Arbeitsschutz - Originalarbeit

Aus BS OHSAS 18001 wird ISO 45001:2018

Dr. Christian Weigl

Der Arbeits- und Gesundheitsschutz, einschließlich der Förderung von Gesundheit in Unternehmen und Organisationen wird u. a. aufgrund des Demographischen Wandels, dem Fach- und Führungskräftemangel, der Zunahme von Erkrankungen sowie der Digitalisierung und Beschleunigung der Arbeits- und Freizeitwelt immer wichtiger.

Die effektivste Form, Themen in Organisationen zu managen, ist das Implementieren, regelmäßige Auditieren und ständige Verbessern [KVP] von zuvor definierten Aufbaustrukturen und Prozessen, in Form von Managementsystemen. Dies gilt für Qualität, Umwelt und Energie ebenso, wie für Gesundheit und Sicherheit bei der Arbeit.

Arbeitsschutzmanagementsysteme [AMS]

Schon 1999 wurde die BS OHSAS 18001 von der British Standards Institution [BSI] entwickelt und 2007 revidiert. Die BS OHSAS 18001 gilt mittlerweile als internationaler Standard, nach dem sich zahlreiche Unternehmen und Organisationen zertifizieren ließen, um den Nachweis zu erbringen, in Besitz eines wirksamen und effektiven Arbeitsschutzmanagementsystems zu sein.

Daneben gibt es internationale Leitfäden, wie die ILO-OSH [Internationalen Labour Organisation] sowie die SCC [Safety Certifikat Contraktoren]. National existieren wiederum Standards, wie OHRIS [Occupational Health and Risk Managementsystem] oder ASCA [Arbeitsschutz und Sicherheitstechnischer Check in Anlagen] sowie branchenspezifische Arbeitsschutzmanagementsysteme, wie z. B. MAAS-BGW oder Mit System zu Erfolg, herausgegeben von den Berufsgenossenschaften.

[siehe Tabelle 1: Überblick über verschiedene Arbeitsschutzmanagementsysteme]

Die Entwicklung der ISO 45001

Im März 2013 reichte die BSI bei der ISO [International Organisation for Standardisation] einen Vorschlag zur Erarbeitung einer internationalen Arbeitsschutz-Norm, auf Basis der BS OHSAS 18001, ein. Im Juli 2013 wurde dieser Vorschlag von den ISO-Mitgliedern mehrheitlich angenommen.

Das Projektkomitee ISO/PC 283 entwickelte im Oktober 2013 einen Working Draft, in dem u.a. die Namensgebung [ISO 45001] beschlossen wurde.

Als Rahmen für die Erarbeitung der ISO 45001 diente die High Level Structure [HLS], um die Integration des AMS in andere Managementsysteme, wie z. B. Qualität, Energie und Umwelt zu ermöglichen.

Das zur ISO/PC 283 gegründete Spiegelgremium in Deutschland [NA AA 175 00–02] entwickelte parallel zu anderen Gremien Kommentare, die in den weiteren Sitzungen des ISO/PC 283 berücksichtigt wurden.

Im Juli 2014 wurde der erste Comitee Draft, welcher sich u. a. aus dem Working Draft ergab, bekannt gegeben. Im Februar 2015 folgte der zweite. Die relativ langen Bearbeitungszeiten ergaben sich, da unter den mitwirkenden Akteuren differenzierte Sichtweisen zu Begrifflichkeiten, wie z. B. Well-being oder Wellness aufkamen.

Seit November 2015 liegt ein Draft International Standard [DIS] vor, der bis Herbst 2016 als ISO 45001:2016 veröffentlicht werden sollte. Nach der Veröffentlichung des Norm-Entwurfs wurden mehr als 3.000 Kommentare aus der ganzen Welt eingereicht.

Der DIS 1 hat nicht die notwendige Dreiviertel-Mehrheit erhalten. 28 % der nationalen Normengremien lehnten den Entwurf der international geplanten Norm ab. Im Juni 2016 wurde aufgrund dessen auf der international PC 283 Sitzung in Toronto beschlossen, dass ein zweiter Draft International Standard [DIS 2] erforderlich ist.

Die Beratung zu allen Kommentaren und Einsprüchen sowie die Vorbereitung des DIS 2 hat im Februar 2017 in Wien stattgefunden. Der DIS 2 orientiert sich nach Überarbeitung noch stärker an der HLS sowie an den bestehenden Normen ISO 9001 und ISO 14001 und hat zum Ziel, auf große Zustimmung bei der Normkommission zu stoßen.

Der DIS 2 wurde im Juli 2017 veröffentlicht und im September in Melaka bei einer Zustimmung von 88% von der internationalen Normkommission angenommen. Nach einmonatiger Editierung wird im November 2017 der Final Draft International Standard [FDIS] veröffentlicht. Die Einführung der Norm wird somit nicht mehr dieses Jahr stattfinden, sondern ist für März nächsten Jahres angesetzt.

Die neue Norm für den Arbeits- und Gesundheitsschutz in Unternehmen wird von dort an die ISO 45001:2018 sein.

Inhalte der ISO 45001:2018

Folgende Neuerungen und Spezifizierungen sind nach dem CD 2 in der ISO 45001:2018 festgelegt:

  1. Definitionen zu Begriffen, wie z. B. Arbeits- und Gesundheitsschutzrisiken, Kompetenz, Beteiligung, Ausgliedern und Chancen im Arbeits- und Gesundheitsschutz sind festgelegt.
  2. Dem Kontext der Organisation wird mehr Beachtung geschenkt und in den wesentlichen Kriterien des Managementsystems berücksichtig [Politik, Ziele, Prozesse, Aufbauorganisation]. Insbesondere gilt dies bei Veränderungen des Marktes [z.B. Kundenanforderungen] oder Produktionsprozessen [z.B. verändertes Material].
  3. Die oberste Führung muss Verantwortung und Engagement im Arbeits- und Gesundheitsschutz tragen und seine Führungskräfte ausreichend einbinden. Das Bewusstsein der Führungskräfte hinsichtlich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes muss gestärkt und nachgewiesen werden.
  4. Nicht nur Risiken werden ermittelt und bewertet, sondern auch Chancen für mehr Sicherheit und Gesundheit identifiziert und gefördert.
  5. Alle Beteiligten im und außerhalb des Unternehmens, wie z. B. Leiharbeitnehmer werden berücksichtigt. Das „Ausgliedern“ von Prozessen muss im AMS beachtet werden.
  6. Alle Gefährdungen und Belastungen werden identifiziert und bewertet, auch die psychischen Gefährdungen.
  7. Gleichzeitig sind die Chancen zu berücksichtigen, die Arbeit, Arbeitsorganisation und Arbeitsumgebung an die Beschäftigten anzupassen. Aber auch Chancen, die in der Veränderung liegen sind zu berücksichtigen.
  8. Neben dem systematischen Bearbeiten von Verbesserungsmaßnahmen, muss auch die Effektivität des Managementsystems ständig überprüft werden.
  9. Die Bewusstseinsbildung bei allen Akteuren erhält höhere Relevanz und geht über Schulungen und Unterweisungen hinaus. [Siehe Punkt 3, Politik + Ziele]
  10. Die Beteiligung der Beschäftigten und deren Vertreter wird berücksichtigt.
  11. Für interne Audits wird auf die DIN EN ISO 19011:2013 verwiesen.
  12. Die Anforderungen an die ISO 45001:2018 sind gesetzliche und ergänzende Bestimmungen.
  13. Das Wissen der Organisation hinsichtlich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes wird berücksichtigt.
  14. Die Integration des Arbeits- und Gesundheitsschutzes in alle Prozesse des Unternehmens ist notwendig. So werden auch „nicht gesundheits- und arbeitsschutzspezifische“ Prozesse, wie z. B. Beschaffung berücksichtigt [siehe Abb. 2].

Schnittmengen zwischen der DIN SPEC 91020 und der ISO 45001:2018

Die ISO 45001:2018 hat aufgrund des High Level Structure große Nähe zu anderen Managementsystemen, wie z. B. Qualität, Energie und Umwelt, aber auch zur DIN SPEC 91020 [siehe Anhang 2: Gegenüberstellung ISO 45001:2018| DIN SPEC 91020:2012 | OHSAS 18001:2007]. Schnittmengen zwischen der DIN SPEC 91020 und der ISO 45001:2018 sind an folgenden Punkten gegeben:

  1. Nicht nur Risiken, sondern auch Chancen für mehr Sicherheit und Gesundheit werden ermittelt und bewertet. Chancen für mehr Gesundheit können salutogene Faktoren, wie z. B. die Verstehbarkeit von betrieblichen Zusammenhängen sein.
  2. Gefährdungen psychischer Faktoren werden, wie auch andere Faktoren, ermittelt und bewertet.

Hier ist die Nähe und insbesondere die Integrationsmöglichkeit der DIN SPEC 91020 in die ISO 45001:2018 deutlich erkennbar.

Es ist gelungen den traditionellen Arbeitsschutz und das betriebliche Gesundheitsmanagement in der ISO 45001:2018 zusammenzuführen. Themen die „verbunden“ sind, werden in der Norm auch als zusammengehörig betrachtet. Die teilweise irrtümliche und nur künstliche Trennung ist zumindest in der Norm Vergangenheit. Dies gilt nicht nur für Risiken bei Sicherheit und Gesundheit, sondern auch für Chancen, also mögliche salutogene Faktoren.

Die Frage, ob mit der ISO 45001:2018 die DIN SPEC 91020 obsolet erscheint, drängt sich auf. Man sieht jedoch auch bei anderen Managementsystemen, wie z. B. Energie- und Umweltmanagement Koexistenz. Dies erscheint bei der DIN SPEC 91020 und der ISO 45001:2018 ebenfalls möglich.

Umstellung von der OHSAS 18001 auf die ISO 45001

Die OHSAS Projekt Gruppe hat die ISO 45001 nun vollständig überprüft und als Ersatz für OHSAS 18001:2007 befürwortet. Der Status für OHSAS 18001:2007 wurde somit als „zurückgezogen“ geändert. Das internationale Akkreditierungsforum, die OHSAS Projektgruppe und das ISO Komitee haben sich auf einen dreijährigen Umstellungszeitraum für die Veröffentlichung der ISO 45001 geeinigt. Es werden alle Wege zur Kommunikation verwendet um die bisherigen Nutzer der OHSAS 18001 über den neuesten Standard zu informieren.

Unternehmen, die die Zertifizierung nach 45001 anstreben, aber bereits ein zertifiziertes System nach BS OHSAS 18001 vorweisen können, sollten ihre Prozesse und Aufbaustrukturen noch einmal überprüfen und mögliche „Lücken“ schließen. Nur dann kann eine erfolgreiche Zertifizierung nach ISO 45001 gewährleistet werden.

OHSAS 18001:2007 Zertifizierungen werden ihre Gültigkeit drei Jahre nach der Veröffentlichung der ISO 45001:2018 verlieren.

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