Das Werk ist in fünf größere Teile, nämlich Grundlagen, Organe und Organsysteme, Toxikologische Prüfverfahren, Regulatorische Toxikologie sowie Spezielle Toxikologie untergliedert. Die Titel der einzelnen Kapitel sowie ihrer Unterkapitel sind in einer vom Verlag online gestellten „Leseprobe“ einsehbar. Entsprechend der Vielzahl unterschiedlicher Aspekte sind etliche, darunter auch internationale Autoren an dem Buch beteiligt.
Die Einführung gibt einen guten Überblick über verschiedene Aspekte der Toxikologie einschließlich Grenzwerten und Umwelttoxikologie. Es folgen Kapitel zur Toxikokinetik und Biotransformation von Fremdstoffen, die sich beide gut lesen. Auch das vierte Kapitel zur Toxikogenetik ist kompetent und verständlich geschrieben. Vermisst habe ich hier einen Absatz zur Bedeutung der Toxikokinetik bei der Entstehung des Parkinson-Syndroms, insbesondere im Hinblick auf Expositionen gegenüber Pflanzenschutzmitteln. Diese Thematik ist aktuell hoch relevant. Das Kapitel 6 „Kombinationswirkungen von Chemikalien“ weist mehrere Schwächen auf. Auf Seite 142 wird als Synonym für 2-Hexanon „Methylbutylketon“ angegeben. Gemeint ist sicherlich das Isomer Methyl-n-butylketon. Vorteilhafter wäre hier die exakte chemische Bezeichnung. Denn eine Verwechslung mit dem anderen Isomer Methyl-iso-butylketon als Folge einer ungenauen Bezeichnung hat bereits zu falschen Schlüssen in arbeitsmedizinischen Gutachten geführt. Auf Seite 145 steht, dass Wirkungsverstärkungen auch für n-Hexan und 1-Butanon vorlägen. Das ist falsch, gemeint ist vermutlich das 2-Butanon (Methylethylketon). Dessen Interaktion mit n-Hexan ist wissenschaftlich gut untersucht, von toxikologischem Interesse, klinisch relevant und hätte dargestellt werden sollen. Im Kapitel 6.2.2 hätte das Krankheitsbild der toxischen Enzephalopathie klarer beschrieben werden können. Dazu hätte auch ein einschlägiges Literaturzitat, z.B. der als pdf-Datei erhältliche Berufskrankheitenreport 1317, angegeben werden können. Die Interaktion zwischen Ethanol und Tetrachlorkohlenstoff wurde zutreffend erwähnt (Seite 145), aber auch hier fehlt eine Erläuterung zum Wirkungsmechanismus. Im Kapitel 5 werden Rezeptor-vermittelte Mechanismen besprochen. Es folgen weitere lesenswerte Kapitel zur chemischen Kanzerogenese, zur Frage einer unwirksamen Dosis genotoxischer Substanzen, zur Reproduktionstoxikologie und zur Ökotoxikologie. Daran schließt sich der zweite Teil des Buchs mit dem Titel „Organe und Organsysteme“ an, der für Betriebsärzte besonders interessant sein dürfte. Kapitel 11 widmet sich dem Gastrointestinaltrakt. Das Kapitel 12 „Leber“ ist sehr aktuell und kompetent geschrieben. Es liest sich hervorragend bis zur ersten Abbildung. Hier allerdings entsteht Frust über die Zumutung, die sich der Verlag geleistet hat. Denn die Abbildung ist in Grautönen gehalten. Jedoch wird in der Legende auf farbige Strukturen verwiesen, die der Leser aber vergeblich sucht. Erst am Ende der langen Legende findet sich ein Hinweis auf eine Seite im Internet, auf der die Abbildung angeblich in Farbe eingesehen werden kann. Es macht keine Freude, einen so langen Link von Hand einzugeben. Die „Krönung“ war, dass die Seite nicht aufgerufen werden konnte. (Die Zeichenfolge hatte ich selbstverständlich kontrolliert.) Auch weitere Abbildungen des Kapitels besitzen Legenden mit Hinweisen auf farbige Darstellungen, obwohl sie in Grautönen gehalten sind. Hier hat der Verlag an der falschen Stelle gespart! Das ist nicht nur ärgerlich für den Leser, sondern auch schade für den Autor des Kapitels, der sich viel Mühe für eine präzise Darstellung gegeben hatte und um eine angemessene Präsentation seiner Inhalte gebracht wurde. Die online-Version stand mir nicht zur Rezension zur Verfügung, so dass ich die Qualität der dort angeblich farbigen Abbildungen nicht beurteilen kann. Die nachfolgenden, lohnenden Kapitel 13 und 14 befassen sich mit dem Respirationstrakt sowie dem zentralen und peripheren Nervensystem. Tabelle 14.2 sollte überarbeitet werden. Denn sie vermittelt den Eindruck, dass verschiedene Expositionen noch aktuell sind. Tatsächlich handelt es sich in Deutschland um historische Arbeitsbedingungen, in Entwicklungsländern mag das anders sein. Beim „Trikresylphosphat“ fehlt die genaue Bezeichnung des Isomers; die Kenntnis der verschiedenen Isomere kann nicht bei allen Lesern vorausgesetzt werden. Das Parkinson-Syndrom wird im Zusammenhang mit MPTP erwähnt. Diese Ausführungen sollten hier oder in einem anderen Buchkapitel um die Wirkungen verschiedener Pflanzenschutzmittel ergänzt werden. Denn dieses Thema ist hoch relevant. In Frankreich können Parkinson-Syndrome unter bestimmten Voraussetzungen als Berufskrankheit bei Landwirten anerkannt werden, in Deutschland ist die Diskussion noch nicht abgeschlossen. Die nachfolgenden lohnenden Kapitel befassen sich mit der Verhaltenstoxikologie, der Haut, der Niere und den ableitenden Harnwegen sowie dem Blut und dem Knochenmark. In der weiterführenden Literatur zu letzterem Kapitel sollte bei der nächsten Auflage als Service für den Leser das Zitat der wissenschaftliche Begründung zur Berufskrankheit 1318 einschließlich Link zur pdf-Datei hinzugefügt werden. Die nächsten Kapitel behandeln die Toxikologie des Immunsystems, das Herz- und Kreislaufsystem sowie das endokrine System. Der dritte Teil des Buchs trägt die Überschrift „Toxikologische Prüfverfahren“. Die ersten Kapitel dieses Teils dürften für den Betriebsarzt weniger interessant sein. Ausdrücklich hingewiesen sei auf das lesenswerte 26. Kapitel mit dem Titel „Erfassung der individuellen Fremdstoffbelastung (Biomonitoring)“, das die Möglichkeiten des Biomonitorings, aber auch seine Grenzen beschreibt. Das 27. Kapitel „Epidemiologie“ ist kurz gefasst und vermittelt einige Begriffe zum Verständnis. Gut ist, dass die Bradford Hill-Kriterien besprochen werden. Es folgen Kapitel über Alternativen zu Tierversuchen, Omics in der Toxikologie, die statistische Analyse experimenteller Daten sowie mathematische Modelle zur Extrapolation von Risikowerten, die für den Betriebsarzt weniger interessant sein dürften. Der vierte Teil des Buchs trägt den Titel „Regulatorische Toxikologie“. Die beiden Kapitel lauten „Rechtliche Regelungen für gefährliche Stoffe“ sowie „Das Konzept von Reach“. Sie vermitteln einen Einblick in die komplizierten rechtlichen Regelungen. Der fünfte Teil behandelt die spezielle Toxikologie relevanter Substanzen, Gifttiere und Giftpflanzen. Das lesenswerte Kapitel 34 befasst sich mit persistenten halogenierten aromatischen Kohlenwasserstoffen. Bei einer Chlorakne gibt es durchaus typische Lokalisationen, die eine Differenzialdiagnose zur Akne vulgaris ermöglichen, aber leider nicht benannt wurden. Das nächste Kapitel (35) behandelt Metalle. Die Aussage, dass es bei Blutbleispiegeln zwischen 500 und 700 µg/l im Rahmen einer peripheren Bleineuropathie „zur Lähmung der oberen Extremitäten“ kommt (Seite 755), ist nicht zutreffend. Das Kapitel 36 widmet sich der Partikel- und Fasertoxikologie. Daran schließt sich ein Kapitel über die Toxikologie von Nanomaterialien an. Dieses umfasst einschließlich der Zusammenfassung nur acht Seiten. Aufgrund der zunehmenden Bedeutung der Thematik wäre eine umfassendere Darstellung wünschenswert. Auch das 38. Kapitel „Stoffe mit hormonähnlicher Wirkung“ behandelt eine aktuelle und relevante Thematik. Das 39. Kapitel „Organische Lösemittel“ bedarf hinsichtlich der neurotoxischen Effekte einer Überarbeitung (Seite 834). Denn es fehlt eine eindeutige Darstellung der chronischen toxischen Enzephalopathie. Die Feststellung, dass bei einer subchronischen Exposition das Vorhandensein einer Lösemittel-Enzephalopathie umstritten sei, ist zumindest irreführend. Nicht erwähnt wurde, dass die toxische Enzephalopathie in der Berufskrankheitenliste aufgeführt ist. Auf Seite 841 wird die Interaktion zwischen n-Hexan und Toluol angesprochen, jedoch bleibt die klinisch wesentlich wichtigere Wechselwirkung mit Methylethylketon unerwähnt. Auf Seite 842 ist geschrieben, dass das zur Textilreinigung verwendete Benzine hauptsächlich aus Isomeren des Hexans, des Heptans und des Oktans bestehen. Ein Isomer des Hexans ist das n-Hexan. Somit kann die Darstellung den Eindruck erwecken, dass heutzutage in chemischen Reinigungen noch relevante Expositionen gegenüber n-Hexan bestehen. Dies ist jedoch in Deutschland nicht der Fall. Die Wirkungen von Benzol auf den Menschen („Leukämien“) werden leider nur äußerst knapp angesprochen. Gegenstand des 40. Kapitels sind Treibstoffe und Erdölprodukte wie Bitumen. Es folgen Kapitel über toxische Gase und Duftstoffe. Bei der Vielzahl unterschiedlicher Wirkstoffe kann das 43. Kapitel „Pestizide“ nur einen Überblick geben. Leider werden die Aspekte der Humantoxikologie stiefmütterlich behandelt, beispielsweise fehlen Ausführungen zum Parkinson-Syndrom. Die nächsten beiden Kapitel befassen sich mit Dieselmotoremissionen sowie mit Gifttieren und giftigen Pflanzen. Daran schließt sich ein Glossar wichtiger toxikologischer Begriffe an.
Am Ende eines jeden Kapitels findet sich eine Zusammenfassung. Leider ist die Qualität der Zusammenfassungen sehr unterschiedlich. Manche sind ausführlich und spiegeln die Inhalte der jeweiligen Kapitel prägnant wider. Andere hingegen wirken wie eine lästige Pflichtübung; ihr Informationsgehalt ist viel zu gering. Bei einer Neuauflage sollten die Herausgeber ein kritisches Augenmerk auf die Zusammenfassungen legen.
Das Sachverzeichnis ist unvollständig. Als das Rezensentenexemplar eintraf, wollte ich etwas zum Thema Nikotin nachlesen: Fehlanzeige im Sachverzeichnis, weder Nikotin noch Nicotin sind dort aufgeführt. Erst nach einigem Suchen fand ich die gewünschte Information auf Seite 423.
Noch ein Hinweis für Käufer der Hardcover-Version: Bei meinem Rezensentenexemplar war der Schnitt eines Druckbogen unvollständig mit dem Ergebnis, dass Teile der letzten Seite des Abkürzungsverzeichnisses ausgerissen wurden. Deshalb empfiehlt sich eine Prüfung.
Zusammenfassend gibt es viel Licht, aber auch Schatten. Manche Kapitel enthalten Fehler, die für einen Anfänger nicht ohne weiteres erkennbar sind. Der Fortgeschrittene findet viele nützliche Informationen. Für die nächste Auflage wäre eine stärkere – und medizinisch korrekte – Betonung klinischer Bezüge in mehreren Kapiteln wünschenswert. Zudem sollten die Zusammenfassungen sowie das Sachverzeichnis geprüft und überarbeitet werden. Einige Abbildungen der Hardcover-Version bedürfen einer Überarbeitung.