Prävention

Nikotinersatztherapie in der Tabakentwöhnung

Zusammenfassung: Derzeit gibt es trotz des Wissens um die zahlreichen Folgeschäden des Rauchens über eine Milliarde Raucher weltweit. Gerade auch im Bereich der Arbeitsmedizin spielen die Gefahren der aktiven und passiven Tabakrauchexposition eine wesentliche Bedeutung. Da es sich bei einer Vielzahl von Raucherinnen und Rauchern um eine chronische Suchterkrankung handelt, sind pharmakologische Verfahren alleine zwar nicht ausreichend, aber sie können effektiv die Rauchentwöhnung unterstützen. Die Nikotinersatztherapie ist das am besten untersuchte und am häufigsten eingesetzte Verfahren zur Behandlung der Nikotinabhängigkeit und von Entzugserscheinungen. Unterschiedliche Applikationsformen (Kaugummi, Pflaster, Nasenspray, in Form von Inhalatoren und als Lutschpastillen) sind erhältlich. Ihre Wirksamkeit wurde in zahlreichen Untersuchungen bestätigt. Einen neuen Zugang zur Behandlung der Tabakabhängigkeit bietet der Wirkstoff Vareniclin. Da das Medikament erst kürzlich zur Tabakentwöhnung zugelassen wurde, müssen dessen Effektivität und Risiken jedoch noch in Langzeitstudien überprüft werden. Ebenso spielt für eine erfolgreiche Entwöhnung die Behandlung der psychischen Abhängigkeit eine wesentliche Rolle. Daher sollen neben medikamentösen Therapien immer auch psychologische Methoden zum Einsatz kommen. Schlüsselwörter: Pharmakologische Interventionen – Tabakentwöhnung – Tabakabhängigkeit – Wirksamkeit der Behandlung Nicotine replacement therapy in smoking cessation Abstract: Despite the widespread awareness about the damaging effects of smoking there are more than a billion smokers worldwide. Smoking represents an important problem in the area of occupational medicine. Cigarette smoking is a highly addictive behavior. Therefore pharmacological procedures are alone not efficacious but might successfully facilitate smoking cessation. Nicotine replacement therapy is the most widely studied and used pharmacotherapy for managing nicotine dependence and withdrawal. Currently there are several types of nicotine replacement products available in the market – these include gum, transdermal patch, nasal spray, vapor inhaler formulations, and lozenge. A number of clinical trials and guidelines have been published suggesting these medications increase smoking cessation rates effectively. Varenicline is a new approach for treatment of tobacco dependence. Efficacy of this agent has to be tested in long-term studies. Treatment of psychological dependence, however, is a must for successful withdrawal. Therefore, a successful smoking cessation intervention requires besides pharmacological treatments motivational counseling and behavioral interventions. Key words: pharmacological interventions – tobacco cessation – tobacco dependence – treatment efficacy

Einleitung
Tabakrauchen stellt heute in den Industrieländern das bedeutsamste vermeidbare Gesundheitsrisiko und die führende Ursache frühzeitiger Sterblichkeit dar. In Deutschland sterben jährlich etwa 140 000 Menschen an den Folgen des Tabakkonsums 1. Gerade im Bereich der Arbeitsmedizin gibt es momentan auch umfangreiche Diskussionen bezüglich der Rolle der Passivrauchexposition. Die vorliegende Arbeit soll eine Zusammenstellung zu aktuellen Therapiekonzepten geben.

Epidemiologische und sozioökonomische Bedeutung
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes bezeichneten sich im Jahr 2005 32,2% der Männer und 22,4% der Frauen als Raucher. Von allen Befragten waren 23,4% regelmäßige und 4% gelegentliche Raucher2. Die gesundheitlichen Konsequenzen des Tabakkonsums sind gravierend: Neben dem Risiko eines frühzeitigen Todes droht eine deutlich erhöhte Morbidität. So werden in Deutschland zwischen einem Viertel und einem Drittel aller Krebserkrankungen auf den Tabakkonsum zurückgeführt3, 4. Daneben gilt Rauchen als ein Hauptrisikofaktor für Herz-Kreislaufkrankheiten und periphere arterielle Durchblutungsstörungen5, 6. Tabakkonsum ist auch die bedeutendste Ursache für die Entwicklung chronisch-obstruktiver Lungenkrankheiten7, 8. In der Schwangerschaft steigt das Risiko für Früh-, Fehl- oder Totgeburten und für Fehlbildungen sowie schwere Entwicklungsstörungen9. Darüber hinaus ist Rauchen nicht ausschließlich ein vom jeweiligen Raucher individuell zu verantwortendes Gesundheitsrisiko, auch passivrauchbelastete Nichtraucher können gravierende Gesundheitsschäden erleiden10. Insgesamt gesehen verursachen Raucher mit ihren Folgeerkrankungen enorme volkswirtschaftliche Ausgaben. So entstanden im Jahr 2002 Kosten in Höhe von 19,4 Mrd. Euro durch das Rauchen. Dabei entfielen etwa 7 Mrd. Euro auf die medizinische Versorgung (direkte Kosten). Die indirekten Kosten, verursacht durch Arbeitsausfall aufgrund rauchbedingter Krankheit oder frühzeitigen Todes, beliefen sich auf 12,4 Mrd. Euro11.

Um erfolgreich mit dem Rauchen aufzuhören, ist es erforderlich, die Motivation des Rauchers gemäß dem Transtheoretischen Modell12 zu erfassen und ihn nach den FRAMES-Kriterien zu motivieren, sein Verhalten zu ändern13. Spontanentschlüsse führen nur bei 3% zu langfristiger Abstinenz, und auch bei Teilnahme an Entwöhnungskursen sind nach einem Jahr nur bis zu einem Drittel der Teilnehmer abstinent10. Eine einmal bestehende Nikotinabhängigkeit ist nur sehr schwer aufzugeben. Die Anzahl der Raucher, die erfolgreich mit dem Rauchen aufgehört haben, ist deutlich kleiner als die Anzahl der Raucher, die versuchen, damit aufzuhören14. Neben den notwendigen Verhaltensänderungen haben im Besonderen starke Raucher (Fagerström-Test15 größer 5) mit den körperlichen Entzugserscheinungen zu kämpfen. Hier kann eine medikamentöse Behandlung besonders sinnvoll sein.

Nikotinersatztherapie
Im Durchschnitt enthält eine Zigarette 6–11 mg Nikotin, 1–3 mg werden davon resorbiert. Ein Raucher nimmt in etwa 20–40 mg Nikotin/d auf, wenn er pro Tag eine Packung Zigaretten raucht. Schon wenige Sekunden nach Inhalation des Zigarettenrauchs steigt die arterielle Nikotinkonzentration an. Nikotin hat eine Plasma-Halbwertszeit von 2 Stunden16, d.h. Nikotin akkumuliert im Verlauf von 6–8 Stunden regelmäßigen Rauchens und ist auch nachts vorhanden. Bereits nach wenigen Stunden Abstinenz treten bei nikotinabhängigen Menschen die typischen Entzugssymptome auf. Sie sind die Ursache dafür, dass die meisten Raucher in den ersten Stunden und Tagen wieder rückfällig werden. Dabei variiert die Ausprägung der Symptome deutlich zwischen einzelnen Individuen. Auch die Dauer der einzelnen Entzugssymptome ist unterschiedlich. So sind die meisten Symptome in der ersten Woche am stärksten und verschwinden nach zwei bis drei Wochen. Einzelne Symptome wie der vermehrte Appetit können aber auch Monate anhalten17. Einen Überblick über die Inzidenz einzelner Entzugssymptome gibt Tabelle 1.

Eine Möglichkeit, das Verlangen des Rauchers nach Nikotin zu vermindern, ist es, auf andere Weise Nikotin zuzuführen: mit Hilfe der Nikotinersatztherapie (NET). Auf diese Weise können Raucher ohne Zigaretten leben. Ein weiteres Argument für die NET ist, dass viele Raucher Nikotin als regelmäßige Stimulantia einsetzen und mit Hilfe des Nikotinersatzes beim Entzug diese Stimulation nicht entfällt.

Die NET ist das am besten untersuchte und am häufigsten eingesetzte Verfahren zur Behandlung der Nikotinabhängigkeit und Entzugserscheinungen16, 18, 19. Mit über 100 kontrollierten Studien ist ihre Effektivität sehr gut abgesichert20–23 und wird von nationalen und internationalen Organisationen empfohlen24–29. Die Nikotinersatztherapie wird in verschiedenen Formen angeboten: als Kaugummi, Pflaster, Nasenspray, in Form von Inhalatoren und als Lutschpastillen.

Nikotinkaugummi
Nikotinhaltiger Kaugummi ist in den USA seit 1984 erhältlich und seit 1996 frei verkäuflich. Er soll Rauchern helfen, den physischen Nikotinentzug, welcher eine Begleiterscheinung des Abstinenzversuchs darstellt, zu ertragen. Dabei wird das im Kaugummi enthaltene Nikotin durch die Mukosa der Wangen absorbiert. Nikotin, das verschluckt wird, scheint gastrointestinale Nebenwirkungen hervorzurufen. Die Absorption geschieht deutlich langsamer und gleichmäßiger als die Aufnahme des Nikotins durch den Tabak. Die Einnahme saurer Getränke oder von Kaffee kann die Resorption vermindern. Langfristiges Ziel ist es, dass der Raucher auch den Konsum des Kaugummis einschränken und in Folge ganz auf Nikotin verzichten kann. Derartige Kaugummis sind in verschiedenen Dosierungen erhältlich (siehe Tabelle 2 für einen Überblick). So kann bei Patienten, die mehr als 25 Zigaretten am Tag rauchen oder bei denen die 2 mg Dosis keinen Erfolg zeigt, die 4 mg Dosierung verwendet werden22, 29. Die Wirksamkeit von Nikotinkaugummis konnte in verschiedenen Studien belegt werden. Silagy et al. 22 zeigen, dass im Vergleich zu den Kontrollgruppen Nikotinkaugummis die Effektivität der Entwöhnungsversuche auf 8% anstiegen ließen (OR 1.66, CI 1.52–1.81).

Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen Fiore et al.19. Hier ergab sich eine 6,65% bessere Entwöhnungsrate durch den Gebrauch von Nikotinkaugummis (OR 1.5, CI 1.3–1.8).

Nikotinkaugummis können eine Reihe von Begleiterscheinungen haben. In einer Studie von Murray et al.30 berichteten 25% der Probanden über Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Reizung der Mundschleimhaut und Verdauungsstörungen.

Nikotinpflaster
Nikotinpflaster sind seit 1996 im Handel erhältlich. Sie sind zur transdermalen Anwendung gedacht, wobei das Nikotin durch die Haut absorbiert werden soll. Von dort geht es langsam und konstant in den Blutkreislauf und dann ins Gehirn über. Die Pflaster geben etwa 0,9 mg Nikotin pro Stunde ab. Dies ist unabhängig vom Klebeort. Auf diese Weise wird der Körper stetig mit Nikotin aufgesättigt bis ein konstanter Serumspiegel nach circa 2–3 Tagen erreicht ist. Der Spiegel liegt zumeist unter denen von Rauchern, die eine Packung Zigaretten pro Tag rauchen. Ein Wechsel vom Rauchen auf ein Nikotinpflaster sollte deshalb nicht plötzlich, sondern überlappend erfolgen16. Die Wirksamkeit von Nikotinpflastern ist gut belegt. So erzielen die Pflaster eine 6% bessere Abstinenzrate als ein Placebo (OR 1.74, CI 1.57–1.93)31. Durch eine Kombination von Pflaster und Kaugummi zeigen sich signifikante Erhöhungen der Erfolgsraten (bis zu 50%) im Vergleich zum Pflastereinsatz ohne Kaugummi32. In der Effektivität von Nikotinpflastern zeigen sich keine Geschlechtsunterschiede33.

Die Pflaster sind in verschiedenen Dosierungen (siehe Tabelle 2) erhältlich und werden je nach Grad der Abhängigkeit des Rauchers als 16- oder 24-Stunden-Wirkform eingesetzt. Beide erzielen annähernd das gleiche Resultat. Die Dosis kann schrittweise reduziert werden, wobei in den meisten Studien eine 8-bis-12-Wochen-Therapie, die eine schrittweise Reduzierung beinhaltet, empfohlen wird. Metanalysen und klinische Studien, die die Vorteile einer verlängerten Behandlung mit Nikotinpflastern überprüft haben, konnten nur wenig Belege für verbesserte Ergebnisse bei verlängertem Gebrauch oder mit Reduzierung gegenüber plötzlichem Beenden der Behandlung liefern22, 34, 35. Allerdings konnten Pomerleau et al.36 eine signifikant geringere Rückfallquote bei Probanden beobachten, die sich einer verlängerten Behandlung unterzogen. Jedoch zeigten sich keine signifikanten Unterschiede in der Abstinenzrate.

Auch bei Nikotinpflastern zeigen sich unter Umständen Nebenwirkungen. Zu den häufigsten Begleiterscheinungen gehören lokale Hautreaktionen in Form von Jucken und Erythem37. In seltenen Fällen kommt es zu stärkeren Kontaktdermatitiden. Gelegentlich sind Nervosität, Kopfschmerz, Benommenheit und Schwindel möglich34, 37. Es kann zu Schlafstörungen kommen, wenn das Nikotinpflaster nur 16 Stunden getragen und vor dem Zubettgehen entfernt wurde.

Nikotinnasenspray
Nikotinnasensprays liefern die schnellstmögliche Nikotinbereitstellung aller NET-Formen mit einer maximalen Wirkung innerhalb von 5 bis 10 Minuten19, 22, 38. Ein Hub enthält 0,5 mg Nikotin, eine Dosierung umfasst einen Hub in jedes Nasenloch. Raucher benötigen pro Stunde erfahrungsgemäß 1 bis 2 Anwendungen. Dabei sollte die maximale Dosis von 40 mg Nikotin am Tag nicht überschritten werden. Die Dosierung sollte nach dreimonatiger Anwendung schrittweise reduziert werden, so dass nach weiteren 6 bis 8 Wochen keine Substitution mehr erfolgt. Insgesamt sollte das Spray nicht länger als 6 Monate angewendet werden (siehe Tabelle 2).

Klinische Studien belegen die Wirksamkeit von Nikotinnasenspray. Die Erfolgsraten bei der Entwöhnung nach 6 Monaten und 1 Jahr reichen von 20–32% beziehungsweise 12–25%39–41. In der Analyse der Cochrane Library22 wird von einem Anstieg der Entwöhnungsrate auf 12,5% berichtet (OR 2.35, 95% CI 1.63–3.38). Besonders effektiv erscheint eine Kombination aus Nasenspray und Nikotinpflaster42.

Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählen Irritation von Nase und Rachen, Husten, tränende Augen, eine laufende Nase, Herzklopfen, Sinusitis und Übelkeit. Obwohl bei 90% der Nutzer in den ersten Wochen die unerwünschten Begleiterscheinungen auftreten, bricht nur ein geringer Teil davon die Behandlung mit dem Spray ab43. Bei Patienten mit Atemwegserkrankungen ist die Anwendung des Nasensprays kontraindiziert29.

Nikotininhalatoren
Der Nikotininhalator ist die dem Rauchen am nächsten kommende Methode, da haptische und sensorische Bedürfnisse befriedigt werden (Hand-zum-Mund Ritual) und Nikotin schnell bereitgestellt wird. Er besteht aus einer kleinen Patrone mit einem nikotinbeladenen Kunststoffeinsatz, aus dem bei Bedarf mittels eines Mundstücks Nikotin eingeatmet werden kann. In jeder Patrone sind 10 mg Wirkstoff enthalten. 80 Züge sind in etwa notwendig, um die Menge an Nikotin aufzunehmen, die in einer Zigarette enthalten sind. Die Freisetzung des Nikotins ist dabei abhängig von der inhalierten Luftmenge und kann bei tiefen Außentemperaturen herabgesetzt sein44. Das Nikotin wird hauptsächlich in der Mundschleimhaut (36%), der Speiseröhre und dem Magen (36%)45 und weniger in der Lunge aufgenommen (4%)46. Durchschnittlich werden zwischen 6 und 16 Kartuschen pro Tag für 6 bis 12 Wochen benötigt. Dabei sollte die aufgenommene Dosis in den 3 Monaten schrittweise reduziert werden29. In einer placebokontrollierten Doppelblindstudie konnte die Wirksamkeit für Kurzzeit- und in einem geringerem Maße für Langzeitentwöhnung gezeigt werden47. In der ersten Woche lagen die Entwöhnungsraten bei 46% in der Experimentalgruppe gegenüber 28% in der Kontrollgruppe, 3 Monate später bei 24% versus 10% und 1 Jahr später bei 13% gegenüber 8%. Fiore29 berichtet von einer Abstinenzrate von 12,3% und auch die Analyse der Cochrane Collaboration ergab einen Anstieg der Entwöhnungsrate auf 8% gegenüber Placebo-Inhalatoren (OR 2.09, CI 1.49–3.04)31. Durch eine Kombination von Inhalator und Nikotinpflaster kann ein deutlicher Anstieg der Erfolgsraten erzielt werden48.

Die Begleiterscheinungen sind minimal. So kann es zu vermehrtem Husten und Irritationen des Mundes oder Rachenraumes kommen29, 49.

Nikotintabletten
Nikotinlutschtabletten gibt es in Dosen von 2 mg und 4 mg. Sie sind noch relativ neu und eine mögliche Alternative zu Kaugummis. Ähnlich wie bei diesen wird das Nikotin langsam über die Mundschleimhaut aufgenommen. Da Tabletten im Gegensatz zu Kaugummis vollständig aufgelöst werden, ist hier die aufgenommene Nikotindosis höher50, 51; es zeigen sich nur minimale Nebenwirkungen (Sodbrennen, Schluckauf und Übelkeit). Tabletten sind vor allem für Patienten zu empfehlen, die Beschwerden durch den Kauvorgang hatten.

In einer Studie von Shiffman et al.51 mit starken Rauchern, die eine 4 mg Dosis erhielten, stieg die Entwöhnungsrate auf 8,7% gegenüber einem Placebo. Leichte Raucher, welche die 2 mg Dosis bekamen, erreichten eine Abstinenzrate von 8,2%. Gleichzeitig konnte gezeigt werden, dass Lutschtabletten insbesondere für solche Raucher effektiv sind, die keinen Nutzen aus anderen Formen der Pharmakotherapie ziehen konnten52. Die Ergebnisse der bisherigen Untersuchungen sind vielversprechend. Allerdings ist die Anzahl der bisherigen Studien klein und weitere Untersuchungen sind notwendig, um allgemeingültige Aussagen treffen zu können.

Bupropion
Neben der gut evaluierten Nikotinersatztherapie stellt die Gabe des Antidepressivums Bupropion eine weitere Möglichkeit der pharmakologischen Behandlungsmethoden zur Tabakentwöhnung dar. In verschiedenen Studien konnte die Wirksamkeit des Medikaments gut belegt werden22, 29. Beispielsweise ist der Erfolg der Tabakentwöhnung gegenüber Placebo erhöht. Zum anderen verzögert Bupropion die Rückfallrate nach Abbruch des Rauchens. Einen neueren Ansatz in der Raucherentwöhnung bietet der Wirkstoff Vareniclin.

Vareniclin
Vareniclin (Champix ®) ist ein neues, nikotinfreies Medikament mit dualem Wirkprinzip. Es wurde am 1. März 2007 in Deutschland zugelassen. Das Medikament lagert sich mit hoher Affinität an den a4b2-Nikotin-Acetylcholin-Rezeptor53 und blockiert damit die Rezeptorstelle für das Nikotin. Durch die agonistische Wirkweise wird der Rezeptor stimuliert, so dass das Verlangen nach Nikotin und die Nikotin-Entzugserscheinungen während der Tabakentwöhnung reduziert werden. Zum anderen werden durch seine antagonistische Wirkung verstärkende Effekte bei fortgesetztem Nikotinkonsum reduziert54.

Die empfohlene Dosis liegt bei 1 mg zweimal täglich. Dabei soll 1 bis 2 Wochen vor der letzten Zigarette mit 0,5 mg täglich begonnen werden, um die Dosierung dann langsam zu erhöhen. Danach soll die Therapie über 12 Wochen fortgesetzt werden.

Aufgrund der aktuellen Markteinführung ist eine relativ geringe wissenschaftliche Datenlage zu verzeichnen. Die ersten Studien sind allerdings erfolgversprechend. In einer placebokontrollierten Doppelblindstudie von Tonstad et al.55 wiesen Probanden, die am Ende einer 12-wöchigen offenen Behandlung mit Vareniclin für mindestens 7 Tage abstinent waren und per Randomisierung einer weiteren 12-wöchigen Behandlung mit Vareniclin zugeordnet worden waren, in den Wochen 13–24 eine signifikant höhere Abstinenzrate als Raucher unter Placebo auf (70,5% vs. 49,6%, OR 2.48, CI 1.95–3.16, p < .001). Ein entsprechendes Ergebnis zeigte sich auch für die Wochen 13–52 (43,6% vs. 36,9%, OR 1,34, CI 1.06–1.69, p = .02) Jorenby et al.54 berichten ähnliche Ergebnisse. Hier waren nach 12-wöchiger Einnahme von Vareniclin 43,9% der Studienteilnehmer abstinent. Demgegenüber stehen 29,8% bei Bupropion-Einnahme und 17,6% unter Placebo. In einer Metaanalyse mit 4 Studien56 zeigte sich ein deutlicher Vorteil nach einem Jahr (OR 2.96, CI 2.12–4.12) gegenüber der Kontrollgruppe mit Placebo. Hier zeigte sich ebenfalls, dass Vareniclin eine höhere Erfolgsrate erzielte (OR 1.58, CI 1.22–2.05) als Bupropion. Vareniclin weist keine gravierenden Nebenwirkungen auf. Gelegentlich kommt es zu Übelkeit, Alpträumen, Verstopfung, Blähungen oder Erbrechen. In Kombination mit Nikotinersatztherapie treten vermehrt Übelkeit, Kopfschmerzen und Erbrechen auf. Aufgrund von Berichten, nach denen es im Rahmen der Tabakentwöhnung mit Vareniclin zu aggressivem Verhalten, Stimmungsveränderungen und Suizidgedanken gekommen sein soll, wird das Medikament derzeit von der amerikanischen Arzneimittelbehörde (FDA) überprüft. Des Weiteren wird über Somnolenz und Vertigo berichtet. Ob die Behandlung mit Vareniclin mit diesen Nebenwirkungen in Zusammenhang steht, ist bislang unklar, da es bei der Raucherentwöhnung im Allgemeinen zu Nikotinentzugssymptomen kommt57 (siehe auch Tabelle 1). Schlussfolgerung
Aufgrund der klaren gesundheitlichen Vorteile für Nichtraucher ist es ausgesprochen wichtig, Raucher zu motivieren, den Tabakkonsum aufzugeben. Routinemäßig sollte bei jedem Patienten der Rauchstatus erfragt und eine Empfehlung zum Rauchstopp ausgesprochen werden. Bereits eine minimale Intervention durch den behandelnden Arzt ist effektiv, weil diese einen Entwöhnungsversuch einleiten kann; allerdings weniger, weil sie die Erfolgsaussichten eines solchen Rauchstopps erhöht58, 59. Wenn beim Patienten die Bereitschaft zum Nikotinstopp vorhanden ist, sollte man den Rauchenden motivierend unterstützen.

Als adjuvante Therapie können Nikotinersatzpräparate eingesetzt werden22, 60. Welche Präparateart (Pflaster, Kaugummi, Lutschtablette, Inhalator oder Spray) eingesetzt wird, ist hierbei eher zweitrangig. Als besonders effektiv hat sich eine Kombination aus Pflaster für den Grundbedarf und einem schneller wirksamen Präparat für akutes Verlangen erwiesen. Als nicht-nikotinhaltiges Medikament hat sich, neben dem gut evaluierten Medikament Bupropion, auch der Wirkstoff Vareniclin als wirksam gezeigt. Erste Studien weisen darauf hin, dass Vareniclin Bupropion in der Therapie überlegen scheint und sicher in der Anwendung ist56. Allerdings sind weitere Langzeitstudien zur Bestätigung der Ergebnisse notwendig.

Dabei ist aber immer zu beachten, dass eine pharmakologische Therapie nicht die psychische Abhängigkeit behandelt. Abhängiges Rauchen ist durch ein komplexes Zusammenspiel von biologischen als auch psychologischen Faktoren gekennzeichnet. Daher können nur durch psychotherapeutische Maßnahmen eine langfristige Verhaltensänderung induziert und die Erfolgsaussichten zum Nikotinstopp erhöht werden29.

Interessenkonflikt: Die korrespondierende Autorin erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

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