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Offizielle Stellungnahme des BsAfB-Vorstands zur Novellierung der (Muster)Weiterbildungsordnung „Arbeitsmedizin“

Die Stellungnahmen von DGAUM und VDBW liegen vor. In vielen Punkten konnten sie Konsens erzielen, z. B. die Änderung der Gebietsbezeichnung in „Arbeitsmedizin und Prävention“ und die Aufgliederung der Facharztkompetenzen in 15 verschiedene Kompetenzblöcke. In diesen Punkten stimmt auch der Vorstand des BsAfB inhaltlich im Wesentlichen überein.

Der 360-Stunden-Kurs „Arbeitsmedizin“ soll für die Zusatzbezeichnung auf 300 Stunden gekürzt werden. Hierzu bedarf es allerdings nicht der Auslassung wichtiger Kompetenzen wie klinischer Umweltmedizin, Umwelttoxikologie, Gesundheitsökonomie, Versorgungsforschung, Gesundheitsmanagement, Management, Kommunikation und betriebswirtschaftliche Grundlagen (Kompetenzblöcke 12-15). Bei dem ersten Kompetenzblock „Grundlagen der klinischen Medizin“ fällt auf, dass die Inhalte auch zu den Facharztkompetenzen der Allgemeinmediziner und Internisten gehören. Bei genauer Durchsicht der geforderten Kompetenzen findet man viele weitere, die in der langjährigen Weiterbildungszeit zu FÄ für Innere und Allgemeinmedizin erworben werden, sie könnten also anerkannt werden. Für diese Ärztinnen und Ärzte könnte der Kurs Arbeitsmedizin also auf 300 Stunden verkürzt werden, ohne Qualifikationsunterschiede zwischen Ärzten, die die bisherige Weiterbildung Arbeitsmedizin absolvieren und Ärzten, die einen „zweiten Bildungsweg“ nach erfolgter Niederlassung beschreiten, entstehen zu lassen. Dies gilt analog auch für die Anerkennung von Weiterbildungszeiten. DGAUM und VDBW setzen sich für eine Anerkennung von Weiterbildungszeiten in anderen Fachgebieten ein, konsequenter Weise sollte dies auch in der anderen Richtung gelten.

Mehr als die Hälfte der arbeitsmedizinisch tätigen Ärzte sind Ärzte mit der Zusatzbezeichnung Betriebsmedizin. Vor ca. zehn Jahren gab es eine einschneidende Änderung in der Weiterbildungsordnung. Von diesem Zeitpunkt an wurden längere Weiterbildungszeiten bei einem ermächtigten Arzt gefordert. Diese Änderung machte es bereits niedergelassenen Ärzten quasi unmöglich, die Gebietsbezeichnung oder die Zusatzbezeichnung zu erwerben. Niedergelassene Ärzte dürfen nach aktuellem Berufsrecht nicht zeitgleich in der Weiterbildung sein. Die verheerenden Folgen zeigen sich in der katastrophalen Überalterung der Betriebsärzte.

Weil es im arbeitsmedizinischen Aufgabenbereich ohne die bereits niedergelassenen Ärzte zu erheblichen Versorgungsengpässen kommen muss, beschloss der letzte Deutsche Ärztetag die Zusatzbezeichnung Betriebsmedizin beizubehalten. Bei der Diskussion dieser Frage wird immer völlig übersehen, dass es nicht daran liegt, ob eine Gebietsbezeichnung oder Zusatzbezeichnung erworben wird, sondern dass das Nadelöhr darin besteht, dass der bereits Niedergelassene praktisch nicht in der Lage ist, Weiterbildungszeiten bei einem ermächtigten Arzt zu erwerben.

Gerade in der Frage Zusatzbezeichnung Betriebsmedizin konnten sich DGAUM und VDBW nicht auf einen Konsens einigen. Arbeitsmediziner, Betriebsarzt und Werksarzt – drei unterschiedliche Bezeichnungen schaffen in der Öffentlichkeit Verwirrung. Die Europäische Union, die bereits 2005 die unterschiedlichen Bezeichnungen FA für Innere Medizin, Internist und FA für Innere- und Allgemeinmedizin gerügt hat, wird diese unterschiedlichen Bezeichnungen im Rahmen der europäischen Harmonisierung auf Dauer nicht dulden. Für alle Berufe ist die Freizügigkeit innerhalb der europäischen Mitgliedsstaaten vorgesehen. Das bedeutet, die verschiedenen Anerkennungen müssen vergleichbar sein.

Nach Auffassung des BsAfB-Vorstands könnte eine Lösung folgendermaßen aussehen: Auf die Zusatzbezeichnung Betriebsmedizin wird verzichtet. Auch der VDBW setzt sich ja dafür ein, dass die langjährig betriebsmedizinisch tätigen Kolleginnen und Kollegen die Gebietsbezeichnung erlangen können – so wie es in anderen Fachgebieten schon häufig praktiziert wurde. Pragmatisch wäre folgendes Vorgehen: Alle Ärzte mit der Zusatzbezeichnung Betriebsmedizin, die drei Jahre einen „geeigneten Betrieb“ (400 Stunden Grundbetreuung und betriebsspezifische Betreuung zählen ein Jahr) betreut haben, erhalten analog einer Weiterbildung bei einem ermächtigten Arzt die Facharztbezeichnung. Alle Betriebsärzte, die fünf oder zehn Jahre betriebsmedizinisch tätig waren, müssen ebenfalls keine zusätzliche Prüfung ablegen. Die übrig bleibenden Ärzte mit der Zusatzbezeichnung Betriebsmedizin können sich einer Facharztprüfung stellen.

Im Sinne einer in der Öffentlichkeit und international eindeutigen und anerkannten Berufsbezeichnung sollte man eine Gebietsbezeichnung wählen; gleiche Tätigkeit – gleiche Bezeichnung!

Wenn man versuchen würde, all den Kollegen, die aktiv als Betriebsärzte tätig sind, eine Facharztprüfung anzubieten, ergäbe sich ein kaum lösbares bürokratisches Problem. Wir haben nicht die Kapazitäten, mehreren Tausend Betriebsärzten eine Facharztprüfung in einem angemessenen Zeitraum anzubieten.

Da man auf die Rekrutierung weiterer Arbeitsmediziner aus den Reihen der bereits Niedergelassenen nicht verzichten kann, muss die Definition des weiterbildungsermächtigten Arztes, bzw. der Weiterbildungsstelle, geändert werden: Der bereits freiberuflich praktizierende Arzt wählt einen Tutor aus dem Bereich der arbeitsmedizinisch tätigen Ärzte mit „neuer Weiterbildungsermächtigung“. Bei den Vorsorgeuntersuchungen müssen jeweils durch einen Weiterbildungsermächtigten oder Tutor Anleitungen stattfinden und die vorläufige Bewertung überprüft werden, dies gilt auch für Arbeitsschutzausschuss-Sitzungen, Betriebsbegehungen u. a. In beiden Weiterbildungswegen sind die gleichen theoretischen Kurse und der Erwerb von Facharztkompetenzen und regelmäßige Besprechungen mit einem ermächtigten Arzt bzw. Tutor obligatorisch. Bei gleicher Facharztkompetenz darf es keine Qualitätsunterschiede geben.

Mit diesen vorgeschlagenen Maßnahmen ließe sich, der sich abzeichnende Arbeitsmedizinermangel abmildern oder verhindern. Aktuell haben Unternehmen und Behörden in Ostdeutschland und den Flächenländern Bayern und Niedersachsen große Schwierigkeiten einen Betriebsarzt zu finden. Auf der anderen Seite würden hier gerne niedergelassene Internisten und Allgemeinmediziner diese Aufgabe übernehmen.

Durch die gemeinsame Berufsbezeichnung Facharzt für Arbeitsmedizin und Prävention gäbe es ein gut definiertes Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit, bei den Unternehmern und den Arbeitnehmern. Widersprüche zum Europäischen Recht würden vermieden. Die Notwendigkeit, in einigen Jahren erneut Ärzte für arbeitsmedizinische Dienstleistungen mit unzureichender Qualifikation zuzulassen, würde nicht erforderlich. Das Ansehen der Arbeitsmedizin insgesamt würde verbessert.

Der BsAfB-Vorstand:

Dr. med. Uwe Ricken,

FA für Allgemeinmedizin, Betriebsmedizin, Lehrbeauftragter der Universität Osnabrück, info@bsafb.de

Silke Kretzschmar,

FÄ für Arbeitsmedizin

Dr. med. Ingo Ochlast

FA für Arbeitsmedizin und

Allgemeinmedizin

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