Arbeitsschutz

Gefährdungsbeurteilung beim Umgang mit Gefahrstoffen

Einleitung
Laut Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) ist der Arbeitgeber verpflichtet, vor Aufnahme von Tätigkeiten mit Gefahrstoffen eine Gefährdungsbeurteilung vorzunehmen und diese zu dokumentieren. Ohne eine Gefährdungsbeurteilung (GB) darf keine Tätigkeit mit Gefahrstoffen aufgenommen werden.

Gefahrstoffe
Gefahrstoffe (GefStoff) nach § 2 und § 3 der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) sind Stoffe und Zubereitungen mit den gefährlichen Eigenschaften:

sehr giftig, giftig, gesundheitsschädlich, ätzend, reizend, sensibilisierend, krebserzeugend, fortpflanzungsgefährdend, erbgutverändernd, explosionsgefährlich, brandfördernd, hochentzündlich, leichtentzündlich, entzündlich, umweltgefährlich.

Gefahrstoffe sind auch Stoffe und Zubereitungen, die auf Grund ihrer physikalisch-chemischen, chemischen oder toxischen Eigenschaften und der Art und Weise, wie sie am Arbeitsplatz vorhanden sind oder verwendet werden, die Gesundheit und die Sicherheit der Beschäftigten gefährden können. Beispielsweise fallen hierunter Arbeiten mit den Händen in Wasser, sogenannte Feuchtarbeit. Als Feuchtarbeit ist auch eine Tätigkeit zu bewerten, die mit flüssigkeitsdichten Schutzhandschuhen ausgeübt werden muss.

Tätigkeiten
Eine Tätigkeit nach GefStoffV ist jede Arbeit mit Stoffen, Zubereitungen oder Erzeugnissen, einschließlich Herstellung, Mischung, Ge- und Verbrauch, Be- und Verarbeitung, Lagerung, Aufbewahrung, Ab- und Umfüllung, Entfernung, Entsorgung und Vernichtung. Zu den Tätigkeiten zählen auch das innerbetriebliche Befördern sowie Bedien- und Überwachungsarbeiten. Solche Tätigkeiten sind bezüglich des dabei erfolgenden Umgangs mit Gefahrstoffen zu bewerten und geeignete Schutzmaßnahmen festzulegen.

Aufgaben des Unternehmers
Der Unternehmer ist nach Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG vom 07.08.1996) und Gefahrstoffverordnung (GefStoffV vom 20.11.2010) verantwortlich für die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung (GB) für die im Betrieb verwendeten Gefahrstoffe. Die Gefährdungsbeurteilung ist ab einem Mitarbeiter nachvollziehbar durchzuführen, das Ergebnis ist zu dokumentieren und der Behörde auf Verlangen Einsicht zu gewähren.

Der Verordnungsgeber verlangt für die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung beim Umgang mit Gefahrstoffen eine Beurteilung durch eine fachkundige Person. Fachkundig können laut Verordnung insbesondere der Betriebsarzt und die Fachkraft für Arbeitssicherheit sein. Fachkundig ist, wer zur Ausübung einer in der GefStoffV bestimmten Aufgabe befähigt ist. Die Anforderungen an die Fachkunde sind abhängig von der jeweiligen Art der Aufgabe. Zu den hier erforderlichen Anforderungen zählen eine entsprechende Berufsausbildung, Berufserfahrung oder eine zeitnah ausgeübte entsprechende berufliche Tätigkeit sowie die Teilnahme an spezifischen Fortbildungsmaßnahmen.

Für die Gefährdungsbeurteilung bleibt der Arbeitgeber aber auch dann verantwortlich, wenn er die Erstellung durch fachkundige Mitarbeiter oder Externe durchführen lässt. Der Arbeitgeber hat im Rahmen der GB die Gefährdungen durch Einatmen, durch Hautkontakt und durch physikalisch-chemische Wirkungen getrennt zu erfassen und bei den durchzuführenden Schutzmaßnahmen zu berücksichtigen. Können bei Expositionen durch mehrere Stoffe Wechselwirkungen von Gefahrstoffen auftreten, sind diese ebenso wie durch Arbeitsprozesse ggf. neu entstehende Stoffe zu beurteilen.

Durchführung der Gefährdungsbeurteilung
Die GB lässt sich in folgende Abschnitte gliedern, die anschließend erörtert werden sollen:

· Vorermittlungen durchführen und Kataster erstellen

Ermittlung der in Verwendung befindlichen Gefahrstoffe und Gemische, Erstellung eines Katasters auf Papier oder im PC

Sammeln von Informationen z. B. aus dem Sicherheitsdatenblatt (SDB): Gefahrensymbole und Kennbuchstaben oder Gefahrklassen, H- und/oder R-Sätze, Arbeitsplatzgrenzwerte (AGW)

Tätigkeitsbezogene Erfassung der zu handhabenden Menge des Gefahrstoffes und die Dauer mit dessen Umgang

Plausibilitätsprüfung des Sicherheitsdatenblattes (SDB)

· Eigentliche Gefährdungsbeurteilung mit Fachkunde durchführen

Zuordnung der Gefährlichkeitsgruppe A bis E für das Einatmen

Ermittlung der Freisetzungsgruppe für das Einatmen

Festlegung der Schutzmaßnahmen für das Einatmen

Ermittlung von Wirkfläche und Wirkdauer bei Hautkontakt,

Ermittlung der Gefährlichkeitsgruppe Hautkontakt (HA-HE),

Ermittlung des Maßnahmenbedarfs bei Hautkontakt,

Prüfen von Ersatzlösungen

Schutzmaßnahmen festlegen

Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen anbieten oder veranlassen

Festlegung des Vorgehens zur Wirksamkeitsprüfung

· Weitergehende Maßnahmen

Erstellen von Betriebsanweisungen

Unterweisung der Mitarbeiter mindestens einmal jährlich

Ggf. weitere Maßnahmen aus der Gefährdungsbeurteilung umsetzen

Schlussfolgerungen aus durchgeführten arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen

Wirksamkeitsprüfung/ Überprüfung mindestens 1x/Jahr

· Vorermittlungen durchführen und Kataster erstellen – Die Erstellung des Gefahrstoffverzeichnisses (A bis C)

Die Gefahrstoffverordnung verlangt vom Arbeitgeber das Erfassen der Gefahrstoffe in einer Gefahrstoffliste oder einem Kataster. Mindestanforderung laut aktueller GefStoffV ist die Erfassung der Bezeichnung des Gefahrstoffes (Handelsname) und des Herstellers (Spalte 2 in Tab. 1) mit Verweis auf das Sicherheitsdatenblatt (SDB, Spalte 9), welcher in der TRGS 400 ergänzend gefordert wird.

Sinnvollerweise erfolgt die Erfassung der Gefahrstoffe im Rahmen einer Betriebsbegehung. Wer sich noch nie oder schon lange nicht mehr mit Gefahrstoffen beschäftigt hat, der erkennt einen solchen anhand von Gefahrensymbolen (GefStoffV) oder Gefahrenpiktogrammen (CLP-V (s. Abb. 1–2)), Signalworten, Bezeichnung der besonderen Gefahren durch R-Sätze (GefStoffV) oder Gefahrenhinweisen durch H-Sätze (CLP-V). Zweckmäßigerweise wird im Rahmen der Begehung aber zunächst geprüft, ob der Gefahrstoff / das Gefahrstoffgemisch noch benötigt wird. Als Hinweis sei erlaubt: Was in den letzten zwei bis drei Jahren nicht benötigt wurde, sollte vor einer Erfassung der gesicherten Entsorgung zugeführt werden, zumal die Eigenschaft eines Gefahrstoffs durch längere Lagerungszeiten u. U. erheblich leidet. Danach sollten von den im Betrieb aufzufindenden Gebinden neben dem Handelsnamen und dem Hersteller in eigenen Spalten die Gefahrensymbole und Kennbuchstaben der Gefährdungshinweise sowie die H-/R- und P-/S-Sätze sowie bei Zubereitungen bzw. Gemischen in einer weiteren Spalte auch die Inhaltsstoffe übernommen werden. Weiterhin sollten der Arbeitsbereich und die Tätigkeit, aber auch die Verbrauchsmenge für eine bestimmte Handhabung pro Tag und die aktuelle Lagermenge, wie in Tabelle 1 dargestellt, notiert werden. Auch die Dauer des einzelnen Umgangs im Rahmen der zu beurteilenden Tätigkeit ist am besten vor Ort mit den Mitarbeitern festzuhalten.

Zu den nach den Mindestanforderungen zu erfassenden Angaben zählen neben dem Handelsnamen und dem Hersteller die Einstufung des Gefahrstoffes oder Angaben zu dessen gefährlichen Eigenschaften (Gefahrensymbol(e) bzw. dessen Kennbuchstabe(n) oder die H-Sätze bei Stoffen bzw. die R- oder H-Sätze bei Zubereitungen.

Vor Durchführung weiterer Betrachtungen und Ermittlungen ist bei Vorliegen eines Totenkopfes als Gefahrensymbol oder der Kennbuchstaben T+ oder T oder der GHS-Zeichen GHS 06 (generell) oder GHS 07 und GHS 08 mit dem Wort „Gefahr“ zudem ad hoc zu prüfen, ob eine Substitution eines solchen Gefahrstoffes oder einer solchen Zubereitung erfolgen oder ein Ersatzverfahren eingesetzt werden kann. Dadurch könnte die Restmenge des dadurch zu substituierenden Gefahrstoffes ebenfalls der umgehenden Entsorgung zugeführt werden, womit man sich ebenso wie bei den nicht mehr verwendeten Gefahrstoffen sowohl die nachfolgende Erfassung als auch die daran anschließende Bewertung ersparen kann.

Plausibilitätsprüfung des Sicherheitsdatenblattes (SDB)
Das Sicherheitsdatenblatt soll den Verwender über die notwendigen Daten und Umgangsempfehlungen in Kenntnis setzen, um die für den Gesundheitsschutz relevanten Maßnahmen veranlassen zu können. Der Hersteller oder Lieferant eines Stoffes oder einer Zubereitung (früher: eines Gemisches) ist verpflichtet, jährlich eine Überprüfung der Datenlage und ggf. Änderung des SDB vorzunehmen. Bei Erstlieferung und danach bei sicherheitsrelevanten Änderungen ist ein aktuelles SDB unaufgefordert mitzuliefern. Im Betrieb sollte darauf geachtet werden, dass kein SDB älter als dreiJahre ist (d. h. für zwei der in Taelle. 1 aufgeführten Beispiele liegt ein veraltetes SDB vor!).

Zweckmäßigerweise wird die Plausibilitätsprüfung bereits anhand des Gefahrstoffverzeichnisses begonnen. Nach der Ermittlung und Erfassung der Gefahrensymbole (GS) / Kennbuchstaben sowie der H-Sätze bzw. der R-Sätze auf den Gebinden können diese Angaben im Büro mit denen aus dem Abschnitt 15 oder 16 des SDB verglichen werden. Beide Angaben müssen identisch sein. Ist dies nicht der Fall, ist mit dem Hersteller oder Lieferanten Kontakt aufzunehmen, um ein aktuelles SDB zu erhalten.

Bezüglich der weiteren Plausibilitätsprüfung sind die einzelnen Positionen der Tabelle 2 zu bearbeiten. In einer weiteren Spalte der Tabelle 1 sollten aus dem SDB gegebenenfalls der für den Gefahrstoff oder eine einzelne Komponente einer Zubereitung vorliegende Arbeitsplatzgrenzwert oder der Biologische Grenzwert festgehalten werden. Diese Angaben sind mit den Angaben in der jeweils aktuellsten TRGS 900 (Arbeitsplatzgrenzwerte (AGW)) bzw. der TRGS 903 (Biologische Grenzwerte (BGW)) zu vergleichen.

Weitere wichtige Angaben finden sich in der TRGS 905 (Verzeichnis krebserzeugender, erbgutverändernder oder fortpflanzungsgefährdender Stoffe), der TRGS 906 (Verzeichnis krebserzeugender Tätigkeiten oder Verfahren nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 GefStoffV) und der TRGS 907 (Sensibilisierende Stoffe). Diese Angaben müssen ihrerseits mit den R- oder H-Sätzen auf Gebinde und SDB übereinstimmen, welche im SDB in Abschnitt 2 für eine Komponente und in Abschnitt 15 oder 16 für die Zubereitung genannt sein.

Die jeweils aktuellste TRGS kann am einfachsten über das Internet abgerufen werden, so z. B. über: www.baua.de » Gefahrstoffe » TRGS.

Das Ergebnis der Plausibilitätsprüfung kann letztlich beispielweise in Spalte 10 der Tabelle 1 festgehalten werden. In der hinterlegten Liste wäre die Plausibilitätsprüfung allein durch die negative Antwort auf Frage 1 der Tabelle 2 bei zwei Stoffen zu verneinen. Für solche Gefahrstoffe müsste der Hersteller oder Lieferant zwecks Aktualisierung des SDB angeschrieben werden.

Ergeben sich bis hierher Widersprüche oder Nachfragen, sollte bei bereits laufender Handhabung eines Gefahrstoffes oder einer Zubereitung unverzüglich fachkundiger Rat beigezogen werden, um eine Gefährdung der Mitarbeiter zeitnah auszuschließen.

Sind keine Widersprüche aufgedeckt worden, könnte jetzt mit der eigentlichen Gefährdungsbeurteilung unter Verwendung des „Einfachen Maßnahmenkonzeptes Gefahrstoffe“ (EMKG) der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BauA) in Berlin begonnen werden. Für nicht fachkundige Unternehmer empfiehlt sich aber ab diesem Stand der Ermittlungen, fachkundige Unterstützung in Person der Sicherheitsfachkraft (SiFa) oder des Betriebsarztes (BA) hinzuzuziehen. Ansonsten sollte hier das EMKG über www.baua.de aufgerufen und mit der Bewertung der Gefahrstoffe gestartet werden.

· Eigentliche Gefährdungsbeurteilung – mit Fachkunde durchführen

Ein Gefahrstoff kann prinzipiell nur dann dem Menschen gefährlich werden, wenn er direkt über die Haut oder Luft getragen durch Einatmen auf ihn einwirken kann. Dementsprechend verlangt die GefStoffV eine getrennt durchzuführende Risikobewertung für die dermale und die inhalative Einwirkung. Weiterhin sollen die Risiken durch besondere physikalisch-chemische Einwirkungen beurteilt werden. Beispiele für letztere sind: brennbar, chemisch instabil, explosionsfähig, heiß, tiefkalt, erstickend.

Für die inhalative Einwirkung ist das Freisetzungsverhalten eines Stoffes oder einer Zubereitung entscheidend, welches über den Siedepunkt bei Flüssigkeiten oder das Staubungsverhalten bei festen Stoffen beurteilt werden kann. Im Folgenden soll dies mittels des „Einfachen Maßnahmenkonzeptes Gefahrstoffe“ (EMKG) der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (baua) gezeigt werden.

· Zuordnung der Gefährlichkeitsgruppe A bis E für das Einatmen

Ist in dem Gefahrstoffgebinde nur ein einzelner chemischer Stoff enthalten, der in der TRGS 900 aufgeführt ist, so erfolgt die Zuordnung zur entsprechenden Gefährlichkeitsgruppe über den Arbeitsplatzgrenzwert (AGW). Bei Feststoffen wird die Angabe des Grenzwertes in mg/m³, bei Flüssigkeiten in ppm bzw. ml/m³ benötigt. Zur Ableitung der Gefährlichkeitsgruppe wird der AGW nach Tabelle 3 dem entsprechenden Luftkonzentrationsbereich zugeordnet, die GG abgelesen und festgehalten.

Die Zuordnung der GG bei Zubereitungen (Gemischen) kann entsprechend über eventuell einzelne angegebene AGW erfolgen. In solchen Fällen sind für diese Zubereitungskomponenten die GG zu ermitteln und das Arbeitsverfahren bezüglich der notwendigen Maßnahmen zu bewerten, damit die einzelnen AGW eingehalten werden.

Bei Stoffen oder Zubereitungen (Gemischen) ohne AGW erfolgt die Zuordnung zur entsprechenden Gefährlichkeitsgruppe über die R- oder H-Sätze bei Zubereitungen oder über die H-Sätze bei reinen Stoffen (ab 1.12.12 ausschließlich).

Sind Stoffe oder Zubereitungen (Gemische) in den Abschnitten 15 des zugehörigen SDB beispielsweise mit den Risiko-Sätzen R45, R46, R49 oder R60 gekennzeichnet oder in der TRGS 905 oder TRGS 906 genannt, so sind sie der höchsten Gefährlichkeitsgruppe „E“ zuzuordnen, bei Stoffen mit sehr niedrigem AGW (< 0,001 mg/m³ bei Feststoffen oder <0,05 ppm bei Flüssigkeiten oder Gasen) gilt entsprechendes. Bei in Tabelle 4 nicht auffindbaren R-Sätzen ist die Gefährlichkeitsgruppe über die Tabelle „R-Sätze und Gefährlichkeitsgruppen“ im Anhang 3 des EMKG der baua zu finden. In der neuen CLP-Verordnung werden die Risiko (R)-Sätze (engl. Risk phrases) durch (H)-Sätze (engl. Hazard statements) ersetzt. Die Zuordnung der H-Sätze zu den R-Sätzen kann zum Beispiel auf Grundlage der Umwandlungstabelle des Anhang VII der CLP-Verordnung erfolgen. · Ermittlung von Freisetzungs- und Mengengruppe für das Einatmen Wenn ein flüssiger Gefahrstoff bei Raumtemperatur verwendet wird, ergibt sich die Freisetzungsgruppe niedrig, mittel oder hoch aus dem Siedepunkt (Sdp) oder dem Dampfdruck über Tabelle 5. Bei Bereichsangaben ist der niedrigste Wert zu verwenden. Bei anderen Anwendungstemperaturen als in Tabelle 5 für Flüssigkeiten angegeben ist die Freisetzungsgruppe über Abbildung 2 zu ermitteln und festzuhalten. Für Feststoffe oder Stäube ist die Freisetzungsgruppe entsprechend über Tabelle 6 anhand der Darreichungsform wie z. B. Pellets, Granulat, Wachs und Pulver oder über des Staubungsverhalten zu ermitteln und festzuhalten. Zuletzt wird die Mengengruppe niedrig, mittel oder hoch für das Einatmen nach Tabelle 7 festgestellt. Entscheidend ist hier nicht die am Arbeitsplatz auffindbare Gebindegröße, sondern die gehandhabte Menge einer Tätigkeit, wobei die Einzelmengen bei mehrfach am Tag zu verrichtender Tätigkeit zu addieren sind. Diese Angabe war auf Vorschlag des Verfassers bereits bei der Erfassung der Gefahrstoffe auf der Begehung festzuhalten und kann jetzt im g-, kg- oder t-Bereich alternativ im ml-, l- oder m³-Bereich übernommen werden. · Festlegung der Schutzmaßnahmen für das Einatmen Über die ermittelten 3 Bezugsgrößen, nämlich die Gefährlichkeitsgruppe, die Mengengruppe und die Freisetzungsgruppe wird nunmehr über Tabelle 8 der Maßnahmenbedarf „Einatmen“ festgestellt und anhand der dortigen Angaben über die auf der Homepage der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in Berlin (BauA) in Berlin (www.baua.de) einsehbaren Reihen der endgültige Umfang der Schutzmaßnahmen zum Schutz vor inhalativen Gefährdungen festgehalten. Wenn die Dauer der Tätigkeit während eines Arbeitstages weniger als 15 Minuten beträgt, kann der Maßnahmenbedarf „Einatmen“ von der Reihe 300 auf 200 bzw. von 200 auf 100 reduziert werden. Dies ist aber nur dann möglich, wenn der Stoff oder die Zubereitung in Abschnitt 15 des SDB nicht mit R37 (lokal reizend), R34 oder R35 (ätzend), R42 (atemwegssensibilisierend) oder geruchsintensiv eingestuft ist. Zuordnung der Gefährlichkeitsgruppe HA bis HE bei Hautgefährdung
Bei Stoffen oder Zubereitungen (Gemischen), bei denen ein Hautkontakt nicht ausgeschlossen werden kann, erfolgt die Zuordnung zur entsprechenden Gefährlichkeitsgruppe (GG) Hautgefährdung über die Tabelle 9 sowie über die R- oder H-Sätze bei Zubereitungen oder über die H-Sätze bei reinen Stoffen (ab 1.12.12 ausschließlich) im Abschnitt 15 des zugehörigen SDB.

Sind Stoffe oder Zubereitungen (Gemische) dort beispielsweise mit den Risiko-Sätzen R24, R27, R34, R35, R39/27, R45, R46, R60, R61; H310; H314 (Hautsatz 1A); H340; H350 oder H360 versehen oder in der TRGS 905 oder der TRGS 906 genannt, so sind sie der höchsten Gefährlichkeitsgruppe „HE“ zuzuordnen.

Bei in Tabelle 9 nicht auffindbaren R-Sätzen ist die Gefährlichkeitsgruppe über die Tabelle „R-Sätze und Gefährlichkeitsgruppen“ im Anhang 3 des EMKG der baua zu finden. Die Zuordnung von H-Sätzen zu den R-Sätzen kann auch hier auf Grundlage der Umwandlungstabelle des Anhang VII der CLP-Verordnung erfolgen.

· Ermittlung von Wirkfläche und Wirkdauer bei Hautkontakt

Für die Ermittlung der Wirk- oder Kontaktfläche der benetzten Haut ist sowohl der direkte Hautkontakt als auch eine Benetzung der Haut durch Gase, Dämpfe oder Aerosole (indirekter Hautkontakt) zu berücksichtigen. Auch eine Kontamination der Haut über verschmutzte Arbeitskleidung und -mittel ist zu berücksichtigen. Die Wirkfläche ist klein, wenn eine Benetzung allenfalls über eine kleinflächige Benetzung im Sinne von Spritzern erfolgt. Die Wirkfläche ist groß, wenn eine großflächige Benetzung, wie z. B. über eine ganze Hand erfolgen kann.

Bei der Ermittlung der Hautkontaktdauer ist zu berücksichtigen, dass der Hautkontakt mit der Verunreinigung beginnt und erst mit deren Beseitigung endet. Bei wiederholten Hautkontakten mit dem selben Gefahrstoff sind die Zeiten über den Tag zu addieren. Bei einer gesamten Hautkontaktdauer von bis zu 15 Minuten pro Tag ist die Wirkdauer kurz, bei über 15 Minuten pro Tag dagegen lang.

· Ermittlung des Maßnahmenbedarfs bei Hautkontakt

Über die ermittelten drei Bezugsgrößen, nämlich die Gefährlichkeitsgruppe Hautkontakt, die Wirkfläche und die Wirkdauer wird nunmehr über Tabelle 12 der Maßnahmenbedarf „Hautkontakt“ festgestellt und anhand der dortigen Angaben der Maßnahmenbedarf mit gering, erweitert oder hoch konstatiert.

· Prüfen von Ersatzlösungen

Vor Durchführung weiterer Betrachtungen und Ermittlungen ist bei Vorliegen eines Totenkopfes als Gefahrensymbol oder der Kennbuchstaben T+ oder T oder der GHS-Zeichen GHS 06 (generell) oder GHS 07 und GHS 08 mit dem Wort „Gefahr“ zu prüfen, ob eine Substitution eines solchen Gefahrstoffes oder einer solchen Zubereitung erfolgen oder ein Ersatzverfahren eingesetzt werden kann. Ist dies nicht oder nicht sofort möglich, muss dies dokumentiert und begründet werden. Sobald wie möglich muss in solchen Fällen die Substitution verwirklicht werden – bis dahin sind alle notwendigen Maßnahmen einer geeigneten Persönlichen Schutzausrüstung zu ergreifen.

Es gilt also der Grundsatz, dass gefährlichere gegen weniger gefährliche Gefahrstoffe auszutauschen sind. Damit wird aus der prinzipiellen Arbeitsschutzregel T–O–P beim Umgang mit Gefahrstoffen die Regel: S – T – O – P.

· Schutzmaßnahmen festlegen

Beim Umgang mit als Gefahrstoff deklarierten Stoffen oder Zubereitungen sind die in § 8 (2) genannten Grundmaßnahmen bei Tätigkeiten mit geringer Gefährdung (Schutzstufe 1) als Grundsätze für die Verhütung von Gefährdungen einzuhalten. § 9 GefStoffV nennt im Weiteren Grundmaßnahmen zum Schutz der Beschäftigten (Schutzstufe 2), die in der Regel zu beachten sind.

Der Arbeitgeber hat dabei generell dafür zu sorgen, dass die durch einen Gefahrstoff bedingte Gefährdung der Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten bei der Arbeit durch die in der Gefährdungsbeurteilung festgelegten Maßnahmen beseitigt oder auf ein Minimum verringert wird. In § 9 (3) GefStoffV sind die Pflichten der Mitarbeiter formuliert, so die Pflicht zum Tragen der zur Verfügung gestellten und für die Arbeit zum Schutz vor Gefahren notwendigen Persönlichen Schutzausrüstung.

Bei kritischen Stoffen muss sobald wie möglich die Substitution verwirklicht werden – bis dahin sind alle notwendigen Maßnahmen der §§ 10 und 11 der GefStoffV in Abhängigkeit der Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung bis hin zum Tragen geeigneter Persönlicher Schutzausrüstung zu ergreifen und vom Arbeitgeber durchzusetzen. Hier sind spätestens die Betriebsberater, nämlich die Sicherheitsfachkraft oder der Betriebsarzt als die nach GefStoffV fachkundigen Fachleute in Sachen Gefährdungsbeurteilung zu Rate zu ziehen.

· Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen anbieten oder veranlassen

Sind anhand des ermittelten Maßnahmenbedarfs auch Vorsorgeuntersuchungen notwendig, ist der Betriebsarzt des Unternehmens als die hierbei insbesondere fachkundige Person in die Überlegungen einzubeziehen. Anzubietende oder durchzuführende Vorsorgeuntersuchungen sind von einem Arzt für Arbeitsmedizin oder von einem Arzt mit Zusatzbezeichnung Betriebsmedizin nach einer Begehung durchzuführen, die den Arzt in Kenntnis über die jeweils durchgeführten Tätigkeiten versetzt. Sinnvollerweise wird damit der nach ArbSchG bestellte Betriebsarzt betraut, der die Tätigkeitskenntnis durch seine Betriebsarzttätigkeit bereits mitbringt. Ergebnisse aus den arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen sind in die GB einzuflechten und neue Erkenntnisse aus den Untersuchungen zur Fortschreibung der GB zu nutzen.

Andererseits kann die Indikation für arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen überhaupt nur auf der Basis einer GB begründet abgeleitet werden.

· Festlegung des Vorgehens zur Wirksamkeitsprüfung

Waren anhand des ermittelten Maßnahmenbedarfs Maßnahmen durch den Unternehmer festgelegt worden, sind diese mindestens einmal jährlich auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen. Durch die Verpflichtung zur Minimierung der Gefährdungssituation für die Mitarbeiter ist bei hohen Gefährdungen des Maßnahmenbedarfs D und E für das Einatmen sowie HD und HE bei Hautkontakt die Wirksamkeit der eingeleiteten Maßnahmen zu dokumentieren, das notwendige Tragen geeigneter persönlicher Schutzausrüstungen durchzusetzen, die Durchführung der Maßnahmen wirksam zu kontrollieren und die Kontrolle ebenfalls zu dokumentieren. Bei Überschreitung von AGW oder BGW, letzteres durch Vorsorgeuntersuchungen ermittelt, bedarf einer unverzüglichen erneuten Durchführung der Gefährdungsbeurteilung Gefahrstoffe.

Das beabsichtigte Vorgehen zur Wirksamkeitsprüfung ist im Rahmen der GB ebenso festzulegen wie die hierfür verantwortliche Person. Zwischenzeitliche Veränderungen von Einstufungen oder neue Erkenntnisse über die inhalative Giftigkeit oder eine Hautgefährdung von Stoffen erfordern eine erneute GB für den betreffenden Gefahrstoff .

Wichtige Internetlinks zum Thema Gefährdungsbeurteilung Gefahrstoffe
1) Bundesanstalt für Arbeitsschutz

www.baua.de » Themen von A-Z »Gefahrstoffe » Einfaches Maßnahmenkonzept

Gefahrstoffe » diverse Downloads, u. a.

Dokumente zum EMKG; Schutzleitfäden

www.baua.de » Themen von A-Z » Gefahrstoffe » RGS

www.baua.de » Themen von A-Z » Gefahrstoffe » Arbeiten mit Gefahrstoffen » diverse Downloads, u. a. „Zusammenstellung praktischer Lösungen – Gefahrstoffe“

www.baua.de/emkg.de » direkterer Zugriff

2) Unfallversicherungsträger

www.gisbau.de

www.gischem.de

www.hvbg.de/d/bia/gestis

www.wingis-online.de

www.gefahrstoff-info.de

3) Online-Zugriff auf aktuelle Gesetze

www.bundesgesetzblatt.de

www.gesetze-im-internet.de/aktuell.html

Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (Arbeitsschutzge-setz – ArbSchG) vom 07.08.1996. BGBl. I S. 1246

Verordnung zum Schutz vor Gefahrstoffen (Gefahrstoffverordnung – GefStoffV) vom 30.11.2010. BGBl I 2010 S. 1644

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