14 - Klimawandel Infektionsrisiken

Neue Infektionsrisiken

Im Sommer 2023 Dengue-Fieber am Gardasee. Im Juli 2024 erstmals Oropouche-Fieber in Deutschland. Im August 2024 tödliche Bakterien in der Ostsee. Im Oktober 2024 der erste Fall der gefährlichen Mpox-Variante (Affenpocken) in Deutschland. Im Januar 2025 stirbt in den USA erstmals ein Mensch an der Vogelgrippe und in Deutschland weist das RKI neue FSME-Risikogebiete in Bayern, Brandenburg und Niedersachsen aus. Im Februar 2025 werden drei Cholera-Fälle in Deutschland bekannt. Es vergeht inzwischen kaum eine Woche ohne neue Schlagzeilen zu bis dato kaum bekannten oder längst überwunden geglaubten Infektionskrankheiten. Sehr schnell ist dann von der gefährlichen Tigermücke die Rede, doch das ist nur ein Teil der Wahrheit.

Zunehmende Infektionsrisiken

Das weltweite Infektionsgeschehen ist äußerst komplex und es gibt nicht die eine Erklärung dafür, dass sich Risiken verschieben oder ausbreiten. Verbesserte Lebensbedingungen, Hygiene und Impfungen haben vielerorts die Situation verbessert. Doch der Mensch dringt immer tiefer in unberührte Natur vor und trifft dadurch auf zuvor unbekannte Erreger. Dazu kommt, dass infolge der Globalisierung Krankheitserreger beziehungsweise ihre Vektoren (siehe Info-Kasten) als blinde Passagiere immer einfacher und öfter um die ganze Welt reisen. Um nur zwei Beispiele zu nennen: Die jüngsten Cholerafälle in Deutschland wurden durch „heiliges“ Wasser verursacht, dass von Äthiopien mitgebracht worden war. Die gefährliche Mpox-Variante hatte der Patient nach sexuellem Kontakt in Ruanda mit nach Hause geschleppt.

Immer deutlich werden darüber hinaus die Folgen des Klimawandels für das Infektionsgeschehen. Denn die Erderwärmung begünstigt ein Ausbreiten von Krankheitserregern auf gleich mehrfache Art und Weise:

  • Fremde Tierarten breiten sich in wärmer gewordenen Weltregionen aus, darunter auch Vektoren, die Krankheiten übertragen.
  • Sogenannte „wasserbürtige Infektionen“ nehmen zu. Denn eine steigende Oberflächentemperatur der Meere begünstigt viele Krankheitserreger, die bei Kontakt mit Wasser zu Infektionen und Intoxikationen (Vergiftungen) des Menschen führen können. So fühlen sich beispielsweise in der (viel zu warmen) Ostsee inzwischen Vibrionen wohl. Diese mit dem Erreger der Cholera verwandten Bakterien sind für Menschen mit Vorerkrankungen oder offenen Wunden gefährlich, da sie schwere Infektionen und Durchfallerkrankungen hervorrufen.
  • Die Fälle von „lebensmittelassoziierten Infektionen und Intoxikationen“ nehmen zu. Denn viele Durchfallerreger wie Salmonellen, Shigellen, Kryptosporidien oder Campylobacter vermehren sich bei höheren Temperaturen schneller. In Betrieben der Gastronomie, Lebensmittelverarbeitung und -handel werden sorgsamste Lebensmittelhygiene und das strikte Einhalten ununterbrochener Kühlketten immer wichtiger.

Zu allem Übel hinzu kommt, dass steigende Temperaturen nach neueren Studien auch zum Anstieg der Antibiotikaresistenzen beitragen. Der Klimawandel begünstigt somit nicht nur, dass sich potenziell pathogene (krankmachende) Bakterien vermehren, sondern auch, dass Antibiotika immer häufiger wirkungslos bleiben.

Die Rolle der Tigermücke

Die Tigermücke (Aedes albopictus) ist eine der bekanntesten invasiven Arten. So bezeichnet die Biologie Tier- oder Pflanzenarten, die nicht heimisch sind, sondern aus anderen Weltregionen „eingewandert“. Durch den globalen Verkehr werden Mücken zu Weltreisenden und tauchen in Gebieten auf, in denen sie zuvor unbekannt waren. Dazu kommt der Klimawandel. Die Erderwärmung macht die Tigermücke beziehungsweise die von ihr übertragenen Krankheitserreger nicht per se gefährlicher, doch sie ermöglicht dieser ursprünglich tropischen Mücke bei uns das Überleben. 2007 wurde sie in Deutschland zum ersten Mal entdeckt, seit 2015 ist eine stabile Population bei Freiburg bekannt und Jahr um Jahr breitet sich das winzige Insekt immer weiter in Deutschland aus.

Die Tigermücke ist mit 6 Millimetern relativ klein. Sie zeigt ein aggressives Stechverhalten und das leider – und im Unterschied zu vielen heimischen Mückenarten – auch tagsüber. Ein Stich kann deshalb gefährlich werden, weil die Tigermücke mehr als 20 Virenarten übertragen kann, darunter die Erreger für Denguefieber, Gelbfieber, Chikungunya-Fieber und West-Nil-Fieber. Auch für die gefürchteten Zika-Viren, die von infizierten schwangeren Frauen auf das ungeborene Kind übertragen werden und frühkindliche Fehlbildungen hervorrufen können, ist die Tigermücke ein Vektor.

Das West-Nil-Virus

Nicht immer sind es eingewanderte Tropenbewohner, die Krankheitserreger verbreiten. Das West-Nil-Virus (WNV) wurde erstmals 1937 in Uganda gefunden und seit den 1960er-Jahren auch in Europa. Wichtigste Wirtsorganismen sind Vögel, aber auch Pferde und Menschen können sich infizieren. Im Spätsommer 2019 tauchten erste Fälle von West-Nil-Fieber in Ostdeutschland auf. Das Besondere dabei war, dass die erkrankten Personen sich weder auf einer Tropenreise noch durch Tigermücken angesteckt hatten, sondern durch den Stich einheimischer Mücken.

Biologen konnten inzwischen nachweisen, dass das WNV erfolgreich in einheimischen Stechmücken in Deutschland überwintert. Am stärksten betroffen sind derzeit die Bundesländer Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Sachsen. Die Experten gehen davon aus, dass sich das West-Nil-Virus in Deutschland weiter etablieren und ausbreiten wird. Inwiefern heimische Mücken auch weitere ehemals exotische Viren wie etwa das aus dem Amazonasgebiet stammende Oropouche-Virus übertragen können, ist noch nicht bekannt.

Besonders gefährdete Personen

Ein gesunder Mensch mit stabilem Immunsystem kann an mückenübertragenen, wasserbürtigen oder lebensmittelassoziierten Infektionen erkranken, wird aber in der Regel keine bleibenden Schäden davontragen. Ein deutlich erhöhtes Risiko besteht für Menschen mit Vorerkrankungen, immungeschwächte und ältere Personen. Ärzte, Betriebsärzte und Verantwortliche in Gesundheitswesen und Pflege sollten bei Patienten, Klienten und Bewohnern mit plötzlichem Fieber unklarer Ursache auch um die neuen Infektionsrisiken als Erklärungsoption wissen. Aktuelle Daten zum Infektionsgeschehen, Hintergrundinfos und Orientierungshilfen wie etwa Flussschemata zur Verdachtsabklärung bietet das Robert-Koch-Institut (www.rki.de).

Mückenbekämpfung wird wichtiger

Branchenübergreifend wird der Mückenschutz an Bedeutung gewinnen, ob Großraumbüro oder Besucherterrasse. Der Tigermücke folgen bereits weitere Arten wie die Asiatische Buschmücke, ein Vektor für unter anderem Enzephalitis-Viren. Bislang unterscheiden sich die Ratschläge der Gesundheitsbehörden nicht von dem, was bislang schon zum Schutz vor den lästigen (einheimischen) Blutsaugern empfohlen wurde.

Wichtig zu wissen ist, dass nicht – wie bei Motten – das Licht die Mücken anzieht, sondern Wärme, ausgeatmetes Kohlendioxid und vor allem Geruch. Es sind Bestandteile unseres Schweißes, wie Milchsäure, Harnsäure, Fettsäuren und Ammoniak, die Mücken anlocken. Es kommt jedoch nicht allein auf die Schweißmenge an, sondern auch auf dessen Zusammensetzung. Denn jeder Mensch riecht aufgrund genetischer Faktoren anders, daher werden einige Menschen eher gestochen als andere.

Viele Methoden zur Mückenabwehr setzen am Geruch an. Täglich Knoblauch zu essen, ist jedoch nicht immer die optimale Lösung. Auch wer eine getragene Socke in der anderen Zimmerecke aufhängt – angeblich in einigen Tropenregionen üblich, um die Mücken mit dem „Aroma“ abzulenken – dürfte am Arbeitsplatz auf wenig Gegenliebe stoßen. Praktikabler sind die folgenden Empfehlungen:

  • Auf süß riechendes Parfum, Aftershave, Duschgel usw. verzichten, zur Abwehr taugen dagegen Kokosdüfte.
  • Pflanzen mit ätherischen Ölen wie Lavendel, Salbei, Pfefferminze, Tomaten oder Basilikum aufstellen, zum Beispiel vor Fenstern und Eingängen.
  • Nüchtern bleiben, denn mit Alkohol im Blut wird man für Mücken attraktiver.
  • Eine helle Bekleidung wählen, denn Mücken fliegen eher auf dunkle Farben.
  • Ventilatoren nutzen, denn Mücken mögen keine Luftströmungen.
  • Engmaschige Insektenschutzgitter und Moskitonetze als mechanische Barrieren nutzen.
  • Gefäße mit stehendem Wasser (Vogeltränken, Gießkannen, Untersetzer, Regentonnen usw.) abdecken oder alle vier bis fünf Tage das Wasser wechseln, um das Entwickeln von Mückenlarven zu stoppen.

Einige Geheimtipps, wie etwa Anti-Mücken-Armbänder, haben sich als unwirksam herausgestellt. Auch die viel umworbenen Mückensprays sind nicht unumstritten. Sie enthalten sogenannte Repellents, die die natürlichen Körpergerüche des Menschen überdecken sollen. Als die derzeit wichtigsten synthetischen Wirkstoffe zum Abwehren gegen Insekten gelten Diethyltoluamid (DEET) und Icaridin. In Tests überzeugen viele Produkte jedoch kaum, teils wurden Haut- und Augenreizungen bekannt, bei häufiger Nutzung sollen sogar Nervenschäden drohen. Deshalb sollte die Anwendung mit Bedacht und Sorgfalt erfolgen.


Aktuelle Ausgabe

Partnermagazine

Akademie

Partner