Prävention

§23a IfSG – eine unterschätzte Bedrohung für Krankenhäusern und Kliniken

Foto: Michael Schütze - Fotolia.com

Institut für Gesundheit und Management

Durch die Verabschiedung des Präventionsgesetzes im Juli 2015 wurden mehrere neue Vorschriften in das Infektionsschutzgesetz eingefügt – darunter auch der §23a IfSG „Personenbezogene Daten von Beschäftigten“.

„Wenn und soweit es zur Erfüllung von Verpflichtungen aus § 23 Absatz 3 in Bezug auf Krankheiten, die durch Schutzimpfung verhütet werden können, erforderlich ist, darf der Arbeitgeber personenbezogene Daten eines Beschäftigten im Sinne des § 3 Absatz 11 des Bundesdatenschutzgesetzes über dessen Impfstatus und Serostatus erheben, verarbeiten oder nutzen, um über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder über die Art

und Weise einer Beschäftigung zu entscheiden.“

Um die Tragweite dieser gesetzlichen Veränderung zu verdeutlichen, skizzieren wir folgendes Szenario: Eine Krankenschwester einer gynäkologischen Abteilung eines Krankenhauses hat als Kind keine Windpocken durchgemacht und auch keine Impfung gegen die hochansteckende Kinderkrankheit bekommen. Beim Kind einer Freundin steckt sie sich mit Windpocken an und überträgt das Virus, ohne es zu bemerken, auf eine Schwangere, die sich zur Vorsorgeuntersuchung auf ihrer Station befindet und ebenfalls nicht immun gegen Windpocken ist (Im Falle von Windpocken sind die Erkrankten bereits ein bis zwei Tage vor Auftreten der ersten Symptome ansteckend).

Obwohl es selten vorkommt, nimmt die Krankheit einen schweren Verlauf und das ungeborene Kind erleidet irreversible Gesundheitsschäden. Da sich die Erkrankung der Schwangeren und somit die Schädigung des Kindes auf den Krankenhausaufenthalt und die Übertragung durch die Krankenschwester zurückführen lässt, erheben die Eltern und der Sozialversicherungsträger hohe Schadensersatzansprüche gegen die betreffende Klinik.

Früher waren Krankenhäuser einem derartigen Risiko ausgesetzt, da sie den Impf- und Serostatus ihrer Beschäftigten nicht erheben durften und somit nicht wissen konnten, dass ihre Beschäftigten möglicherweise ein Gesundheitsrisiko für Patienten darstellen. Mit der Einführung des §23a IfSG dürfen seit Juli 2015 Informationen über den Impf- und Serostatus der Beschäftigten durch den Arbeitgeber erhoben und auf dieser Basis über die Art und Weise der Beschäftigung entschieden werden.

Im Beispielfall hätte das Krankenhaus unter Anwendung des §23a IfSG z.B. die Möglichkeit gehabt, die Frau gar nicht erst als Krankenschwester in der Gynäkologie einzustellen bzw. sie in eine andere Abteilung zu versetzen, sodass die tragische Übertragung von Windpocken auf die Schwangere hätte vermieden werden können.

Auf den ersten Blick eröffnet §23a IfSG die auf Freiwilligkeit basierende Möglichkeit, Informationen über den Impfstatus und den Serostatus von Beschäftigten zu erheben, um auf Basis dessen über Einstellungen, Versetzungen oder Kündigungen entscheiden zu können. Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich diese scheinbare Möglichkeit aber als dringende Notwendigkeit, wenn man dem Infektionsschutzgesetz Genüge tun möchte. § 23 Abs. 3 IfSG, auf welchen sich in §23a IfSG bezogen wird, richtet sich an Leiter medizinischer Einrichtungen und verpflichtet diese, die nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass nosokomiale Infektionen vermieden werden. Dieser Verpflichtung, „alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen“, kann man faktisch nur nachkommen, wenn man den in §23a IfSG geregelten Erlaubnistatbestand erfüllt, den Impf- und Serostatus seiner Beschäftigten erhebt und auf Basis dessen Personalentscheidungen trifft.

Allein schon um das Haftungsrisiko, das sich aus der Übertragung nosokomialer Infektionen für den jeweiligen Einrichtungsleiter ergibt, zu minimieren, sollte jeder verantwortungsbewusste Leiter einer medizinischen Einrichtung diese neu geschaffene Möglichkeit der Erhebung des Impf- und Serostatus nutzen.

Bei der operativen Umsetzung des §23a IfSG in Krankenhäusern, Kliniken, Arztpraxen etc. ergeben sich jedoch einige Fragen, die vorab beantwortet werden müssen:

  • Welches Soll-Profil des Impf- und Serostatus sollte definiert werden?
  • Welche Mitarbeitergruppen sollten dabei unterschieden werden?
  • Wie erfolgt die Datenerhebung?
  • Wie erfolgt die Datenverarbeitung?
  • Wie geht man mit Famulanten und Praktikanten um?
  • Wie geht man mit Abweichungen zum Soll-Status um?

Im Rahmen einer nicht repräsentativen Studie wurde der Umsetzungsstand des §23a IfSG evaluiert und ein Konzept mit Handlungsempfehlungen und Umsetzungshilfen für Krankenhäuser und Kliniken erarbeitet.

Insgesamt wurden mithilfe von leitfadengestützten Interviews 10 bayerische Krankenhäuser unterschiedlicher Größen und Trägerschaften befragt, ob sie die Maßgaben des §23a IfSG nach über einem Jahr seiner Gültigkeit bereits erfüllen und welche Antworten sie auf die oben gestellten Fragen gefunden haben, sofern sie den §23a IfSG erfüllen. Vor dem Hintergrund der oben beschriebenen dringenden Notwendigkeit, den §23a IfSG zu berücksichtigen, ist das Ergebnis überraschend.

Demnach hat keine der befragten Einrichtungen einen Prozess geschaffen, mithilfe welchem der Impf- und Serostatus der Beschäftigten systematisch durch den Arbeitgeber erhoben, mit einem zuvor definierten Soll-Profil verglichen wird und schließlich Personalentscheidungen getroffen werden. Nur eine Einrichtung hat eine Schnittstelle zwischen Betriebsarzt und Personalabteilung eingerichtet, um notorische Impfverweigerer zu melden und in ultima ratio Personalentscheidungen zu treffen. Fest definierte Soll-Profile und klar beschriebene Prozesse gibt es jedoch auch hier bis dato nicht.

Lediglich die Hälfte der befragten Kliniken hat erste Schritte zur Umsetzung eingeleitet – ist aber von einer strukturierten Umsetzung noch weit entfernt.

Die Gründe für diese passive Haltung der Krankenhäuser gegenüber der strukturierten Umsetzung des §23a IfSG sind vielschichtig. Zum einen scheinen sie der Komplexität der Thematik und der damit verbundenen Erfordernis, viele verschiedene Parteien (Personalabteilungen, Entscheidungsträger, Mitarbeitervertretungen, Betriebsärzte) an einen Tisch zu bekommen, geschuldet zu sein. Die Tatsache, dass seitens der Fachverbände (Robert Koch-Institut, Krankenhausgesellschaften etc.) keine konkreten Umsetzungsempfehlungen existieren, wie genau der §23a IfSG umzusetzen ist, ist sicher auch ein Grund dafür, warum Krankenhäuser und Kliniken nur sehr zögerlich an einer Umsetzung arbeiten. Des Weiteren scheinen sich die Klinken nach eigenen Aussagen den „Luxus“, Ärzte und Pflegekräfte anhand ihres Impfstatus auszusuchen, schlichtweg nicht leisten zu können, da es insbesondere in ländlichen Gebieten schwer sei, qualifiziertes Fachpersonal zu finden. Schließlich wurde seitens der Einrichtungen auch der Mangel an zeitlichen Ressourcen genannt, der der Entwicklung eines Konzepts zur Umsetzung des §23a IfSG entgegensteht.

Diese Argumente sind auf der einen Seite zwar absolut nachvollziehbar, auf der anderen Seite läuft man damit jedoch Gefahr, das Infektionsschutzgesetz nicht vollumfänglich zu erfüllen und sich gegenüber Haftungsansprüchen durch Patienten und Sozialversicherungsträger angreifbar zu machen.

Wer sich nun mit dem Gedanken beruhigt, dass der entsprechenden Klinik im Übertragungs- und Klagefall die Schuld an der Infektion erst einmal nachgewiesen werden müsse, wägt sich in trügerischer Sicherheit. Grund dafür ist das juristische Instrument der Beweislastumkehr, welches bei speziellen Fallkonstellationen zum Einsatz kommen kann. Im Kontext der Krankenhaushygiene sei auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 08.01.1991 verwiesen. Um sich zu entlasten, müssen Krankenhäuser demnach unter gewissen Umständen beweisen, dass die Infektion nicht durch organisatorische oder technische Mängel verursacht wurde. Kann dies nicht bewiesen werden, wird eine Schadensersatzverpflichtung der betreffenden Klinik wahrscheinlich. Ein organisatorischer Mangel könnte mit der Nicht-Umsetzung des §23a IfSG begründet werden. Ein Präzedenzfall existiert dazu jedoch noch nicht.

Jede Einrichtung, die sich dazu entscheidet, die Umsetzung des §23a IfSG „auf die lange Bank zu schieben“, muss sich der Tatsache bewusst sein, dass sie damit Haftungsrisiken eingeht.

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