08 Aktuelle Rechtsprechung

OVG Lüneburg – Rücknahme von Atemschutzmasken mit unzutreffender CE-Kennzeichnung

Leider nutzen im Rahmen der Pandemie findige Geschäftemacher die Mangelsituation für unsaubere Geschäfte mit FFP2-Masken. Foto: © Patrick Daxenbichler – stock.adobe.com

Die Antragstellerin ist ein Großhandelsunternehmen unter anderem für Geschenkartikel. Ab April 2020 vertrieb sie Atemschutzmasken, die in China hergestellt wurden. Bei diesen Atemschutzmasken sollte es sich nach den Angaben der Antragstellerin um sogenannte filtrierende Halbmasken (FFP2-Masken) handeln. Das Unternehmen stellte am 23.03.2020 durch ihren Prokuristen eine Konformitätserklärung aus, wonach die Atemschutzmasken mit der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 09.03.2016 über persönliche Schutzausrüstungen (VO (EU) 2016/425), der sogenannten PSA-Verordnung, konform seien.

Im Mai 2020 hatte sich eine Privatperson an das Gewerbeaufsichtsamt Cuxhaven gewandt und gefragt, ob es sich bei der von ihr erworbenen Atemschutzmaske tatsächlich um eine FFP2-Maske handele und ob die Konformitätserklärung der Antragstellerin korrekt sei. Sie übersandte der Behörde zwei Fotos einer in Plastikfolie eingepackten Atemschutzmaske. Auf der Verpackung der Atemschutzmaske befand sich der Name und die Adresse der Antragstellerin. Die Person hatte diese Atemschutzmaske nach eigenen Angaben über eine Versandapotheke im Internet bezogen.

Daraufhin forderte die Behörde im Mai 2020 die Antragstellerin auf, nachzuweisen, dass die Masken den geltenden gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Dies gelang der Antragstellerin nach Ansicht der Behörde nicht. Daher drohte sie an, dass die Masken vom Markt zu nehmen seien. Anschließend fand ein mehrmonatiger schriftlicher Austausch zwischen den Beteiligten statt. Mit Bescheid vom 15. September 2020 ordnete die Behörde schließlich gegenüber dem Unternehmen an, dass die Bereitstellung der Atemschutzmasken auf dem Markt ab sofort untersagt werde und die Masken unverzüglich aus dem Handel zu nehmen seien. Die Rücknahme sei unter Androhung von Zwangsgeldern bis zum 30.09.2020 zu veranlassen. Zugleich ordnete die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung ihrer Maßnahmen an, so dass ein Widerspruch gegen diesen Bescheid keine aufschiebende Wirkung entfalten konnte.

Die Behörde wies in der Begründung ihrer Anordnung darauf hin, dass die Kennzeichnung der Atemschutzmaske nicht der VO (EU) 2016/425 / Norm EN 149 entspreche. Die Atemschutzmasken würden aufgrund ihrer Kennzeichnung als persönliche Schutzausrüstung auf dem Markt bereitgestellt. Für diese Atemschutzmasken der Kategorie III gemäß Anhang I VO (EU) 2016/425 sei nach deren Artikel 19 ein Konformitätsbewertungsverfahren mit EU-Baumusterprüfung, die durch eine notifizierte Stelle zu erfolgen habe, durchzuführen. Die vorgelegten Prüfberichte erfüllten jedoch nicht die Anforderungen einer Baumusterprüfung, weil sie nicht durch eine notifizierte Stelle erfolgt sei. Im Übrigen könnten die Atemschutzmasken auch nicht auf der Grundlage der Medizinischer Bedarf Versorgungssicherstellungsverordnung (MedBVSV: „Verordnung zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit Produkten des medizinischen Bedarfs bei der durch das Coronavirus SARS-CoV-2 verursachten Epidemie“) auf dem Markt bereitgestellt werden.

Entscheidung des OVG

Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat die Rücknahmeanordnung wegen nicht ordnungsgemäßer Dokumentation und Kennzeichnung vorläufig (bis zur Hauptsacheentscheidung) bestätigt. Im Ergebnis folgte das OVG dem Verwaltungsgericht Stade, welches in erster Instanz mit dem Fall befasst war. Da die Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren erging, war eine summarische Prüfung durch das Gericht ausreichend. Die Richterinnen und Richter stützten sich dabei insbesondere auf formale Verstöße gegen die PSA-Verordnung VO (EU) 2016/425 und attestierten der Antragstellerin zusammengefasst die folgenden Verstöße:

  • unzulässige Ausweisung als Atemschutz- und FFP2-Masken;
  • irreführende Angabe einer tatsächlich nicht involvierten benannten Prüfstelle;
  • unzulässige CE-Kennzeichnung nach der PSA-Richtlinie;
  • unrichtige Ausstellung einer EU-Konformitätserklärung.

Zunächst stellte das OVG fest, dass es sich bei den Masken um PSA im Sinne der EU-Verordnung handele. Gemäß Art. 3 Nr. 1 a) sei eine PSA eine Ausrüstung, die entworfen und hergestellt wird, um von einer Person als Schutz gegen ein oder mehrere Risiken für ihre Gesundheit oder ihre Sicherheit getragen oder gehalten zu werden. Atemschutzmasken sollen vom Träger als Schutz vor Gesundheitsrisiken getragen werden. Gemäß Art. 4 der EU- Verordnung dürften PSA nur dann auf dem Markt bereitgestellt werden, wenn sie bei angemessener Wartung und bestimmungsgemäßer Verwendung der Verordnung entsprechen und nicht die Gesundheit oder Sicherheit von Personen (oder Haustieren oder Eigentum) gefährden. Die PSA sind hierzu einem besonderen Konformitätsbewertungsverfahren durch eine notifizierte Stelle und einer Produktionsüberwachung zu unterziehen. Die Durchführung dieses Verfahrens bzw. der erforderlichen Baumusterprüfung konnte die Antragstellerin nicht belegen. Die TÜV Rheinland / CCIC (Qingdao) Co., Ltd., welche den Prüfbericht zu den streitgegenständlichen Atemschutzmasken verfasste, sei keine notifizierte Stelle im Sinne der PSA-Verordnung.

Die Masken seien nach Ansicht des Gerichts ferner unzutreffend mit „CE 0194“ gekennzeichnet worden. Die PSA-Verordnung sehe vor, dass die CE-Kennzeichnung auf den PSA anzubringen sei und bei PSA die Kennnummer der notifizierten Stelle zu folgen habe. Diese Voraussetzungen erfüllten die Masken nach Ansicht des OVG jedoch nicht, weil keine notifizierte Stelle das Konformitätsverfahren nach der PSA-Verordnung durchgeführt habe. Daher seien sie fehlerhaft im Sinne der EU-Verordnung gekennzeichnet worden. Aus Sicht der Richterinnen und Richter sei es zur Gewährleistung des Gesundheitsschutzes unabdingbar, dass PSA, auf denen die Angaben (CE-Kennzeichnung) unzutreffend seien, aus dem Markt genommen werden müssen.

Im Weiteren prüfte das Gericht eine mögliche Bereitstellungsgenehmigung für die Atemschutzmasken nach § 9 Medizinischer Bedarf Versorgungssicherstellungsverordnung (MedBVSV). Diese Verordnung trat am 25. Mai 2020 in Kraft und ermöglichte die vereinfachte Beschaffung von Produkten des medizinischen Bedarfs (insbesondere auch Atemschutzmasken) zur Versorgung der Bevölkerung während der Corona-Epidemie. Aufgrund der epidemischen Lage und der damit verbundenen Mangelsituation von Atemschutzmasken konnten FFP2-Masken bis Ende September 2020 in einem verkürzten Verfahren auf den Markt gebracht werden. Die Antragstellerin habe aber nach Ansicht des Gerichts auch nicht nachweisen können, dass ein verkürztes Prüfverfahren im Sinne dieser Verordnung erfolgt sei, bevor die Masken auf den Markt gebracht wurden. Schließlich weist das OVG darauf hin, dass es zur Gewährleistung des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung unabdingbar sei, dass persönliche Schutzausrüstungen, auf denen die Angaben (CE-Kennzeichnung) unzutreffend sind, aus dem Markt genommen werden müssten. Dies habe die Behörde in ihrem Bescheid auch hinreichend zum Ausdruck gebracht, als sie sofortige Vollziehung der Anordnung erklärte. Das öffentliche Interesse an einer effektiven Gefahrenabwehr zum Gesundheitsschutz sei höherrangig als wirtschaftliche Interessen des klagenden Unternehmens.

Anmerkung

Der Sachverhalt, über den das OVG Lüneburg zu entscheiden hatte, führt zurück in das Frühjahr 2020, als zwei negative Entwicklungen aufeinandertrafen: Die steigenden Zahlen von Sars-CoV-2-Infektionen in Europa und die noch nicht ausreichende Versorgung mit Atemschutzmasken. Diese Situation wollte sich die Antragstellerin scheinbar zu eigen machen und vertrieb nicht ordnungsgemäß zugelassene Atemschutzmasken. Das OVG schob dem jedoch einen Riegel vor und stellte den Gesundheitsschutz der Bevölkerung vor die wirtschaftlichen Interessen des Anbieters.


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