Sonstiges

Chancen und Risiken einer Deregulation. Paradigmenwechsel im Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Bundesrepublik Deutschland
Chances and risks of deregulation. A change of paradigms in occupational safety and health in Germany

Zusammenfassung
Zum 01.01.2005 traten mehrere neue Verordnungen, Richtlinien und die neue berufsgenossenschaftliche Vorschrift ߃¼ber Betriebs߃¤rzte und Fachkr߃¤fte f߃¼r Arbeitssicherheit (BGV A2) in Kraft, die eine grunds߃¤tzliche Neuorientierung des betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes darstellen. Der Gesetzgeber gibt allgemeine Schutzziele vor, die Umsetzung und damit die Ausf߃¼hrungsverantwortung liegt beim Unternehmer. Dieser muss eine umfassende Beurteilung der Gef߃¤hrdungen in seinem Unternehmen erstellen und daraus entsprechende Schutzma߃Ÿnahmen ableiten, umsetzen und ߃¼berpr߃¼fen. Die dazu teilweise erforderlichen Ausf߃¼hrungsbestimmungen werden erst in der Zukunft erarbeitet werden. Somit entsteht eine gewisse Rechtsunsicherheit. Der Bedarf an Beratung durch fachkompetente Personen wie Betriebs߃¤rzte und Fachkr߃¤fte f߃¼r Arbeitssicherheit m߃¼sste daher zunehmen.

Summary
With new laws and rules becoming effective with the beginning of the year 2005 the intention of the goals of health protection and work safety has changed fundamentally in Germany. The legislative defines general goals in occupational health safety only, the responsibility of proper actions to reach these goals is delegated to the organizations. Supporting rules are lacking and are intended to be developed later. Therefore, an uncertain situation occurs. There will be an increasing demand for advice by experts in occupational medicine and work safety.

Zum 01.01.2005 ist ein Paradigmenwechsel in den gesetzlichen Grundlagen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes in der Bundesrepublik Deutschland vollzogen worden.
Viele Organisationen (Gro߃Ÿ- und Kleinunternehmen, Einrichtungen ߃¶ffentlicher Verwaltungen, Institutionen), sahen sich seit Jahren durch zahlreiche Vorschriften mit konkreten Pr߃¼ffristen und Regelungen in ihrer t߃¤glichen Arbeit behindert. Unter dem Druck, auch EU-Richtlinien in nationales Recht umsetzen zu m߃¼ssen, haben das Bundesministerium f߃¼r Wirtschaft und Arbeit und die Tr߃¤ger der gesetzlichen Unfallversicherung auf die Forderungen der Unternehmen reagiert und sich zum Ziel gesetzt, sowohl
ߢ”‚¬Â¢ die Anzahl der Rechtsvorschriften durch Zusammenf߃¼hrungen von Vorschriften zu verringern,
ߢ”‚¬Â¢ den Detailliertheitsgrad der Vorschriften zu verringern und in allgemeine Schutzzielvorgaben zu ߃¼berf߃¼hren und
ߢ”‚¬Â¢ das Verh߃¤ltnis von staatlichem Recht und Unfallverh߃¼tungsvorschriften zur Vermeidung von Doppelregelungen neu zu ordnen.
Gesetzlich festgelegt wird nur, dass Besch߃¤ftigte in ihrer Gesundheit bei der Arbeit nicht gef߃¤hrdet werden d߃¼rfen. Die Ausf߃¼hrungsverantwortung ist auf die Unternehmen ߃¼bergegangen.
Der Gesetzgeber hat den Systemwechsel mit der Inkraftsetzung der Betriebssicherheitsverordnung im Jahr 2002 eingeleitet. In den Folgejahren bis 2004 wurden daraufhin bereits eine gro߃Ÿe Zahl von Unfallverh߃¼tungsvorschriften au߃Ÿer Kraft gesetzt und das Vorschriftenwerk der gesetzlichen Unfallversicherungstr߃¤ger neu gestaltet. Novelliert wurde 2003 das Arbeitssicherheitsgesetz, im Mai 2004 das Chemikaliengesetz und im August 2004 das Arbeitsschutzgesetz (Tab. 1). Ebenfalls im August wurde die Arbeitsst߃¤ttenverordnung radikal vereinfacht.
Basierend auf den Gesetzes߃¤nderungen traten zum 1.1.2005 die teilweise erheblich ge߃¤nderte Gefahrstoffverordnung, Betriebssicherheitsverordnung, Biostoffverordnung und die Gentechniksicherheitsverordnung in Kraft (Tab.1). In der Folge wurde die Anwendung der TRGS au߃Ÿer Kraft gesetzt, die aber als Auslegungshilfen, soweit sie mit der neuen Regelung noch konform sind, weiter genutzt werden k߃¶nnen. ߃œbergangsregelungen sind nicht vorgesehen.
Die Einf߃¼hrung und Umsetzung dieser Gesetze, Verordnungen und Regelungen werden in der Anfangsphase mit erheblichen Umsetzungsschwierigkeiten verbunden sein, da notwendige Ausf߃¼hrungsbestimmungen noch fehlen und erst im Laufe der n߃¤chsten Jahre erarbeitet werden k߃¶nnen. In dieser Situation wird kompetente fachkundige Beratung f߃¼r die Unternehmen immer wichtiger.

Neue Begrifflichkeiten und Definitionen

Mit der Novellierung der Gefahrstoffverordnung sind neue Begriffe in den Arbeits- und Gesundheitsschutz eingef߃¼hrt worden (Arbeitsplatzgrenzwert, biologischer Grenzwert, Schutzstufenkonzept), die zun߃¤chst teilweise noch ohne konkrete Ausgestaltung in der t߃¤glichen Umsetzung des Gesetzes zu erheblichen (Rechts-)Unsicherheiten f߃¼hren k߃¶nnen.

Abschaffung der bisherigen Grenzwerte (MAK, TRK, BAT)

Besonders herauszuheben ist die Abschaffung der bisher bekannten Grenzwerte am Arbeitsplatz wie MAK-, TRK- und BAT-Werte, die durch den Arbeitsplatzgrenzwert (ABW) und den biologischen Grenzwert (BGW) ersetzt werden.
Der Arbeitsplatzgrenzwert ist ein Grenzwert f߃¼r die zeitlich gewichtete durchschnittliche Konzentration eines Stoffes in der Luft am Arbeitsplatz, bei dem akute oder chronische sch߃¤dliche Auswirkungen auf die Gesundheit im allgemeinen nicht zu erwarten sind.
Der biologische Grenzwert ist ein Grenzwert f߃¼r die toxikologisch-arbeitsmedizinisch abgeleitete Konzentration eines Stoffes, seines Metaboliten oder eines Beanspruchungsindikators im entsprechenden biologischen Material, bei dem im Allgemeinen die Gesundheit eines Besch߃¤ftigten nicht beeintr߃¤chtigt wird. Dieser Grenzwert ersetzt den alten BAT-Wert. Die Einhaltung des BGW ist zuk߃¼nftig zu kontrollieren, soweit entsprechende Grenzwerte zur Verf߃¼gung stehen. Dies ist nur f߃¼r sehr wenige Stoffe der Fall. Es bietet sich jetzt aber auch die M߃¶glichkeit der Beurteilung dermaler oder oraler Expositionen durch Hautkontakt oder Verschlucken, die auch zur Beurteilung mangelnder individueller Hygiene am Arbeitsplatz von Bedeutung sein werden.
Die technische Richtkonzentration (TRK-Wert), die als Richtwert f߃¼r eine Stoffkonzentration eines krebserzeugenden Arbeitsstoffes existierte, wurde ersatzlos gestrichen. In der Folge sind zuk߃¼nftig deutliche Grenzwertabsenkungen f߃¼r die ehemaligen TRK-Stoffe zu erwarten.

Aufwertung der Gef߃¤hrdungsbeurteilung

Die Pflicht der Erstellung einer schriftlichen Gef߃¤hrdungsanalyse ist sowohl durch die GefStoffV als auch durch die BGV A2 nunmehr auf alle Unternehmen unabh߃¤ngig von ihrer Gr߃¶߃Ÿe und Anzahl der Besch߃¤ftigten ausgedehnt worden. Die Anforderungen an die Gef߃¤hrdungsanalyse sind pr߃¤zisiert und ausgeweitet worden und werden viele Unternehmen vor schwierig zu l߃¶sende Probleme stellen. Es muss verbindlich eine m߃¶gliche Gef߃¤hrdung durch einen Stoff unter Betrachtung des konkreten Einsatzes im Unternehmen beurteilt werden. In der Gef߃¤hrdungsbeurteilung m߃¼ssen nun auch m߃¶gliche Kombinationswirkungen ber߃¼cksichtigt werden. Dies wird schon auf Grund oft fehlender wissenschaftlicher Erkenntnisse schwierig. Dazu sind alle Stoffe und Zubereitungen im Unternehmen daraufhin zu ߃¼berpr߃¼fen, ob sie Gefahrstoffe sind, also mindestens ein Gefahrenmerkmal nach ߂§ 3a des Chemikaliengesetzes erf߃¼llen. Sicherheitsdatenbl߃¤tter sind zur Informationsbeschaffung ein wichtiger Bestandteil der Gef߃¤hrdungsbeurteilung. Die Anforderungen an Sicherheitsdatenbl߃¤tter wurden pr߃¤zisiert. Auch alle ߢ”‚¬Å¾ohne weiteresߢ”‚¬Å“ zug߃¤nglichen Informationen sind zur Gef߃¤hrdungsbeurteilung heranzuziehen, wobei dieser Begriff die Grenzen des ߢ”‚¬Å¾ohne weiteresߢ”‚¬Å“ offen l߃¤sst. Der Verzicht auf eine detaillierte Dokumentation ist bei ߢ”‚¬Å¾geringerߢ”‚¬Å“ Gef߃¤hrdung m߃¶glich, muss aber nachvollziehbar schriftlich begr߃¼ndet sein.

Schutzstufenkonzept als Resultat der Gef߃¤hrdungsbeurteilung

In Abh߃¤ngigkeit von der ermittelten Gef߃¤hrdung greift dann das neue Schutzstufenkonzept. Der Arbeitgeber darf eine T߃¤tigkeit mit Gefahrstoffen erst zulassen, wenn gem߃¤߃Ÿ der Gef߃¤hrdungsbeurteilung festgelegte Schutzma߃Ÿnahmen getroffen wurden. Die Schutzma߃Ÿnahmen sind in einem Stufenkonzept nach insgesamt 4 Schutzstufen gegliedert (Tab.2). Die jeweilige Schutzstufe f߃¼r den Besch߃¤ftigten wird durch die H߃¶he der ermittelten Gef߃¤hrdung festgelegt und zieht konkrete Forderungen nach Gestaltung des Arbeitsplatzes, Messungen und arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen, um nur einige Punkte zu nennen, nach sich.

Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung: Pflicht- und Angebotsuntersuchungen

Bei der arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchung wird k߃¼nftig zwischen Pflichtuntersuchungen und Angebotsuntersuchungen unterschieden.
Pflichtuntersuchungen werden ausgel߃¶st, wenn am Arbeitsplatz T߃¤tigkeiten, von denen man eine Gesundheitsgef߃¤hrdung annimmt, durchgef߃¼hrt werden
ߢ”‚¬Â¢ mit im Anh. V Nr. 1 GefStffV aufgef߃¼hrten Gefahrstoffen oder
ߢ”‚¬Â¢ bei im Anh. V Nr. 2.1 GefStffV genannten T߃¤tigkeiten.
Diese Pflichtuntersuchungen sind zuk߃¼nftig Voraussetzung daf߃¼r, dass der Arbeitnehmer erstmals oder weiterhin mit einer potenziell gef߃¤hrdenden T߃¤tigkeit betraut werden darf.
In den ߃¼brigen F߃¤llen ist unter bestimmten Bedingungen den Arbeitnehmern die M߃¶glichkeit zu einer arbeitsmedizinischen Untersuchung zu geben (Angebotsuntersuchung). In jedem Fall muss durch den Arbeitgeber eine entsprechende arbeitsmedizinisch-toxikologische Beratung veranlasst werden.
Eine wesentliche ߃”€žnderung betrifft dabei auch die Berechtigung, diese Untersuchungen durchzuf߃¼hren. Es d߃¼rfen nur noch ߃”€žrzte mit der Fachgebietsbezeichnung ߢ”‚¬Å¾Arbeitsmedizinߢ”‚¬Å“ oder der Zusatzbezeichnung ߢ”‚¬Å¾Betriebsmedizinߢ”‚¬Å“ arbeitsmedizinische Untersuchungen durchf߃¼hren. Ein formales Erm߃¤chtigungsverfahren wird nicht mehr durchgef߃¼hrt. Der Betriebsarzt muss bei fehlender Erfahrung weitere, entsprechend qualifizierte ߃”€žrzte mit der Untersuchung beauftragen und das Untersuchungsergebnis hinsichtlich m߃¶glicher Bedenken oder Auflagen bei der Ausf߃¼hrung der T߃¤tigkeit bewerten.
Zumindest im Geltungsbereich der GefStoffV setzt diese Regelung auch andere Bestimmungen im berufsgenossenschaftlichen Regelwerk, insbesondere der BGV A2 und BGV A4, mit sofortiger Wirkung au߃Ÿer Kraft.
Durch die ߃”€žnderung des Arbeitsschutzgesetzes und die ߃”€žnderung in den Gefahrstoffverordnungen war es auch notwendig, die Biostoffverordnung und die Gentechniksicherheitsverordnung an das neue Konzept des Arbeitsschutzes anzupassen. Eine wesentliche ߃”€žnderung ist, dass arbeitsmedizinische Pflichtuntersuchungen im Geltungsbereich der Biostoffverordnung oder in der Gentechniksicherheitsverordnung durchgef߃¼hrt werden m߃¼ssen, wenn es sich um T߃¤tigkeiten mit biologischen Gef߃¤hrdungen, die impfpr߃¤ventabel sind, handelt oder um chronisch-sch߃¤digende Arbeitsstoffe bei regelm߃¤߃Ÿiger T߃¤tigkeit mit erh߃¶hter Gef߃¤hrdung. Eine Untersuchungspflicht entf߃¤llt, sobald ein ausreichender Immunschutz hergestellt wurde. Die T߃¤tigkeit mit akut gesundheitssch߃¤dlichen biologischen Arbeitsstoffen l߃¶st keine verpflichtende Vorsorgeuntersuchung mehr aus, da hier nur eine Feststellung der gesundheitlichen Geeignetheit festgestellt werden k߃¶nnte.
Andererseits wurde der Kreis der gef߃¤hrdeten Personen, die einer Pflichtuntersuchung unterliegen, wesentlich ausgeweitet. Beispielweise z߃¤hlen J߃¤ger, F߃¶rster, Arbeiter, die mit F߃¤kalien und Abw߃¤ssern in Ber߃¼hrung kommen und Besch߃¤ftigte in Einrichtungen mit vorschulischer Kinderbetreuung zum betreuten Personenkreis, da hier impfpr߃¤ventabel Risiken gegen߃¼ber Hepatitis A, B, Tollwut, Fr߃¼hsommermeningoenzephalitis, Borrelia burgdorferi oder den ߃¼blichen Kinderkrankheiten bestehen k߃¶nnen.

Risiko der Deregulierung: Ausf߃¼hrungsverantwortung des Unternehmers

Die Deregulierung der konkreten Vorschriften zum Arbeits- und Gesundheitsschutz im Sinne einer Beschr߃¤nkung des Gesetzgebers auf die Definition allgemeiner Schutzziele und der Wegfall von Vorschriften und Gesetzen mit detaillierten Regelungen bedeuten im Umkehrschluss aber auch, dass die Unternehmen sich im Falle eines Unfallgeschehens nicht mehr auf einschl߃¤gige (Pr߃¼f-)Vorschriften zur߃¼ckziehen k߃¶nnen, sondern gegen߃¼ber der Beh߃¶rde nachweisen m߃¼ssen, dass alle vorhersehbaren potentiellen Gefahren in der Gef߃¤hrdungsbeurteilung ausreichend ber߃¼cksichtigt waren. Es besteht eine unverz߃¼gliche Meldepflicht des Unternehmers an die Beh߃¶rden ߃¼ber jeden Unfall und jede Betriebsst߃¶rung, die bei T߃¤tigkeiten mit Gefahrstoffen zu einer ernsten Gesundheitssch߃¤digung bei Besch߃¤ftigten gef߃¼hrt haben. Meldepflichtig sind auch Krankheits- oder Todesf߃¤lle, bei denen konkrete Anhaltspunkte f߃¼r eine Verursachung durch eine T߃¤tigkeit mit Gefahrstoffen besteht. Der Begriff ߢ”‚¬Å¾T߃¤tigkeitߢ”‚¬Å“ ist sehr weit gefasst und schlie߃Ÿt beispielsweise das Auftreten von Gefahrstoffen im Sinne von Nebenprodukten oder Verunreinigungen bei der Zubereitung oder Herstellung anderer Stoffe mit ein. Der Gesetzgeber hat ausdr߃¼cklich festgelegt, dass die Beh߃¶rden raschen Zugriff auf die mit dem Arbeits- und Gesundheitsschutz zusammenh߃¤ngenden Gef߃¤hrdungsbeurteilung und die der Beurteilung zugrunde liegenden Informationen und Dokumentationen haben k߃¶nnen und hat in allen Verordnungen auch Bu߃Ÿgeld-, Ordnungswidrigkeiten- und Straftatbest߃¤nde eingef߃¼hrt.
Letztlich werden die Unternehmen dazu gedr߃¤ngt, Verfahren hinsichtlich ihrer Gef߃¤hrlichkeit zu minimieren, um den sonst erforderlichen, teilweise kostenintensiven Aufwand (Messungen, geeignete Zugangsbeschr߃¤nkungen f߃¼r nicht mit den Gefahrstoffen Besch߃¤ftigte, technische Ma߃Ÿnahmen) reduzieren zu k߃¶nnen.

߃”€žnderung der Betreuungsform von Unternehmen

Gleichzeitig mit der ߃”€žnderung der gesetzlichen Grundlagen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes im Betrieb haben bisher 12 Berufsgenossenschaften auch die Vorgaben der Betreuung der Betriebe in der neu geschaffenen BGV A2, der berufsgenossenschaftliche Unfallverh߃¼tungsvorschrift ߢ”‚¬Å¾Betriebs߃¤rzte und Fachkr߃¤fte f߃¼r Arbeitssicherheitߢ”‚¬Å“ in Kraft gesetzt, die die bisherigen BGVen A6 (Fachkr߃¤fte f߃¼r Arbeitssicherheit) und A7 (Betriebs߃¤rzte) ersetzen (Tab. 3). Die ߃¼brigen Berufsgenossenschaften werden im Laufe des Jahres folgen. Die Anpassungen waren ebenfalls notwendig geworden, um sich der Intention des Gesetzgebers zur Ver߃¤nderung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes in Deutschland anpassen zu k߃¶nnen.
Betriebe mit weniger als 10 Mitarbeitern wurden aus der bisherigen Regelversorgung herausgenommen. Sie haben nun die M߃¶glichkeit, zwischen einer alternativen, bisher als Unternehmermodell bekannten Betreuungsform oder einer Variante mit einer Grundbetreuung und anlassbezogenen Betreuungen zu w߃¤hlen. Festgelegte j߃¤hrliche Pflichtbetreuungsstunden wie bisher gibt es nicht mehr. Wesentliche Voraussetzung f߃¼r alle weiteren Schritte ist die Erstellung einer schriftlichen Gef߃¤hrdungsbeurteilung.
Bei der Wahl des alternativen Betreuungsmodells muss der Unternehmer sich an Schulungs- und Motivationsma߃Ÿnahmen seiner Berufsgenossenschaft beteiligen. Zus߃¤tzlich muss er sich bedarfsorientiert durch Betriebs߃¤rzte und Fachkr߃¤fte f߃¼r Arbeitssicherheit betreuen lassen. Bei der Wahl des Regelmodells Grund- und anlassbezogene Betreuung erfolgt die Grundbetreuung abh߃¤ngig vom ermittelten tats߃¤chlichen Gef߃¤hrdungspotenzial in Abst߃¤nden von 1 bis 5 Jahren insbesondere zur Erstellung und ߃œberpr߃¼fung der Gef߃¤hrdungsbeurteilung. Bei sich daraus ergebenden Gef߃¤hrdungspotenzialen wird eine anlassbezogene Betreuung durch die Fachkraft f߃¼r Arbeitssicherheit, den Betriebsarzt oder externe Spezialisten f߃¼r die jeweilige Fragestellung notwendig.
Betriebe mit bis zu 50 Mitarbeitern (bei der BG f߃¼r Fahrzeughaltung bis 30 Mitarbeiter) haben ebenfalls Wahlm߃¶glichkeiten im Sinne des modifizierten Unternehmermodells mit der haupts߃¤chlichen Verantwortung der Ma߃Ÿnahmen durch den Unternehmer selbst und mit bedarfsorientierter Betreuung durch Betriebs߃¤rzte und Fachkr߃¤fte f߃¼r Arbeitssicherheit. Andererseits k߃¶nnen diese Betriebe genau wie Betriebe mit mehr als 50 Mitarbeitern, die keine diesbez߃¼gliche Wahlm߃¶glichkeit haben, sich f߃¼r die Regelbetreuung entscheiden. Hier werden ߃¤hnlich wie bei der bisherigen Betreuung j߃¤hrliche Mindesteinsatzzeiten f߃¼r Betriebs߃¤rzte und Fachkr߃¤fte f߃¼r Arbeitssicherheit ermittelt. Allerdings ist die Ermittlung der Einsatzzeiten nunmehr nicht mehr allein an die Gr߃¶߃Ÿe des Unternehmens bzw. die Anzahl der Mitarbeiter gekoppelt, sondern auch an die konkreten Gef߃¤hrdungen, die in diesem Betrieb bestehen, so dass die aktuelle Gef߃¤hrdungsbeurteilung Grundlage f߃¼r den Betreuungsbedarf der jeweiligen Firma ist.

Zuk߃¼nftige Entwicklungen

Die bisher eingeleiteten Ver߃¤nderungen und der nunmehr durch das Bundeskabinett bereits verabschiedete Entwurf eines Pr߃¤ventionsgesetzes werden in Zukunft immer mehr zu einem integrierten Ansatz der Pr߃¤vention und Gesundheitsf߃¶rderung als eigenst߃¤ndige S߃¤ulen in allen Zweigen der Sozialversicherungen f߃¼hren. Pr߃¤vention und Gesundheitsf߃¶rderung werden wesentlicher Bestandteil in allen ߢ”‚¬Å¾Lebensweltenߢ”‚¬Å“, so auch in der Lebenswelt ߢ”‚¬Å¾Arbeitsplatzߢ”‚¬Å“. Dies erg߃¤nzt das bisherige System des Arbeits- und Gesundheitsschutzes durch ߃”€žnderung des Verhaltens des Einzelnen und der Verh߃¤ltnisse in seiner Umgebung mit dem Ziel der pr߃¤ventiven Gesundheitserhaltung und des individuellen Wohlbefindens.
F߃¼r den Unternehmer bedeutet dies, dass er wesentlich mehr eigene Aktivit߃¤ten entwickeln muss, um der gesetzlichen Vorgabe des umfassenden Gesundheitsschutzes f߃¼r seine Mitarbeiter effektiv nachkommen zu k߃¶nnen. Im Falle eines Unfalls ist es nicht mehr m߃¶glich, sich auf den Nachweis der Einhaltung von gesetzlichen Vorgaben von Pr߃¼ffristen zur߃¼ckzuziehen. Nunmehr wird ermittelt, ob die Gef߃¤hrdungsbeurteilung m߃¶gliche Gef߃¤hrdungen nach dem Stand der Technik und der Zumutbarkeit ausreichend ber߃¼cksichtigt hat, zur Festlegung von konkreten Schutzzielen gef߃¼hrt hat und das Erreichen, die Effektivit߃¤t und die Einhaltung dieser Schutzziele auch hinreichend ߃¼berpr߃¼ft wurden. Die Nichteinhaltung der Vorgaben wird nunmehr bereits im Gesetzestext mit der Androhung von Sanktionen von Ordnungswidrigkeitsgeldern bis strafrechtlicher Verfolgung untermauert.
Neben der Erf߃¼llung rein gesetzlicher Vorgabe ist eine umfassender Pr߃¤vention am Arbeitsplatz notwendig, um auch dauerhaft unternehmerische Erfolge zu erreichen. Betrieblich gef߃¶rderte Gesunderhaltung der absehbar zunehmend ߃¤lter werdenden Belegschaft durch Optimierung der (Arbeits-) verh߃¤ltnisse sowohl ergonomisch als auch organisatorisch und Beeinflussung des (Gesundheits-)verhaltens jedes einzelnen Mitarbeiters f߃¼hren neben einem m߃¶glichst niedrigem Krankenstand auch zu einer verbesserten Identifikation mit dem Unternehmen und seinen Zielen und damit auch zu messbarem wirtschaftlichen Erfolg.
Auf dem Weg dahin ist die Unterst߃¼tzung des Unternehmens durch qualifizierte Betriebs߃¤rzte und Fachkr߃¤fte f߃¼r Arbeitssicherheit unerl߃¤sslich. Der Beratungsbedarf des Unternehmens wird deutlich steigen. Damit steigen aber auch die Anforderungen an die Qualifikation der Betriebs߃¤rzte und Fachkr߃¤fte f߃¼r Arbeitssicherheit. Untersuchungen und Messungen werden zwar ihren Platz in diesem System behalten. Wesentlich wichtiger wird es sein, dass Betriebs߃¤rzte und Fachkr߃¤fte f߃¼r Arbeitssicherheit Problemstellungen in den Betrieben und Handlungsbedarf selbstst߃¤ndig erkennen, geeignete Ma߃Ÿnahmen vorschlagen und durchf߃¼hren k߃¶nnen, um das Ziel einer umfassenden Pr߃¤vention im Unternehmen erreichen zu k߃¶nnen. Coaching der F߃¼hrungskr߃¤fte, Stress- und Konfliktmanagement, Suchtpr߃¤vention, Erhalten der Leistungsf߃¤higkeit ߃¤lterer Mitarbeiter, Wiedereingliederung von Leistungsgewandelten und Mitarbeit bei der Einf߃¼hrung eines betrieblichen Gesundheitsmanagements sind wichtige zuk߃¼nftige Aufgabengebiete. Dabei werden sich Betriebs߃¤rzte und Fachkr߃¤fte f߃¼r Arbeitssicherheit, die bisherigen Vertreter des klassischen betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes, zuk߃¼nftig auch auf die Zusammenarbeit mit anderen Spezialisten beispielsweise aus der Psychologie st߃¼tzen m߃¼ssen.
Damit bietet sich aber die Chance, die notwendige Deregulierung im Arbeits- und Gesundheitschutz als Sprungbrett f߃¼r eine neue Qualit߃¤t eines umfassenden Gesundheitsmanagements zum Wohle des einzelnen Besch߃¤ftigten als auch der gesamten Organisation zu nutzen.

Anschrift der Verfasser:
Dr.-Ing. Dirk-Matthias Rose, IAS Institut f߃¼r Arbeits- und Sozialhygiene Stiftung,
Steinh߃¤userstra߃Ÿe 19, 76135 Karlsruhe,
Tel.: (0721) 82 04 -104 , Fax: (0721) 82 04 – 440
E-Mail: D.Rose@ias-stiftung.de

Dr.-Ing. Birgit Liesemeier, IAS Institut f߃¼r Arbeits- und Sozialhygiene Stiftung,
Allee der Kosmonauten 47, 12681 Berlin,
Tel.: (030) 547 83 – 101, Fax: (030) 541 40 86,
E-Mail: B.Liesemeier@ias-stiftung.de

D.-M. Rose, B. Liesemeier, IAS Institut für Arbeits- und Sozialhygiene Stiftung

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