oder Wirtschaftszweigen waren diese Beschäftigt (bitte in Summe sowie für alle Branchen bzw. Wirtschaftszweige wie Gesundheitsdienst, Wohlfahrtspflege, Laboratorien, Fleischwirtschaft oder Einzelhandel gesondert ausweisen)?

Bis zum 18. November 2020 wurden 833.307 COVID-19-Fälle an das Robert-Koch-Institut (RKI) übermittelt. Für 24.831 COVID-19 Fälle wurde eine Tätigkeit in einer Einrichtung gemäß § 23 des Infektionsschutzgesetzes – IfSG – (z. B. Krankenhäuser, ärztliche Praxen, Dialyseeinrichtungen und Rettungsdienste) übermittelt. Eine Tätigkeit in Einrichtungen gemäß § 33 IfSG (z. B. Kitas, Kinderhorte, Schulen, Heime und Ferienlager) wurde für 11.299 Fälle übermittelt. Eine Tätigkeit in Einrichtungen nach § 36 IfSG (z. B. Pflegeeinrichtungen, Einrichtungen zur gemeinschaftlichen Unterbringung von Asylsuchenden, Obdachlosenunterkünfte, sonstige Massenunterkünfte, Justizvollzugsanstalten) wurde für 16.798 COVID-19-Fälle übermittelt. Darüber hinaus wird der Beruf und die Tätigkeit in bestimmten Branchen nicht an das RKI übermittelt.

Bei den Angaben ist zu berücksichtigen, dass gemäß IfSG für COVID-19-Fälle auch übermittelt werden kann, ob sie in einer für den Infektionsschutz relevanten Einrichtung tätig sind. Es wird dabei zwischen verschiedenen Arten von Einrichtungen unterschieden. Da Angaben zur Tätigkeit bei vielen Fällen fehlen, ist die Anzahl der Fälle mit Tätigkeit in den einzelnen Einrichtungen als Mindestangabe zu verstehen. Aktuelle Daten können jeweils mittwochs den öffentlich zugänglichen Situationsberichten des RKI entnommen werden

(https://www.rki.de/DE/Content/
InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/
Situationsberichte/Gesamt.html).

Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragestellenden, dass auch Beschäftigte in Branchen wie der Fleischwirtschaft, dem Einzelhandel, in Schulen, Kindergärten, der Polizei, Feuerwehr, in Großraumbüros oder anderen Branchen bzw. Wirtschaftszweigen in ähnlichem Maße einer Infektionsgefahr durch SARS-CoV-2 ausgesetzt waren wie Beschäftigte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium (bitte begründen)?

Die vierte Tatbestandsalternative der BK Nr. 3101 beinhaltet keinen Auffangtatbestand für all jene Fälle, die nicht unter die Einrichtungen der ersten bis dritten Alternative (Gesundheitsdienst, Wohlfahrtspflege, Laboratorien) einzuordnen sind. Für die Anwendung der vierten Alternative ist vielmehr eine konkrete Risikoerhöhung in einer weiteren gesamten Branche erforderlich, die sich in entsprechend erhöhten Erkrankungszahlen niedergeschlagen haben muss und epidemiologisch nachweisbar ist. Eine Gefährdung in einzelnen Betrieben reicht nicht aus. In Tätigkeitsbereichen außerhalb des Gesundheitsdienstes, der Wohlfahrtspflege oder Laboratorien kommt aber unabhängig hiervon eine Anerkennung als Arbeitsunfall in Frage. Der Aus- und Bewertungsprozess der vorliegenden Daten im Ärztlichen Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten zur Frage, ob weitere Tätigkeiten in den Anwendungsbereich der BK Nr. 3101 einbezogen werden können, ist noch nicht abgeschlossen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen.

Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragestellenden, dass alle Beschäftigten, die im Zusammenhang mit ihrer Arbeit an SARS-CoV-2 erkranken, von der gesetzlichen Unfallversicherung entsprechend entschädigt werden müssen, unabhängig von der Art ihrer Tätigkeit (bitte begründen)?

Unter Beachtung der bei der Antwort zu den Fragen 1 und 4 dargestellten Voraussetzungen für die Anerkennung einer durch SARS-CoV-2 verursachten Erkrankung als Arbeitsunfall oder Berufskrankheit sowie unter Einhaltung der weiteren im Unfallversicherungsrecht geltenden gesetzlichen und höchstrichterlichen Rahmenbedingungen ist die Bundesregierung der Ansicht, dass bei allen Fällen, bei denen diese Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt sind, vor dem Hintergrund der Gleichbehandlung eine Anerkennung erfolgen muss.

Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragestellenden, dass es zur Klarheit und Vereinfachung beitragen würde, wenn es bei Erkrankungen durch SARS-CoV-2 ein einheitliches Anerkennungsverfahren als Berufskrankheit gäbe, und beabsichtigt die Bundesregierung ein einheitliches Berufskrankheitenverfahren für Erkrankungen durch SARS-CoV-2 zu etablieren?

Eine Ausweitung des Anwendungsbereiches der BK Nr. 3101 auf andere Tätigkeiten ist derzeit nicht möglich. Die derzeit laufenden Prüfungen der epidemiologischen Veröffentlichungen zum Infektionsrisiko und weiterer Erkenntnisse haben bislang noch nicht dazu geführt, dass in einer Branche eine vergleichbare Infektionsgefahr wie im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium festgestellt wurde. Gerade deshalb ist es sinnvoll, beide Anerkennungsverfahren offen zu halten. Die Anerkennung einer Corona-Erkrankung als Arbeitsunfall bei den Tätigkeiten, die nicht von der BK Nr. 3101 erfasst sind, ist möglich und wird auch vorgenommen (siehe Antwort zu Frage 2). Berufskrankheiten und Arbeitsunfälle sind jeweils gleichwertige Versicherungsfälle in der gesetzlichen Unfallversicherung, die Ansprüche auf das volle Leistungsspektrum auslösen.

Im Übrigen ist ein einheitliches Verfahren zur Anzeige und Prüfung von Berufskrankheiten bereits etabliert. Dieses findet auch für Anzeigen im Zusammenhang mit SARS-CoV-2 Anwendung.

Welche Kenntnisse liegen der Bundesregierung darüber vor, inwiefern unabhängige Beratungsstellen für Betroffene von Berufskrankheiten dazu beitragen, dass mehr Berechtigte eine Entschädigung von der gesetzlichen Unfallversicherung erhalten?

a) In welchen Bundesländern gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung diese unabhängigen Beratungsstellen?

b) Inwiefern teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, dass es diese Beratungsstellen in allen Bundesländern geben sollte insbesondere im Hinblick auf Corona als Berufskrankheit, und was unternimmt sie, um deren Einrichtung zu unterstützen?

Die Fragen 12 bis 12b werden gemeinsam beantwortet.

Beratungsstellen für Berufskrankheiten existieren nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit in den Bundesländern Bremen und Hamburg. In Berlin ist die Einrichtung einer Beratungsstelle geplant. Inwiefern unabhängige Beratungsstellen für Betroffene von Berufskrankheiten dazu beitragen, dass mehr Berechtigte eine Entschädigung von der gesetzlichen Unfallversicherung erhalten, ist der Bundesregierung nicht bekannt. Ihre Einbeziehung in das Verfahren zur Prüfung einer Berufskrankheit ist rechtlich nicht vorgesehen. Im Hinblick auf die umfangreichen gesetzlichen Vorgaben für Verwaltungsverfahren zur Prüfung einer Berufskrankheit und die zusätzliche Einbeziehung der jeweils für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen der Bundesländer wird derzeit keine Notwendigkeit für die Einrichtung weiterer Beratungsstellen gesehen: Zunächst steht den Erkrankten ein umfassendes Recht auf Aufklärung und Beratung durch die Unfallversicherungsträger zu (§§ 13 und 14 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch). In der gesetzlichen Unfallversicherung gilt darüber hinaus der sogenannte Amtsermittlungsgrundsatz (§ 20 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch). Dieser verpflichtet die Unfallversicherungsträger, den Sachverhalt zum Vorliegen eines Arbeitsunfalles oder einer Berufskrankheit umfassend und objektiv aufzuklären sowie mögliche Ansprüche auf Versicherungsleistungen festzustellen. Die Handlungsweise der Unfallversicherungsträger unterliegt hierbei unabhängiger Kontrolle durch die entsprechenden staatlichen Rechtsaufsichtsbehörden und die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit.

Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 7. Dezember 2020 übermittelt.

Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext.

Aktuelle Ausgabe

Partnermagazine

Akademie

Partner