Betriebliches Gesundheitsmanagement

Wie sehen Unternehmen 2014 die Spezifikation DIN SPEC 91020 „Betriebliches Gesundheitsmanagement“?

Ausgangssituation
Die DIN SPEC 91020 nach dem PAS-Verfahren wurde in den Jahren 2011 und 2012 erarbeitet und im Juli 2012 der Öffentlichkeit vorgestellt. Schon 2012 war es für uns interessant, den Verbreitungsgrad und die Akzeptanz von DIN SPEC 91020 zu erfahren. In diesem Zusammenhang haben wir 82 deutsche Unternehmen auch bezüglich des Entwicklungsstandes im BGM befragt. 2012 und später wurden die ersten Gesundheitsmanagementsysteme nach DIN SPEC 91020 aufgebaut und zertifiziert. Im August 2013 berief die DAkkS eine Arbeitsgruppe, die Möglichkeiten von Akkreditierung und Zertifizierung sondieren sollte. 2014 wurde eine Folgebefragung durchgeführt. Für uns war es wertvoll [auch im Vergleich zu 2012] zu erkennen, wie sich das betriebliche Gesundheitsmanagement [BGM] in den Organisationen entwickelt hat und wie die DIN SPEC 91020 die „BGM-Landschaft“ durchdrungen hat. 2015 muss nun überlegt werden, ob die Spezifikation überarbeitet, zurückgezogen, beibehalten oder in eine Norm überführt werden soll.

Die Stichproben 2014 und 2015
88 Ansprechpartner für das Thema BGM in privatwirtschaftlichen Unternehmen und Organisationen der öffentlichen Verwaltung wurden befragt. Das sind etwas mehr als 2012 [82]. Die Aufteilung der Unternehmensgröße war in beiden Befragungen ähnlich. Mittlere Unternehmen bis 500 Mitarbeiter waren mit 43 % am stärksten vertreten [2012: 38 %]. Unternehmen mit 500–2000 Mitarbeitern waren mit 26 % beteiligt [2012: 29 %] und von Unternehmen mit mehr als 2000 Mitarbeitern konnten 31 % ausgewertet werden [2012: 33 %]. Die Stichproben der beiden Befragungen sind demnach vergleichbar.

Subjektive Einschätzung „ihres BGM-Systems“ und Validierung
Wie die befragten Organisationen „ihr BGM“ subjektiv einschätzen, erkennt man in der Abbildung 1. Tendenziell geben sie sowohl 2012 als auch 2014 „ihrem BGM“ eine eher gute bis sehr gute Bewertung. Im Vergleich zu 2012 erkennt man eine leichte Verbesserung.

Die subjektive Bewertung wurde durch eine BGM-Kriterien-Abfrage validiert. Die berücksichtigten Kriterien waren: Durchführung von Analysen, definierte Ziele, Beziehung zwischen Analyseergebnissen und Maßnahmen, Integration der Mitarbeiter, Verantwortung der Führungskräfte und regelmäßige Evaluationen. Ein Teil von 87 % der Befragten, die ihr BGM subjektiv gut bis sehr gut einschätzen, geben auch an, mindestens vier der insgesamt sechs BGM-Kriterien umgesetzt zu haben. Zusätzlich erfolgte eine qualitative Validierung, da zu der Frage der Umsetzung und Existenz der BGM-Kriterien auch konkrete Beispiele genannt wurden. Experten werteten die genannten Beispiele aus und konnten weitestgehend Passung feststellen.

Die Unternehmen, die sowohl mindestens vier der sechs BGM-Kriterien in ihrem BGM-System umgesetzt haben, als auch diejenigen, die ihr BGM subjektiv auf der Skala von 1–10 mit mindestens 8 oder besser bewertet haben, interessieren uns später im Kreuzvergleich mit anderen Fragestellungen. Wir nennen diese Gruppe „Unternehmen mit gutem BGM“. Dies sind insgesamt 32 der 88 [36 %] befragten Unternehmen.

Verbreitung und Akzeptanz der DIN SPEC 91020
51 % aller befragten Teilnehmer haben bereits von der DIN SPEC 91020 gehört. Im Jahr 2012 gaben dies 48 % an. Wir können also einen leichten Anstieg vermerken. 37 % der befragten Unternehmen, welche von der DIN SPEC 91020 gehört haben, gaben auch an, dass sie die Inhalte der Spezifikation gut bzw. sehr gut kennen.

Aus der Gruppe „Unternehmen mit gutem BGM“ geben 71 % an, bereits von der DIN SPEC 91020 gehört zu haben, wobei nur 40 % der Teilnehmer aus dieser Gruppe ihre Kenntnisse über die Inhalte der Spezifikation als gut oder sehr gut einstufen. 60 % der Teilnehmer bewerten ihre Kenntnisse eher als sehr schlecht bis teils/teils.

Interessant für die weitere Existenz und die Weiterentwicklung der DIN SPEC 91020 ist sicherlich der deutliche Anstieg bei der Frage nach der Orientierung an der Spezifikation. Hier geben immerhin 50 % der Befragten an, dass sie sich an der DIN SPEC 91020 orientieren, 2012 waren es lediglich 45 %. Fast 70 % der „Unternehmen mit gutem BGM“ orientieren sich an der DIN SPEC 91020.

Die Gründe für die Ablehnung der DIN SPEC 91020 sind unterschiedlich. Wir teilen sie in folgende Cluster ein:

· zu wenig Information

· zu hoher zeitlicher Aufwand

· bereits gutes BGM vorhanden

· fehlende finanzielle Ressourcen

Die Wahrscheinlichkeit sich nach DIN SPEC 91020 zertifizieren zu lassen, fällt sowohl in den Jahren 2012 als auch bei der jetzigen Befragung geringer aus. Dennoch ist der prozentuale Anteil von 20 % auf 32 % gestiegen. Die Hauptgründe für eine Nicht-Zertifizierung sind vor allem:

· kein ersichtlicher Mehrwert

· ein Managementsystem ist schon vorhanden

· das BGM hat keine hohe Priorität im Unternehmen

· es wäre zu viel Aufbau zu leisten und es fehlen Ressourcen

Auffällig ist, dass 37 % der „Unternehmen mit gutem BGM“ „Ja“ zur Zertifizierung sagen.

Zertifizierung und Orientierung an der DIN SPEC 91020 sind zwei unterschiedliche Thematiken. Dem Großteil der Unternehmen wird bewusst, dass BGM mehr ist als zusammenhangslose Gesundheitsaktivitäten mit wenig Anbindung an das Management und geringer Beteiligung der Betroffenen. Insofern ist das Motiv der Orientierung an der DIN SPEC 91020 sehr gut nachvollziehbar. Insbesondere bei der Gruppe „Unternehmen mit gutem BGM“, da die DIN SPEC 91020 die Vorgaben für ein gutes [Gesundheits-] Managementsystem liefert.

Möglicherweise schreckt jedoch die umfassende und aufwendige, aber notwendige Vorgehensweise der DIN SPEC 91020 Interessierte ab. Immerhin ist neben Zielbildung, umfassender Analyse und darauf aufbauenden Maßnahmen auch Evaluation, kontinuierliche Verbesserung, Einbindung der Beschäftigten und die Verantwortung von allen Führungskräften notwendig. Diese Aspekte müssen darüber hinaus in die Prozesse und Strukturen des Unternehmens eingebunden und dokumentiert werden.

Trotzdem geben ähnlich wie im Jahre 2012 über die Hälfte [53 %] der befragten Organisationen an, dass sie einen Bedarf für eine Spezifikation im Themenfeld BGM sehen. „Orientierung“ und „Bedarf“ bzgl. der DIN SPEC 91020 wird also von den Befragten ungefähr gleich gesehen. Die „Unternehmen mit guten BGM“ sehen jedoch den Bedarf für die Spezifikation eher geringer an, nur 42 % sehen hier eine Notwendigkeit. Die Gründe dafür wurden bisher noch nicht geprüft, wir vermuten jedoch, dass diese Organisationen im Bereich BGM so weit entwickelt sind, dass sie die Spezifikation DIN SPEC 91020 nicht brauchen, sie sich noch nicht so weit fühlen [mittelfristiger Bedarf] oder sich nicht messen lassen wollen [auch zukünftig kein Bedarf]. Die genauen Gründe werden wir bei der nächsten Befragung nochmals stärker beleuchten.

Insgesamt können wir zusammenfassen:

1. Die Anzahl der „Unternehmen mit gutem BGM“ steigt an.

2. Die Kenntnis und auch das Wissen über die DIN SPEC 91020 nehmen zu.

3. Die Orientierung an der Spezifikation steigt deutlich an und liegt bei über 50%.

4. Eine Zertifizierung kommt für etwa ein Drittel der befragten Organisationen in Frage [32%].

5. Über die Hälfte der Unternehmen [50%] sehen einen Bedarf für eine Spezifikation im BGM.

Über die weitere Entwicklung der DIN SPEC 91020 darf man also gespannt sein, vor allem vor dem Hintergrund der Überarbeitung des Arbeitsschutzmanagementsystems OHSAS in eine internationale Norm ISO 45001 und eine eventuell folgende Überführung in eine nationale Norm. Hier besteht die derzeitige Möglichkeit, neben der defizitorientierten Sichtweise von Sicherheit und Gesundheit [Risiken, Pathogenese] auch den ressourcenstärkenden Aspekt von Gesundheit [Chancen, Salutogenese] zu berücksichtigen.

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