In der Praxis wird immer wieder die Frage nach dem einkommensteuerrechtlichen Status einer selbstständigen Fachkraft für Arbeitssicherheit gestellt. Der VDSI – Verband für Sicherheit, Gesundheit und Umweltschutz bei der Arbeit vertritt die Auffassung, dass eine Fachkraft für Arbeitssicherheit bei der Ausübung ihrer Tätigkeit alle Kriterien eines „freien Berufs“ erfüllt. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Fachkraft für Arbeitssicherheit als Sicherheitsingenieur, Sicherheitstechniker oder Sicherheitsmeister tätig ist. Daraus folgt, dass eine Fachkraft für Arbeitssicherheit, die nicht in einem Unternehmen angestellt ist bzw. nicht als Angehöriger eines überbetrieblichen Dienstes als juristische Person (z.B. GmbH, GbR, Stiftung, o.ä.) auftritt, wie ein Rechtsanwalt, Steuerberater oder Arzt freiberuflich tätig sein kann. Die Fachkraft für Arbeitssicherheit trägt in diesem Fall alle dazugehörigen einkommenssteuerrechtlichen, umsatzsteuerrechtlichen, gewerbesteuerrechtlichen und sonstigen Konsequenzen (z.B. keine Vorgabe zu Kammermitgliedschaften).
Die Auffassung, dass Fachkräfte für Arbeitssicherheit als Freiberufler auftreten können, kann aus verschiedenen Regelwerken bzw. deren Kommentierungen abgeleitet werden.
Die Auflistung der freien Berufe findet sich in §18, Abs. 1 Ziff. 1, Einkommenssteuergesetz:
„§ 18
(1) Einkünfte aus selbständiger Arbeit sind
1. Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit. Zu der freiberuflichen Tätigkeit gehören die selbständig ausgeübte wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeit, die selbständige Berufstätigkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Rechtsanwälte, Notare, Patentanwälte, Vermessungsingenieure, Ingenieure, Architekten, Handelschemiker, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, beratenden Volks- und Betriebswirte, vereidigten Buchprüfer, Steuerbevollmächtigten, Heilpraktiker, Dentisten Krankengymnasten, Journalisten, Bildberichterstatter, Dolmetscher, Übersetzer, Lotsen und ähnlicher Berufe. Ein Angehöriger eines freien Berufs im Sinne der Sätze 1 und 2 ist auch dann freiberuflich tätig, wenn er sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient; Voraussetzung ist, dass er auf Grund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird. Eine Vertretung im Fall vorübergehender Verhinderung steht der Annahme einer leitenden und eigenverantwortlichen Tätigkeit nicht entgegen.“
Das Einkommensteuergesetz stuft selbstständige Ingenieure, die entsprechend den Ingenieurgesetzen der Länder den Ingenieurstitel tragen dürfen, eindeutig bei den freien Berufen ein. Sicherheitsmeister und Sicherheitstechniker können unter der Rubrik „und ähnlicher Berufe“ eingeordnet werden, da sie in der Praxis Sicherheitsingenieuren weitgehend gleichgestellt sind. Auch das Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) differenziert nicht zwischen Sicherheitsingenieuren, Sicherheitsmeistern und Sicherheitstechnikern.
Im ASiG findet sich darüber hinaus keine Unterscheidung zwischen einer freiberuflichen Fachkraft für Arbeitssicherheit, Meister, Techniker und Ingenieur:
„Vor der Verpflichtung oder Entpflichtung eines freiberuflich tätigen Arztes, einer freiberuflich tätigen Fachkraft für Arbeitssicherheit oder eines überbetrieblichen Dienstes ist der Betriebsrat zu hören.“ (§ 9, Abs. 3 ASiG).
Im Kommentar von Nöthlich/Weber1 heißt es zum § 5 Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG; Bestellung von Fachkräften für Arbeitssicherheit), unter Ziff. 1.1, 4. Absatz:
„Im Gesetz wird nicht vorgeschrieben, dass die Fachkraft für Arbeitssicherheit ein Betriebsangehöriger, d.h. ein Arbeitnehmer sein muss. Die Fachkraft kann sein
- ein Betriebsangehöriger, d.h. ein Arbeitnehmer
- eine freiberuflich tätige Fachkraft
- ein Angehöriger eines überbetrieblichen Dienstes.“
§ 19 ASiG (Überbetrieblicher Dienst) steht dem nicht entgegen. Im Kommentar von Nöthlich/Weber heißt es zu § 19 unter Ziff. 1: „[…] Der Unterschied zu dem Organisationsakt der Bestellung, beispielsweise eines freiberuflichen Arztes oder einer freiberuflich tätigen Fachkraft besteht nur darin, dass die Organisationsakte der Bestellung entfallen. […]“
Die freiberufliche Fachkraft wird also deutlich hervorgehoben und mit einem überbetrieblichen Dienst gleichgestellt. Eine Differenzierung zwischen Sicherheitsingenieur, Sicherheitsmeister oder Sicherheitstechniker wird nicht vorgenommen. Für den möglichen Status eines Freiberuflers spricht auch, dass die Aufgabengestaltung und Arbeitsweise einer Fachkraft für Arbeitssicherheit und eines Betriebsarztes sehr vergleichbar sind. Betriebsärzte sind ebenfalls sehr häufig als Freiberufler tätig.
Weitere Argumente für den vom Regelwerksgeber vorgesehenen freiberuflichen Status finden sich in der aktuell gültigen Unfallverhütungsvorschrift BGV A 2 „Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit“. Zum Beispiel steht im Anhang 1 der BGV A 2 der früheren Berufsgenossenschaft Metall Süd (jetzt Berufsgenossenschaft Metall Nord-Süd) zu § 2, Abs. 1: „Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit können als ständig oder zeitweise tätige Kräfte bestellt werden. Sie können vom Unternehmer eingestellt oder freiberuflich tätig sein oder auch einem überbetrieblichen Dienst angehören, […]“
Die gleiche Formulierung findet sich zum Beispiel im Anhang 1 unter Ziff. 1.1 der BGV A 2 der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, im Anhang 1, erster Aufzählungspunkt der BGV A 2 der früheren Berufsgenossenschaft für Feinmechanik und Elektrotechnik (jetzt Berufsgenossenschaft Energie, Textil, Elektro und Medienerzeugnisse) und im Anhang 1 unter „Erläuterungen zu § 2 Abs. 3“ der BGV A 2 der Verwaltungsberufsgenossenschaft.
Abschließend lässt sich sagen, dass sowohl im staatlichen als auch im berufsgenossenschaftlichen Regelwerk von „freiberuflichen Fachkräften für Arbeitssicherheit“ gesprochen wird. Es wird also von dieser Möglichkeit des steuerrechtlichen Status – neben der fest angestellten Fachkraft für Arbeitssicherheit und dem überbetrieblichen Dienst – ausgegangen. An keiner Stelle wird dabei eine Unterscheidung zwischen Sicherheitsingenieuren, Sicherheitsmeistern und Sicherheitstechnikern vorgenommen.
Diese Wahlmöglichkeit bei der einkommensteuerrechtlichen Einstufung ist aus Sicht des VDSI sinnvoll. Sie entspricht den praktischen Gegebenheiten, der tatsächlichen beruflichen Ausübung und auch den in vielen Fällen von den Finanzbehörden übernommenen Positionen.
1 Nöthlich, Matthias (+); Weber, Horst Peter; Wilrich, Thomas: Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit. Erich Schmidt Verlag, Berlin – Losebl.-Ausg. 18. Erg.Lfg. Stand: Juni 2009.