Arbeitsschutz

Seroprävalenz von Hepatitis B und Hepatitis C bei Medizinischen Fachangestellten

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Zusammenfassung Medizinische Fachangestellte (MFA) sind dem Risiko von Nadelstichverletzungen und damit einer Infektion durch Hepatitis B (HBV) und Hepatitis C (HCV) ausgesetzt. Aktuelle Daten zur Seroprävalenz von HBV und HCV bei MFA liegen nicht vor. In einer gepoolten Auswertung der Untersuchungsergebnisse von 3812 MFA verfügten nur 63,6% über einen ausreichenden Impfschutz gegenüber HBV. Die Seroprävalenz für HBV lag bei 1,6%, für HCV bei 0,4%. MFA sind häufig nicht ausreichend gegenüber HBV geschützt. Die beobachteten Seroprävalenzen für HBV und HCV weisen allerdings ein deutlich erhöhtes Risiko trotz entsprechend gefährdender Tätigkeit nicht nach. Schlüsselwörter

· Hepatitis B

· Hepatitis C

· Seroprävalenz

· Medizinische Fachangestellte

· Hepatitis B

· Hepatitis C

· Seroprevalence

· Doctor’s assistant

Einleitung
In humanmedizinischen Arztpraxen werden Blutentnahmen überwiegend von Medizinischen Fachangestellten (MFA, frühere Berufsbezeichnung: Arzthelferin) vorgenommen. Daneben führen diese vielfach auch Injektionen (z. B. Impfungen) durch. Bei diesen Tätigkeiten sind die MFA grundsätzlich dem Risiko von Nadelstichverletzungen (NSV) und damit einer Infektion durch blutübertragbare Infektionserreger wie u. a. Hepatitis B (HBV) und Hepatitis C (HCV) ausgesetzt. In den vergangenen Jahren wurden jeweils 1 – 8 HBV- bzw. HCV-Infektionen bei MFA als Berufskrankheiten (BK 3101) anerkannt.1 Ursächlich dürften in der Regel NSV gewesen sein. Über die Häufigkeit von NSV in Arztpraxen liegen bisher keine verlässlichen Daten vor. Im Rahmen einer Schwerpunktaktion des Gewerbeärztlichen Dienstes in Niedersachsen in 468 Arztpraxen in den Jahren 2009 und 2010 wurden weniger als 0,1 dokumentierte NSV pro Mitarbeiter und Jahr von den Praxen angegeben.2 Allerdings muss bei weitgehend fehlender Meldesystematik von einer erheblichen Dunkelziffer ausgegangen werden. Praxisinhaber, die MFA mit infektionsgefährdenden Tätigkeiten wie Blutentnahmen und Injektionen beauftragen, müssen regelmäßige arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen auf HBV und HCV veranlassen. Die erwähnte Schwerpunktaktion zeigte jedoch, dass diese Vorsorgeuntersuchungen auf HBV nur in 35% der Arztpraxen, auf HCV sogar nur in 28% der Arztpraxen durchgeführt wurden.

Die Seroprävalenz in der Allgemeinbevölkerung für anti-HBc als Marker einer zurückliegenden HBV-Infektion liegt in Deutschland bei 7,0% und für anti-HCV bei 0,4%.3 Krankenhauspersonal weist eine Seroprävalenz von 1,9% (anti-HBc)3 und von 0,28% bzw. 0,4% (anti-HCV)5,6 auf. Für Arzthelferinnen wurde zu Beginn der HBV-Impfära eine Seroprävalenz für anti-HBc von 7,2% nachgewiesen.7 Aktuellere Daten sowie Daten zur Prävalenz von anti-HCV liegen für MFA nicht vor. Eine Auswertung arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen sollte deshalb Aussagen über die Immunität gegenüber HBV und über die Seroprävalenz von anti-HBc und anti-HCV in dieser Beschäftigtengruppe ermöglichen.

Methode
Alle Betriebsärzte des Berufsverbandes selbstständiger Arbeitsmediziner und freiberuflicher Betriebsärzte (BsAfB) in Niedersachsen sowie weitere Betriebsärzte, die Arztpraxen in Niedersachsen betreuen, wurden gebeten, anhand einer standardisierten Abfrage die in 2009 und 2010 durchgeführten arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen von MFA retrospektiv auszuwerten. Erfragt wurden Angaben zur HBV- Immunität, zur Anzahl der Non-Responder und abgelehnten Impfungen, sowie zur Seroprävalenz von anti-HBc und anti-HCV. Die Antworten wurden anonymisiert und gepoolt dem Gewerbeärztlichen Dienst zurückgemeldet und dort ausgewertet.

Immunität gegenüber HBV wurde angenommen bei einem aktuellen anti-HBs-Titer > 100 I.E./ml oder einer nachweislich erfolgreichen Impfung (mit Titerkontrolle) innerhalb der letzten 10 Jahre.

Ergebnisse
123 Betriebsärzte wurden angeschrieben. 61 Betriebsärzte sandten ausgewertete Untersuchungsbefunde zurück. Gründe für die Nichtteilnahme waren in ansteigender Häufigkeit: „nicht mehr tätig“ (n=3), „keine ausreichende arbeitsmedizinische Fachkunde für die Durchführung der Untersuchungen“ (n=5), „grundsätzliche Weigerung“ (z. B. „dafür werde ich nicht bezahlt“)“ (n=6), „keine Untersuchungen im Erfassungszeitraum“ (n=17), „grundsätzlich bereit, aber bisher keine Zeit gefunden“ (n=31). 69% der teilnehmenden Ärzte führen parallel eine kassenärztliche Praxis.

Daten von 3812 Untersuchungen konnten ausgewertet werden. Die Anzahl der gemeldeten Untersuchungen lag im Median bei 27 (Range 4 – 741). Nur 63,6% der MFA verfügten zum Zeitpunkt der Untersuchung über eine ausreichende Immunität gegenüber HBV nach den oben genannten Kriterien.

Der Anteil der Non-Responder lag bei 6,0%, der Anteil derjenigen, die eine Impfung ablehnten bei 2,7%. Die Impfungen wurden allerdings vielfach von den Betriebsärzten lediglich empfohlen, die Durchführung selbst erfolgte dann durch die Praxisinhaber.

Lediglich in 21,8% der Untersuchungen wurde neben anti-HBs auch anti-HBc bestimmt. In 1,6% ergab die Untersuchung einen positiven Befund (n=13). Anti-HCV wurde in 60,2% aller Untersuchungen (n=2295) bestimmt und fiel bei einer MFA positiv aus, entsprechend einer Seroprävalenz von 0,04%.

Diskussion
Die Daten zeigen, dass MFA trotz augenscheinlich hoher Akzeptanz der Impfung häufig über keine ausreichende Immunität gegenüber HBV verfügen und damit bei einer Nadelstichverletzung oder einer anderen Kontamination nicht ausreichend geschützt sind. Eine Ursache für dieses Ergebnis dürfte die bisher unzureichende Etablierung der arbeitsmedizinischen Vorsorge in Arztpraxen sein, obwohl der Gesetzgeber seit 1999 arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen auf HBV und HCV für entsprechend gefährdete Beschäftigte vor Beginn der Tätigkeit und in regelmäßigen Abständen vorschreibt (Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen, BioStoffV8, bzw. Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge, ArbMedVV9). Die Durchführung der Untersuchung, nicht jedoch das Ergebnis, ist Voraussetzung für die Tätigkeit. Die Untersuchung darf nur durch Ärzte/Ärztinnen mit der Gebietsbezeichnung „Arbeitsmedizin“ oder der Zusatzbezeichnung „Betriebsmedizin“ durchgeführt werden. Der untersuchende Arzt darf zudem keine Arbeitgeberfunktion gegenüber der/dem Untersuchten ausüben. Der Arbeitgeber/Praxisinhaber muss eine HBV-Impfung anbieten, sofern keine Immunität besteht.

Um arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen in Arztpraxen besser zu etablieren, sind geeignete Informationskampagnen, gerichtet an Praxisinhaber aber auch MFA erforderlich. Sinnvoll wären diese Informationen insbesondere auch im Rahmen der ärztlichen Weiterbildung und im zeitlichen Zusammenhang mit der Niederlassung. Daneben kann eine Intensivierung der Überprüfung durch die Aufsichtsbehörden einen wichtigen Beitrag zur Verankerung der arbeitsmedizinischen Vorsorge in Arztpraxen leisten.

HCV wird bisher trotz der verbindlichen Vorgabe des Gesetzgebers zu selten in arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen bei MFA einbezogen. Die Studie zeigte hier auch Beratungsbedarf für Betriebsärzte, nicht nur für Praxisinhaber, auf.

Die Seroprävalenz für anti-HBc bei MFA lag in der aktuellen Studie deutlich unter den Ergebnissen von 1985 aus einer vergleichbaren Gruppe („Arzthelferinnen“). Neben der weiteren Verbreitung der HBV-Impfung trägt hierzu sicherlich auch die erhebliche Weiterentwicklung der Sicherheitsstandards (geschlossene Blutentnahmesysteme, Tragen von Schutzhandschuhen, bessere Versorgung von NSV usw.) bei. Die Seroprävalenz von anti-HBc und anti-HCV bei MFA lag in dieser Studie auch niedriger als in der deutschen Allgemeinbevölkerung und bei Krankenhauspersonal, wobei hinsichtlich anti-HBc zu berücksichtigen ist, dass auch diese Daten aus älteren Studien stammen.

Die gepoolte Auswertung von retrospektiv gewonnenen Fremddaten mit der damit verbundenen Möglichkeit von Fehlern schränkt die Aussagekraft der Studie allerdings grundsätzlich ein. Mögliche Einflussfaktoren wie Zeitpunkt der Vorsorgeuntersuchung (Erstuntersuchung vor Tätigkeitsbeginn oder Untersuchung zu einem späteren Zeitpunkt), Alter, differenzierte Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit, Fachrichtung der Praxis oder Herkunftsland der MFA konnten nicht erfasst werden um eine möglichst hohe Beteiligung der Betriebsärzte zu erreichen. Insbesondere kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass auch wenig oder kaum exponierte MFA erfasst wurden und es damit zu einem Verdünnungseffekt gekommen ist. Auch der geringe Anteil an Untersuchungen auf anti-HBc ist als mögliche Fehlerquelle zu berücksichtigen. Da diese Untersuchung aus Kostengründen meist nur bei Verdacht auf eine abgelaufene HBV-Infektion durchgeführt wurde, wäre hierdurch allerdings eher eine Überschätzung des Risikos zu erwarten. Anders ist die Situation bei anti-HCV zu bewerten. Ausschlaggebend für die Durchführung der Untersuchung war hier nicht in erster Linie ein im Einzelfall angenommenes erhöhtes Risiko sondern der Informationsstand der Betriebsärzte hinsichtlich der Verbindlichkeit der Untersuchung. Die Berücksichtigung von HCV in lediglich 60% der Untersuchungen dürfte daher das Ergebnis nicht verfälscht haben.

Insgesamt lassen die aktuellen Daten trotz der methodischen Limitierungen den Schluss zu, dass das Risiko für den Erwerb einer beruflich bedingten HBV- oder HCV-Infektion für MFA nicht wesentlich erhöht zu sein scheint, obwohl eine gefährdende Tätigkeit ausgeübt wird. Durch die Etablierung von verletzungssicheren Systemen für Blutentnahmen und Injektionen sowie die Verbreitung der HBV-Impfung bereits im jugendlichen Alter >>10<< ist ein weiteres Absinken des Risikos und damit der Seroprävalenz von anti-HBc und anti-HCV zu erwarten. Die Durchführung epidemiologischer Studien in Kleinbetrieben ist mit erheblichen strukturellen Schwierigkeiten verbunden. Mit Ausnahme der Baubranche, die auf einen eigenen branchenspezifischen arbeitsmedizinischen Dienst zurückgreifen kann, liegen daher auch kaum Studienergebnisse aus größeren Kollektiven aus Kleinbetrieben vor. Die vorliegende Studie zeigt aber, dass es durchaus möglich ist, (niedergelassene) Betriebsärzte zur Mitwirkung an der Gewinnung von epidemiologischen Daten aus Klein- und Kleinstbetrieben zu gewinnen und so wesentliche neue arbeitsmedizinische Erkenntnisse aus solchen Betrieben zu erzielen. Insofern gilt auch mein besonderer Dank allen mitwirkenden Betriebsärzten sowie dem Berufsverband der selbstständigen Arbeitsmediziner und freiberuflichen Betriebsärzte (BsAfB) für die Unterstützung bei der Datenerhebung. Literatur 1. Butz M, Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung. persönliche Mitteilung. 07.01.2011 2. Baars S. Arbeitsschutz in Arztpraxen – Ein Zwischenbericht über eine Schwerpunktaktion des Gewerbeärztlichen Dienstes in Niedersachsen. Prakt. Arb. med. 2010; 20: 6–8 3. Robert-Koch-Institut. Epid Bulletin 20/2010: 177–187 4. Hofmann F, Michaelis M, Kralj N, Schroebler S. Verlauf der Hepatitis-B-Virus-Seroprävalenz zwischen 1984 und 2001 in zwei großen klinischen Einrichtungen. Dokumentation Freiburger Symposium 2004: 383–385 5. Thorburn D, Dundas D, McCruden EAB, Cameron SO, Goldberg DJ, Symington IS, Kirk A, Mills PR. A study of hepatitis C prevalence in healthcare workers in the West of Scotland. Gut 2001; 48: 116–120 6. Rösler A, Willems W. Serologische Untersuchungen zur HCV-Seroprävalenz bei Beschäftigten im Gesundheitsdienst. Dokumentation Freiburger Symposium 1999: 122–130 7. Scheiermann N, Kuwert E, Remy J. Hepatitis-B-Virus-Durchseuchung des medizinischen Personals in Arztpraxen. Dtsch Med Wochenschr 1985; 110: 180–182 8. Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen – BioStoffV vom 27.01.1999. BGBl I 1999: 50 – 60 9. Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge – ArbMedVV vom 18.12.2008. BGBl I 2008: 2768 – 2779 10. Empfehlungen der Ständigen Impfkommission am Robert-Koch-Institut. Epid Bulletin 30/2011: 275–294

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