Prävention

Arbeitsmedizinisches Untersuchungskonzept zur Lyme-Borreliose für Wald- u. Forstarbeiter/innen in Rheinland-Pfalz

Abbildung 1: Vom Staatlichen Gewerbearzt für Rheinland-Pfalz von 1997-2006 bei Forstwirten, Jägern, Jagdpächtern und Waldarbeitern zur Anerkennung als Berufskrankheit Nr.3102 empfohlene Lyme-Borreliosen

Zusammenfassung: Im Rahmen der am 23. Dez. 2004 geänderten „Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen“ (BioStoffV) ist die betriebsärztliche Vorsorgeuntersuchung „Lyme-Borreliose“ für Wald- oder Forstarbeiter/innen bei infektionsgefährdeten Tätigkeiten, seitens des Arbeitgebers verpflichtend durchzuführen (Anhang IV, verpflichtende arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen nach § 15 a Abs. 1 BioStoffV). Über Umfang bzw. Inhalt dieser Vorsorgeuntersuchung macht der Verordnungsgeber allerdings keine Angaben. Da sich die Landesforsten Rheinland-Pfalz in den letzten Jahren zunehmend mit Problemen durch Lyme-Borreliose ihrer im Forst beschäftigten Mitarbeiter/innen konfrontiert sehen, wurde vom Ministerium für Umwelt, Forsten und Verbraucherschutz (MUFV) Rheinland-Pfalz (RLP) eine Arbeitsgruppe gebildet mit dem Ziel, ein sinnvolles arbeitsmedizinisches Untersuchungskonzept unter Berücksichtigung der neuesten wissenschaftlichen aber auch praktischen Erkenntnisse zum Thema Lyme-Borreliose zu erarbeiten. Mit der Veröffentlichung ist auch die Hoffnung der Autoren verknüpft, mehr Sicherheit in Prävention, Diagnose und Therapie der Lyme-Borreliose zu bringen. Insofern kann dieses Konzept neben den betriebsärztlich tätigen Kollegen/innen auch von den niedergelassenen und insbesondere den hausärztlich tätigen Kollegen/innen benutzt werden. Schlüsselwörter: Forstarbeiter/innen, Lyme-Borreliose, BioStoffV Summary: Based on the German Ordinance on Biological Substances (BioStoffV), which was changed on Dec. 23. 2004 , the occupational medical check-up „Lyme disease“, must be organized by the employers (appendix IV BioStoffV). The lawgiver, however, does not define either the extent nor the contents of this medical check-up. Within the last years in the forests of Rhineland-Palatinate the employers have been confronted with increasing problems by Lyme disease concerning the forestry workers, so the Ministry for Environment, Forestry and Consumer’s Protection of Rhineland-Palatinate (Ministerium für Umwelt, Forsten und Verbraucherschutz (MUFV), Rheinland-Pfalz) established an expert group aiming to create a sensible occupational medicine check-up concept, considering the latest scientific and practical findings on Lyme disease. The authors hope that this publication adds to more safety in preventive measures, diagnosis and therapy of Lyme disease. Thus this concept should be helpful not only for occupational but for general medicine as well. Key words: forest workers, Lyme disease, German ordinance on biological substances (BioStoffV),

Hintergrund:
Die Landesforsten RLP sehen sich in den letzten Jahren zunehmend mit Problemen durch Lyme-Borreliose-Erkrankungen ihrer im Forst beschäftigten Mitarbeiter/innen konfrontiert. Als Gründe sind zum einen die erhöhte Aufmerksamkeit durch regelmäßige Berichte zu Zecken übertragenen Erkrankungen in den Medien zu nennen, zum anderen natürlich auch der häufige Kontakt mit Zecken während der beruflichen Tätigkeit. Spätschäden und schwere chronische Erkrankungen an Lyme-Borreliose sind in der Allgemeinbevölkerung seltener als oft angenommen1. Obwohl zur Häufigkeit von chronischen Manifestationen oder Spätschäden für Forstarbeiter/innen keine belastbaren Daten vorliegen, ist aber, wegen des hohen Risikos für Zeckenstiche, grundsätzlich von einer höheren Wahrscheinlichkeit auszugehen2–4.

Durch die geänderte Biostoff-Verordnung ist nunmehr eine Vorsorgeuntersuchung „Lyme-Borreliose“ für im Wald in niederer Vegetation beschäftigte Mitarbeiter/innen verpflichtend. Damit eröffnet sich erstmalig die Chance, die betreffenden Mitarbeiter/innen regelmäßig auf eine Lyme-Borreliose zu untersuchen und auf die verschiedenen Erkrankungsformen hinzuweisen und damit eine Früherkennung zu ermöglichen bzw. zu verbessern. Bisher wurden Umfang und Inhalte dieser Untersuchung vom Verordnungsgeber nicht konkretisiert. Das Ministerium für Umwelt, Forsten und Verbraucherschutz – Landesforsten Rheinland-Pfalz hat nun im Rahmen eines Lyme-Borreliose-Konzeptes angeregt, beispielhaft konkrete Inhalte für die verpflichtende arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung nach Biostoff-Verordnung zu erarbeiten.

Im April 2006 konstituierte sich dazu eine Arbeitsgruppe aus Vertretern der Abteilungen Forsten und Gewerbeaufsicht des MUFV, der Forstverwaltungen RLP, des AMD-TÜV Trier, des Nationalen Referenz-Zentrums für Borrelien, der Unfallkasse RLP und des Staatlichen Gewerbearztes für RLP im Landesamt für Umwelt, Wasserwirtschaft und Gewerbeaufsicht.

Zum Thema Diagnostik und Therapie der Lyme-Borreliose finden sich durch medizinische Fachgesellschaften getragene Empfehlungen – z.B. Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, die EUCALB Kriterien oder die Mikrobiologisch-Infektiologischen Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie5–7– aber auch viele selbsternannte Spezialisten, die fragwürdige diagnostische und therapeutische Vorstellungen propagieren, mit fließenden Übergängen und teilweise konkurrierenden Ambitionen.

Bei betriebsärztlichen Vorsorgeuntersuchungen (die aus anderen Anlässen stattfanden) konnten wir wiederholt erfolgreich Forstarbeiter einer adäquaten Lyme-Borreliose-Diagnostik und -Therapie zuführen. In weiteren Fällen konnten wir bei chronischen Beschwerden, die aufgrund unzureichender oder falscher Diagnostik bereits jahrelang als andere Erkrankungen therapiert wurden, Lyme-Borreliosen diagnostizieren und die Patienten damit auch der richtigen Therapie zuführen. Zumindest einzelne Fälle könnten somit durch speziell auf eine mögliche chronische Lyme-Borreliose abzielende Vorsorgeuntersuchung aufgeklärt und entsprechend behandelt werden. Umgekehrt konnten wir in einigen Fällen auch zeigen, dass fälschlicherweise eine chronische Lyme-Borreliose diagnostiziert und therapiert worden war und die Betroffenen einer adäquaten weiteren Betreuung zuführen.

Vom Staatlichen Gewerbearzt für Rheinland-Pfalz wurden in den Jahren 1997– 2006 insgesamt 66 Lyme-Borreliose-Infektionen bei Forstwirten, Jägern, Jagdpächtern und Waldarbeitern zur Anerkennung als Berufskrankheit (BK Nr. 3102 „Von Tieren auf Menschen übertragbare Krankheiten“) i.S. der Berufskrankheitenverordnung empfohlen, wobei im Jahr 2002 mit 12 die meisten und im Jahr 1997 mit 1 Fall die wenigsten BK-Fälle zur Anerkennung empfohlen wurden (Abb. 1).

Die Anerkennung einer Lyme-Borreliose als Berufskrankheit ist jedoch von vielen Faktoren abhängig. Die absolute Anzahl von Anerkennungen entspricht nicht der tatsächlichen Anzahl von Lyme-Borreliose Erkrankungen. Unerkannte Erkrankungen sind in der Statistik ebenso wenig enthalten wie korrekt diagnostizierte Fälle, die entweder nicht gemeldet wurden oder wo eine Ablehnung der Anerkennung aus anderen Gründen erfolgte.

Da eine Impfung nicht zur Verfügung steht, ist die Prävention derzeit auf entsprechende Aufklärung und prophylaktische Maßnahmen (wie z.B. Zeckenentfernung, Kleidung, etc.) beschränkt. Ein zentraler Punkt der arbeitsmedizinischen Vorsorge muss deshalb eine sinnvolle Aufklärung der beruflich gefährdeten Personen sein (s.a. § 12 Abs. 2a BioStoffV). Dies beinhaltet zum Einen eine regelmäßige Darstellung der verschiedenen typischen Manifestationen der Lyme-Borreliose sowie der prophylaktischen Möglichkeiten (z.B. über Fortbildungen, Flyer oder bei betriebsärztlichen Untersuchungen). Zum Anderen müssen die Mitarbeiter/innen auch über die überwiegend gute Prognose der Erkrankungen, das insgesamt seltene Auftreten schwerer chronischer Manifestationen und die Bedeutung von Durchseuchungstitern informiert werden, um einer häufig überzogenen Angst entgegenzuwirken.

Für die Diagnose von Frühmanifestationen kann die Serologie hilfreich sein. Allerdings ist zu beachten, dass in einem Teil der Frühmanifestationen die Serologie negativ sein kann (z.B. beim Erythema migrans zu etwa 50%). Bei begründetem Verdacht auf frühe Neuroborreliose muss auch eine Liquordiagnostik erfolgen, bei der sich typischerweise eine lymphozytäre Pleozytose, Schrankenstörung, Proteinerhöhung und im Liquor gebildete spezifische Antikörper finden5,7.

Für die Diagnose von Spätmanifestationen spielt die serologische Diagnostik eine ganz entscheidende Rolle: Ein negativer Befund schließt eine chronische Manifestation mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus, ein positiver Befund erlaubt die Lyme-Borreliose weiter als mögliche Ursache zu betrachten7,8. Die hohe Seroprävalenz im Untersuchungskollektiv wird sich allerdings in einem sehr niedrigen positiven Vorhersagewert bemerkbar machen. Für die Diagnose der chronischen Neuroborreliose ist dabei die Liquordiagnostik unabdingbar: Neben unspezifischen Entzündungszeichen lassen sich in beinahe 100% der Fälle im Liquor produzierte IgG-Antikörper (positiver Liquor/Serum Index) gegen Borrelia burgdorferi nachweisen5,6.

Vor dem Hintergrund des hohen Zeckenstich-Risikos im Forstbereich erscheint es sinnvoll, eher frühzeitig eine Wahrscheinlichkeit für eine Lyme-Borreliose anzunehmen und speziell bei unklaren Fällen eine fachärztliche Diagnostik und ggf. Therapie anzustreben. Neben der Beratung und Aufklärung muss deshalb das Ziel einer arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchung sein, eine genügende Wahrscheinlichkeit für eine Lyme-Borreliose-Erkrankung möglichst frühzeitig zu erkennen und entweder eine entsprechende Behandlung durchzuführen (überwiegend typisches Erythema migrans) oder die Betroffenen einer weiteren fachärztlichen Diagnostik und Therapie zuzuführen (z.B. Verdacht auf chronische Neuroborreliose oder Lyme-Arthritis).

Eine typische frühe Lyme-Borreliose ist meist gut zu diagnostizieren und effizient zu therapieren. Der/Die Betriebsarzt/ärztin sieht aber eher die unspezifischen oder chronischen Verlaufsformen. Hier ist die Diagnose der Lyme-Borreliose im Einzelfall schwierig und häufig eine komplexe „Wahrscheinlichkeits-Diagnose“ die sich aus der Zusammenschau klinischer, diagnostischer und anamnestischer Daten ergibt.

Bei „unspezifischen“ Symptomen und der „ausreichenden Wahrscheinlichkeit“ für das Vorliegen einer Lyme-Borreliose ist somit eine möglichst verlässliche Diagnostik und Inanspruchnahme von Fachärzten sinnvoll, um Spätschäden zu minimieren.

Die mikrobiologische Diagnostik kann entscheidende und wertvolle Hinweise geben7,8. ABER: An die mikrobiologische Diagnostik müssen dann hohe Anforderungen gestellt werden – denn es gibt viele ungeeignete bzw. nicht ausreichend validierte Teste wie z.B. den Lymphozyten-Transformationstest oder den Nachweis einer erniedrigten CD57-positiven Lymphozytensubpopulation9. Es stehen heute bereits leistungsfähige mikrobiologisch-diagnostische Testmethoden zur Verfügung. Um diese zu erkennen, müssen die Leistungsdaten incl. Sensitivität / Spezifität definiert und dokumentiert vorliegen. Es wird empfohlen, sich diesbezüglich an die Mikrobiologisch-Infektiologischen Qualitätsstandards „Lyme-Borreliose“ (MiQ 12/2000) zu halten, die im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie von einem Expertengremium erstellt wurden7.

1. Anwendungsbereich
Mitarbeiter/innen der Landesforsten Rheinland-Pfalz mit Tätigkeiten in niederer Vegetation

Erstuntersuchung (verpflichtend nach § 15a Abs. 1 u. 4 BioStoffV)
· vor Aufnahme einer Tätigkeit an Arbeitsplätzen mit Infektionsgefährdung

Nachuntersuchungen
· während der Tätigkeit (verpflichtend)

· am Ende der Tätigkeit (vom Arbeitgeber anzubieten, s.a. § 15a Abs. 2)

Fristen
· Nachuntersuchungen: erste NU vor Ablauf von 12 Monaten, weitere NU vor Ablauf von 36 Monaten

· vorzeitige Nachuntersuchungen: Nach ärztlichem Ermessen in Einzelfällen bei Erkrankungen, die Anlass zu Bedenken gegen die Fortsetzung der Tätigkeit geben, auf Wunsch des Beschäftigten, der einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Erkrankung und seiner Tätigkeit am Arbeitsplatz vermutet (s.a. §§ 15 Abs. 2 Nr. 4 u. 15a Abs. 6 BioStoffV).

3. Untersuchungsinhalte
Allgemeine Untersuchung

Feststellung der Vorgeschichte:

· Allgemeine Anamnese, Arbeitsanamnese

Labor (Elementarteil der G42 – Synergien mit weiteren Untersuchungen beachten)

Untersuchungen wie Urinstatus (Mehrfachteststreifen, bei Indikation: Sediment), Blutsenkungsgeschwindigkeit, Blutstatus (Hämoglobin, Erythrozyten, Leukozyten), y-GT, SGPT oder Blutzucker sind für die Fragestellung Lyme-Borreliose im Allgemeinen nicht erforderlich.

Spezielle Anamnese:
Lyme-Borreliose Fragebogen (siehe Anhang), früher durchgemachte oder bestehende Infektionen oder Infektionskrankheiten, immunologisch bedingte oder das Immunsystem nachhaltig schwächende Erkrankungen oder therapeutische Maßnahmen, Zeckenstiche, u.a.:

– Körperliche Untersuchung

– Lymphknoten-Status

– Hautstatus (Erythem-Suche)

– Gelenkstatus

– Grob-neurologischer Status

· Kognitive Fähigkeiten und psychol ogische Auffälligkeiten

Spezielle Beratung (Auszüge, s.a. §§ 10, 12 Abs. 1,2 u. 3 BioStoffV)

Präexpositionell (verpflichtend, s.a. § 12 Abs. 2a BioStoff)
Allg. und individuelle Beratung zum Schutz vor Infektionen/Infektionskrankheiten durch Zecken

Information zu:

· Expositionsprophylaxe (Repellents, Verhalten der Zecken, u.a.)

· Persönliche Schutzausrüstung (einschließlich spitzer Pinzette oder Zeckenkarte zum schnellen Entfernen einer Zecke), Körperoberfläche bedeckende Kleidung, z. B. lange Hosen, langärmlige Hemden, Strümpfe, geschlossene Schuhe

· Hygienemaßnahmen

· Chemoprophylaxe: nach Zeckenstich (ohne Auftreten eindeutiger klinischer Symptome z.B. Erythema migrans) nicht empfohlen

· Hinweis auf die wichtigsten dermatologischen, rheumatologischen und neurologischen Symptome

Postexpositionell
· Nach Aufenthalt im Zeckengebiet Körper nach Zecken sorgfältig absuchen, Zecken möglichst schnell entfernen, Wunde desinfizieren, Hinweis auf die wichtigsten dermatologischen, rheumatologischen und neurologischen Symptome

· Ggf. antibiotische Therapie bei gesicherter Lyme-Borreliose (s. Anhang Tabelle 1a – 1c))

· Bei unklaren Fällen, insbesondere Verdacht auf Spätmanifestationen sollte die weitere Diagnostik und Therapie von fachärztlicher Seite erfolgen

· Eine Absonderung von Erkrankten nicht erforderlich, keine Maßnahmen für Kontaktpersonen

Ergänzende Hinweise

Bereits bei begründetem Verdacht (s. Definition: „begründeter Berufskrankheitenverdacht Lyme-Borreliose“ unter Pkt. 6. Mögliches Vorgehen zur Vermeidung von Spätschäden) auf das Vorliegen einer Berufskrankheit Lyme-Borreliose besteht für den Unternehmer bzw. den untersuchenden bzw. behandelnden Arzt die Pflicht zur Berufskrankheitenanzeige (BK Nr. 3102, BKV) beim zuständigen Unfallversicherungsträger (§§ 193 Abs. (2) u. 202 SGB VII).

Spezielle Untersuchung (bei Indikation)
Elektro-Kardiogramm

Spezial-Labor (Lyme-Borreliose-Diagnostik)

nur ausgewählte Laboratorien mit definierten und nachgewiesenen Leistungsdaten und Mindest-Standards entsprechend den Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie (DGHM) MiQ 12/20007 (Wilske et al. 2000)

Erstuntersuchung:
Allgemeines Labor (s.o.) falls anderweitig erforderlich

Spezielles Labor: Serologische Stufendiagnostik

Stufe 1: Sensitiver Suchtest (i.a. ELISA – IgM / IgG; Ermittlung negativer Personen)

Forderung: Hohe Sensitivität bei akzeptabler Spezifität (bekannte Leistungsdaten)

Stufe 2: Nur bei reaktivem Suchtest Durchführung eines Immunoblots als Bestätigungstest

Forderung: Spezifität über 95%. Eindeutige Identifizierung und Interpretation reaktiver diagnostischerBlot-Banden.

Durchseuchungstiter ohne Klinik können ignoriert werden

Nachuntersuchungen:
Allgemeines Labor (s.o.)

Spezielles Labor: Serologische Stufendiagnostik nur bei begründeten Verdacht (s.u.)

Stufe 1: Sensitiver Suchtest (i.a. ELISA – IgM / IgG; Ermittlung negativer Personen)

Forderung: Hohe Sensitivität bei akzeptabler Spezifität (bekannte Leistungsdaten)

Stufe 2: Nur bei reaktivem Suchtest Durchführung eines Immunoblots als Bestätigungstest

Forderung: Spezifität über 95%, eindeutige Identifizierung und Interpretation reaktiver diagnostischer Blot-Banden.

Beachte:

Bereits ein Erythema migrans ist beweisend (Blickdiagnose) – die beim Erythema migrans wenig sensitive serologische Diagnostik somit entbehrlich.

Bei unklaren Fällen evtl. PCR (Nachweis von Borrelien-DNA) oder kultureller Nachweis von B. burgdorferi aus einer Hautbiopsie ggf. über Dermatologen anstreben.

Vorgehen Stufendiagnostik (Hier nur grob orientierende Darstellung; Vergleiche auch Anhang Tabelle 1a-1c zu diagnostischen Kriterien der Lyme-Borreliose)

1. Suchtest negativ: Keine weiteren Teste, ggf. kurzfristiges Follow up bei Verdacht auf eine Frühmanifestation

2. Suchtest reaktiv: Immunoblot als Bestätigungstest

Bestätigungstest positiv:
Nur IgM positiv bei V.a. chronische Lyme-Borreliose (Erkrankung länger als 3–6 Monate): Befund spricht gegen eine chronische Lyme-Borreliose; persistierendes oder unspezifisches IgM;

(ggf. Ausschluss: Syphilis, Ursachen oligoklonaler Stimulation (EBV, CMV, etc.).

Nur IgM positiv bei V.a. frühe Lyme-Borreliose: Befund vereinbar mit einer frühen Lyme-Borreliose; ggf. weitere Differenzialdiagnostik und Therapie durch Facharzt; ggf. serologische Kontrolle in 10–14 Tagen mit der Fragestellung signifikanter Titeranstieg und IgG-Serokonversion.

Nur IgG oder IgG und IgM positiv bei V.a. frühe Lyme-Borreliose: Serologische Anhaltspunkte für eine Infektion mit B. burgdorferi; Durchseuchungstiter oder klinisch manifeste Infektion sind nicht unterscheidbar; ggf. serologisches Follow up bei kurzer Erkrankungsdauer (signifikanter IgG-Anstieg?), ggf. weitere Differenzialdiagnostik und Therapie durch Facharzt.

Nur IgG oder IgG und IgM positiv bei V.a. chronische Lyme-Borreliose: Serologische Anhaltspunkte für eine Infektion mit B. burgdorferi; Durchseuchungstiter oder klinisch manifeste Infektion sind nicht unterscheidbar; Titerhöhe und Bandenmuster sind in der Beurteilung zu berücksichtigen, ggf. weitere Differenzialdiagnostik und Therapie durch Facharzt.

Bestätigungstest negativ:
Weiteres Vorgehen abhängig von Stadium und Dauer der Erkrankung:

Bei V.a. Frühmanifestation bzw. Erkrankungsdauer unter 6 Wochen Kontrolle in 2 Wochen empfohlen, ggf. weitere Kontrollen um einen Zeitraum von 6 Wochen abzudecken.

Bei V.a. Spätmanifestationen bzw. Erkrankungsdauer über 3–6 Monate spricht ein negativer Befund mit hoher Wahrscheinlichkeit gegen eine chronische Lyme-Borreliose. Weitere serologische Untersuchungen sind nicht indiziert.

4. Overhead (ggf. in Absprache mit zuständigem Unfallversicherer):
· Veranlassung von Facharztuntersuchungen (Biopsate und/oder Liquor-Untersuchungen)

· Lenkung der fachärztlichen Betreuung und Interpretation der vorliegenden Befunde, weitere Vorgehensweisen

· Dialog mit Fachkollegen u.a.

· Festlegung verkürzter Nachuntersuchungsfristen

5. Arbeitsmedizinische Beurteilungs – Kriterien und Beschäftigungsbeschränkungen
Entgegen den üblichen arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen ist das Hauptziel HIER nicht das Feststellen gesundheitlicher Bedenken oder Einschränkungen für die ausgeübte Tätigkeit. Vielmehr steht die Beratung und Erkennung einer (wahrscheinlichen) Lyme-Borreliose im Vordergrund. Im Krankheitsfall auch zusätzlich die Begleitung und Lenkung des Betroffenen (Overhead-Funktion).

Die sonst übliche Einteilung

· Dauernde gesundheitliche Bedenken

· Befristete gesundheitliche Bedenken

· Keine gesundheitlichen Bedenken unter bestimmten Voraussetzungen

· Keine gesundheitlichen Bedenken

und das Aussprechen von Einsatzbeschränkungen wird sich an der ausgeübten Tätigkeit orientieren.

Eine Lösungsfindung muss für jeden Einzelfall mit allen Beteiligten eruiert werden.

Ohne Lyme-Borreliose-Verdacht (siehe Definitionen):
Nur allgemeine Untersuchung und Beratung, NU: 36 Monate (G42)

Begründeter Berufskrankheitenverdacht Lyme-Borreliose:
· Meldung an zuständigen Unfallversicherungsträger

· Bei Erythema migrans Einleiten der Therapie, allg. und spezielle Untersuchungen bei EM entbehrlich, da beweisend.

· Bei anderen Manifestationen Überweisung zum Facharzt zur Differenzialdiagnostik und ggf. Therapie

· NU: event. vorzeitig, Overhead

· Ggf. Eingliederungsmanagement i. S. des § 84 Sozialgesetzbuch IX

Bestätigte Berufskrankheit Lyme-Borreliose (Vorgeschichte, klinische Symptome, mikrobiologischer Befund):
· Berufskrankheitenanzeige

· Überweisung Facharzt zur Therapie, Overhead

· NU nach Abschluss der Facharzttherapie (Therapieerfolg?), ggf. in Absprache mit Unfallversicherungsträger

· Ggf. Eingliederungsmanagement i. S. des § 84 Sozialgesetzbuch IX

Bestätigte Lyme-Borreliose in der Vorgeschichte mit weiterbestehenden Symptomen (siehe Definitionen):
Im Allgemeinen Einbeziehung eines Facharztes, evtl. im Vorfeld serologische Untersuchung, ob eine chronische Lyme-Borreliose in Betracht zu ziehen ist, bei gravierender Symptomatik Durchführung einer Tauglichkeitsuntersuchung (Untersuchung aus besonderem Anlass) unter Berücksichtigung der Arbeitsplatzverhältnisse (ggf. gemeinsam mit zuständigem Unfallversicherungsträger, s.a. § 3 BKV) bzw. ggf. Eingliederungsmanagement i. S. des § 84 Sozialgesetzbuch IX.

Definitionen (s.a. Anhang Tabelle 1a-1c)

„Ohne Lyme-Borreliose-Verdacht“:
Nur unspezifische Symptome, Symptombeginn nicht eruierbar, andere Erkrankungen wahrscheinlich

Definition: „Begründeter Berufskrankheitenverdacht Lyme-Borreliose“ (siehe auch Tabelle 1a-1c):
Siehe einschlägige Fachinformationen: Erythema migrans, frühe und späte Neuroborreliose, Borrelien-Lymphozytom , Lyme-Karditis, Lyme-Arthritis, Akrodermatitis chronica atrophicans

In Anbetracht der tätigkeitsbedingt grundsätzlich höheren Gefährdung der im Wald beschäftigten Mitarbeiter/innen sollten auch akut und neu auftretende Allgemeinsymptome wie Fieber, Myalgien, Kopfschmerzen oder Meningismus als Verdacht betrachtet werden, wenn diese Symptome mit anderen Erkrankungen zunächst nicht erklärbar sind (akuter (respiratorischer) Infekt, bekannte psychosomatische Störungen, Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis, WS-Syndrome, Karpaltunnelsyndrom, Multiple Sklerose, (langjährige) Fibromyalgie, Sehnenscheidenentzündung, Apoplex u.v.m.) – Ausschluss-Diagnostik !

„Bestätigte Aktivität“:
Klinik vorhanden, ggf. andere Erkrankungen als Ursache ausgeschlossen

und

entsprechend den jeweiligen Interpretationskriterien ein positiver Befund im Immuno-Blot

und / oder

Nachweis des Erregers mittels PCR oder Kultur

Merke:
Auch der positive Immunoblot erhöht lediglich die Wahrscheinlichkeit, dass die im Screeningtest nachgewiesenen Antikörper tatsächlich durch Borrelia burgdorferi induziert wurden.

NUR positiver serologischer Befund ist alleine KEINE Therapieindikation

Ein positiver IgM-Titer ohne entsprechende Klinik ist KEINE Therapieindikation

Isoliert positives IgM bei V.a. Spätmanifestation spricht gegen eine Lyme-Borreliose-Erkrankung

·

· Literatur

Huppertz, H. I.; Böhme, M.; Standaert, S. M.; Karch, H.; Plotkin, S. A. Incidence of Lyme borreliosis in the Würzburg region of Germany. Eur. J. Clin. Microbiol. Infect. Dis.: 18(1999)697–703

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Wilske, B.; Zöller, L.; Brade, V.; Eiffert, M.; Göbel, U. B.; Stanek, G. unter Mitarbeit von H. W. Pfister. MIQ 12 Lyme-Borreliose. in: Mauch, H.; Lütticken, R.; Gatermann, S., im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM). (eds.) Qualitätsstandards in der mikrobiologisch-infektiologischen Diagnostik. Urban & Fischer Verlag, München Jena (2000)1–59

Wilske, B., Fingerle, V. Lyme-Borreliose Diagnostik. Der Mikrobiologe 15(2005) 209–220

Fingerle, V, Wilske, B. (2007) Mikrobiologische Diagnostik der Lyme-Borreliose. J Lab Med 31:141–148

Gesetze und Verordnungen

BioStoffV, Biostoffverordnung zur Umsetzung von EG-Richtlinien über den Schutz der Beschäftigten gegen Gefährdung durch biologische Arbeitsstoffe bei der Arbeit vom 27. Jan. 1999 (BGBl. I S. 50–70).

BKV, Berufskrankheiten-Verordnung vom 31. Okt. 1997 (BGBl. 1 S. 2623)

SGB VII, Sozialgesetzbuch Siebtes Buch, Gesetzliche Unfallversicherung

SGB IX, Sozialgesetzbuch Neuntes Buch -Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen- (Artikel 1 des Gesetzes v. 19.06.2001, BGBl. 1 S. 1046)

Von Christoph Smieszkol1, Dirk Halsband2, Volker Fingerle3, Bettina Wilske3, Robert Blech1, 1Landesamt für Umwelt, Wasserwirtschaft und Gewerbeaufsicht, Abt. 3 -Staatlicher Gewerbearzt für Rheinland-Pfalz-, Mainz, 2AMD-TÜV, Arbeitsmedizinische Dienste Gmb

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