Erkrankungen

Ist die „linke Maus“ besser? – Eindrucksvolle Linderung von Schmerzen am Bildschirmarbeitsplatz

Schlüsselwörter: RSI-Symptomatik, Bildschirmarbeitsplatz, Mausbedienung Zusammenfassung: Mit der freiwilligen Teilnahme an einer standardisierten Fragebogenaktion sollte geklärt werden, ob und welche Veränderungen bei einem Wechsel der Maushand am Computerarbeitsplatz auftreten und ob sich daraus Empfehlungen für Arbeitsstrategien zum Umgang mit dem PC-Arbeitsplatz ableiten lassen. Ergebnisse: Beschäftigte (n=15, 9 weiblich + 6 männlich, Alter 34–58 Jahre) aus verschiedenen Verwaltungsbereichen mit wechselnden Tätigkeiten (Stehen 13%, Gehen 12%) und einer durchschnittlichen Arbeitszeit von 4:28 h (bei Zweitbefragung 4:38 h) am Bildschirmarbeitsplatz, die alle über muskuloskeletale Beschwerden klagten, wurden als Rechtshänder veranlasst, die Computermaus mit der linken Hand anstatt der rechten zu bedienen. Mit einer Ausnahme kamen alle Studienteilnehmer nach ein bis zwei Wochen mit der linkshändigen Mausführung sehr gut zurecht und schätzten subjektiv die Zielgenauigkeit und die Geschwindigkeit als gleichwertig zu rechts ein. Der Wechsel der Maushand wurde von 12 der 14 zweitbefragten Mitarbeiter positiv bewertet, von einem neutral und einem weiteren eher negativ (mit der Ausnahme positiven Erlebens bei Schulterproblemen rechts). Die Mitarbeiter gaben eine deutliche Besserung ihrer muskuloskeletalen Beschwerden an: HWS-Schulter-Arm-Syndrom (7), Sensibilitätsstörungen (1), brennende Schmerzen (1), Schmerzen im rechten Handgelenk (1). Diskussion: Bei fehlenden Regenerationszeiten wegen zunehmender Verdichtung der Arbeit, die zu Ermüdung führen, sind muskuloskeletale Beschwerden aufgrund hoher lokaler muskulärer Beanspruchung möglich. Die linkshändige Arbeit mit der Maus verändert die Haltung am PC: die Auslenkung der Wirbelsäule aus der vertikalen Ideallinie verringert sich, da die Entfernung zur Tastaturmitte (Buchstaben T-Z, G-H, B) geringer wird. Wahrscheinlich ist diese Haltungsänderung entscheidend für die Reduzierung der Beschwerden. Changing Mouse-Hand in the PC-Equipped Office Study aim: Office workers at visual display units (VDU) were asked to participate voluntarily and to fill in standardized questionnaires was used to clarify which changes, if any, would result from shifting the computer mouse from the right-hand to left-hand side of the keyboard and if it would be possible to derive recommendations of working strategies for the office workers at VDUs.. Results: Employees from different administrative regions (n=15, 9 female + 6 male, age 34–58, all right-handed, all complaining of musculoskeletal disorders) pursuing varying activities (walking 13%, standing 12%) and spending an average of 4:28 hrs (4:38 hrs for the second questioning) at their VDUs were instructed to operate the mouse with the left hand. With the exception of one person, all participants managed to handle the mouse very well with their left hands after one or two weeks subjectively estimating their clicking accuracy and velocity to equal the right-hand values. The mouse hand change received a positive assessment by 12 of 14 participants interrogated a second time; one person gave a neutral judgement, another one gave a rather negative rating (with an exceptional positive one regarding problems with the right shoulder). The employees reported a distinct relief of their musculoskeletal disorders: neck-shoulder pain (7), numbness (1) and burning (1), pain in the right hand (1). Discussion: When regeneration periods are unavailable due to amplifying workloads resulting in fatigue, muskuloskeletal disorders can occur because of high local strain on the muscles. The left hand use of the mouse brings about a posture change at the PC: the lateral deviation of the spinal column from its ideal vertical line decreases since the distance from the keybord center (letters T-Z, G-H, B) diminishes. Very likely this posture change plays a decisive role in reducing the disorders. Key words: Repeated Trauma, Visual display unit (VDU), Mouse

Einleitung
Statistiken der gesetzlichen Krankenversicherung zeigen über Jahre eine hohe Prävalenz von Erkrankungen des Bewegungsapparates. Sie stehen bei den Arbeitsunfähigkeitstagen an erster Stelle. So fallen statistisch 100 AOK-versicherte Vollbeschäftigte 435 Kalendertage deswegen am Arbeitsplatz aus1.

„Repeated Trauma“
Die WHO schätzte die Gesamtzahl von Computerarbeitsplätzen 1998 weltweit auf 150 Mio mit steigender Tendenz. Nutzer von Computern finden sich heute in vielen Beschäftigungssituationen: an Personalcomputern oder Computerterminals, Registrierkassen, Arbeitsplätzen mit CNC-Maschinen, aber auch Steuer- und Überwachungskonsolen von Produktionsprozessen.

Schulter- und Nackenverspannungen, Muskelschmerzen im Arm, Schmerzen und Kribbeln in Arm, Hand und Finger werden im angloamerikanischen Sprachraum als „Repetitive Strain Injuries“(RSI) bezeichnet und in den USA und Australien als berufsbedingte Erkrankungen beschrieben2.

Muskuloskeletale Beschwerden als Ausdruck einer generellen Anspannung und Ermüdung scheinen zunehmend in Kombination mit lokalen Beanspruchungen (z. B. der Computermaus) manifest zu werden 3. Beschäftigte an Arbeitsplätzen mit hohem Repetitionsanteil wie beispielsweise Dateneingabe (Datentypisten) haben ein mindestens doppelt so hohes Risiko von Missempfindungen, Kraftverlust und Bewegungsschmerzen im distalen Armbereich wie Beschäftigte mit geringer repetitiver Belastung 4. Daher wäre nach Sorgatz eine Begrenzung des RSI-Begriffes auf Beschwerden im Unterarm und in der Hand, auftretend an Arbeitsplätzen mit fast kraftloser, sehr häufig wiederholter Bewegung, zu überlegen 5.

Derzeit wird bei folgenden Erkrankungen eine Diagnose RSI in Erwägung gezogen:

· Sehnenentzündungen an Schulter, Ellenbogen (Epicondylitis), Handgelenk (Tendovaginitis crepitans), Finger (Tendovaginitis stenosans)

· Karpaltunnelsymdrom, das durch die Kompression des N. medianus zu Schmerzen im Handgelenk führt2.

In einer prospektiven Studie in Amerika bestätigten Eingangsuntersuchungen in der Kohorte der neu an Bildschirmarbeitsplätzen Beschäftigten Nacken- und Schulterprobleme bei 7%, Hand-Arm-Symptome bei 2,5%. Die Hand-Arm-Symptome imponierten überwiegend als sehnenbezogene Beschwerden (am häufigsten als deQuervain-Tendinose) 6. Nach einem Beobachtungszeitraum von 6 Monaten klagten 42% der Frauen und 27 % der Männer über Nacken- und Schulterprobleme, nach 12 Monaten waren es bereits 48 % bei den Frauen und 36 % bei den Männern 6. Das unterschiedlich häufige Auftreten der Beschwerden bei Männern und Frauen erklärt Leodalter durch die unterschiedlichen Tätigkeiten und damit die unterschiedliche Belastung am Arbeitsplatz, da bei gleicher Belastung die Beschwerden bei beiden Geschlechtern mit gleicher Häufigkeit auftreten 7.

Je nach EU-Staat wird eine unterschiedliche Häufigkeit muskuloskeletaler Beschwerden mit steigender Tendenz beobachtet 3. Nach einer schwedischen Erhebung 1999 litten zu diesem Zeitpunkt bereits 16% der Beschäftigten aus der Branche der Computerspezialisten, der Systembetreuer und Programmierer regelmässig an Schulter-Arm-Beschwerden, während es 1997 noch 11% waren 8. Das Forschungsprojekt „Prevention of muscle disorders in operation of computer input devices (PROCID) – an European concerted action“ zeigte, dass neben der körperlichen Belastung der psychologische Stress während des Arbeitsprozesses eine Rolle spielt 9.

Als Erklärung des Anstiegs der Beschwerden werden derzeit als Hypothesen herangezogen, dass „lean management“ und Änderungen der Produktionstechnik zu einer Intensivierung der Arbeit führen und/oder „natürliche“ Pausen im Arbeitsprozess durch eine möglichst effiziente Organisation vermieden werden 3. Deshalb ist ein gutes Arbeitszeitmanagement am Computerarbeitsplatz, das häufige Unterbrechungen der Computerarbeit zur psychischen Entspannung bietet, wichtig zur Vorbeugung von Erkrankungen.

In Australien, das das RSI-Syndrom als Berufskrankheit anerkennt, basierten 1988 80% der Neuanträge auf dem Verdacht eines RSI-Syndromes, 1996 lag dieser Prozentsatz immer noch bei 60–70% 10.

Eine Anerkennung der „Repetitive Strain Injuries“ , zu denen im angloamerikanischen Kulturraum in den letzten Jahren auch vermehrt Studien im Zusammenhang mit Computerarbeitsplätzen veröffentlicht wurden, erfolgte als Berufskrankheit in der Bundesrepublik nicht.

Ergonomische Einflüsse am Bildschirmarbeitsplatz
Schon geringe Änderungen an Tastatur und Bewegungsapparat erfordern durch die ursprüngliche somatosensorische zerebrale Kodierung der Signale bei der Steuerung des motorischen Programmablaufs ein erneutes Lernen, um die vorherige Fingerfertigkeit wieder zu erlangen 5. Dies mag eine Erklärung dafür sein, warum nur wenige Beschäftigte Änderungen der ergonomischen Gestaltung des Bildschirmarbeitsplatzes, z.B. an der Tastatur oder beim eingespielten Bewegungsablauf, positiv gegenüberstehen.

Die zunehmende Zahl von Bildschirmarbeitsplätzen führte zu einem höheren Informationsbedarf der Beschäftigten im Zusammenhang mit der neuen Technologie. Insbesondere wurden immer wieder Befürchtungen zu gesundheitlichen Risiken am Bildschirmarbeitsplatz geäußert. Deshalb wurde bei Personalversammlungen zur Schulung des Personals am Bildschirmarbeitsplatz, bei Arbeitsschutzausschuss-Sitzungen und Gesprächen mit Personalvertretungen die 1998 auf dem wehrmedizinischen Kongress in Jever als Posterpräsentation vorgestellte Einzelfallkasuistik 11 erläutert. Zur Entwicklung von Empfehlungen zum Umgang mit dem Bildschirmarbeitsplatz konnte mit Zustimmung und Unterstützung der Personalvertretungen Beschäftigten, die sich zu einem Wechsel der Maushand am Bildschirmarbeitsplatz entschließen konnten, die freiwillige Teilnahme an einer Erhebung mittels standardisiertem Fragebogen angeboten werden, um im Rahmen von Verlaufsbeobachtungen zu klären, ob und welche Veränderungen sich durch einen Wechsel der Maushand ergeben. Ziel dieser Erhebung war die Entwicklung von Arbeitsstrategien für Mitarbeiter zum individuellen Umgang mit „ihrem“ Computerarbeitsplatz.

Kollektiv und Methoden
Die Erhebung wurde im öffentlichen Dienst in Verwaltungsbereichen (Telefonvermittlung, Büroarbeitsplätze, Sachbearbeiter, arbeitsmedizinischer Dienst, Programmierer) durchgeführt. Insgesamt nahmen 15 Personen (6 männliche und 9 weibliche) mit muskuloskeletalen Beschwerden der oberen Extremitäten teil, von denen 14 (6 männl. und 8 weibl.) die Maushand wechselten und nach im Mittel sechs Monaten ein zweites Mal befragt werden konnten. Der Altersdurchschnitt lag bei der ersten Befragung bei 44 Jahren (34 – 53 Jahre). Die Beschäftigten konnten zu Beginn der Studie im Mittel auf 9 2/12 ± 2 9/12 Jahre Tätigkeiten unter Benutzung von Personal Computern zurückblicken.

Die im persönlichen oder telefonischen Gespräch erhobenen Daten wurden anonymisiert. Die zweimalige Befragung erfolgte ausschliesslich durch die Autorin.

Zum ersten Termin wurden die Teilnehmer zu

1. Zeitpunkt der Einführung von Bildschirmarbeitsplätzen, Schulung im verwendeten Betriebssystem und der angewandten Software,

2. Bedienung der Softwareprogramme mit Tastaturkürzeln oder Maus, zeitlichem Umfang des PC-Einsatzes und privater häuslicher PC-Nutzung ,

3. gesundheitlichen Beeinträchtigungen (Bewegungsapparat, insbesondere auch Sensibilitätsstörungen), Behandlungsmassnahmen (Krankengymnastik, Medikation, Chirotherapie, Ausgleichssport) und chronischen Erkrankungen

befragt.

Zum zweiten Zeitpunkt wurden zusätzlich Fragen zu

1. Bewertung des Wechsels der Maushand (positiv / negativ),

2. im Zusammenhang mit dem Wechsel der Maushand beobachtete gesundheitliche Beschwerden (welche Verschlechterungen / Besserungen),

3. der Hand, mit der die Maus künftig benutzt werden wird,

gestellt.

Im verwendeten Microsoft-Betriebssystem (MS Windows 3.x, MS Windows NT 4.0, MS Windows 2000) ist eine Umstellung der Mausbedienung auf eine „echte“ Linkshändermaus möglich. Dazu wird unter Windows 2000 im Start-Menü der Punkt „Einstellungen“ ausgewählt und anschliessend der Unterpunkt „Systemsteuerung“. In dem nun aufklappenden Scroll-Down-Menü findet sich die Bezeichnung „Maus“, nach deren Anwahl sich ein Untermenü mit den „Eigenschaften der Maus“ öffnet. Hier kann die Tastenkonfiguration „Rechtshändig“ und „Linkshändig“ angeklickt werden. Dies bedeutet, dass kongruent und unabhängig von der Vorwahl „links“ oder „rechts“ mit der linken Taste die Funktionen „Normales Markieren“ und „Normales Ziehen“ und der rechten Taste der Maus die Funktionen „Kontextmenü“ und „Modifiziertes Ziehen“ belegt sind. Die Umstellung auf die „echte“ Linkshändermaus wurde auf jeden Fall empfohlen (anstatt einfach die für die rechtshändige Bedienung konfigurierte Maus links neben die Tastatur zu legen), damit auch bei Arbeiten auf einem fremden PC ohne Mausumstellung problemlos durchgeführt werden können.

Die Teilnahme an der Studie erfolgte mit Wissen der Vorgesetzten und der Personalvertretung, die auch darüber informiert waren, dass als Umgewöhnungsphase etwa eine Woche einkalkuliert werden muss. In dieser Zeit sind „Fehllandungen“ durch noch nicht gut koordinierte Mausbewegungen möglich. Die Geschwindigkeit, mit der der Mauszeiger über den Bildschirm bewegt wird, kann über die Systemsteuerung im Untermenü Maus individuell angepasst und für die Eingewöhnungsphase deutlich reduziert werden. Mit dem standardmäßig mitgelieferten Computerspiel Solitär kann in dieser Phase die koordinierte Steuerung der Mausbewegung am Bildschirm spielerisch geübt und verbessert werden. Es zeigte sich, dass mit einer Ausnahme alle Studienteilnehmer nach etwa ein bis zwei Wochen mit der linkshändigen Mausführung sehr gut zurecht kamen und subjektiv die Zielgenauigkeit und die Geschwindigkeit der Mausbewegungen als gleichwertig zur rechtshändigen Mausführung einschätzten. Beschäftigte, die von ihrer Grundeinstellung her dem Neuen sehr aufgeschlossen gegenüberstanden („Das schaff ich schon, es wird langsam besser“), benötigten für die Umgewöhnungsphase weniger Zeit als Mitarbeiter, die eher ängstlich die Frage stellten „Ob das wohl jemals funktionieren wird?“.

93% der Beschäftigten gehen wechselnden beruflichen Aufgaben nach und üben im Mittel 13% bzw. 12% ihrer Tätigkeiten im Stehen und Gehen aus, so dass auf sitzende Tätigkeit etwa 75% der täglichen Arbeitszeit entfallen, d. h. etwa 6 Stunden. Zur Zeit des Wechsels der Maushand wurde eine durchschnittliche Arbeitszeit von 4:28 Stunden täglich am Bildschirmarbeitsplatz angegeben, die bei der Zweitbefragung mit 4:38 Stunden etwas höher lag. Aufgrund unregelmässigen Arbeitsanfalles (Stossbelastung z.B. bei der Telefonvermittlung, Akten- und Untersuchungstage im medizinischen Bereich) ist ein fest vorgegebenes Pausenregime nur schwer zu verwirklichen, so dass tatsächlich individuell erforderliche „natürliche“ Regenerationspausen nicht immer eingehalten werden konnten. Bei den Programmen überwogen bei der ersten Befragung noch „tastaturintensive“ Programme (dazu zählen die meisten für das DOS-Betriebssystem erstellten Programme), d.h. Programme, die überwiegend mit der Tastatur bedient werden können (Abnahme derartiger Programme von 67% bei der Erst- auf 60% bei der Zweitbefragung). Zum Zeitpunkt der Zweitbefragung zeigte sich allerdings, dass die Mitarbeiter in 50% die Software-Programme, die leicht intuitiv mit der Maus bedient werden können (typisches Beispiel eines derartigen Programmes ist „Word für Windows“), tastaturintensiv und damit über „Tastaturkürzel“ bedienten und nur noch zu 36% intensiv die Maus nutzten. Derartige Tastaturkürzel sind in „Word für Windows“ beispielsweise die Verwendung von „STRG+C“ für Kopieren und „STRG+V“ für Einfügen anstelle der in den Symbolleisten zur Verfügung stehenden Icons, die mit der Maus angefahren und ausgewählt werden können. Die Befragten gaben an, dass es zumindest teilweise möglich sei, bei intensiver Beschäftigung mit den Programmen noch mehr Tastaturbefehle herauszufinden und anstelle der Bedienung mit der Maus einzusetzen.

Nicht alle befragten Beschäftigten setzten Informationstechnologie auch im privaten Bereich ein. Wurde sie zu Hause eingesetzt, geschah dies in wenigen Fällen regelmässig täglich (nur 36% der Befragten), wobei die Verwendung mausintensiver Programme überwog (fast 64%, als Beispiele wurden Internetbrowser, Bildbearbeitungsprogramme und Computerspiele erwähnt).

Ergebnisse
Viele Studienteilnehmer (14 von 15) klagten zu Beginn der Studie über Beschwerden des Bewegungsapparates, wobei HWS-Schulter-Arm-Syndrom sowie Muskelverspannungen entlang der Halswirbelsäule ganz eindeutig dominierten. Interessanterweise fanden sich kaum Handgelenksbeschwerden oder Sehnenscheidenentzündungen, die mit „repeated trauma“ in Verbindung gebracht werden. Eine medikamentöse Therapie mit Schmerzmitteln gaben 2 der Studienteilnehmer sowohl bei der Erst- wie auch der Zweitbefragung an.

Wegen Beschwerden befanden sich 53% (29%) in Behandlung (2. Befragung in Klammern). 27% (7%) gingen einmal wöchentlich zur Krankengymnastik, immerhin fast 13% (0%) zweimal wöchentlich. 20% (0%) liessen sich chirotherapeutisch behandeln. Die eingeleitete Therapie wurde mehrheitlich als erfolgreich bewertet; zum Zeitpunkt der zweiten Befragung befanden sich deutlich weniger Personen in ärztlicher, krankengymnastischer oder chirotherapeutischer Behandlung.

Wegen chronischer Erkrankungen wurden von 27% (21%) regelmässig Medikamente eingenommen (Herzmittel / Blutdruckmittel, Rheuma- und Schmerzmittel, Schilddrüsenmedikation).

Es wurde jeder Mitarbeiter um eine Bewertung des Stresses am Arbeitsplatz gebeten. Zum ersten Befragungszeitpunkt war die häufigste Angabe „mittelmässiger Stress“, während sich bei der folgenden Erhebung gleich häufige Antworten bei „mittelmässigem“ und dem als stärker eingestuften „ziemlichem Stress“ fanden. Mit der zunehmenden Verdichtung der Arbeit bei Personalreduzierungen wird die Arbeitsbelastung subjektiv als „stressiger“ empfunden. Die Studienteilnehmer verstanden dabei unter „Stress“ einerseits die Arbeitslast, d.h. die Belastung durch abzuarbeitende Prozesse im Zusammenhang mit ihrer originären Arbeit, berichteten andererseits auch sehr häufig über psychischen Stress, der durch in ihren Augen nicht mit ihrer Arbeit in unmitelbarem Zusammenhang stehende Vorgänge (Schlagwort Verbürokratisierung) ausgelöst wurde. Die Belastung durch die reguläre Arbeit sowie die Belastung durch diese „Nebentätigkeiten“ kann daher durchaus zu einer individuellen Überlastung mit entsprechender körperlicher Symptomatik führen.

Nach einer ca. 1-wöchigen Umstellungsphase wurde der Wechsel der Maushand von 86% der Studienteilnehmer positiv bewertet; eine Person verzichtete wegen Umstellungsschwierigkeiten auf eine weitere Teilnahme an der Studie. Ein Teilnehmer mochte sich bei der zweiten Befragung nicht eindeutig festlegen. Interessanterweise berichtete niemand von einer Verschlechterung vorbestehender gesundheitlicher Beeinträchtigungen. Ein Studienteilnehmer, der an einem M. Bechterew leidet, interpretierte die Umstellung der Mausbedienung positiv, da die von der Grunderkrankung ausgehenden HWS-Beschwerden sich in den vergangenen Jahren trotz Intensivierung der Arbeit am PC nicht weiter verschlimmert hätten.

Der Wechsel der Maushand wurde von 12 der 14 zweitbefragten Mitarbeitern positiv bewertet. Ein Mitarbeiter stand dem Wechsel neutral gegenüber, merkte aber eine motorische Verlangsamung seiner Arbeitsabläufe an. Ein weiterer Beschäftigter bewertete den Wechsel der Maushand ausschliesslich beim Auftreten von Schulterproblemen als positiv, ansonsten empfinde er den Wechsel als Rechtshänder eher negativ.

Insgesamt berichteten 9 Mitarbeiter von einer deutlichen Besserung ihrer muskuloskeletalen Beschwerden im Zusammenhang mit dem Wechsel. Aus Tabelle 1 ist die Verteilung auf die angegebenen Beschwerdebilder zu entnehmen.

Die Studienteilnehmer konnten zum Zeitpunkt der Zweitbefragung im Mittel auf 4 Jahre Erfahrung mit dem Wechsel der Maushand zurückblicken (Minimum 1 Monat – Maximum 14 Jahre 3 Monate). In guter Übereinstimmung mit der positiven Beurteilung des Wechsels wollen 12 der 14 Untersuchten ihre Maus auch zukünftig links nutzen, während ein Teilnehmer aufgrund besonderer Arbeitsplatzbedingungen (Platzmangel links) die Maus rechts einsetzen muss. Ein weiterer Teilnehmer hat wieder auf die Bedienung der Maus mit rechts zurück gewechselt.

Diskussion

Die im angloamerikanischen Sprachraum als „Repetitive Strain Injuries“ bezeichneten Beschwerden, die vor allem als Sensibilitätsstörungen sowie Muskelverspannungen im Hals-Schulter-Arm-Bereich imponieren, wurden durch den Wechsel der Maushand positiv beeinflusst.

Da in der 1998 veröffentlichten Studie Schulter-Nacken-Schmerzen der Zusammenhang zwischen chronischen Nackenschmerzen und Mikrozirkulationsstörungen sowohl bei arbeitsbezogenen Nackenschmerzen wie auch als Folge eines Schleudertraumas der Halswirbelsäule gefunden wurde12, spielt möglicherweise eine Verbessserung der Mikrozirkulation durch die geänderte Haltung am Arbeitsplatz bei Benutzung der Maus mit der linken Hand eine Rolle bei den beobachteten Beschwerdelinderungen. Nachweisen liesse sich dieser Wirkungsmechanismus mit einer Untersuchung eines weiteren Kollektivs von Beschäftigten, bei denen vor und nach Wechsel der Maushand mittels EMG und Laser-Doppler-Equipement die Durchblutung in der Muskulatur gemessen würde. Der Aufwand einer derartigen Studie ist naturgemäss um ein Vielfaches höher als bei einer einfachen Befragung.

Obwohl die durchschnittliche Arbeitszeit am PC leicht zugenommen hat, sank die Behandlungsbedürftigkeit wegen Beschwerden. Während bei der ersten Befragung fast zwei Drittel sich in krankengymnastischer Behandlung befanden, lag diese Rate bei der zweiten Befragung mit einem Viertel deutlich niedriger. Möglicherweise hat die durch den Wechsel der Maushand erforderliche somatosensorische zerebrale Umkodierung der Signale zur Steuerung des motorischen Bewegungsablaufes eingeschliffene falsche und damit schmerzauslösende Fehlsteuerungen gelöscht.

Wie die 1998 auf dem Wehrmedizinischen Kongress in Jever vorgestellten Bilder (Abb. 4, Abb. 5, Abb. 6) zeigen, verändert die Arbeit mit der Maus die Haltung am Schreibtisch. Das linke Bild zeigt die Wirbelsäulenausrichtung bei linkshändiger Mausbedienung, in der Mitte beim Lesen oder bei der Arbeit mit rein tastaturbedienten Programmen, während rechts die schlampige“ Haltung nach längerer alleiniger Mausbedienung auffällt. Allein durch den Wechsel der Maus auf die linke Seite verringert sich die Auslenkung der Wirbelsäule aus der vertikalen Ideallinie, da – zumindest bei Desktop-Tastaturen – durch den Zahlenblock die Entfernung zwischen der Tastaturmitte (Buchstaben T-Z, G-H, B) und der Maus rechts grösser ist. Damit ist die seitliche Verwindung der Wirbelsäule bei der Mausverwendung links geringer. Wahrscheinlich ist die Haltungsänderung entscheidend für die Reduzierung der Beschwerden.

· Literatur

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· Reinhardt B. Rückenschule und Arbeitswelt: Das Elektronikzeitalter-Syndrom RSI (Repetitive Strain Injury), Orthopädische Praxis 1996; 32: 383–390.

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Angela Müller, Arbeitsmedizinischer Dienst der Bundeswehr

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