10_Aus der Praxis für die Praxis

Die vierte Säule des beruflichen Hautschutzes

Konzepte zur Hygiene und Desinfektion sind in allen Unternehmen eine Grundvoraussetzung dafür, dass der Betrieb auch in Zeiten der Corona-Pandemie aufrechterhalten werden kann. So senken präventive Maßnahmen wie regelmäßiges Händewaschen oder -desinfizieren die Gefahr einer Infektion bei den Beschäftigten und die damit verbundenen Fehlzeiten. Neben der Ausbreitung der Corona-Viren wird durch diese Maßnahmen zusätzlich auch die Übertragung anderer Krankheitserreger wie der Grippe- oder Noroviren erheblich eingedämmt. Dabei gilt es jedoch stets, den Schutz der Haut nicht aus den Augen zu verlieren. Denn durch das häufige Anwenden dieser Hygienemaßnahmen wird die natürliche Schutzfunktion der Haut gestört und die Entstehung unangenehm juckender Handekzeme begünstigt.

Traditionell sind Hautkrankheiten bereits die häufigsten Berufserkrankungen in Deutschland. Zusätzlich gehen Experten wie der Dermatologe Prof. Dr. med. Christoph Skudlik, Chefarzt des Instituts iDerm mit Sitz an der Universität Osnabrück, nun davon aus, dass die Zahl der Hauterkrankungen in Folge des häufigen Händewaschens während der Corona-Pandemie weiter zunehmen wird.

Die vier Säulen des Hautschutzes

Der berufliche Hautschutz besteht inzwischen aus vier Säulen:

  • Hautschutzmittel: werden vor der Arbeit und nach Pausen angewendet
  • Hautreinigung: kommt vor, während und nach der Arbeit zum Einsatz
  • Hautpflege: wird nach der Arbeit auf die Haut aufgetragen
  • Desinfektionsmittel: bei Bedarf

Ursprünglich war im beruflichen Hautschutz von dem Drei-Säulen-Modell die Rede, worunter man ein systematisches und aufeinander abgestimmtes Konzept von Mitteln und Maßnahmen zum Hautschutz, zur Hautreinigung und -pflege verstand. Die Desinfektionsmittel spielten dabei – von Branchen wie der Pflege oder der Lebensmittelindustrie abgesehen – bis dato keine entscheidende Rolle. In der Industrie oder im Handwerk wurde die Desinfektion von den Hautschutz-Verantwortlichen eher als optionales „nice to have“ denn als elementarer Bestandteil eines systematischen Hautschutzkonzepts angesehen. Wie wichtig die Desinfektionsmittel für den reibungslosen Ablauf in fast jedem Berufszweig sind, zeigt sich zwar immer wieder phasenweise, etwa in der jährlichen Grippesaison, doch erst mit der Corona-Pandemie haben nun auch die Verantwortlichen aller Branchen die Bedeutung der Desinfektion erkannt, sodass sie nun allseits akzeptiert als die vierte Säule des Hautschutzes angesehen wird.

Desinfektionsmittel

Desinfektionsmittel lassen sich auf verschiedene Weise unterteilen. Zum einen kann man sie anhand ihrer Verwendung in zwei große Gruppen spalten: in Hände- und Flächendesinfektionsmittel. Zum anderen ist auch eine Unterscheidung anhand ihrer Verwendungsform möglich. Am häufigsten kommen flüssige Desinfektionsmittel zum Einsatz, aber auch Gele, Sprays oder Schäume werden wegen ihrer einfacheren Handhabung gerne verwendet. Außerdem lassen sich die Desinfektionsmittel nach den enthaltenen Wirkstoffen charakterisieren.

Die größte Gruppe der Desinfektionswirkstoffe ist die der Alkohole. Dazu
zählen besonders Ethanol, Isopropanol (= 2-Propanol) und n-Propanol (= 1-Propanol). Sie werden in hohen Konzentrationen zwischen 60 und 95 Prozent (v/v) eingesetzt. Gerne werden auch verschiedene Alkohole miteinander kombiniert, damit sich die teilweise etwas unterschiedlichen Wirkspektren gegenseitig ergänzen. Allgemein wirken die Alkohole jedoch über denselben Wirkungsmechanismus. Sie schädigen die schützende Membran der Krankheitserreger und fällen zelluläre Proteine, was letztendlich dann zum Zelltod der Mikroorganismen führt. Dadurch wirken die meisten alkoholischen Desinfektionsmittel sowohl gegenüber Bakterien (bakterizid) und Pilzen (fungizid) als auch gegenüber Viren (viruzid), wobei das Wirkspektrum gegenüber Viren je nach Alkohol und Einsatzkonzentration variieren kann.

Ein weiterer bekannter Wirkstoff ist das Chlorhexidin, das vor allem aus der Zahnmedizin bekannt ist. Aber auch in Desinfektionsmitteln zur Anwendung auf der Haut wird Chlorhexidin gerne als antimikrobieller Wirkstoff eingesetzt. Chlorhexidin wirkt ebenfalls über die Schädigung der Zellmembran von Mikroorganismen, hat aber insgesamt verglichen mit den anderen Wirkstoffen ein begrenzteres Wirkspektrum.

Viruzid ist nicht gleich viruzid

Viren lassen sich allgemein in zwei große Gruppen unterteilen: behüllte und unbehüllte Viren. Diese Unterscheidung beruht dabei auf dem Vorhandensein einer Lipidhülle, die die Stabilität des Virus gegenüber Umwelteinflüssen sowie die Entdeckung durch das menschliche Immunsystem beeinflusst. Auch die Beständigkeit der Viren gegenüber Desinfektionsmitteln wird dadurch unterschiedlich beeinflusst.

Da eine der Zielstrukturen im Wirkungsmechanismus der meisten Wirkstoffe die Membran von Mikroorganismen ist, wozu auch die Lipidhülle der behüllten Viren zählt, lassen sich die behüllten Viren auch leichter durch beispielsweise Alkohole unschädlich machen als die unbehüllten Viren ohne Lipidhülle. Je nach Art des eingesetzten Wirkstoffs und dessen Einsatzkonzentration variiert daher auch das Wirkspektrum der verschiedenen Desinfektionsmittel.

Insgesamt lässt sich die Wirksamkeit von Desinfektionsmitteln gegenüber Viren in drei verschiedene Stufen unterteilen. Die meisten Desinfektionsmittel zeigen eine begrenzt viruzide Wirksamkeit, das heißt, dass sie gegenüber allen behüllten Viren aktiv sind. Dazu zählen beispielsweise Influenzaviren, aber auch SARS-CoV-2. Daneben gibt es noch die
begrenzt viruzid PLUS Wirkung, bei der auch recht lipophile, unbehüllte Viren inaktiviert werden, zum Beispiel Rota-, Adeno- oder Noroviren. Nur wenige Desinfektionsmittel zeigen eine viruzide Wirksamkeit, also eine Wirksamkeit gegenüber allen unbehüllten Viren.

Pflegestoffe gewinnen immer mehr an Bedeutung

Pflegestoffe spielen schon lange eine entscheidende Rolle in der Kosmetik. Sowohl in Hautschutz- und Hautpflegemitteln als auch in Hautreinigern sind sie essentielle Bestandteile auf Grund ihrer positiven Wirkung auf die Haut. Aber auch in Desinfektionsmitteln haben sie ihre Berechtigung. Denn durch häufiges Händewaschen oder Desinfizieren gehen der Haut Lipide verloren, und die Hände werden trocken und spröde.

Eine große Gruppe im Bereich der Pflegestoffe stellen die Rückfetter dar. Sie können gut in die Hornschicht der Haut eindringen und Fettverluste ausgleichen. Damit stärken sie die Schutzbarriere der Haut. Außerdem hinterlassen sie ein angenehm weiches Hautgefühl.

Milchsäure dagegen ist Teil des Säureschutzmantels. Sie kontrolliert einerseits die bakterielle Besiedelung und bindet andererseits Feuchtigkeit. Weitere feuchtigkeitsspendende Substanzen, die auch natürlicherweise im Schutzfilm der Haut vorkommen, sind Urea, also Harnstoff, oder auch Glycerin.

Die Kombination ist entscheidend

Insgesamt ist immer die Kombination entscheidend. Allein innerhalb der Formulierung eines Desinfektionsmittels kommt es auf das richtige Zusammenspiel der verschiedenen Inhaltsstoffe an. Unterschiedliche Pflegestoffe können sich hinsichtlich ihrer Wirkung auf die Haut ergänzen, aber auch im Fall von Desinfektionsmitteln einen Einfluss auf deren Wirksamkeit nehmen. Es gibt Substanzen wie Glycerol, die ab einer gewissen Konzentration die bakterizide Wirksamkeit von alkoholischen Wirkstoffen beeinträchtigen können. Daneben gibt es aber auch die Milchsäure, die einen positiven Einfluss auf die viruzide Wirkung von Alkoholen hat.

Aber nicht nur die Auswahl des richtigen Desinfektionsmittels ist für den beruflichen Hautschutz wichtig. Auch das Zusammenspiel der verschiedenen Säulen untereinander ist für das Gesamtkonzept entscheidend. Daher hat jede Säule im Rahmen des beruflichen Hautschutzes ihren eigenen Stellenwert.

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