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Neuer Impfstoff in Deutschland zugelassen

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Der StAR bewertet derzeit in Kooperation mit der STIKO die weitere verfügbare Evidenz zu dem Impfstoff im Detail und wird hierzu eine gemeinsame Empfehlung veröffentlichen.

Dengue-Fieber wird durch ein Flavivirus verursacht, das in vier verschiedenen Serotypen in einem breiten und expandierenden Gürtel im Verbreitungsgebiet des Hauptvektors, Aedes aegyptii, vorkommt. Die Hälfte der Weltbevölkerung in 129 Ländern gilt als gefährdet; die WHO geht von 96 Mio. manifesten Erkrankungen pro Jahr aus, 70% davon in Asien (1).

Dengue-Fieber ist die häufigste reiseassoziierte Arbovirose in Deutschland (2) und gilt für beruflich Reisende als Berufskrankheit (3).

Dengue-Fieber ist typischerweise durch hohes Fieber mit einem zweigipfligen Fieberverlauf, Kopf- und starken Gliederschmerzen, einem masernähnlichen Hautausschlag, einer deutlichen Thrombopenie und einer hämorrhagischen Diathese gekennzeichnet.

Schwere Dengue-Verläufe mit Schock, Hämorrhagien und Beeinträchtigung der Funktion vitaler Organe werden häufiger bei erneuter Infektion sowie bei Erstinfektionen durch Dengue-1 (DENV-1) und Dengue-3 (DENV-3) gesehen (12).

Aufgrund der verschiedenen Serotypen kann man mehrfach an Dengue-Fieber erkranken, da die resultierenden Antikörper nur kurze Zeit kreuzprotektiv wirken. Das erklärt die Schwierigkeiten bei der Impfstoffentwicklung. Eine Impfung muss ausreichende und langanhaltende Immunität gleichzeitig gegen alle vier Serotypen hervorrufen. Entstehen Impflücken gegen einzelne Serotypen, könnten diese im Falle einer folgenden Wildtypinfektion einen schweren Verlauf wie bei einer Re-Infektion begünstigen (4).

Impfstoffe

Eine erste Impfung gegen Dengue-Fieber wurde auf der Basis eines chimären Gelbfieber-Lebendvirus hergestellt und unter dem Namen Dengvaxia® eingeführt. Da dieser Impfstoff in zahlreichen Fällen, vor allem im Rahmen einer Impfkampagne bei Kindern auf den Philippinen zu einem erhöhten Risiko für schwere Verläufe bei nachfolgender Wildtypinfektion führte, erfuhr Dengvaxia® 2017 eine Indikationseinschränkung auf Personen nach einer gesicherten Erstinfektion.

Dengvaxia® wird dreimal gegeben und ist auch in Europa zugelassen, jedoch nur für Bewohner Dengue-endemischer Gebiete (z.B. Überseegebiete der Niederlande und Frankreichs) mit zudem dokumentiert durchgemachter Dengue-Infektion. Für reguläre Reisende ist der Impfstoff nicht zugelassen und in Deutschland auch nicht verfügbar.

Seit Dezember 2022 ist nun eine weitere Lebendimpfung gegen Dengue-Fieber (Qdenga®) auf Empfehlung der EMA durch die EU-Kommission bei Personen ab 4 Jahren in Europa zugelassen (5).

Es handelt sich um eine tetravalente Lebendvakzine auf der Basis des DENV-2.

Die Impfung wird zweimal im Abstand von drei Monaten ausschließlich s.c. gegeben und erzeugt unterschiedlich hohe Schutzraten gegen die vier DENV-Serotypen (7–10). Die Schutzwirkung bei zuvor Infizierten ist bei dieser Impfung grundsätzlich höher als bei Menschen die noch keine Dengue-Infektion durchgemacht haben.

Wirksamkeitsdaten von Qdenga®

Für eine Bewertung der Wirksamkeit liegen vier Publikationen (7–10) und die Fachinformation (6) vor.

Nach 54 Monaten betrug die generelle Wirksamkeit gegen virologisch bestätigtes DENV-Fieber aller Serotypen 61.2%, gegen Hospitalisierung wegen schwerem Dengue-Fieber 84.1% (6).

Die Wirksamkeit bei Seronegativen (SN) gemittelt über alle DENV-Serotypen betrug 53,5% gegen eine DENV-Infektion, gegen Hospitalisierung wegen schwerem Dengue-Fieber 79.3%. Die Wirksamkeit bei Seropositiven (SP) betrug 64.2% respektive 85.9% (Tabelle 4 in (6)).

Subgruppenanalysen 3 Jahre nach der 2. Impfung (Tabelle 1 in (7) und Tabelle 4 in (6)) zeigten z.T. unbefriedigende Ergebnisse:

  • fehlende Wirksamkeit bei SN gegen DENV-Infektion und Hospitalisation durch DENV-3
  • fehlende Wirksamkeit bei SN gegen DENV-Infektion durch DENV-4
  • fehlender Nachweis eines Schutzes bei SN und SP gegen Hospitalisation durch DENV-4 aufgrund nicht-ausreichender Erkrankungszahlen in den Studienpopulationen.

Es gibt Hinweise für ein frühes Einsetzen des Schutzes zwischen den beiden Impfungen mit einer explorativen Schutzwirkung von 81% gegen DENV-Fieber aller Serotypen bei allerdings kleinen Fallzahlen (6, 8).

Zu keinem Zeitpunkt konnten im Gegensatz zu Dengvaxia® bis zu 54 Monate nach der Impfung Signale für einen schweren Verlauf durch eine Wildtypinfektion bei zuvor seronegativ Geimpften beobachtet werden. Eine Serotestung vor Impfung ist daher nicht erforderlich (7–10).

Bei ca. der Hälfte der SN-Geimpften (11) und bei 16% der SP-Geimpften wurde in der zweiten Woche nach der Erstimpfung mit Qdenga® eine vorübergehende Impfvirämie beobachtet. Sie dauerte durchschnittlich vier Tage und ging mit leichten bis mittelschweren Symptomen einher, wie Kopfschmerzen, Arthralgie, Myalgie und Ausschlag bei einigen Probanden. Nach der zweiten Dosis wurde dies nur selten beobachtet.

Zu beachten ist, dass die Impfung zweimal im Abstand von drei Monaten zu geben ist und daher eine frühzeitige Beratung voraussetzt.

Eine Kombination mit der Hepatitis A und der Gelbfieberimpfung ist untersucht und möglich. Die Antikörperantworten für DENV waren nach gleichzeitiger Verabreichung von Qdenga® und Gelbfieberimpfstoff allerdings verringert (6). Die Wechselwirkungen und Kontraindikationen gemäß der Fachinformation sind zu beachten, z.B. der vierwöchige Abstand zu anderen Lebendimpfungen (6).

Vorläufige Bewertung für die
Reisemedizin in Deutschland

Eine abschließende Bewertung für die Reisemedizin ist nicht einfach. Wie bei vielen Zulassungsstudien wurde auch hier die Impfung nicht in allen potentiellen Zielgruppen geprüft, z.B. nicht in Älteren, schwangeren Frauen und Vorerkrankten. Für die Extrapolation auch auf diese, u.U. besonders vulnerablen und daher von einer Impfung speziell profitierenden Gruppen sollte daher jenseits der harten Evidenz tatsächlich auch Raum für Expertenmeinungen sein.

Die erzielbaren Schutzraten sind vergleichbar mit denen gegen die saisonale Influenza, für die eine breite reisemedizinische Indikation gestellt wird.

Nach gegenwärtigem Wissensstand würden in der reisemedizinischen Praxis nach Abwägung von Nutzen und Risiko vor allem folgende Personen von einer Impfung mit Qdenga® profitieren:

  • Langzeit- oder häufig Reisende, z.B. beruflich Entsandte in Dengue-endemische Gebiete
  • Visiting Friends and Relatives (VFR) aus Dengue-endemischen Gebieten, die häufige oder längere Aufenthalte dort planen
  • Personen, die bereits eine DENV-Infektion durchgemacht haben und in ein Land mit hohem Risiko für eine Dengue-Übertragung reisen
  • Personen mit dem Risiko eines schweren Verlaufs gemäß WHO (12), die in ein Gebiet mit hohen Risiko für eine Dengue-Übertragung reisen
  • Frauen, die eine Schwangerschaft in einem Gebiet mit hohem Risiko für eine Dengue-Infektion austragen wollen (cave: Qdenga® ist als attenuierter Lebendimpfstoff während der Schwangerschaft kontraindiziert und eine Schwangerschaft sollte bis 4 Wochen nach der Impfung verhindert werden (6)).

Die WHO sieht ein höheres Risiko für einen schweren Verlauf eines Dengue-Fiebers bei Schwangeren, bei älteren und adipösen Menschen, Menschen mit schweren und chronischen Vorerkrankungen, Patienten mit Ulkuskrankheit, Bluterkrankungen und Gerinnungsstörungen sowie bei Patienten unter Steroiden und NSAR (12).

In der tropenmedizinischen Praxis wird, wie grundsätzlich bei vielen Indikationsstellungen für Reiseimpfungen, die Kenntnis der aktuellen infektionsepidemiologischen Lage vor Ort, die Kenntnis der genauen Reiseplanung und das Wissen um die persönlichen Risikofaktoren des Reisenden für die Abschätzung des konkreten individuellen Risikos und damit für eine Impfempfehlung wichtig bleiben.

Literatur

WHO: https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/dengue-and-severe-dengue).

RKI Infektionsepidemiologisches Jahrbuch für 2020, Berlin 2021

DGUV. BK 3102 Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (siehe https://www.dguv.de/bk-info/icd-10-kapitel/kapitel_01/bk3102/index.jsp).

Halstead SB. Dengvaxia sensitizes seronegatives to vaccine enhanced disease regardless of age. Vaccine.2017;35(47):6355–8.

EMA – QDENGA 2022 siehe: https://www.ema.europa.eu/en/medicines/human/EPAR/qdenga

Fachinformation Qdenga® Dezember 2022

Rivera L, Biswal S, Saez-Llorens X, Reynales H, Lopez-Medina E, Borja-Tabora C, et al. Three-year Efficacy and Safety of Takeda‘s Dengue Vaccine Candidate (TAK-003). Clin Infect Dis. 2022;75(1):107–17.

Biswal S, Borja-Tabora C, Martinez Vargas L, Velasquez H, Theresa Alera M, Sierra V, et al. Efficacy of a tetravalent dengue vaccine in healthy children aged 4–16 years: a randomised, placebo-controlled, phase 3 trial. Lancet. 2020;395(10234):1423–33.

Biswal S, Reynales H, Saez-Llorens X, Lopez P, Borja-Tabora C, Kosalaraksa P, et al. Efficacy of a Tetravalent Dengue Vaccine in Healthy Children and Adolescents. N Engl J Med. 2019;381(21):2009–19.

Lopez-Medina E, Biswal S, Saez-Llorens X, Borja-Tabora C, Bravo L, Sirivichayakul C, et al. Efficacy of a Dengue Vaccine Candidate (TAK-003) in Healthy Children and Adolescents 2 Years after Vaccination. J Infect Dis. 2022;225(9):1521–32.

Safety and immunogenicity of a single dose of a tetravalent dengue vaccine with two different serotype-2 potencies in adults in Singapore: A phase 2, double-blind, randomised, controlled trial, Vaccine 38 (2020) 1513–1519.

WHO 2011 Comprehensive guidelines for prevention and control of dengue and dengue haemorrhagic fever. Revised and expanded edition


Ständiger Ausschuss Reisemedizin
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