Arbeitsschutz

Belastung oder Hilfe – Eine Untersuchung der Arbeitszufriedenheit an technisch hochkomplexen Arbeitsplätzen Strain or help – A study of work satisfaction on technical high-complex workplaces

Zusammenfassung Im Rahmen eines größeren Projektes zur Erfassung von Technikstressoren an hochkomplexen Arbeitsplätzen wurden Untersuchungen an mehreren Kraftwerksstandorten vorgenommen. Im Auftrag der Vattenfall Europe Generation AG & Co. KG sollte ein hochtechnisierter Wartenarbeitsplatz ergonomisch untersucht und eine Befragung der Wartenmitarbeiter zur Arbeitsplatzzufriedenheit und zu Technikstress durchgeführt werden. Neben der Analyse der ergonomischen Arbeitsplatzgestaltung, der Beleuchtung, des physikalisch-chemischen Klimas und des Lärms, lag der Schwerpunkt dieser Untersuchung vor allem auf den Erhebungen und Erkenntnissen zur Arbeitszufriedenheit, zur Beanspruchung durch Technik und Reizüberflutung. Die Ergebnisse der ergonomischen und arbeitshygienischen Bewertung der Blockwarte zeigen, dass die gesetzlichen Vorgaben für die klimatische und akustische Gestaltung erfüllt sind. Obwohl bei der Beleuchtungsmessung die geforderten Werte erreicht wurden, wird die Beleuchtung von den Mitarbeitern aufgrund individueller Bedürfnisse nicht in ausreichendem Maße eingesetzt. Visuelle Belastungen ergeben sich vorrangig aus der kontrastreichen Negativdarstellung der Monitore und Bildwände sowie der monotonen Farbgestaltung des fensterlosen Wartenraumes. Die Befragung der Mitarbeiter hat gezeigt, dass die komplexe technische Umrüstung der Warte positiv zur Arbeitserleichterung und -verbesserung beiträgt. Obgleich die Menge der zu verarbeitenden Informationen mehrheitlich als sehr beanspruchend empfunden wird, fallen die Häufigkeiten der Nennung emotionaler und gesundheitlicher Beeinträchtigungen sowie von Überforderungssymptomen gering aus. Die Auswertung belegte ebenso einen korrelativen Zusammenhang zwischen der Häufigkeit technischer Fehlfunktionen und dem Erleben negativer Gefühle, bis hin zu Krankheitssymptomen. Diese Untersuchung zeigt die steigende Wichtigkeit der Berücksichtigung unterschiedlicher Einflussfaktoren, sowohl aus der Arbeitsaufgabe als auch aus dem Arbeitsumfeld, bei der Gestaltung menschgerechter Arbeitsplätze. Schlüsselwörter: · ergonomische Arbeitsplatzgestaltung,· Technikstress,· physische und psychische Beanspruchung,· Warten- und Leitstandsgestaltung Summary In context of a bigger project for the survey of technical stressors on high-complex workplaces, investigations at several power-plant-locations have been made. On behalf of the Vattenfall Europe Generation AG & Co. KG a highly sophisticated place of employment in a control room should be ergonomically examined and a questionary of the employees, according the job satisfaction and the technical stress, should be carried out. Beside the analysis of the ergonomic work place layout, the illumination, the indoor climate and the noise, the emphasis of this study has been concentrated on the evaluation and perception of the work satisfaction, the strain by technology and stimulus satiation. The results of the ergonomic and work hygienical evaluation of the control center show, that legal defaults for the climatic and acoustic configuration are fulfilled. Although the demanded values were reached during the illuminance measurement, the used illumination due to individual needs of the employees is not used in a sufficient degree. Visual strains come in result to the high-contrast inverse display of the monitors and the large wall screens, as well as the monotonous colour design of the windowless control room. The questionary of the employees revealed that the complex technical re-equipment of the control room contribute to the ease and improvement of work. Although the quantity of informations which can be processed has been felt by the majority as very much stressing, the frequencies of the mentions of emotional and health impairments, as well as symptoms of overstrain are marginal. The analysis also proves a correlative connection between the frequency of technical malfunctions and the experience of negative feelings, up to symptoms of disease. This investigation demonstrates the increasing importance of the complex consideration of the influence of multiple factors, as well from the task of work as from the work environment for the organization of human-adequate jobs. Key words: ergonomic work place layout,· technical stress,· physical and psychological strain,· control room organization

1. Einleitung
Die rasante Entwicklung moderner Technologien und die Bereitschaft zum schnellen Einsatz in allen Lebensbereichen eröffnen nicht nur neue Perspektiven für Produktionsprozesse. Beispielsweise nimmt die Verbreitung moderner, technisch eingerichteter Arbeitsplätze ständig zu.

Aufgabe der Wissenschaft ist es, nicht nur Technik weiter zu entwickeln, sondern in Verantwortung für die Gesellschaft auch Fragen zu Risiken zu stellen, um prospektiv sinnvolle Hinweise zu Gestaltungsprozessen zu geben.

Die Forschung des Lehrgebietes Arbeitswissenschaft/Arbeitspsychologie der BTU Cottbus zum Thema Technikstress stellt Untersuchungen an technisch hochkomplexen Arbeitsplätzen in den Mittelpunkt der wissenschaftlichen Betrachtung, um leistungssteigernde oder leistungsmindernde Wirkungen von Technik auf den Menschen zu erkennen und Handlungsregularien für den Nutzer, aber auch für den Hersteller von Technik zu entwickeln. In diesem Beitrag soll eine Studie vorgestellt werden, die Arbeitsplätze zu Steuerungs- und Überwachungsaufgaben ergonomisch untersucht und in einer Befragung zur Arbeitsplatzzufriedenheit auch Technikstress einbezieht. In vorangegangenen Untersuchungen an anderen Standorten war festgestellt worden, dass jede Warte mit anderer Technik, anderen baulichen und ergonomischen Bedingungen eine immer neue Ausgangssituation für die Evaluation darstellt und jedes Mal neue methodischen Modifizierungen erfordert.

Ziel dieser Untersuchungen war es, an einem Kraftwerksstandort in Sachsen eine neu eingerichtete Warte aus arbeitswissenschaftlicher und arbeitspsychologischer Sicht zu untersuchen und die Ergebnisse in einen Gestaltungsvorschlag einzuarbeiten. Neben den Optimierungsempfehlungen wird damit zugleich der Weg einer Konzeptionsgrundlage für den Bau neuer Kraftwerkswarten geebnet. In zwei zeitlich voran gestellten Studien zu Prozess- und Arbeitsplatzoptimierungen von Wartenarbeitsplätzen (Rettungsleitstelle und Kraftwerksblockwarte), wurde bereits ein methodisches Instrumentarium erarbeitet, das die Grundlage für diese Untersuchung bildete.

2. Neue Belastungskomponenten für Leitstandsfahrer durch höhere Automatisierung von Steuerungs- und Kontrollhandlungen
Die Analyse des umgestalteten Arbeitsumfeldes und der neuen Arbeitsbedingungen einer Blockwarte erfolgte im Auftrag der Vattenfall Europe Generation AG & Co. KG. Die Modernisierung der Arbeitsplätze durch neue Technik und die damit verbundenen hochautomatisierten Abläufe wirken bei der Vielzahl der notwendigen Steuerungs- und Kontrollhandlungen für die Mitarbeiter nicht nur entlastend. Ebenso führt die Reduzierung des Wartenpersonals, aufgrund der Automatisierung, zu neuen Belastungsfaktoren, wie zum Beispiel Technikstress.

2.1. Technikstress als besondere Beanspruchung
Die Automatisierung der Technik und der Handlungsabläufe für Steuerung und Kontrolle in Kraftwerkswarten sind zum Teil neue Belastungen, die in den Bereich technisch bedingte Stressoren, einzuordnen sind. Das belegen Ergebnisse aus vorangegangenen Untersuchungen von Wartenarbeitsplätzen an anderen Kraftwerksstandorten, wie z.B. Jänschwalde, vor und nach der Modernisierung.1 Mögliche Stressoren sind in Abbildung 1 beispielhaft aufgeführt.

Stress wirkt auf den Menschen als Beanspruchung, wobei der Begriff grundlegend neutral gesehen werden muss. Nach DIN EN ISO 10075–1 entsteht diese psychische Beanspruchung durch die „unmittelbare (nicht langfristige) Auswirkung der psychischen Belastung im Individuum in Abhängigkeit von seinen jeweiligen überdauernden und augenblicklichen Voraussetzungen, einschließlich der individuellen Bewältigungsstrategien“3. Die entstehende Beanspruchung ist somit die Folge der Belastung und individuell geprägt.4

Stressoren sind alle Anforderungen, die für das Entstehen von Stresssymptomen verantwortlich sind, also alle von außen auf den Menschen einwirkenden Faktoren, die ihn psychisch und physisch beeinflussen – zum Teil positiv als Eustress zum Teil auch negativ als Dysstress.3 Technikstressoren beeinflussen in unterschiedlichen Lebensbereichen die Arbeitsleistung und die Erlebenswelt. Reaktionen lassen sich im kognitiven, emotionalen, vegetativ-hormonellen und muskulären Bereich beobachten. Beispielhaft wären Konzentrationsmangel, Denkblockaden, Gefühle der Überforderung durch Reizüberflutungen aufgrund der Mehrfachnutzung von Geräten, Herz-Kreislaufbeschwerden, Bluthochdruck, Schlafstörungen, Panik, Wut, Angst vor Technik, Nervosität, Gereiztheit, Beschimpfen der Technik bis hin zu gesteigertem aggressivem Verhalten zu nennen.5 Die vier Grundhaltungen des Menschen Lust und Unlust sowie Angst und Wut werden dabei durch den unbewusst oder auch subjektiv wahrgenommenen Stressor beeinflusst und angeregt.

Die Fehlbeanspruchung des Menschen im Umgang mit neuer Technik und neuen Medien führt zum Phänomen Technikstress. Technikstress ist eine spezielle Form von Stress, ein Muster spezifischer und unspezifischer Reaktionen eines Organismus auf Reizereignisse, die durch die Nutzung von technischen Hilfsmitteln und durch die allgemeine Einstellung gegenüber der Technik hervorgerufen werden, die sein physisches und psychisches Gleichgewicht stören sowie seine Fähigkeiten zur Anpassung oder Bewältigung strapazieren oder überschreiten.1, 2

2.2. Überforderung durch hohe Reizmengen
In engem Zusammenhang mit dem Auftreten von Stress steht die Problematik der Reizüberflutung. Nach Geißler muss die Wahrnehmung eines Reizes etwa 3 Sekunden betragen, um diesen im Gehirn zu verarbeiten. Die neurophysiologischen Möglichkeiten des menschlichen Gehirns sind darauf ausgerichtet, einen Vorgang konzentriert zu verarbeiten und zu steuern sowie mehrere parallele Vorgänge mit stark verminderter Aufmerksamkeit zu verfolgen.6 Nach Untersuchungen von Miller kann der Mensch nur 5 bis 9 gleichzeitige visuelle Reize verarbeiteten.7 Das menschliche Gehirn muss aber permanent verschiedenste Signale verarbeiten, bei gleichzeitig begrenzten Datenkanälen bei der Signalaufnahme und -weiterleitung und Speicherkapazitäten im Gehirn.8 Demnach ist davon auszugehen, dass die Gleichzeitigkeit von Wahrnehmungen und geistiger Verarbeitung großer Informationsmengen, wie sie bei Wartentätigkeiten üblich sind, zunehmend als Belastung auf die Mitarbeiter wirkt. Folgen können Angst, Unzufriedenheit, Erschöpfungssymptome und Stress sein.

Beispielhaft hierfür ist eine Meldeliste, welche auf einem Monitor alle Störungen auflistet, die der Leitstandsfahrer zu berücksichtigen hat. Teilweise treffen gleichzeitig mehrere Meldungen und Meldeketten ein, wodurch es dem Mitarbeiter kaum möglich ist, alle Auswirkungen auf den Fahrbetrieb abzuschätzen und den Überblick zu wahren. Eine veränderte Handhabung und Darstellung dieser Funktion kann die physiologischen und psychologischen Belastungen für den Leitstandsfahrer reduzieren.

3. Ergebnisse der Untersuchung in der Blockwarte
Der Arbeitsplatz in den Blockwarten ist durch permanente Bildschirmarbeit in einer Großraumbüroatmosphäre charakterisiert. Das Wartenpersonal führt seine Tätigkeit unterbrechungsfrei in vornehmlich sitzender Position aus.

Die Untersuchung umfasste die Messung ergonomischer Parameter der Arbeitsmittel, der Beleuchtungsstärke und Leuchtdichte, der Klimagrößen und des Schallpegels. Die Messungen erfolgten schwerpunktmäßig in den Bereichen Arbeitsplatz und Arbeitstisch sowie Klimaanlage, wie sie in Abbildung 2 zu erkennen sind. Weiterhin wurden subjektive Faktoren durch eine Befragung aller Wartenmitarbeiter sowie einer Kombination aus Interview, Biosignalmessung und Beobachtung einzelner Mitarbeiter erfasst.

3.1. Ergonomische Faktoren aus der Umgebung und Arbeitsgestaltung
Die Auswertung der ergonomischen Parameter ergab, dass die Blockwarte den Anforderungen und Vorschriften hinsichtlich ergonomischer Gestaltung entspricht. Hinsichtlich der software-ergonomischen Gestaltung ist die Negativdarstellung als ungünstig anzusehen. Damit einhergehend wird von den Mitarbeitern eine geringe Beleuchtung bevorzugt. Erklärbar ist dieser Umstand durch die hohen Kontrastunterschiede zwischen der dunklen Negativdarstellung und den hell beleuchteten Flächen im Arbeitsraum. Leichte Diskrepanzen ergeben sich weiterhin hinsichtlich der individuellen Einstellmöglichkeiten und der Anordnung der Monitore. Bei optimaler Aufstellung sollten diese im Naharbeitsbereich die Großbildwände nicht überlappen, gleichzeitig aber die ergonomischen Gestaltungsmöglichkeiten für die wechselnden Mitarbeiter nicht behindern oder einschränken. Auch die Menge der Anzeigegeräte und die damit verbundenen Informationsmengen sind als sehr hoch zu bewerten. Zu einer Monitorzeile mit 7 Monitoren in Tischarbeitshöhe kommen 8 Großbildschirme hinzu, die in zwei Zeilen angeordnet sind und jeweils bis zu 4 Datenfenster anzeigen können (Abbildung 3).

Zur Bewertung der Beleuchtung wurden die Beleuchtungsstärken der Allgemeinbeleuchtung und der Einzelplatzbeleuchtung über den Arbeitsflächen ermittelt, sowie die Leuchtdichten verschiedener Flächen, Lampen, Leuchten und Anzeigen im Nah- und Fernbereich der Arbeitsplätze bestimmt. Die DIN EN ISO 11064–6 als auch die DIN EN 12464–1 schreibt für die Allgemein- und Individualbeleuchtung am Arbeitsplatz eine Beleuchtungsstärke von mindestens 500lx vor. Die Auswertung der Messwerte ergab, dass sowohl die Vorgabe von 500lx als auch die Vorgabe für ständig besetzte Arbeitsplätze von mindestens 200lx 9, 10 nicht erreicht wird. Durch den Einsatz der vorhandenen Individualbeleuchtung wären theoretisch Beleuchtungsstärken von ca. 360 bis 410lx realisierbar, wie in Tests herausgefunden wurde. Am Blockleiterpult können sogar Beleuchtungsstärken von 540 bis 560lx erreicht werden. Generell sollte die Beleuchtungsstärke oberhalb der geforderten Normen liegen, da mit zunehmendem Alter des Wartenpersonals, die Anforderungen an Lichtbedarf und Beleuchtungsqualität steigen.

Bei der Klimamessung erfolgten die Ermittlung der Temperatur, Luftfeuchte und Luftbewegung sowie der Wärmestrahlung zur Untersuchung der Wärmeabgabe und Wärmeströme. Zur Bewertung des Klimas wurde der PMV- Index (Predicted-Mean-Vote) und der PPD-Index (Predicted Percentage of Dissatisfied)11 herangezogen. Nach Auswertung der Klimagrößen konnte das Klima nach ASR5 sowie DIN 33403–2 und DIN EN ISO 11064–6 als durchgängig optimal eingeschätzt werden.10, 12, 13

Die Kontrolle des Lärmpegels erfolgte in Stichproben und durch Bestimmung des Dauerschallpegels. Die Langzeitmessung ergab einen korrigierten Beurteilungspegel Leq8h von 48,6dB(A) im zentralen Bereich der Warte. Dieser erfüllt die Vorgabe für routinemäßige Büroarbeit mit einem Grenzwert von 45–55dB(A) für Dauerschallpegel.10, 14 Da die Sprachverständigung am Leitstand während der Messung nicht ausgeschlossen werden konnte, kann auch auf die generelle Einhaltung eines Leq8h von 45db(A) nach DIN EN ISO 11064–6,A geschlossen werden.

3.2. Die Befragung als Methode zur Erfassung subjektiver Faktoren
Die Befragung der 30 Mitarbeiter der Blockwarte verfolgte mehrere Ziele:

· die Selbstwahrnehmung der arbeitshygienischen und ergonomischen

· Faktoren im Arbeitsumfeld,

· die Einschätzung der Selbstbestimmtheit und der Partizipation,

· die Bewertung der Gestaltung von Arbeitsplatz und Arbeitsaufgabe,

· die Bewertung der Kommunikation und Information und

· die Bewertung und Erfassung der Technikwirkung.

Hierzu wurde ein sechsstufiger geschlossener Fragebogen mit sieben inhaltlichen Komplexen entwickelt, der auf die Nennung der vor Ort gegebenen Arbeitsbedingungen ausgerichtet war. Neben den fünf oben genannten Zielen gingen die subjektive Bewertung der Wichtigkeit der Zielbereiche sowie persönliche Angaben in das Befragungsinstrument ein. Soziografische Daten in Form von Alter, Geschlecht, Dauer der Betriebszugehörigkeit und der Wartentätigkeit sowie Berufsabschluss und Zusatzqualifikation wurden erfasst und ausgewertet, dürfen jedoch nur im internen Abschlussbericht anonymisiert verwendet werden. Am Schluss jedes Fragekomplexes war eine zusätzliche Möglichkeit für freie Antworten gegeben.

Der Schwerpunkt der statistischen Auswertung lag auf der Betrachtung der drei Dimensionen: Wichtigkeit des Fragethemas für den Befragten, Stärke der Ausprägung des Merkmal und Zufriedenheit mit dem erfragten Merkmal. Dazu wurden jeweils drei Items mit diesen Skalen gebildet. Resultierend konnte der Ist-Zustand gut abgebildet und Differenzen belegt werden. Die individuelle Beanspruchung der Mitarbeiter kann aus dem Fragebogen abgeleitet und im Vergleich mit Messungen an den Arbeitsplätzen verglichen werden. Die Gegenüberstellung aus subjektiven Einschätzungen und objektiven Analysen gewährt eine für die Praxis gut geeignete Bewertung und Ableitung von Gestaltungshinweisen (Abbildung 4).

Für die bereits angesprochene große Zahl an Monitoren und Großbildwänden existieren verschiedene Informationsaufbereitungen und Möglichkeiten der Informationsabrufung. Die auftretenden psychischen Belastungen sind objektiv betrachtet erheblich. Die Leitstandsfahrer gaben auch in der Befragung an, dass sie die Menge an aufzunehmenden Informationen als sehr hoch empfinden. Für die gegebene Arbeitssituation sind deshalb auch die Auswirkungen des Technikstresses von großer Bedeutung. Die Auswertung zeigte, dass die Automatisierungstechnik dennoch erheblich zur Erleichterung und Verbesserung der Arbeitsbedingungen beiträgt. Trotz der sehr hohen Abhängigkeit von der eingesetzten Leitstandstechnik, wird diese mehrheitlich als Unterstützung wahrgenommen (Abbildung 5).

Als ein Beispiel für die Auswertung der Befragung sei hier exemplarisch die Häufigkeit von emotional erfahrbaren Störungen bei der Arbeit mit der Technik genannt. Die Befragten gaben die Häufigkeit zwar als gering an, jedoch konnte eine statistisch-signifikante Korrelation auf dem 5%-Niveau zwischen den Angaben zu Fehlfunktionen von Bediengeräten und dem Erfahren von negativen Gefühlen und darüber hinaus zum Auftreten von Krankheitssymptomen nachgewiesen werden. Aussagen hierzu wurden von den Befragten in Items zum Stresserleben auf kognitiver, emotionaler und muskulärer Ebene getroffen. Gefühle von Überforderung durch Reizüberflutung, erlebte Unzufriedenheit und Muskelverspannung sowie nicht nachweisbare subjektive Empfindungen (z.B. psychologische Blendung, also die als unangenehm empfundene Helligkeit von Lampen und Leuchten15) sind Beispiele für die gegebenen Aussagen.

4. Schlussfolgerungen
Die ergonomische und arbeitshygienische Gestaltung der Blockwarte entspricht den Anforderungen bezüglich Klima und Lärm. Eine technische Anpassung der Beleuchtungsauslegung und deren Einsatz wird aus arbeitswissenschaftlicher Sicht empfohlen. Ein Wechsel der Monitor- und Bildwanddarstellungen von der Negativdarstellung zur Positivdarstellung wäre von Seiten der visuellen Belastung und zum Ausschluss physischer und psychologischer Belastungen durch hohe Adaptionsleistungen des Auges eine Verbesserung. Durch die freien Antworten der Befragten konnten die Problembereiche – z.B. Bereiche von physiologischer und psychologischer Blendung – eingegrenzt und Gestaltungsempfehlungen gegeben werden.

Insbesondere die Tätigkeit an den Dauerarbeitsplätzen im 24-Stunden-Schichtbetrieb bei ständiger Aufmerksamkeit wirkt als Belastung auf die Mitarbeiter. Aus der vergleichenden Analyse von objektiven Messwerten und subjektiver Bewertung der Befragten ergibt sich, dass trotz weitgehend optimaler Umgebungsfaktoren diese als qualitativ ungenügend eingeschätzt wurden. Daher kann geschlossen werden, dass die fehlende physische Anregung zu einer erhöhten Sensitivität gegenüber Umweltfaktoren führt, so dass bereits geringste – objektiv kaum nachweisbare – Veränderungen als störend empfunden werden. Hierfür müssen Gestaltungsmaßnahmen und Handlungsregularien gefunden werden, die verhindern, dass die Menge an kleinen Ärgernissen und Belastungen nicht langfristig die Zufriedenheit und Motivation beeinflussen. Im Rahmen der Fragen zur Arbeitszufriedenheit waren dies insbesondere die klimatischen Bedingungen, die Organisation von Arbeitsschichten und -pausen und die Schulungs- und Qualifizierungsmöglichkeit. Monotone immer wiederkehrende Tätigkeiten wurden erwartungsgemäß häufig als hoch eingeschätzt, womit sich die Befragten jedoch als zufrieden äußerten. Bei der Wartentätigkeit existieren jedoch zwei Extreme: die handlungsarme Überwachungsarbeit, die den Hauptanteil der Arbeitszeit ausmacht, und die fordernden Reaktionen in besonderen Betriebssituationen und bei technischen Störungen. Darum sollte auch im Zuge fortschreitender Automatisierung und verbreitetem Einsatz von Informationstechnologie der Mensch mit seinen Bedürfnissen nicht sekundär behandelt werden. Im Mittelpunkt der Gestaltung von Arbeitsumgebung und Arbeitsaufgabe sollte nach wie vor der Mensch und nicht die Technik stehen.

Je kleiner die Bedienmannschaft und je komplexer die Leittechnik in den Warten ist, desto höher das Bedürfnis nach Sicherheit durch Beobachtung möglichst vieler Prozessinformationen. Das waren Erkenntnisse aus den offenen Fragen. Von besonderer Bedeutung ist die Partizipation der Mitarbeiter in den Veränderungsprozessen am Arbeitsplatz. Zur Umsetzung der Gestaltungsempfehlungen sollten, wie bereits in anderen Warten und Leitstellen erfolgreich angewendet, gemeinsame Projektgruppen gegründet werden. Vattenfall und das Lehrgebiet Arbeitswissenschaft/ Arbeitspsychologie konnten in ähnlichen Projekten sehr gute Gestaltungsempfehlungen erarbeiten und in folge dessen zu einer erhöhten Arbeitszufriedenheit beitragen.16

Wie sich gezeigt hat, müssen in einem Arbeitsumfeld mit weitgehend wenig physischen (Überwachungsbetrieb) aber gleichfalls fordernden psychischen Belastungen (permanente Aufmerksamkeit, Abschottung von der Umwelt, hohe Technisierung) und zeitweilig sehr hohen Anforderungen (große Verantwortung, wechselnde Phasen zwischen monotonem Normalbetrieb und reaktionsintensiven Störungen) alle Einflussfaktoren sowohl aus der Arbeitsaufgabe als auch Arbeitsumgebung in die Bewertung und Gestaltung des Arbeitssystems einbezogen werden. Gleichzeitig sollte sich die Gestaltung von Warten noch stärker an dem arbeitenden Menschen orientieren. Klimatische Bedingungen, Beleuchtung und Lärm sind wichtige Parameter, die sich bei ganztägiger Überwachungsarbeit – abhängig von individuellen Faktoren – als hohe Beanspruchung auswirken können. Hierbei sind weniger die objektiven Faktoren, sondern vielmehr die subjektiven Wahrnehmungen des Einzelnen ausschlaggebend für die Zufriedenheit. Das heißt, eine rein normgerechte oder richtlinienkonforme Auslegung von Wartenarbeitsplätzen ist nicht ausreichend. Eine Betonung der Gestaltung unter Berücksichtigung individueller Bedürfnisse der Wartenmitarbeiter wie z.B. in DIN EN ISO 11064–6 formuliert, kann die Arbeitszufriedenheit grundlegend verbessern.

· Literatur

Hoppe, A, Binkowski, S. Prozess- und Arbeitsplatzoptimierung in Kraftwerks-Blockwarten – eine arbeitswissenschaftlich/ arbeitspsychologische Untersuchung unter Berücksichtigung von Technikstress. Zeitschrift für Arbeitswissenschaft, Nr. 2, S. 133 – 139, 2006

Hoppe, A. Technikstress – ein Zukunftsphänomen?! In: Slovenskä technickä univerzita v Bratislave: CO-MAT-TECH 2004. S. 59, Trnava : CO-MAT-TECH. 12. Medzinärodnä vedeckä konferencia, 2004

DIN EN ISO 10075–1. Ergonomische Grundlagen bezüglich psychischer Arbeitsbelastung – Teil 1: Allgemeines und Begriffe. November 2000

Rohmert, W. Formen menschlicher Arbeit. In: Rohmert und Rutenfranz (Hrsg.). Praktische Arbeitspsychologie. 3. neubearb. Auflage, Stuttgart : Georg Thieme Verlag, 1983

Wagner-Link, A. Aktive Entspannung und Stressbewältigung – Wirksame Methoden für Vielbeschäftigte. 2.durchgesehene Auflage. Ehningen bei Böblingen : expert verlag, 1989

Geißler, K A. Alles. Gleichzeitig. Und zwar sofort. Unsere Suche nach dem pausenlosen Glück. Freiburg : Herder, 2004

Miller, G A. The magical number seven, plus or minus two: Some limits on our capacity for processing information. Psychol. Rev. 63, p. 81 – 97, 1956

Völz, H. Das Mensch-Technik-System. Physiologische, physikalische und technische Grundlagen – Software und Hardware. Renningen : expert-Verl., 1999

DIN EN 12464–1:2002. Licht und Beleuchtung. Beleuchtung von Arbeitsstätten. Teil 1. Arbeitsstätten in Innenräumen. März 2003

DIN EN ISO 11064–6:2005. Ergonomische Gestaltung von Leitzentralen – Teil 6: Umgebungsbezogene Anforderungen für Leitzentralen. Oktober 2005

Fanger, P O. Thermal Comfort. Analysis and Application in Environmental Engineering. Reprinted Edition. Malabar, Florida : Krieger Publishing Company, 1982

ASR 5: Arbeitsstätten-Richtlinie 5: Lüftung, Oktober 1979

DIN 33403–2:2000: Klima am Arbeitsplatz und in der Arbeitsumgebung. August 2000

DIN EN ISO 11690–1:1997: Akustik – Richtlinien für die Gestaltung lärmarmer maschinenbestückter Arbeitsstätten – Teil 1: Allgemeine Grundlagen. Februar 1997

Hettinger, Th, Wobbe, G (Hrsg.). Kompendium der Arbeitswissenschaft. Optimierungsmöglichkeiten zur Arbeitsgestaltung und Arbeitsorganisation. Ludwigshafen : Kiehl, 1993

Hoppe, A, Binkowski, S. Untersuchung von Technikstressoren unter Zugrundelegung des handlungsregulierenden Ansatzes – Eine Studie zur Arbeitsplatz- und Prozessoptimierung von technisch hochkomplexen Arbeitsplätzen. BTU – Forum der Forschung 10. Jahrgang, Heft 17, S. 147–152, Dezember 2006

A. Hoppe1, S. Binkowski2, D. Rudolph3, D. Haake4 1,2,3 Lehrgebiet Arbeitswissenschaft/Arbeitspsychologie, Brandenburgische Technische Universität Cottbus 4 Vattenfall Europe Generation AG & Co. KG

Aktuelle Ausgabe

Partnermagazine

Akademie

Partner