Psyche und Arbeit

Arbeit und psychische Gesundheit � Verpflichtung und Chancen der Arbeitsmedizin

Zusammenfassung Psychische Belastungen nehmen relativ und auch absolut in der Arbeit zu. Anzunehmen ist, dass auch psychische Erkrankungen ansteigen, die kausale Verbindung zwischen beiden ist jedoch wissenschaftlich unklar. Dies liegt unter anderem an der unsauberen Verwendung von Begriffen, der unzureichenden und teilweise falschen Interpretation von Befragungsergebnissen sowie dem inad�quaten Umgang mit theoretischen Konzepten. Dazu erfolgt eine kurze Diskussion. Psychische Belastungen sind nach der Definition und nach DIN 33405/ISO 10075 wertfrei. Sie erlangen ihre negative oder positive Bedeutung erst in der Wechselbeziehung zwischen Individuum und Arbeit. Trotzdem liegt nach wie vor der Schwerpunkt in der Gestaltung der Arbeit, wobei eine einheitliche und ineinandergreifende Pr�vention und Gesundheitsf�rderung die Grundlage bildet. Schl�sselw�rter

� psychische Belastung

� Arbeitsmedizin

� Risiken

� Ressourcen

� psychic load

� occupational medicine

� risks

� ressources

1 Einordnung und Wertung psychischer Belastungen und Beanspruchungen
Mensch und Arbeit beeinflussen sich wechselseitig: Menschen entwickeln und �ndern Arbeit, Arbeit nimmt Einfluss auf die Entwicklung des Menschen. In hohem Tempo wandeln sich derzeit Inhalt, Organisation, Anforderungen und Bedingungen der Arbeit. Die Arbeitsbedingungen werden im Allgemeinen besser, die Prozesse schneller, die Anforderungen komplexer. Das Gesundheitsbewusstsein des Einzelnen, aber auch der Gesellschaft, spielt in der Diskussion eine zunehmend bedeutsame Rolle. Der Arbeitsschutz wird ver�ndert vom passiven Bewahrer der Gesundheit zum aktiven Gestalter menschengerechter Arbeit. Dieser Wandel vollzieht sich in hoher Dynamik, eingebettet in die traditionellen Formen von Arbeit, die nunmehr �berwiegend selbst dem Wandel unterworfen sind. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen wurden insbesondere in den letzten Jahren angepasst, sie erlauben mehr Flexibilit�t, mehr Initiative, versuchen B�rokratie abzubauen, was auf der einen Seite die T�tigkeit von Experten erleichtert und zum anderen f�r alle Akteure st�rker fordernd wird.

Da dieser Wandel die Akteure in und um Arbeit und auch des Arbeitsschutzes psychisch fordert, m�ssen psychische Belastungen steigen. Damit bestimmen sie zunehmend das Belastungsprofil. Die Bundesregierung ver�ffentlichte 2006 im Bericht �ber den Stand von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit1 die Auspr�gung von Arbeitsbelastungen sowie ihrer subjektiven Wertung in der Wirtschaft unseres Landes (Tabelle 1).

Aus dieser Tabelle wird auch deutlich, dass psychische Belastungen eingebettet sind in klassische, weiterhin existierende Belastungsfaktoren der Arbeitswelt. Und zum anderen zeigt sich, dass die subjektive Widerspiegelung, die psychische Belastung durch vorhandene Anforderungen, sehr unterschiedlich ausf�llt. Leider wird bei der Interpretation dieser Befragung meist nicht deutlich gemacht, dass daraus keine Schlussfolgerungen f�r gesundheitliche Gef�hrdungen abzuleiten sind. Es erfolgt eine subjektive Angabe zum Vorhandensein von abgefragten Belastungsfaktoren mit einer nachfolgenden Interpretation, dass dies ein Belastungsmerkmal sein kann, was man sehr unterschiedlich beurteilen kann, auf alle F�lle nicht so, dass die befragten Arbeitnehmer unter diesen Anforderungen �leiden�.

Der Arbeitsschutz wird ver�ndert vom passiven Bewahrer der Gesundheit zum aktiven Gestalter menschengerechter Arbeit.

Ein direkter subjektiv interpretierter Gesundheitsbezug zur Arbeit wird in den Befragungen der Europ�ischen Foundation for Improvement of Living and Work, Dublin2, in den letzten 17 Jahren hergestellt (Abbildung 1). Auch hier wird deutlich, dass Gesundheitsprobleme durchaus in einem betr�chtlichen Umfange mit m�glichen psychischen Anforderungen in Verbindung gebracht werden. Aus diesen beiden Beispielen soll deutlich werden, dass psychische Belastung nicht isoliert von dem gesamten Belastungsgef�ge in der Arbeit betrachtet werden kann.

Dies wird auch zus�tzlich dadurch unterstrichen, dass die informations- und kommunikationstechnologische Revolution in gleichem Ma�e Arbeit und soziales Umfeld wie Freizeitgestaltung ver�ndert. Leistungs- und Erholungsprozesse des t�tigen Menschen m�ssen in einem einheitlichen Rahmen analysiert werden3. Freizeitbelastungen unterscheiden sich in Art und Umfang immer weniger von Arbeitsbelastungen in einer modernen Wirtschaft. Deshalb entspricht es einer schizophrenen Grundposition der Pr�vention, wenn arbeitsbezogener Reduktionismus von Anforderungen mit freizeitbezogenem Aktionismus begleitet wird.

Bereits 1996 wurde im Arbeitsschutzgesetz neben der Verh�tung von Berufskrankheiten und Arbeitsunf�llen die Aufgabe gestellt, arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren zu reduzieren und menschengerechte Arbeit zu gestalten4. Menschengerechte Arbeit ist individualisierte Arbeit. Viel mehr als in einer traditionellen Arbeit entscheidet in einer modernen Wirtschaft das Individuum �ber die Folgen f�r Gesundheit und Arbeitsf�higkeit, deshalb spielt die Diagnostik von Qualit�t und Quantit�t der Gesundheit und Arbeitsf�higkeit sowie deren Beeinflussung eine zunehmende Rolle. Dies widerspricht nicht der traditionellen Hierarchie des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, in erster Linie die Arbeitsbedingungen zu ver�ndern und zu gestalten. Alle Merkmale einer menschengerechten Arbeit k�nnen beim Einzelnen, der nicht �ber die entsprechenden F�higkeiten, Fertigkeiten, Bed�rfnisse, Motive und Ziele verf�gt, sch�digend wirken. Deshalb ist menschengerechte Arbeit nur auf der Grundlage eines Wechsel-Wirkungs-Konzeptes Arbeit/Mensch unter Ber�cksichtigung des Individuums erkl�rbar, prognostizierbar und beeinflussbar5. Das fordert insbesondere die Medizin und Psychologie. Arbeits- und Gesundheitsschutz werden anspruchsvoller.

2 Wissenschaftliche Erkenntnis und Klarheit der Begriffe � Grundlage multidisziplin�ren Handelns
Es gibt keine politischen Erkl�rungen und Beschl�sse zu Arbeit und Gesundheit der letzten Jahre, die nicht davon ausgehen, dass psychische Belastungen in der Arbeitswelt zunehmen. Das ist wissenschaftlich gesichert und zu unterstreichen. H�ufig wird in gleichem Atemzug behauptet, dass auch psychische Erkrankungen zunehmen. Dies ist durchaus zu hinterfragen, weil es auch eine Vielzahl von anderen Einflussfaktoren auf solche Entwicklungen und Statistiken gibt. Wissenschaftlich bisher nicht bewiesen sind Postulate, dass diese scheinbare Entwicklung psychischer Erkrankungen und St�rungen mit den Ver�nderungen in der Arbeitswelt kausal zusammenh�ngen.

Ungeachtet dieser Erkenntnissituation wird das Problem psychische Belastung den Arbeits- und Gesundheitsschutz, die arbeitsbezogene Pr�vention- und Gesundheitsf�rderung in den n�chsten Jahren bestimmen. Deshalb ist es unbedingt notwendig, in einem solchen multidisziplin�ren Aktionsfeld in Praxis und Forschung eine gemeinsame Verst�ndnisgrundlage zu schaffen und deutlich zu machen, welche Aufgabenstellungen sich f�r die Akteure in diesem Feld ergeben. Dazu geh�rt neben der Vermeidung unwissenschaftlicher, katastrophierender Interpretationen die Klarheit der Begriffe.

Teilweise als Synonym f�r psychische Belastung werden mentale, psychomentale, psychoemotionale, psychosoziale, geistige Belastung u.a. Begriffe verwendet oder es wird pauschal vom �Stress� gesprochen. Es sollte entsprechend der DIN 33 405, ISO 10 0756 nur der Begriff der �psychischen� Belastung verwendet werden.

Dabei ist Belastung die wertfreie Bezeichnung f�r die aus der Art der Arbeitsaufgabe und deren Arbeits- und Ausf�hrungsbedingungen resultierenden Einfl�sse auf den Arbeitenden zu verstehen, die eine Wirkung auf ihn aus�ben7 und psychische Belastung ist dabei die Gesamtheit aller erfassbaren Einfl�sse, die von au�en auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken6. Reine Formen dieser Belastungsarten gibt es nicht. Es sind immer Mischformen mit �berwiegen der einen oder anderen Form. Physische Belastungen und materielle Belastungen werden psychisch interpretiert und erfahren dadurch eine zus�tzliche Modifizierung ihrer Wirkungsmechanismen. Von dieser wertfreien Bezeichnung Belastung sollte die psychische Fehlbelastung unterschieden werden.

Beanspruchung ist die Wirkung der Belastung auf das Lebewesen, die sich in Ver�nderungen von Organen und Organsystemen, im Belastungs- und Beanspruchungserleben sowie der Handlungsf�higkeit zeigt, wobei es unterschiedliche Beanspruchungsreaktionen gibt. Bei psychischen Belastungen und Fehlbelastungen geht es eben nicht nur um Stress, sondern auch um Erm�dung, Monotonie, herabgesetzte Vigilanz, psychische S�ttigung. Zu geringe oder einseitige psychische Belastungen sind wahrscheinlich in der Wirtschaft weiter verbreitet als zu hohe psychische Belastungen.

Entscheidend f�r die Wirkungen u.a. psychischer Belastungen ist das Verh�ltnis von Anforderungen und individuellen Voraussetzungen, wobei kurzfristige Beanspruchungswirkungen von langfristigen Beanspruchungsfolgen zu unterscheiden sind. Die alleinige Quantit�tsbetrachtung von psychischer Belastung als Risiko funktioniert nicht. Davon gehen auch eine Reihe theoretischer, umfassenderer Konzepte aus, so das Demand-Control-Modell8, das Konzept der vollst�ndigen T�tigkeiten9, das Konzept der Gratifikationskrisen10, das salutogenetische Prinzip mit den positiven Wirkungen von sense of coherence, hardiness, self-efficacy11. Auch das integrierte Belastungs-Beanspruchungs-Konzept7 versucht, die Wirkungen psychischer Belastung komplexer zu erkl�ren. Bei der weit verbreiteten Diskussion zur Gef�hrlichkeit psychischer Belastungen werden im Zusammenhang mit diesen Konzepten h�ufig zwei Aspekte ignoriert. Eine gute Arbeit nach dem KARASEK-Modell8 sind hohe Anforderungen und Entscheidungsspielraum, nach dem SIEGRIST-Modell10 Verausgabung und entsprechende Belohnung, in der Salutogenese �bereinstimmung, Sinnerf�llung, Selbst�berzeugung. Es ist erstaunlich, dass positiven Ergebnissen zur Gesundheit in beruflichen T�tigkeiten, die solchen Merkmalen entsprechen, h�ufig mit Verwunderung begegnet wird, so zu �rzten12 oder auch zu Lehrern13. In der Diskussion werden nicht selten diese grundlegenden Konzepte nicht ernst genommen. Zum anderen sind hohe Anforderungen bei ausgepr�gter Kontrolle �ber die Arbeitserf�llung nach dem KARASEK-Modell nur vern�nftig, wenn die entsprechenden individuellen Voraussetzungen existieren. Die mangelnde Gratifikation nach Siegrist wird nur zum Problem, wenn das Bed�rfnis nach Gratifikation besteht.

Die psychische Belastung ist menschentypisch, menschengerecht und damit sinnvoll. Neue Qualit�t einer Arbeit besteht in der Nutzung, Gestaltung, Entwicklung und nicht Bek�mpfung psychischer Belastungen. Demnach geht es um die Reduzierung psychischer Fehlbelastungen. Sie resultieren stets aus einem Missverh�ltnis zwischen Anforderungen und Bew�ltigungsm�glichkeiten, sowohl aus �ber- als auch aus Unterforderung.

Eine Strategie zur Vermeidung von langfristigen Folgen psychischer Fehlbelastungen kann nur erfolgen durch die gemeinsame Betrachtung von Risiken und Ressourcen, des Individuums und seines Arbeitsumfeldes, der besonderen Rolle des Individuums mit seinen Motivationen, Erfahrungen, Einstellungen, Erwartungen und seinem Willen, was Gesundheitsverhalten bestimmt und Konsequenzen f�r die Gesundheit, Pers�nlichkeit und Arbeitsf�higkeit bedingt (Abbildung 2). Bei der besonderen Bedeutung und Rolle von psychischen Belastungen und Fehlbelastungen muss eine Einheit von Pr�vention und Gesundheitsf�rderung realisiert werden, sonst bleibt das Ganze ein uneffektives St�ckwerk.

3 Rolle der Arbeitsmedizin
Dieses komplexe Herangehen kann die Arbeitsmedizin realisieren. Sie erf�llt ihre Aufgabenstellungen in einem politischen und wissenschaftlichen Spannungsfeld. Wandel der Arbeit, Ver�nderung der Aufgabenstellungen f�r den Arbeitsschutz, Entwicklung der Wissenschaftslandschaft, Neuformulierung von Aufgaben und deren Umsetzung im Gesundheits- und Sozialbereich erfordern ein kontinuierliches �berdenken von Gegenstand, Ziel, Aufgaben und Methoden dieses Fachgebietes wie bei keinem anderen in der Medizin.

Die Arbeitsmedizin versteht sich heute als die medizinische, vorwiegend pr�ventiv orientierte Fachdisziplin, die sich einerseits mit der Untersuchung, Bewertung, Begutachtung und Beeinflussung der Wechselbeziehungen zwischen Anforderungen, Bedingungen, Organisation der Arbeit sowie andererseits dem Menschen, seiner Gesundheit, Arbeits- und Besch�ftigungsf�higkeit sowie seinen Krankheiten befasst. Die Ziele der Arbeitsmedizin bestehen in der F�rderung, Erhaltung und Mitwirkung bei der Wiederherstellung von Gesundheit sowie der Arbeits- und Besch�ftigungsf�higkeit des arbeitenden Menschen14.

Das Gesetz �ber Betriebs�rzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkr�fte f�r Arbeitssicherheit15 stellt f�r den Betriebsarzt die Pr�vention von arbeitsbedingten Erkrankungen und Berufskrankheiten in den Vordergrund. Mit dem Arbeitsschutzgesetz wurde eine wesentliche Erweiterung des Arbeitsschutzes durch �arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren� und �menschengerechte Gestaltung von Arbeit� vorgenommen4. Der Anspruch der Arbeitsmedizin besteht darin, Arbeitnehmer und Arbeitgeber in der Gesamtheit des gesetzlichen Arbeitsschutzes beraten zu k�nnen, und mit dazu beizutragen, dass diese Komplexit�t von Arbeits- und Gesundheitsschutz umgesetzt werden kann.

�rztliches Handeln ist die Kernkompetenz eines Betriebsarztes, ausgerichtet ist dieses �rztliche Wirken auf Gesundheit und Arbeitsf�higkeit von Arbeitenden. Der Arbeitsmediziner bringt sich mit seiner �rztlichen Kompetenz unverwechselbar und unersetzbar in das Gesundheitsmanagement ein. Die Grundlage ist eine umfassende Ausbildung mit einem sechsj�hrigen Studium und einer f�nfj�hrigen Weiterbildung.

Der Stellenwert der Arbeitsmedizin wird im Zusammenhang mit psychischer Belastung und Fehlbelastung steigen, weil

� durch die wachsende Bedeutung des Produktivfaktors Mensch in einer modernen Wirtschaftsphilosophie Belastbarkeit, Anpassung, Erholung und Leistungsgrenzen von Besch�ftigten zu einem zentralen Problem werden;

� in einer zuk�nftigen Arbeit eine differentielle Arbeitsgestaltung und ein differentieller Arbeitseinsatz keine Utopie, sondern eine Notwendigkeit werden;

� neben einer durchschnittsorientierten Bewertung von Beanspruchung auch die Einsch�tzung individuell-disponierender Faktoren zwecks Verh�tung von Funktionsst�rungen, Krankheiten und Leistungseinbr�chen notwendig wird, da bei Abnahme der �Schwere� von Belastungen die individuelle Variationsbreite der Wirkungen zunimmt;

� sich durch die Flexibilisierung von Arbeitszeit, -organisation und -ort die Grenzen zwischen Arbeits- und Nichtarbeitszeit vermischen und damit neue Anforderungen an die Beanspruchungsregulation und die Risikobewertung aus medizinischer Sicht ergeben;

� die sich st�ndig �ndernden Arbeitsplatzbedingungen h�here Anforderungen an die Einarbeitung und Anpassung stellen;

� die Entwicklung der Besch�ftigtenstruktur durch die Demographie neue Herausforderungen f�r die arbeitsmedizinische Risiko-, Ressourcen- und Leistungsbewertung �lterer, J�ngerer und der Geschlechter darstellt;

� die moderne Wirtschaft zum einen f�r chronisch Kranke und Behinderte neue Chancen bietet und zum anderen der Anteil Leistungsgewandelter und chronisch Kranker im Vorrentenalter mit Einschr�nkungen der Erwerbsf�higkeit zunehmen wird.

Dies ist jedoch nur in einem umfassenden und interdisziplin�r ausgerichteten Aktionsfeld zu realisieren16. Dabei geht es f�r die Arbeitsmedizin viel st�rker darum, den individuellen Zugang zum Arbeitnehmer nicht nur aus der Verhinderungsperspektive (Krankheit) und der Fr�herkennung von Krankheiten zu sehen, die Bef�higung zu einem gesundheitsbewussten und f�r die Produktivit�t wirksamen Verhalten spielt eine zunehmende Rolle.

Die Arbeitsf�higkeitsbeurteilung r�ckt immer st�rker in den Mittelpunkt betriebs�rztlichen Handelns, wenn der Arbeitsmediziner auch dazu bef�higt ist. Bereits jetzt spielt die Arbeitsf�higkeitsbeurteilung und -beratung eine gro�e Rolle in Form von Einstellungs- und Eignungsuntersuchungen, der Analyse des Krankenstandes, Mitwirkung bei R�ckkehrgespr�chen, stufenweise Wiedereingliederung, � 3-Ma�nahmen im BK-Geschehen, Beratung beim Einsatz Behinderter, Untersuchung auf Wunsch des Arbeitgebers oder Arbeitnehmers. Der �rztliche Kontakt zum Einzelnen wird auch in Zukunft eine wesentliche S�ule arbeitsmedizinischen Handelns sein. �ber 5 Mio. j�hrliche Vorsorgeuntersuchungen bilden ein gewaltiges Potential f�r die Gesundheit in unserer Gesellschaft und zur Bew�ltigung psychischer Fehlbelastungen. Dies ist kein Argument gegen die notwendigen Gef�hrdungsbeurteilungen, die Beratungsfunktionen zur Arbeit, zur Organisation f�r Arbeitgeber und Arbeitnehmer, im Gegenteil, sie stellen die Grundlage dar und verk�rpern die Realisierung der Einheit von individueller Pr�vention in der Arbeit und der Gestaltung der Verh�ltnisse.

Wenn psychische Erkrankungen und psychische Fehlbelastungen eine immer gr��ere Relevanz � tats�chlich oder auch nur in der gesundheitspolitischen Diskussion spielen � erfordert dies eine Qualifizierung und ein �berdenken der Schnittstellen im System Arbeit � Gesundheit � Krankheit (Abbildung 3). Dabei nimmt die Arbeitsmedizin eine besondere, verbindende, effektivit�tssteigernde Funktion ein. Eine richtig gestaltete T�tigkeit eines Arztes im Betrieb beinhaltet eine Schl�sselposition sowohl bei der Umsetzung arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse zur menschengerechten Gestaltung von Arbeit wie auch zu dem gesamten Gesundheitsversorgungssystem in unserem Lande. Bei der gegenw�rtigen Gesundheitsreform geht es nur um eine Krankheitsreform. Die Einbeziehung der M�glichkeiten durch menschengerechte Gestaltung im Betrieb und die Gestaltung und Finanzierung einer vern�nftigen Betreuung und Beratung des Einzelnen spielt in dieser Diskussion kaum eine Rolle.

Psychische Belastungen und Fehlbelastungen krempeln nicht den gesamten Arbeits- und Gesundheitsschutz um. Es wird nicht alles anders. Die Wurzeln erfolgreichen arbeitsmedizinischen Handelns sind nicht aufzugeben, sondern sie sind zu nutzen und zu entwickeln. Dieser Prozess gemeinsam mit anderen Akteuren sowohl in der Praxis als auch in der Forschung zu �Arbeit � Gesundheit � Krankheit� hat gerade begonnen.

Literatur

1. Arbeitsbedingungen und subjektive Belastungen. Bericht der Bundesregierung �ber den Stand von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit. 04.12.2006

2. Eurofound: European Working Conditions Surveys (1.-4.), Dublin 1991, 1996, 2000, 2007

3. Scheuch K. Theorie und Praxis arbeitsbezogener psychischer Belastung und Beanspruchung. Zbl Arbeitsmed 2004; 54: 208�213

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5. Scheuch K, Schr�der H. Mensch unter Belastung: Stress als ein humanwissenschaftliches Integrationskonzept. Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin, 1990

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7. Scheuch K. Arbeitsphysiologie. In: Triebig G; Kentner M, Schiele R. (Hrsg). Arbeitsmedizin 435�480. Gentner Verlag, Stuttgart, 2008

8. Karasek R, Theorell T. Healthy work: Stress, productivity, and the reconstruction of working life. Basic Books, New York, 1990

9. Hacker W. Aspekte einer gesundheitsstabilisierenden und -f�rdernden Arbeitsgestaltung. ZArbeits- Organisationspsychol 1991; 35: 48�58

10. Siegrist J. Adverse health effects of high effort-low reward conditions. J. Occup. Health Psychol. 1996; 1: 27�41

11. Antonowsky A. Health, Stress and Coping. San Francisco: Jossey-Bass, 1979

12. Schmei�er K, H�bler A, Ditzinger V, Scheuch K, M�ller G, Kunath H. Gesundheitszustand und Berufszufriedenheit von angestellten und selbstst�ndigen �rztinnen und �rzten. S�chsisches �rzteblatt, Dresden, 2008; 10; 516�517

13. Rehm U, Seibt R, Hardt J, Dizinger V, Neustadt K, Scheuch K. Gesundheitsbericht 2008. Selbstverlag der TU Dresden, 2008

14. DGAUM e.V. (Hrsg. 2006). Arbeitsmedizin heute Konzepte f�r morgen. Gentner Verlag, Stuttgart, 2006

15. Gesetz �ber Betriebs�rzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkr�fte f�r Arbeitssicherheit (Arbeitssicherheitsgesetz � ASiG) vom 12. Dezember 1974 (BGBl. I S. 1885)

16. Scheuch K, Haufe E, Khan A. Occupational Medicine � It�s contribution to Protection and Promotion of Health at Work. International Journal of Occupational Safety and Ergono-mics 2001; 7: 527�541

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