40 Prozent der Personalabteilungen achten bei Stellenbesetzungen nicht auf Diversität
Ob Alter, Nationalität, Geschlecht oder kultureller Hintergrund – mehr Vielfalt bei Stellenbesetzungen gilt gemeinhin als ein wichtiges Mittel, um angesichts des Arbeitskräftemangels mehr neue Mitarbeiter*innen zu finden. Das scheint viele Unternehmen nicht wirklich zu überzeugen. 40 Prozent der befragten Personalleiter*innen geben nämlich an, dass das Kriterium Vielfalt bei der Stellenbesetzung im eigenen Unternehmen kaum oder keine Rolle spielt (“eher nein” & “nein”). Gut die Hälfte der befragten Unternehmen (52 Prozent) achtet hingegen bei Stellenbesetzungen darauf, dass sich ihre Belegschaft vielfältig zusammensetzt (“eher ja” & “ja”). Während etwa nur 43 Prozent der Unternehmen bis 49 Mitarbeiter*innen auf Diversität bei Neueinstellungen achten, tun dies immerhin 61 Prozent der Arbeitgeber mit 250 bis 499 Mitarbeiter*innen. Weit geringer fallen die Unterschiede zwischen den einzelnen Sektoren aus.
Jedes vierte Unternehmen ohne Strategie gegen den demografischen Wandel
Der demografische Wandel und das Ausscheiden geburtenstarker Jahrgänge aus dem Arbeitsmarkt werden den Arbeitskräftemangel absehbar verschärfen. Dennoch hat jedes vierte Unternehmen (26 Prozent) laut den Umfrageergebnissen bisher noch keine Strategie zur Mitarbeiterbindung, um auf den demografischen Wandel zu reagieren. Am besten scheint sich offenbar die Industrie (22 Prozent ohne Strategie) auf die absehbare Entwicklung vorzubereiten, während der Handel (32 Prozent ohne Strategie) hinterherhinkt. Im Umkehrschluss bedeutet dies immerhin: Die Mehrheit der befragten HR-Verantwortlichen (71 Prozent) antwortet, dass sich ihr Unternehmen strategisch auf den demografischen Wandel vorbereitet.
Vielfalt-Fokus mit positivem Effekt auf Vakanzzeiten
Unternehmen, die bei Neueinstellungen auf Vielfalt achten, besetzen laut der Umfrage ihre Stellen deutlich schneller: So sind fast die Hälfte dieser Arbeitgeber (48 Prozent) laut eigenen Angaben in der Lage, ihre Stellen bereits innerhalb von zwei Monaten zu besetzen. Von den Unternehmen, die bei der Besetzung von freien Stellen nicht auf Vielfalt achten, schaffen es in diesem Zeitraum lediglich 32 Prozent, während der Schnitt über alle Unternehmen bei 34 Prozent liegt.
Größtes Potenzial bei Berufseinsteiger*innen, Migrant*innen und älteren Berufstätigen
Der reguläre Bewerbungseingang und die klassischen Zielgruppen reichen häufig nicht mehr aus, um die offenen Stellen zu besetzen. Wo sehen denn die Unternehmen derzeit die größte Chance, weitere Potenziale zu erschließen? Die befragten Unternehmen konzentrieren sich laut der Umfrage auf Berufseinsteiger*innen (52 Prozent), Menschen mit Migrationshintergrund (34 Prozent), ältere Berufstätige (34 Prozent) und Zuwander*innen aus dem Ausland (30 Prozent). Der Fokus auf Arbeitsmigration nimmt auch mit der Unternehmensgröße zu. Von den Unternehmen über 500 Mitarbeiter*innen setzen sogar 45 Prozent auf Hilfs- und Fachkräfte aus dem Ausland.
HR-Schulungen und vielfältige Aufstellung von Personalabteilungen mit Effekt auf Recruiting-Erfolg
Um vielfältige Kandidat*innen anzusprechen, setzen Unternehmen vor allem darauf, ihre Stellenanzeigen so zu formulieren (65 Prozent), dass sich mehr Menschen angesprochen fühlen, dazu zählt auch die gezielte Ansprache einzelner Zielgruppen (31 Prozent). Schulungen von HR-Mitarbeiter*innen für einen vorurteilsfreien Umgang mit Bewerbenden (19 Prozent) und eine vielfältige Zusammensetzung der Personalabteilung (7 Prozent) werden nur vergleichsweise selten angewandt, um vielfältige Kandidat*innen zu gewinnen. Dabei zeigen diese Maßnahmen bei den befragten Unternehmen einen positiven Effekt. So besetzen 40 Prozent der Unternehmen mit HR-Schulungen ihre Stellen bereits innerhalb von zwei Monaten (vs. 34 Prozent im Durchschnitt). Mehr als die Hälfte der Arbeitgeber*innen (54 Prozent) mit einer diversen HR-Abteilung wartete im letzten Jahr mit einem Mitarbeiterwachstum auf (vs. 32 Prozent im Durchschnitt).
Positiv bleibt festzuhalten, dass die HR-Verantwortlichen ihre Maßnahmen, mit denen sie, diverse Bewerber*innen ansprechen, als erfolgreich einstufen. Laut der Umfrage sehen 63 Prozent der Befragten einen positiven Effekt ihres Engagements.
Frank Hensgens, Geschäftsführer Indeed Deutschland, kommentiert: „Diversität wirkt und gehört ins Zentrum jeder Recruiting-Strategie. Die Zeiten, als sich Unternehmen den perfekten und irgendwie auch stromlinienförmigen Kandidaten aussuchen konnten, sind angesichts des demografischen Wandels vorbei. In einem Arbeitnehmermarkt mit nur wenigen Bewerber*innen, kommt es mehr denn je darauf an, Menschen unterschiedlichster Altersgruppen, Bildungsniveaus, Geschlechter, Herkünfte oder Nationalitäten zu gewinnen, um nur einige Merkmale von Vielfalt zu nennen. Uns steht hoffentlich eine große, begrüßenswerte Veränderung bevor: Der Arbeitsmarkt kann zukünftig menschlicher, zugänglicher und inklusiver für alle werden, wenn Unternehmen die richtigen Schlüsse (aus u.a. dieser Umfrage) ziehen.“
Lauren Thomas, Economist bei Glassdoor, kommentiert: „Vielfalt ist ein entscheidender Faktor für Fachkräfte am Arbeitsplatz. Vor allem junge Arbeitssuchende achten genau darauf, wie Integration im Unternehmen gelebt wird, wenn sie sich entscheiden, wo sie arbeiten wollen. Und obwohl dieser Wunsch der Arbeitnehmer*innen nach Diversität bekannt ist, haben wir gesehen, dass die Bemühungen der Unternehmen um Vielfalt und Integration im Jahr 2022 ins Stocken geraten sind. In Anbetracht der Umfrageergebnisse sollten die Unternehmen zweimal nachdenken. Vielfalt wirkt sich offensichtlich nicht nur positiv auf die Arbeitgeberattraktivität aus, sondern zahlt sich auch ganz konkret bei der Personalgewinnung aus.“
Über die Umfrage
Für die Umfrage wurden 554 Personalverantwortliche in Deutschland im Zeitraum vom 29.09.2022 bis zum 24.10.2022 gemeinsam mit dem ifo Institut befragt.