Recht

Rechte und Pflichten deutscher Unternehmen gegenüber ihren Arbeitnehmern bei der Auslandentsendung – Teil II

Werden Arbeitnehmer ins Ausland entsandt, erhöhen sich die Fürsorgepflichten des Arbeitgebers. Welche Maßnahmen der Arbeitgeber im Einzelfall sowohl vor, während als auch nach dem jeweiligen Auslandsaufenthalt des Arbeitnehmers zu ergreifen hat, um seiner Fürsorgepflicht gerecht zu werden, ist weder durch Gesetz noch durch die Rechtsprechung hinreichend konkretisiert. Ein Rückgriff auf die die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers regelnden Vorschriften, wie z. B. §§ 618, 241 Abs. 2 BGB, hilft nur bedingt. Letztlich wird der Arbeitgeber zur Bestimmung des Umfangs der ihn obliegenden Fürsorgepflichten stets eine Abwägung zwischen der eigenen Pflicht zur Fürsorge auf der einen Seite und der Eigenständigkeit des Arbeitnehmers auf der anderen Seite vornehmen müssen, wobei Aspekte wie Dauer der Entsendung, politische Stabilität, religiöse und kulturelle Situation, medizinische Versorgung vor Ort, Arbeits- und Lebensumstände im Ausland sowie Erfahrungen des Unternehmens und des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sind.

Verletzt der Arbeitgeber seine Fürsorgepflichten, so kann der Arbeitnehmer unter Umständen ein Zurückbehaltungsrecht an seiner Arbeitsleistung sowie Schadensersatzansprüche gegen den Arbeitgeber geltend machen. An dieser Stelle nun der zweite Teil des Beitrages.

IV. Sonderfall: Nahe Angehörige (Lebenspartner und Kinder) des Arbeitnehmers
Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers erstreckt sich in der Regel nicht auf Familienangehörige des Arbeitnehmers. Sofern den Angehörigen des Arbeitnehmers im Arbeitsvertrag nicht explizit Schutzrechte eingeräumt werden, scheidet der Arbeitsvertrag als Anspruchsgrundlage – auch in Gestalt eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter – grundsätzlich aus. Lediglich in § 17 Abs. 1 Satz 2 SGB V kann wohl nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts [59] eine u. E. nicht zu verallgemeinernde Ausnahmeregelung gesehen werden [60].

V. Rechtsfolgen bei Verletzung der Fürsorge- und Treuepflicht
Fürsorgepflicht

Der Arbeitgeber hat seiner Fürsorgepflicht stets zu genügen und muss sich bspw. auch eine etwaige Verletzung dieser Pflicht durch sein Vertretungsorgan, seinen leitenden Angestellten oder anderen Arbeitnehmern, die für ihn tätig werden, nach § 278 BGB zurechnen lassen.

Verletzt der Arbeitgeber seine Fürsorgepflicht gegenüber seinem Arbeitnehmer, hat dieser verschiedene Möglichkeiten, seine Rechte durchzusetzen.

Zum einen kann der Arbeitnehmer unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ein Zurückbehaltungsrecht [61] an seiner Arbeitsleistung gemäß § 273 Abs. 1 BGB geltend machen [62]. Zum anderen kommt ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB in Betracht, wenn der Arbeitnehmer aufgrund der schuldhaften Pflichtverletzung des Arbeitgebers einen Schaden erleidet. Auch deliktische Schadensersatzansprüche nach den §§ 823 ff. BGB sind in diesem Zusammenhang denkbar.

Bei einer besonders schweren Verletzung der Fürsorgepflicht kann der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis auch außerordentlich kündigen.

Erfüllt die Verletzung der Fürsorgepflicht gleichzeitig den Tatbestand eines Strafgesetzes, kann dies sogar strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Werden z. B. die Unfallverhütungsvorschriften in einem Betrieb fahrlässig nicht eingehalten und wird aufgrund dessen ein Arbeitnehmer verletzt, kann der Straftatbestand einer fahrlässigen Körperverletzung nach § 229 StGB vorliegen [63]. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit trifft dabei die Personen, die für die Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften verantwortlich sind und ggf. die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB) [64].

Treuepflicht

Verletzt der Arbeitnehmer schuldhaft seine Treuepflicht, kann auch der Arbeitgeber, der dadurch einen Schaden erleidet, vertragliche und unter Umständen deliktische Schadensersatzansprüche gegenüber dem Arbeitnehmer geltend machen. Für Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers besteht dabei die Besonderheit, dass der Arbeitgeber die Beweislast auch dafür trägt, dass der Arbeitnehmer die Pflichtverletzung zu vertreten hat (§ 619a BGB).

Außerdem führt nicht jede Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers zu einer Schadensersatzverpflichtung. Der allgemein anerkannten arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung zu Folge haftet ein Arbeitnehmer nicht, wenn ihm lediglich einfache Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist [65]. Bei mittlerer Fahrlässigkeit findet in aller Regel eine einzelfallbezogene Quotelung des Schadens zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber statt [66], wobei die Höhe der Quote u. a. von dem Umfang des Verschuldens, der Schadenshöhe und dem Verdienst des Arbeitnehmers abhängt. Bei grober Fahrlässigkeit und bei vorsätzlichem Handeln des Arbeitnehmers haftet dieser grundsätzlich vollumfänglich [67]. Mit diesen Grundsätzen zur Arbeitnehmerhaftung trägt die Rechtsprechung dem Umstand Rechnung, dass im Verlauf eines häufig über mehrere Jahre oder gar Jahrzehnte dauernden Arbeitsverhältnisses die Gefahr einer Unachtsamkeit des Arbeitnehmers und eines Schadenseintritts besonders hoch ist. Dabei obliegt es der Beurteilung der Arbeitsgerichte, welcher Grad an Fahrlässigkeit vorliegt.

Der Arbeitgeber kann mit dem ihm zustehenden Schadensersatzanspruch gegenüber dem Lohnanspruch des Arbeitnehmers die Aufrechnung erklären. Er muss indes die Regelung des § 394 BGB beachten und darf nur gegen den über den jeweiligen Pfändungsfreibetrag hinausgehenden Lohn aufrechnen. Die Pfändungsfreigrenzen muss der Arbeitgeber auch beachten, wenn er von seinem Zurückbehaltungsrecht aus § 273 Abs. 1 BGB hinsichtlich des Arbeitslohns Gebrauch macht [68], wobei auch hier gilt, dass die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts verhältnismäßig sein muss.

Schließlich kann der Arbeitgeber – genauso wie der Arbeitnehmer – bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen das Arbeitsverhältnis außerordentlich kündigen.

I. Ausgangslage
Keine der vorstehend genannten, gesetzlichen Regelungen des deutschen Rechts, die eine konkret normierte Fürsorgepflicht des Arbeitgebers zum Gegenstand haben, sind auf bestehende Nebenpflichten bei Auslandsentsendung zugeschnitten. Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers bei Auslandseinsätzen des Arbeitnehmers orientiert sich in erster Linie insoweit an den vorstehend aufgezeigten Generalklauseln.

Wegen der fortdauernden Untätigkeit des Gesetzgebers in diesem Bereich lässt sich entsprechende Rechtssicherheit allein durch die Rechtsprechung herbeiführen. Gerichtliche Entscheidungen in Bezug auf die Fürsorge- und Treuepflicht der Arbeitsvertragsparteien bei Arbeitnehmerentsendung sind jedoch selten. Obgleich bereits seit Jahren die Entsendung von Arbeitnehmern aufgrund der zunehmenden weltweiten Verflechtung der Märkte sowie der damit nicht selten einhergehenden Internationalität der Konzerne stetig zunimmt, gelangen Entscheidungen gerichtlicher Auseinandersetzungen zwischen Arbeitgebern und entsandten Arbeitnehmern zumindest selten an die Öffentlichkeit. Auch die juristische Literatur hat zu diesem Themenkomplex bislang überwiegend geschwiegen.

II. Abwägungsergebnis
Der konkrete Umfang der Fürsorgepflicht, einschließlich der vom Arbeitgeber zu verlangenden fürsorglichen Maßnahmen, lässt sich nach alledem in erster Linie durch eine sorgfältige Abwägung zwischen der Fürsorge des Arbeitgebers auf der einen Seite und der grundsätzlichen Eigenverantwortung des Arbeitnehmers auf der anderen Seite ermitteln.

Dabei sind unter anderem die Dauer der Entsendung, die politische Stabilität, die religiöse und kulturelle Situation und die Arbeits- und Lebensumstände im Ausland sowie die Erfahrung des Unternehmens als auch die des Arbeitnehmers bei Arbeitnehmerentsendung zu berücksichtigen [69]. Entsendungen über einen längeren Zeitraum, Entsendungen in Gebiete außerhalb Europas mit kritischen Arbeits- und Lebensumständen, mit sehr fremden religiösen und kulturellen Situationen und/oder politischer Instabilität bergen wesentlich größere Gefahren für den Arbeitnehmer als kurzweilige Entsendungen innerhalb Europas. Da sich für den Arbeitnehmer wesentlich mehr Gefahren verwirklichen können, ist von dem Arbeitgeber in Erfüllung seiner Fürsorgepflicht auch mehr abzuverlangen. Gleiches gilt, wenn der entsandte Arbeitnehmer auslands- und entsendungsunerfahren ist. Anders als dem vielreisenden Arbeitnehmer, der bereits seit Jahren in verschiedene Auslandsgebiete entsandt wurde, muss dem auslands- und entsendungsunerfahrenen Arbeitnehmer vermehrt Hilfe zukommen. Zumindest den international tätigen und damit entsendungserfahrenen Arbeitgeber trifft insoweit eine erweiterte Fürsorgepflicht.

Der besseren Übersicht halber sind die einzelnen Fürsorgemaßnahmen, zu denen der Arbeitgeber nach dem jeweiligen Abwägungsergebnis verpflichtet sein kann, nachfolgend in Maßnahmen „vor“, „während“ und „nach“ dem Auslandsaufenthalt eingeteilt.

Vor dem Auslandsaufenthalt
Bereits vor dem Auslandseinsatz des Arbeitnehmers stellt sich die Frage der Fürsorgepflicht. Welche Maßnahmen müssen von dem Arbeitgeber in Vorbereitung des Auslandsaufenthalts von sich aus, welche auf entsprechende Bitte des Arbeitnehmers getroffen werden?

1. Aufklärungs- und Fürsorgepflichten zu sozial- und steuerrechtlichen Konsequenzen

In diesem Zusammenhang ist insbesondere die Aufklärung über sozial- und steuerrechtliche Auswirkungen des Auslandsaufenthalts von Bedeutung.

Grundsätzliches zu den sozialrechtlichen Auswirkungen, insb. mit Blick auf die gesetzliche Unfallversicherung

Werden Unternehmen im Ausland tätig, so kann dies in der Form geschehen, dass Mitarbeiter im Voraus zeitlich befristet oder auf Dauer entsandt werden.

Bei einer zeitlich befristeten Entsendung findet in der Regel deutsches Sozialversicherungsrecht Anwendung. Bei einem dauerhaften Auslandsaufenthalt oder wenn die Voraussetzungen einer Entsendung nicht erfüllt sind, scheidet der Arbeitnehmer gewöhnlich aus dem deutschen Sozialsystem aus.

Welches Sozialversicherungsrecht Anwendung findet, ergibt sich aus Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts, d. h. besonderen Vorschriften der EG-Verordnungen, Sozialversicherungsabkommen und aus nationalem Recht (EGBGB; SGB).

(a) Ausstrahlung

Ausstrahlung nach § 4 SGB IV bedeutet, dass die Versicherungspflicht, die sich aus einer Beschäftigung in Deutschland ergibt, unter bestimmten Voraussetzungen weiter besteht, wenn die betreffende Person für eine begrenzte Zeit in ein Gebiet außerhalb des Geltungsbereichs des deutschen Sozialrechts entsandt wird. Damit werden vorübergehende Tätigkeiten im Ausland Beschäftigungen in Deutschland gleichgestellt. Das in Deutschland begründete Sozialversicherungsverhältnis wird fortgeführt.

Eine Ausstrahlung im Sinne von § 4 SGB IV liegt vor, wenn es sich um eine Entsendung im Rahmen eines im Inland bestehenden Beschäftigungsverhältnisses handelt und die Dauer der Beschäftigung im Ausland im Voraus zeitlich begrenzt ist. Ein bestehendes Beschäftigungsverhältnis wird dann angenommen, wenn der im Auslandseinsatz befindliche Beschäftigte organisatorisch in den Betrieb des inländischen Unternehmens eingegliedert bleibt und dessen Weisungsrecht in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung der Arbeit untersteht. Ist eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt, findet deutsches Sozialversicherungsrecht keine Anwendung [70].

Nach dem Wortlaut des § 4 SGB IV treten die Rechtsfolgen der Ausstrahlung unabhängig davon ein, ob Versicherungsschutz in einem ausländischen System besteht. Somit kann bei der Ausstrahlung eine Doppelversicherung eintreten, weil z. B. der entsandte Mitarbeiter auch nach dem Recht des Beschäftigungsstaates versichert ist. In der Praxis wird jedoch ggf. durch Absprachen mit den zuständigen Stellen die zusätzliche Beitragszahlung vermieden. Unter Umständen kann es auch sein, dass gar kein Versicherungsschutz besteht [71].

Die Ausstrahlungsregelung ist nicht anzuwenden, wenn über- oder zwischenstaatliches Recht den Sachverhalt regelt.

(b) Überstaatliches Recht

Auf europäischer Ebene (Staaten der EU und des EWR einschließlich der Schweiz) regeln die EG-Verordnungen Nr. 883/2004 und Nr. 987/2009 die Zuordnung einer Person zum Sozialversicherungssystem eines der Vertragsstaaten.

Nach den Regelungen der Verordnungen (EG) Nr. 883/ 2004 und Nr. 987/ 2009 unterliegen Arbeitnehmer, die in der Bundesrepublik Deutschland von einem Unternehmen beschäftigt werden, weiterhin den deutschen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit, wenn sie von ihrem Unternehmen zur Ausführung einer Arbeit in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats der EU entsandt werden, sofern die voraussichtliche Dauer der Beschäftigung 24 Monate nicht überschreitet (sog. Entsendung) [72].

(c) Zwischenstaatliches Recht

Deutschland hat mit mehreren Staaten Abkommen im Bereich der sozialen Sicherheit geschlossen, die sich auch auf die Unfallversicherung beziehen. Dies sind gegenwärtig Abkommen mit Brasilien, Israel, dem früheren Jugoslawien mit derzeitiger Geltung für Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Montenegro und Serbien, Marokko, Mazedonien, Tunesien und der Türkei. Die Abkommen enthalten Entsenderegelungen, wonach bei einer Entsendung aus Deutschland weiterhin die Regelungen der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung anzuwenden sind. Sozialversicherungsabkommen verdrängen als überstaatliches Recht das nationale Recht (§ 6 SGB IV).

(d) Entsendebescheinigung

Im Fall einer Entsendung in einen anderen europäischen Mitgliedstaat, einen EWR-Staat, die Schweiz oder einen Abkommensstaat wird die Anwendbarkeit des Rechts des entsendenden Staats durch eine Entsendebescheinigung bescheinigt. Bei kurzen Aufenthalten von bis zu drei Monaten gelten im europäischen Bereich vereinfachte Verfahren.

In Deutschland sind – soweit Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung besteht – die Krankenkassen für die Ausstellung einer Entsendebescheinigung zuständig. Bei Auslandsaufenthalten von Arbeitnehmern sollte im Vorfeld mit der zuständigen Krankenkasse Kontakt aufgenommen werden, um abzuklären, inwieweit eine Entsendung vorliegt und ob eine Entsendebescheinigung oder ein sonstiges Dokument auszustellen ist. Derartige Bescheinigungen dienen im Ausland als Nachweis dafür, dass die betreffende Person weiterhin im entsendenden Staat sozialversichert ist. Dies ist sowohl für Unternehmen im Ausland sowie die dort zuständigen Behörden eine wichtige Information. Generell können derartige Bescheinigungen durch konkrete Anfrage beim jeweils zuständigen Krankenversicherungsträger beantragt werden. Werden innerhalb Europas Entsendebescheinigungen ausgestellt, so entfalten diese eine Bindungswirkung, zumindest solange sie nicht von der zuständigen Stelle wieder zurückgenommen worden sind.

Zentrale Stelle für Informationen über Entsendungen und sogenannte Ausnahmevereinbarungen ist die DVKA (Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung Ausland) [73].

(e) Freiwillige Auslandsversicherung

Scheidet der Arbeitnehmer aufgrund eines zunächst nicht begrenzten Auslandsaufenthalts oder weil die an eine Entsendung geknüpften Voraussetzungen nicht vorliegen, aus dem deutschen Sozialversicherungssystem aus, bieten einige Unfallversicherungsträger eine freiwillige Auslandsversicherung (AUV) an, um den Beschäftigten auch für diese Zeit den nötigen Versicherungsschutz zu bieten (§ 140 ff SGB VII). Die Auslandsversicherung ermöglicht es dem Arbeitgeber, Mitarbeiter, die vorübergehend im Ausland tätig sind, zu versichern. Europäische Regelungen oder Sozialversicherungsabkommen dürfen jedoch nicht entgegenstehen.

Eine Auslandsversicherung besteht derzeit als eigene Einrichtung bei der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BGRCI), bei der Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM) und bei der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BGBAU), sowie als gemeinsame Einrichtung bei der Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse (BG ETEM), bei der Berufsgenossenschaft Handel und Warendistribution (BGHW), bei der Verwaltungsberufsgenossenschaft (VBG), bei der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) und bei der Eisenbahn-Unfallkasse (EUK).

Pflicht zur entsprechenden Aufklärung

Grundsätzlich gilt, dass auch bei der Frage über die Pflicht des Arbeitgebers zur Aufklärung über die vorstehend aufgezeigten sozial- aber auch steuerrechtlichen Auswirkungen des Auslandsaufenthalts eine Abwägung zwischen der Fürsorge des Arbeitgebers und der Eigenverantwortung des Arbeitnehmers vorzunehmen ist. Je mehr Erfahrung das entsendende Unternehmen bereits mit Auslandseinsätzen gemacht hat und je weniger Erfahrung der entsandte Arbeitnehmer hat, desto eher ist von einer Informationspflicht des Arbeitgebers über die sozial- und steuerrechtlichen Auswirkungen des Auslandsaufenthalts auszugehen. Zumindest bei größeren, international tätigen Unternehmen mit entsprechender Entsendungserfahrung dürfte u. E. eine entsprechende Pflicht zu bejahen sein.

In den der Rechtsprechung bislang zur Entscheidung vorgelegenen Fällen wurde eine Informationspflicht des Arbeitgebers bislang gleichwohl verneint.

So hatte das Bundesarbeitsgericht z. B. am 22. Januar 2009 [74] darüber zu entscheiden gehabt, ob der Arbeitgeber einen in die Tschechische Republik entsandten Arbeitnehmer über die steuerrechtlichen Konsequenzen, insbesondere über die in der Tschechischen Republik – aufgrund Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik, welches wegen einer mit der Tschechischen Republik getroffenen Vereinbarung für diese weitergilt – bestehende Steuerpflicht, aufzuklären hat. Das Bundesarbeitsgericht verneinte eine entsprechende Pflicht im konkreten Fall. Es wies gleichwohl darauf hin, dass je größer das für den Arbeitgeber erkennbare Informationsbedürfnis des Arbeitnehmers sei und je leichter dem Arbeitgeber die entsprechende Informationserteilung fallen dürfte, desto eher würden sich Auskunfts- und Informationspflichten für den Arbeitgeber ergeben. Bei der entsprechend vorzunehmenden Interessenabwägung sei im konkreten Fall daher zu berücksichtigen gewesen, dass der Arbeitgeber selbst keine Kenntnis über die Steuerpflicht des Klägers in der Tschechischen Republik gehabt hatte [75].

Das Hessische Landesarbeitsgericht wiederum hatte am 4. September 1995 [76] darüber zu entscheiden, ob ein in die Vereinigten Staaten von Amerika entsandter Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber über die krankenversicherungsrechtlichen Konsequenzen seines Auslandseinsatzes aufgeklärt werden muss. Auch dies wurde von der Rechtsprechung verneint. Der Arbeitgeber habe keiner nebenvertraglichen Verpflichtung aus dem Arbeitsverhältnis zur Information und Beratung des Arbeitnehmers unterlegen. Richtig sei zwar, dass den Arbeitgeber als nebenvertragliche Verpflichtung aus dem Arbeitsverhältnis Aufklärungs- und Beratungspflichten treffen könnten. Dies gelte insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber aufgrund seiner überlegenen Sachkunde ohne weiteres zu entsprechenden Auskünften und der Arbeitnehmer zur sachgerechten Entscheidung erkennbar nur nach entsprechender Aufklärung imstande sei [77]. Andererseits lasse sich dem geltenden Recht jedoch nicht entnehmen, dass der Arbeitgeber umfassend die Aufgaben eines Sachwalters der wirtschaftlichen Interessen des Arbeitnehmers zu übernehmen habe. Denn dadurch würde der Arbeitgeber überfordert. Dies gelte insbesondere im Sozialversicherungsrecht. Denn insoweit stünde dem Arbeitnehmer zur sachkundigen und kompetenten Beratung der entsprechende Leistungsträger – im Bereich der Krankenversicherung die Krankenkasse – zur Verfügung [78].

Auch in Bezug auf die Aufklärung über die rentenversicherungsrechtlichen Auswirkungen des Auslandsaufenthalts hat die Rechtsprechung in den bislang zur Entscheidung vorgelegenen Sachverhalten keine Pflicht des Arbeitgebers anerkannt. Nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts Köln ist der Arbeitgeber nicht aufgrund bestehender Fürsorgepflicht gezwungen, den Arbeitnehmer in Bezug auf freiwillige Versicherung und eine entsprechenden Versicherungsbefreiung zu informieren, weil die Tatsache der Versicherungsbefreiung der Sphäre des Arbeitnehmers und seinem Kenntnisbereich zuzuordnen sei [79].

Soweit keine Pflicht zur Aufklärung über die sozial- und/oder steuerrechtlichen Konsequenzen vor dem Auslandseinsatz des Mitarbeiters besteht, steht es dem Arbeitgeber bei entsprechender Nachfrage des Arbeitnehmers frei, die Beratung selbst zu erbringen oder den Arbeitnehmer an geeignete Stellen zu verweisen [80].

2. Pflicht zur Aufklärung über Gefahren und Risiken im Ausland

Im Gegensatz zur Aufklärung über steuerlich- und/oder sozialversicherungsrechtliche Konsequenzen der Auslandsentsendung besteht zumindest weitestgehend Einigkeit, dass der Arbeitgeber zur Aufklärung über Gefahren und Risiken im jeweiligen Ausland verpflichtet ist. Lediglich in Bezug auf den entsprechenden Umfang der Aufklärung und gegebenenfalls weitergehender Maßnahmen, besteht keine gefestigte Auffassung in Rechtsprechung und Literatur.

Darauf, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, alles zu unternehmen, um eine Gefährdung von Leben und Gesundheit des Arbeitnehmers bei einem Auslandseinsatz zu vermeiden, hat bereits das Bundesarbeitsgericht im Jahr 1983 hingewiesen [81]. Hierzu gehört auch eine umfassende Beratung über die Gefahren und Risiken im Ausland [82]. Diese Beratung sollte zumindest Hinweise auf gesundheitliche Risiken und Impfschutzmaßnahmen enthalten. Für Tätigkeiten in Tropen, Subtropen und sonstigen Auslandsaufenthalten mit besonderen klimatischen Belastungen [83] ist bereits gemäß Anhang Teil 4 Abs. 1 der ArbMedVV i.V.m. dem Berufsgenossenschaftlichen Grundsatz G 35 „Arbeitsaufenthalt im Ausland unter besonderen klimatischen und gesundheitlichen Belastungen“ [84] eine Beratung über die jeweiligen besonderen klimatischen Belastungen und über die ärztliche Versorgung am vorgesehenen Tätigkeitsort, einschließlich Malaria- und Impfprophylaxe, vorgeschrieben.

Die von dem Arbeitgeber vorzunehmende Beratung sollte ferner auch drohende politische Unruhen und landestypische Sitten und Gebräuche beinhalten. Für eine entsprechende Beratung kann der Arbeitgeber zunächst die Reise- und Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes heranziehen. Für eine u. E. anzuratende detailliertere Beratung empfiehlt sich gleichwohl, entsprechend detaillierte Reiseinformationen, einschließlich Gesundheits- und Sicherheitsgefährdungen, auch über private Drittanbieter abzurufen.

Je nach dem Ergebnis der vorzunehmenden Abwägung der vorstehend aufgezeigten Kriterien im Einzelfall – wie z. B. Dauer der Entsendung, politische Stabilität, religiöse und kulturelle Situation und Arbeits- und Lebensumstände im Ausland sowie die Erfahrung des Unternehmens als auch die des Arbeitnehmers bei Arbeitnehmerentsendung – können auch ganze Trainingskurse ggf. unter Inanspruchnahme von Drittanbietern, organisiert und vergütet von dem Arbeitgeber, erforderlich sein. Entsprechende Trainingskurse können neben der Aufklärung über die Gefahren und Risiken im Ausland, einschließlich entsprechender Handlungsempfehlungen, auch ein Sprach- und Kulturtraining beinhalten.

3. Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen

Des Weiteren ist unter bestimmten Umständen im Vorfeld des Auslandseinsatzes arbeitsmedizinische Vorsorge von Nöten.

Gesetzliche Grundlage ist die Arbeitsmedizinische Vorsorgeverordnung (ArbMedVV).

Hierin fordert Teil 4 des Anhangs „Arbeitsmedizinische Pflicht- und Angebotsvorsorge“ Pflichtvorsorge u. a. bei: „Tätigkeiten in Tropen, Subtropen und sonstige Auslandsaufenthalte mit besonderen klimatischen Belastungen und Infektionsgefährdungen.“

Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) empfiehlt in ihrer „Handlungsanleitung für die arbeitsmedizinische Vorsorge nach dem berufsgenossenschaftlichen Grundsatz G35“ eine ärztlich Beratung bei allen Auslandseinsätzen und insbesondere die Erstuntersuchungen bei Auslandsentsendung von mehr als drei Monaten im Jahr in Tropen und Subtropen sowie bei sonstigen Auslandsaufenthalten mit besonderen klimatischen Belastungen. Nachuntersuchungen empfiehlt die DGUV grundsätzlich nach 24 bis 36 Monaten sowie bei Beendigung der Auslandstätigkeit [85].

Die Kosten für prophylaktische Maßnahmen, die der beratende oder untersuchende Arzt mit besonderen Fachkenntnissen verordnet bzw. vornimmt (z. B. Malaria-Prophylaxe, Schutzimpfung) hat der Unternehmer zu tragen, soweit nicht ausnahmsweise die gesetzliche Krankenversicherung satzungsgemäß für Schutzimpfungen eintritt [86].

4. Erste-Hilfe-Maßnahmen

Grundsätzlich sind – ebenso wie bei den Maßnahmen zur Unfallverhütung – die für die Erste Hilfe in Deutschland geltenden Vorschriften auch bei einer Auslandstätigkeit zugrunde zu legen. Insbesondere zu beachten sind die §§ 24 – 28 der Unfallverhütungsvorschrift „Grundsätze der Prävention“ (DGUV Vorschrift 1). Dabei sollte unter anderem beachtet werden, dass im Ausland im Allgemeinen nicht mit einem so gut ausgebauten öffentlichen Rettungsdienst gerechnet werden kann. Dies bedeutet auch, dass beispielsweise im Vorfeld unter Beteiligung des Betriebsarztes ermittelt und festgelegt werden sollte, ob die zur Leistung der Ersten Hilfe erforderlichen Einrichtungen und das erforderliche Personal vorhanden sind [87]. An der Arbeitsstelle sollten Informationen zur Ersten Hilfe samt wichtiger Telefonnummern und Anschriften ausgehängt werden.

Es wird empfohlen, dass sich schon vor Beginn der Arbeitsaufnahme im Ausland, möglichst schon vor der Abreise dorthin, der verantwortliche Leiter über in der Nähe der Arbeitsstelle befindliche deutsche Ärzte unterrichtet, ferner über ausländische Ärzte und Fachärzte, die bei Unfällen zur Behandlung herangezogen werden können, sowie über die nächstgelegenen Krankenhäuser und die Verbindungen zu ihnen [88].

Für die sachgemäße Behandlung und Prüfung der Erkrankungsfälle ist es erforderlich, dass der Träger der Unfallversicherung schnell benachrichtigt wird. Im Ausland erstellte ärztliche Berichte (z. B. Medical Report) müssen den nach der Rückkehr nach Deutschland weiterbehandelnden Ärzten oder auf Anforderung dem Träger der Unfallversicherung unverzüglich zur Verfügung gestellt werden. Diese sollten auch Angaben zur Prophylaxe und zur Dosierung der Medikamente enthalten, welche während einer Behandlung eingenommen worden sind, und ob und welche Blutpräparate verabreicht wurden [89].

Während des Auslandsaufenthalts
Auch während des Auslandseinsatzes des Arbeitnehmers kommt die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers zum Tragen. Die notwendigen Maßnahmen ergeben sich auch für diesen Zeitraum aus der Abwägung zwischen der Fürsorge des Arbeitgebers und der Eigenverantwortung des Arbeitnehmers unter Einschluss der vorgenannten Kriterien.

1. Abschluss von Versicherungen

So kann der Arbeitgeber z. B. unter bestimmten Umständen verpflichtet sein, für den Arbeitnehmer Versicherungen, insbesondere Auslandsunfall- oder Auslandskrankenversicherungen, abzuschließen.

Das Bundesarbeitsgericht hatte einen Arbeitgeber bereits im Jahr 1983 [90] von der – von seinen Arbeitnehmern eingeforderten – Pflicht freigesprochen, für die Auslandsentsendung der Mitarbeiter in die Vereinigten Staaten von Amerika eine zusätzliche private Unfallversicherung abschließen zu müssen. Das Bundesarbeitsgericht hatte darauf hingewiesen, dass die Kostenbelastung des Arbeitgebers bei der Erfüllung der ihm obliegenden Fürsorgepflicht so gering wie möglich zu halten ist [91]. Eine Verpflichtung des Arbeitgebers zum Abschluss einer zusätzlichen Unfallversicherung für die Dauer der Arbeitnehmerentsendung in die Vereinigten Staaten von Amerika wäre daher nur dann zu bejahen, wenn für die Dauer der Reise nur ein unzureichender gesetzlicher Versicherungsschutz bestünde oder besondere gefahrenerhöhende Umstände für die entsendeten Arbeitnehmer geschaffen wurden [92].

Im Umkehrschluss heißt dies, dass immer dann, wenn die Auslandsentsendung mit besonders gefahrerhöhenden Umständen einhergeht und hierfür kein ausreichender Versicherungsschutz besteht, der Arbeitgeber zum Abschluss entsprechender Versicherungen verpflichtet ist. Maßgeblich ist daher auch nach dem Bundesarbeitsgericht auf die entsprechende Abwägung zwischen der Fürsorge des Arbeitgebers und der Eigenverantwortung des Arbeitnehmers abzustellen.

U. E. ist grundsätzlich dann von einer Pflicht des Arbeitgebers zum Abschluss von Auslandsunfall- und Auslandskrankenversicherung auszugehen, wenn der Arbeitnehmer aufgrund der Auslandstätigkeit nicht der deutschen Sozialversicherungspflicht unterliegt oder er in echte Krisengebiete entsandt wird. Betreffend den Abschluss von Krankenversicherungen ist § 17 SGB V zu beachten. Danach ist jeder dem deutschen Sozialversicherungsrecht trotz Entsendung weiterhin unterliegende Arbeitnehmer anspruchsberechtigt, seine ihm – für die Erbringung der nach dem SGB V vorgesehenen Leistungen im Ausland – entstandenen Kosten ersetzt zu verlangen. Anspruchsgegner ist der Arbeitgeber, welcher jedoch gegenüber der zuständigen Krankenkasse Regress nehmen kann. Die Regressforderung erstreckt sich jedoch nur auf die Höhe, in der die Kosten bei Erbringung der krankenversicherungsrechtlichen Leistungen im Inland entstanden wären. Insoweit trägt der Arbeitgeber unabhängig von der Frage besonders gefahrerhöhender Umstände stets das Risiko, auf einen erheblichen Teil der Kosten für die Krankenbehandlung sitzen zu bleiben, z. B. weil die Krankenbehandlungen im Ausland zwar den Leistungen nach dem SGB V entsprechen, aber wesentlich teurer sind als im Inland. Aus unserer Sicht ist dem Arbeitgeber stets zu empfehlen, eine entsprechende Zusatzversicherung abzuschließen. Eine mögliche Alternative für Arbeitgeber und Arbeitnehmer kann auch der Abschluss einer privaten Auslandskrankenversicherung unter Beibehaltung einer beitragsermäßigten Anwartschaft in der gesetzlichen Krankversicherung sein [93], und zwar auch dann, wenn eine entsprechende Pflicht des Arbeitgebers nicht vorliegt.

2. Hilfestellungen

Die Abwägung zwischen Fürsorge und Eigenverantwortung geht in der Regel zugunsten des Arbeitnehmers aus, wenn es sich um schlichte Hilfestellungen des Arbeitgebers in Bezug auf das Ausstellen von neu benötigten Reisedokumenten, in Bezug auf Kontaktaufnahme mit Behörden im Inland, bei Zollabfertigungen etc. handelt, und damit um Hilfestellungen, die weder kosten- noch zeitintensiv sind und auch keine Haftungsgefahr für den Arbeitgeber in sich bergen. Je nach Umfang und Dringlichkeit der Hilfe kann sich die Hilfestellung des Arbeitgebers aber auch in der Mitteilung über die geeignete, helfende öffentliche Stelle, z. B. Botschaft und Konsulat, erschöpfen [94].

Die beanspruchten Hilfestellungen müssen dabei stets mit der Arbeitsleistung im Zusammenhang stehen [95].

3. Weitergeltung von Unfallverhütungsvorschriften und Arbeitsschutzvorschriften

Grundsätzlich erstreckt sich ein Schutz der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung nur auf das Gebiet Deutschlands (Territorialitätsprinzip, § 3 IV). Sofern sich Arbeitnehmer im Wege einer Entsendung im Ausland befinden, ihre Beschäftigung im Ausland also in Folge der Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist (Art. 12 VO Nr. 883/2004; § 4 SGB IV; ggf. Sozialversicherungsabkommen), finden die UVVen weiterhin Anwendung. Das Unfallversicherungsrecht des Sozialgesetzbuches geht in Anwendung der sog. Ausstrahlungstheorie davon aus, dass die autonome Rechtsetzungsbefugnis das Gegenstück zur Entschädigungspflicht der Unfallversicherungsträger bei Arbeitsunfällen ist [96]. Das bedeutet, dass die Rechtsetzungsbefugnis so weit reicht wie die Leistungspflicht der Unfallversicherungsträger. Liegt eine Entsendung vor, binden die UVVen die Unternehmer unabhängig davon, ob diese ihre Tätigkeit im Inland oder im Ausland ausüben. Erst wenn die Arbeitnehmer langfristig im Ausland beschäftigt werden und infolgedessen der Unfallversicherungsschutz entfällt, ist auch die Bindung der Unternehmer an die UVVen aufgehoben [97].

Demgegenüber gilt bei den staatlichen Arbeitsschutzvorschriften uneingeschränkt das Territorialitätsprinzip, wonach das staatliche Arbeitsschutzrecht nur im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland Anwendung findet. Allerdings ist eine Einschränkung zu beachten: Die UVV „BGV A 1: Grundsätze der Prävention“ erfasst in § 2 Abs. 1 praktisch den gesamten staatlichen Arbeitsschutz – ausgenommen den sozialen Arbeitsschutz –, so dass die Mitgliedsunternehmen der Unfallversicherungsträger kraft dieser Inbezugnahme im Ergebnis wiederum auch weitgehend öffentlich-rechtlich zu entsprechenden Schutzmaßnahmen im Ausland verpflichtet sind [98]. Zur Durchführung der UVVen, der Ersten Hilfe und für die Einleitung einer Heilbehandlung im Ausland ist es notwendig, dass der Unternehmer einen dafür verantwortlichen Leiter und möglichst auch einen Vertreter schriftlich bestellt (Pflichtenübertragung) und diese Personen in ihren Aufgaben unterweist. Je nach dem Ort der Beschäftigung sind sie auch über dort auftretende besondere gesundheitliche Gefahren zu unterrichten. Die Verpflichtung, alle organisatorischen Maßnahmen zu treffen, die es den Betriebsärzten, den Fachkräften für Arbeitssicherheit und den Sicherheitsbeauftragten ermöglichen, ihre Aufgaben zu erfüllen, gilt unverändert auch für Arbeitsplätze im Ausland [99].

Unabhängig davon ist zu beachten, dass der Unternehmer kraft seiner arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht aus § 618 BGB gehalten ist, die Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften einzuhalten, denn diese Rechtsvorschriften konkretisieren den Inhalt der arbeitsvertraglichen Schutzpflichten zugunsten der Arbeitnehmer [100].

4. Sonstige Maßnahmen zur Reduzierung von Risiken

§ 618 BGB verpflichtet den Arbeitgeber sinngemäß, „Räume, Vorrichtungen und Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten und die Dienstleistungen so zu regeln, dass der Arbeitnehmer gegen Gefahren für Leben und Gesundheit so weit geschützt ist, wie die Natur des Betriebes und der Arbeit es gestatten“. Dementsprechend ist der Arbeitgeber auch verpflichtet, während des Auslandsaufenthalts des Arbeitnehmers alles zu unternehmen, um eine Gefährdung von Leben und Gesundheit des Arbeitnehmers bei der An- und Abreise, dem Aufenthalt im Ausland und der Arbeit selbst zu vermeiden [101].

Dem kann unter anderem durch eine entsprechende Unterbringung im Ausland mit regelmäßigen Buspendeldiensten zwischen den Hotels und der Arbeitsstätte entsprochen werden [102]. Entsprechende Ausführungen hat zumindest das Bundesarbeitsgericht im Zusammenhang mit der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers bei Entsendung von Arbeitnehmern in die Vereinigten Staaten von Amerika getätigt. Wenn der Arbeitgeber bereits in den Vereinigten Staaten von Amerika für einen sicheren Arbeitsweg zwischen dem Aufenthalt im Ausland und seiner Arbeitsstätte sorgen muss, gilt dies offenkundig umso eher, als es sich bei dem Gastland um ein Krisengebiet handelt. In entsprechenden Gebieten dürfte nicht nur die Einrichtung eines Pendeldienstes, sondern unter Umständen auch entsprechende Bewachung erforderlich sein.

Weitere je nach Abwägungsergebnis gegebenenfalls erforderliche Maßnahmen können die Einrichtung von Notfallportalen im Internet oder Intranet [103] sowie die Zurverfügungstellung medizinischer und personenschützender Servicedienstleistungen sein. Wird der Arbeitnehmer z. B. in ein Land entsendet, in dem er keine rechtzeitige medizinische Notfallversorgung erwarten kann, daher bereits weniger schwere Erkrankungen oder Unfälle zu einer lebensbedrohlichen Situation führen können, muss der Arbeitgeber gegebenenfalls entsprechende Serviceleistungen von Drittanbietern zur Verfügung stellen. In politisch unruhigen Krisengebieten muss der Einsatz von Personenschützern in Erwägung gezogen werden.

Im Fall der Anwendung deutschen Sozial- insb. Unfallversicherungsrechts ist in diesem Zusammenhang Folgendes zu beachten:

Liegen Gefahren im beruflichen Auslandsaufenthalt begründet, so können auch diese vom Unfallversicherungsschutz erfasst sein [104]. Dies bedeutet für Aufenthalte in Katastrophen- oder Krisengebieten, dass auch Unfälle, die aufgrund politischer Instabilität oder einer Naturkatastrophe verursacht sind, als Ausfluss einer besonderen, mit der beruflichen Tätigkeit im Ausland im Zusammenhang stehenden Gefahr mitversichert sind. So können bei Auslandseinsätzen speziell in Krisengebieten Mitarbeiter auch außerhalb der Arbeitszeit versichert sein [105].

Bei einem geplanten Einsatz in einem Krisengebiet kann der Unternehmer mit Unterstützung des Unfallversicherungsträgers präventive Maßnahmen ergreifen, etwa indem er die Tauglichkeit und Belastbarkeit des Beschäftigten vor dem Aufenthalt in einem Krisengebiet prüft [106]. Ereignet sich eine Katastrophe erst während des Aufenthalts, stellen sich beispielsweise Fragen dazu, welche Untersuchungen bei Mitarbeitern durchzuführen sind. Hierzu können sich Unternehmen an ihren Unfallversicherungsträger wenden.

Die in der gesetzlichen Unfallversicherung vorgesehene Haftungsfreistellung für Unternehmen gilt, soweit der Unternehmer den Unfall nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeiführt (§§ 104 Abs. 1, 110 Abs. 1 SGB VII). Dies gilt auch in Bezug auf Beschäftigungen im Ausland. Wird ein Arbeitnehmer aufgrund einer beruflichen Tätigkeit oder eines humanitären Einsatzes in ein Krisengebiet entsandt oder verbleibt er nach einer Naturkatastrophe dort, erfüllt dies für sich genommen nicht die Voraussetzungen eines vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verhaltens. Der Unternehmer dürfte im Gegenteil versuchen, alle möglichen Maßnahmen zu treffen, um den Eintritt eines Arbeitsunfalls zu vermeiden [107].

Veit Voßberg, Cigdem Bayrak, Eva-

Marie Höffer, Iris Hillemann, Stefan

Eßer, Dominik Schäfer, Walter

Eichendorf

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