Prävention

Auswirkungen von Arbeitszeitschichtmodellen auf die Gesundheit von Rettungsdienstpersonal

Zusammenfassung Die vorliegende Studie untersucht berufliche Anforderungen, den eingeschätzten Handlungsspielraum sowie die soziale Unterstützung bei Rettungsdienstpersonal in Zusammenhang mit dem Einfluss von unterschiedlichen Schichtdienstmodellen (8-, 12- und 24-Stunden Schichtdienste) auf die Gesundheit. In einer Querschnittstudie wurden 545 Einsatzkräfte im Rettungsdienst in Deutschland mittels standardisiertem Fragebogen (COPSOQ, WHO-5) befragt. Wie die Ergebnisse zeigen, korrelieren Arbeitsanforderungen positiv mit Stress- und Burnoutwerten und negativ mit Wohlbefinden und Lebenszufriedenheit. Weitreichende Handlungsspielräume und soziale Unterstützung reduzieren Burnout- und Stresssymptome und steigern Lebenszufriedenheit und Wohlbefinden. Einsatzkräfte in 24h- und 8h-Schichtsystemen geben dabei signifikant höhere Werte für Lebenszufriedenheit und Wohlbefinden an als Einsatzkräfte in 12h-Schichtsystemen. Die vorliegenden Ergebnisse geben Hinweise auf eine gesundheitsförderliche Dienst- und Schichtplangestaltung im Rettungsdienst. Schlüsselwörter Rettungsdienst – Schichtarbeit – Wohlbefinden – Lebenszufriedenheit – Burnout – demand-control-model Effects of rotating shift work models on the health of emergency service personnel Summary The present study examines the professional requirements, the estimated scope of action, as well as the social support of emergency service personnel in connection with the effects of different shift work models (eight-hour shifts, twelve-hour shifts, and twenty-four-hour shifts) on their health. In a cross section study 545 emergency responders´ in the German rescue service were questioned by standardized COPSOQ and WHO-5 questionnaires. The results show that high demands correlate with both high stress- and burnout values as well as little well-being and low life satisfaction. On the contrary, great scopes of action and high social support reduce burnout- and stress-symptoms and increase life satisfaction and well-being. In this context, emergency service personnel working twenty-four-hour shifts quote significantly better health values than emergency responders´ on twelve-hour shifts. The present results provide an indication of creating duty rosters and shift schedules with a positive effect on emergency responders´ state of health. Key words Rescue service – shift work – well-being – life satisfaction – burnout – demand-control-model

Einleitung
„Der Arbeitsalltag in der Notfallrettung ist geprägt durch die Einwirkung physischer und psychischer Belastungen, wie sie in dieser Intensität in anderen Berufen kaum vorkommen.“1 Als Folgen von Belastungen können sowohl eine geringere Qualität der Arbeit, eine verminderte Leistungsfähigkeit, ein geringes Wohlbefinden, gesundheitliche Beeinträchtigungen aber auch Burnout festgestellt werden2. In Deutschland sind davon im Rettungsdienst potentiell rund 35 000 hauptamtliche Einsatzkräfte betroffen. Zusätzlich zu den anforderungsspezifischen Arbeitsbelastungen im Rettungsdienst3, 4 entstehen Belastungen vor allem durch Schichtarbeit5, 6. Dabei kann allgemein festgestellt werden, dass Schichtarbeit zu unterschiedlichen psychischen aber auch physischen Beeinträchtigungen führt7, wie Arbeitsunzufriedenheit, Erschöpfungs- und Ermüdungszustände, Muskelbeschwerden, Depressionen oder Herzbeschwerden8, 9, 10.

Vor diesem Hintergrund novellierte mit 1. Januar 2004 der Gesetzgeber das deutsche Arbeitszeitgesetz (ArbZG) und reagierte damit auf das Urteil vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) vom 9. September 2003 (Az. C-151/02)11. Grundsätzlich gilt damit in der Europäischen Union eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden, in die auch der Arbeitsbereitschaftsdienst von Einsatzkräften zählt12. Als Folge dieser Gesetzesänderung wurde in einigen deutschen Rettungsdiensten der Dienst- und Schichtplan von ursprünglich 24h- auf 12h- bzw. 8h-Dienste umgestellt. Dennoch bleibt zu prüfen, ob die Reduktion von Schichtarbeitszeit im Rettungsdienst einerseits eine Verringerung der subjektiven Arbeitsbelastungen und andererseits eine Verbesserung von Lebenszufriedenheit, Wohlbefinden und Gesundheitszustand mit sich bringt.

Job Demand Control-Support-Model (DCS-Modell)
Mit Hilfe des Job Demand Control-Support-Model´s (DCS) von Karasek und Theorell13 kann der Zusammenhang zwischen gesundheitlich relevanten Anforderungen, Belastungen und Belastungsfolgen dargestellt werden14, 15. Das DCS-Modell beschreibt die Zusammenhänge von Arbeitsbelastungen, Kontrollmöglichkeiten und sozialer Unterstützung auf die Gesundheit. Dabei wirken umfassende Handlungsspielräume und soziale Unterstützung protektiv den schädlichen Berufsanforderungen entgegen16. Gesundheitliche Beeinträchtigungen im Arbeitsumfeld hängen demzufolge von Arbeitsanforderungen und Ressourcen der Arbeit, d.h. den erlebten Handlungsspielräumen und der sozialen Unterstützung, ab.

Belastungen durch Schichtarbeit
Schichtarbeiter berichten insgesamt häufiger über Gesundheitsbeeinträchtigungen als Beschäftigte, die keine Nacht- und Schichtarbeit leisten müssen17, 18, 19. Costa20 nennt Nacht- und Schichtarbeit als Risikofaktoren, die die individuelle Gesundheit und das Wohlbefinden beeinträchtigen können. Dabei können Auswirkungen von Schichtarbeit durch Faktoren wie die persönlichen Ressourcen und Bewältigungsstrategien21, 22, die Familie und die sozialen Bindungen23, 24, die Arbeitssituation und die Organisation der Arbeitszeiten25, 26 beeinflusst werden. Langfristig scheinen dagegen eher überdauernde Merkmale der Person, wie Persönlichkeit27, die Arbeitsaufgabe28 und die jeweiligen sozialen Verhältnisse29 die Widerstandsfähigkeit gegenüber den Auswirkungen von Schichtarbeit zu beeinflussen. Neben den rein körperlichen Belastungen durch Heben und Tragen30, den psychischen Belastungen wie das Bewältigen von plötzlich auftretenden Stresssituationen31 und dem regelmäßigen Umgang mit Schmerz, Leid und Tod32, spielt auch die Arbeitszeitgestaltung im Rettungsdienst eine gewichtige Rolle in Bezug auf die persönliche Gesundheit und das individuelle Wohlbefinden33, 34.

Die vorliegende Studie untersucht deshalb mit Hilfe des DCS-Modells in einem ersten Schritt die Anforderungen (quantitative und emotionale Anforderungen, Work-(family) privacy conflict) und Ressourcen (Handlungsspielraum, soziale Integration und Unterstützung) im Rettungsdienst und vergleicht diese mit Outcomes und Beschwerden (Gesundheitszustand, Lebenszufriedenheit, Burnout, Stress). In einem zweiten Schritt wird der Einfluss der Schichtsysteme (24h versus 12h) auf Anforderungen, Ressourcen und Outcomes der Einsatzkräfte im Rettungsdienst untersucht.

Methode
Die Datenerhebung dieser Querschnittstudie erstreckte sich über den Zeitraum Oktober 2008 – Februar 2009. Befragt wurden 724 hauptamtliche Einsatzkräfte aus Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Berlin, Thüringen, Niedersachsen, Bayern und Nordrhein-Westfalen. Grundlage für die Auswahl der Stichprobe war das praktizierte Arbeitszeitmodell, welches zu gleichen Teilen (24h-, 12h-, 8h- Schichten) in der Untersuchung gewichtet sein sollte. Die Befragung erfolgte schriftlich mit einem standardisierten Fragebogen. Die Rücklaufquote betrug 75,3% (N = 545).

Die externen Vergleichswerte für die Berufsgruppe „Gesundheitsberufe“ stammen aus der COPSOQ (Copenhagen Psychosocial Questionaire)-Datenbank der FFAS (Freiburger Forschungsstelle Arbeits- und Sozialmedizin) (persönliche Mitteilung; Nübling 2008). Diese Daten beruhen auf den Angaben von 6821 Mitarbeitern aus Gesundheitsberufen (Krankenpflegepersonal, Ärzte, Physiotherapeuten, Einsatzkräfte im Rettungsdienst etc.) zu den in dieser Studie enthaltenen COPSOQ-Skalen.

Stichprobenbeschreibung
Von den 545 befragten Einsatzkräften im Rettungsdienst arbeiten 286 überwiegend in 24-Stunden-, 206 in 12-Stunden- und 53 in 8-Stunden-Schichtmodellen. 488 (89,5%) der Befragten waren männlich, 57 (10,5%) waren weiblichen Geschlechts. Das Alter der Befragten lag dabei zwischen 20 und 61 Jahren. Das Durchschnittsalter betrug 38,0 Jahre (SD = 9,6). Die Mehrzahl der Einsatzkräfte (n = 452) war zum Zeitpunkt der Befragung bereits länger als 4 Jahre im Rettungsdienst tätig. Große Unterschiede waren in der Wochenarbeitszeit zu erkennen. Diese lag mit einem Mittelwert von 49,3 Stunden (SD = 8,5) rund 11,5 Stunden über der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit in Deutschland von 37,7 Stunden. Die durchschnittliche Einsatzfrequenz (bezogen auf 8 Dienststunden) variierte dabei, in Abhängigkeit des Einsatzgebietes, zwischen 1 und 12 Einsätzen und betrug im Mittel 4,6 Einsätze/8h (SD = 2,3).

Messinstrumente
Die Untersuchung erfolgte mit einer Fragebogenbatterie.

Der Well-Being-Index der Weltgesundheitsorganisation (WHO-5)35 erfasst mittels 6-stufiger Likertskalierung (die ganze Zeit, meistens, etwas mehr als die Hälfte der Zeit, etwas weniger als die Hälfte der Zeit, ab und zu, zu keinem Zeitpunkt) subjektives Wohlbefinden. Cronbachs alpha a des Well-Being-Index beträgt in der vorliegenden Studie = .89.

Der Copenhagen Psychosocial Questionaire (COPSOQ)36 ist ein Screening-Instrument zur Erfassung psychischer Belastungen und Beanspruchungen bei der Arbeit und wurde von Nübling37 für Deutschland validiert. Für die vorliegende Studie wurden die Skalen Arbeitsanforderungen, Kontrolle und Beschwerden/Outcomes verwendet: Die Skala Arbeitsanforderungen besteht aus den Subskalen:

a. Quantitative Anforderungen (a = .59);

b. Emotionale Anforderungen (a = .76);

c. Anforderungen, Emotionen zu verbergen (a = .62);

d. Arbeitsplatzunsicherheit (a = .73);

e. Work-(family) privacy conflict (a = .90).

Die Subskalen der Kontrollskalen umfassen:

a. Entscheidungsspielraum (a = .52);

b. Führungsqualität (a = .88);

c. Soziale Unterstützung (a = .78);

d. Soziale Beziehungen (a = .39);

e. Gemeinschaftsgefühl (a = .78).

Die Beschwerde- und Outcomeskalen beinhalten als Subskalen:

a. Gesundheitszustand (Einzelitem);

b. Copenhagen Burnout Inventory (CBI) (a = .89);

c. Kognitive Stresssymptome (a = .87);

d. Lebenszufriedenheit (Satisfaction with Life Scale: SWLS) (a = .84).

Die angegebenen Cronbachs alpha-Werte stammen jeweils aus der vorliegenden Studie.

Um die Schichtdienste vergleichen zu können wurden in SPSS17® Varianzanalysen für unabhängige Stichproben (ANOVA) gerechnet. Für den Vergleich innerhalb der Gruppen wurden Post-Hoc Analysen (Scheffé-Test) erforderlich, um signifikante Gruppenunterschiede einzelnen Schichtgruppen zuordnen zu können. Die Korrelationen wurden mittels Pearson Korrelation durchgeführt.

Ergebnisse
Einsatzkräfte in 24h-Schichtdienstsystemen geben signifikant (p # 0,001) höhere Werte (M[SD] = 66,37[16,11]) zur Lebenszufriedenheit an als Einsatzkräfte in 12h- Schichtdiensten (M[SD] = 61,33[17,25]). Bezogen auf das Wohlbefinden wird deutlich, dass sich Einsatzkräfte in 24h-Schichtdiensten (M[SD] = 61,14[20,39]) signifikant (p # 0,05) wohler fühlen, als ihre Kollegen in 12h-Schichtdienstsystemen (M[SD] = 55,78[20,28]). Burnout wird von Einsatzkräften in 24h-Schichtdiensten signifikant (p # 0,05) geringer erlebt (M[SD] = 32,10[16,55]) als in 12h-Schichtdiensten (M[SD] = 35,10[16,78]) (vgl. Tabelle 1).

Rettungsdienstpersonal erlebt insgesamt weniger soziale Unterstützung von Kollegen und Vorgesetzten als die Vergleichsgruppe. Auch der eigene Entscheidungsspielraum wird von Einsatzkräften weniger wahrgenommen. Einsatzkräfte im Rettungsdienst, die überwiegend in 12h-Schichtdiensten arbeiten, erleben dabei eine höhere Führungsqualität (M[SD] = 48,48[21,97]) (p # 0,01) als Kollegen in 24h-Schichtsystemen (M[SD] = 42,02[22,24]) (vgl. Tabelle 1). Signifikante Zusammenhänge (Pearson-Korrelationskoeffizient) wurden zwischen den Merkmalen Soziale Beziehungen und Führung mit der Skala des Copenhagen Burnout Inventory (r = -0,355***) sowie der kognitiven Stresssymptome (r = -0,319***) als auch mit der Skala Lebenszufriedenheit (r = 0,311***) und dem allgemeinen Gesundheitszustand (r = 0,260***) erkennbar (vgl. Tabelle 2). Das bedeutet, je mehr Unterstützung und Zusammenarbeit im Team stattfindet, desto weniger erleben Einsatzkräfte Burnout und Stress und desto besser sind deren Wohlbefinden und deren Lebenszufriedenheit.

Hohe psychosoziale Anforderungen im Rettungsdienst verstärken sowohl Burnout als auch Stresssymptome und reduzieren gleichzeitig Lebenszufriedenheit und Wohlbefinden. Die Anforderungen im Rettungsdienst werden, mit Ausnahme der Arbeitsplatzunsicherheit, von Rettungskräften in 24h-Schichtsystemen weniger wahrgenommen als in 12h- Schichtsystemen. Der deutlichste Unterschied ist dabei in der Vereinbarkeit von Familien- und Privatleben mit dem Berufsleben erkennbar. Die Rettungskräfte in den 12h-Schichten (M[SD] = 50,17[24,39]) fühlten sich signifikant (p # 0,001) stärker belastet als ihre Kollegen im 24h- Schichtsystem (M[SD] = 35,40[24,64]) (vgl. Tabelle 3). Einsatzkräfte in 8h-Schichtsystemen geben einen Work-(family) privacy conflict von M[SD] = 43,11[22,86] an. Der Work-(family) privacy conflict korreliert hochsignifikant mit dem Wohlbefinden (r = -0,416***) und mit Burnout (r = 0,514***). Das bedeutet, je mehr Konflikte in der Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben wahrgenommen werden, desto geringer wird das Wohlbefinden und desto höher der Burnout angegeben (vgl. Tabelle 2).

Bei hoher Kontrolle und großem Handlungsspielraum wird mehr Gesundheit, Lebenszufriedenheit und Wohlbefinden wahrgenommen und gleichzeitig weniger Burnout und Stress empfunden. Eine als günstig wahrgenommene Führungsqualität steht dabei in Verbindung mit dem Erleben einer hohen sozialen Unterstützung und einem hohen Gemeinschaftsgefühl.

Im Ergebnis der Untersuchung wird festgehalten: Die Wahrnehmung von Beanspruchungen und Belastungen bei Einsatzkräften im Rettungsdienst ist abhängig vom praktizierten Schichtmodell. Je höher die Anforderungen im Rettungsdienst, desto stärker sind die gesundheitlichen Auswirkungen. Je höher die eigenen Kontrollmöglichkeiten, desto höher sind die Werte in den Bereichen Wohlbefinden und Lebenszufriedenheit. Einsatzkräfte in 24h-Dienst-Systemen nehmen Anforderungen geringer wahr als Mitarbeiter in 12h-Dienst-Systemen und geben dabei die geringeren Burnout- und Stresswerte an. Gleichzeitig haben sie hohe Werte für Lebenszufriedenheit und Wohlbefinden.

Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse
Wie die Ergebnisse zeigen, korrelieren im Rettungsdienst hohe Anforderungen mit hohen Stress- und Burnoutwerten und mit wenig Wohlbefinden und einer geringen Lebenszufriedenheit. Große Handlungsspielräume und hohe soziale Unterstützung reduzieren Burnout- und Stresssymptome und steigern Lebenszufriedenheit und Wohlbefinden. Besonders interessant dabei ist, dass Einsatzkräfte in 24h-Schichtsystemen sowohl eine signifikant höhere Lebenszufriedenheit und ein höheres Wohlbefinden sowie gleichzeitig eine geringere Burnout- und Stresssymptomatik aufweisen als Einsatzkräfte in 12h-Schichtsystemen. Bei der Interpretation der Ergebnisse gilt es zu berücksichtigen, dass möglicherweise nicht allein das Schichtarbeitszeitmodell sondern auch die Einsatzfrequenz ein determinierender Faktor für Wohlbefinden und Lebensqualität als auch für Burnout und Stresssymptome sein kann. Hier sind weitere Untersuchungen notwendig.

In der vorliegenden Untersuchung fällt besonders der signifikante Unterschied zwischen den Schichtarbeitsmodellen im Bereich des Wohlbefindens und der Lebenszufriedenheit auf. Mitarbeiter in 24h-Schichtdiensten geben die höheren Werte auf diesen beiden Skalen an, als Mitarbeiter in 12h-Schichtdiensten. Diese korrelieren mit dem Work-(family) privacy conflict. Beachtenswert ist, dass Rettungskräfte die Vereinbarkeit von Familie und Beruf besser einschätzen als die Vergleichsgruppe. Einsatzkräfte in den 24h-Schichtsystemen nehmen sie positiver wahr als Einsatzkräfte in 12h- bzw. 8h-Schichtsystemen. Abweichungen vom Standardarbeitstag können demzufolge für den Einzelnen eine akzeptable Lösung darstellen, um z.B. familiäre und berufliche Verpflichtungen zu vereinbaren38, 39. Die Arbeitsplatzunsicherheit wird von allen Rettungskräften fast doppelt so hoch bewertet als in der Vergleichsgruppe. Das lässt sich erklären mit dem Vergabeverfahren im deutschen Rettungsdienst, d.h. den damit verbundenen Ausschreibungen alle 4–5 Jahre und den dadurch möglichen Verlust des Arbeitsplatzes.

Die Kontrolle über die Arbeitsaufgaben bedeutet für Rettungskräfte die eigenen Fähigkeiten anzuwenden und zu entwickeln, zudem ist eine hohe Qualifikation erforderlich und die Arbeit ist abwechslungsreich. Das Vorgesetztenverhalten hat dabei einen wesentlichen Einfluss auf die Kontrolle. Die Arbeit im Team und die damit verbundene soziale Unterstützung als auch das Gemeinschaftsgefühl sind wichtige Kontrollfunktionen im Rettungsdienst. Bemerkenswert ist, dass Rettungskräfte ihre sozialen Beziehungen im Vergleich zur Vergleichsgruppe überdurchschnittlich hoch einschätzen. Dies kann damit erklärt werden, dass Rettungsdienstarbeit immer Teamarbeit ist.

Weiter zeigen die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung, dass Einsatzkräfte im Rettungsdienst psychosoziale Anforderungen geringer einschätzen als dies in der Vergleichsgruppe im Gesundheitswesen der Fall ist. Überraschend ist diese Aussage im Hinblick auf den Faktor „emotionale Anforderungen“, da Rettungskräfte regelmäßig emotional belastende Situationen erleben. Möglicherweise entwickeln Rettungskräfte aber im Laufe ihres Berufslebens Copingstrategien für den Umgang mit emotional belastenden Einsätzen. Dadurch lassen sie sich auf schwierige Einsätze emotional geringer ein und traumatische Notfalleinsätze werden somit regelmäßig zur „Routine“ und „Bestandteil“ ihrer Arbeit40. Dies könnte auch erklären, warum die „Anforderung Emotionen zu verbergen“ zudem stärker wahrgenommen wird als in der Vergleichsgruppe.

Abschließend lässt sich festhalten, dass hohe psychosoziale Anforderungen im Rettungsdienst eine geringere Lebenszufriedenheit und geringeres Wohlbefinden bedingen, gleichzeitig aber eine hohe Burnout- und Stresssymptomatik bei Einsatzkräften hervorrufen. Parallel dazu gilt, dass von Einsatzkräften mit hoher Kontrolle mehr Lebenszufriedenheit und mehr Wohlbefinden wahrgenommen wird und gleichzeitig weniger Burnout- und Stresssymptome angegeben werden.

Dennoch müssen die Ergebnisse vorsichtig interpretiert werden. Bei der vorliegenden Untersuchung handelt es sich um eine Querschnittstudie, die keine Ableitung von Ursache-Wirkung-Beziehungen zulässt. Es ist davon auszugehen, dass Rettungskräfte ihre Gesundheitsbeschwerden als einen „natürlichen“ Bestandteil ihrer Arbeitssituation betrachten und deshalb dazu neigen, ihre eventuellen gesundheitlichen Beschwerden zu unterschätzen41. Ob daher Rettungskräfte auch durchschnittlich weniger belastet sind oder ob sie einfach psychische Belastungsfaktoren subjektiv anders bewerten, bleibt diskussionswürdig42. Weiterhin ist ebenfalls mit dem Healthy-Worker-Effekt zu rechnen, nachdem nur solche Mitarbeiter für längere Zeit im Schichtdienst tätig sind, die wirklich völlig gesund sind43. Dieser Selbstauswahlprozess kann die Ergebnisse unserer Studie maskieren.

Fazit
Aus den vorliegenden Ergebnissen können Ansatzpunkte für eine Beibehaltung der 24h-Schichten im Rettungsdienst, in Abhängigkeit verschiedener zu berücksichtigender Variablen, abgeleitet werden! Die Arbeit im Rettungsdienst kann besonders dann positive psychische oder auch physische Auswirkungen haben, wenn geringe Anforderungen mit hohem Handlungsspielraum und gleichzeitig hoher sozialer Unterstützung zusammentreffen. Die durch Schichtarbeit im Rettungsdienst hervorgerufenen physischen und psychosozialen Belastungen können daher nicht nur unter primär biologisch-medizinischer Betrachtung verstanden werden, sondern auch als Resultat aus dem Zusammentreffen von Anforderungen und Kontrollmöglichkeiten sowie von individuellen sozialen, kulturellen und ökonomischen Bedingungen. Die Perspektive von Gesundheit und Krankheit ist auf die Lebensumstände und auf die individuellen Lebens- und Verarbeitungsstile der Rettungskräfte zu erweiterten und anzupassen.

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