02_Betrieblicher Infektionsschutz

Zehn Tipps für ein erfolgreiches Wiederhochfahren der Betriebsabläufe

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Die deutsche Bundesregierung hat in den vergangenen Tagen erneut die Kontaktbeschränkungen wegen der COVID-19-Pandemie gelockert. Auch wenn in Deutschland weiterhin ein grundsätzliches Abstandsgebot gilt, stehen alle Unternehmen vor derselben Aufgabe, seien es internationale Konzerne, Mittelständler oder Kleinunternehmen: Sie müssen den Betrieb so schnell wie möglich wieder hochfahren und gleichzeitig die körperliche und psychische Gesundheit ihrer Mitarbeiter sicherstellen.

„In dem Maß, in dem die Wirtschaft ihren Betrieb wieder aufnimmt, stehen die Unternehmen besonders in der Fürsorgepflicht gegenüber ihren Mitarbeitern, um ihre körperliche und psychische Gesundheit zu gewährleisten“, sagt Dr. Stefan Eßer, Regionaler Ärztlicher Leiter Zentraleuropa bei International SOS. „Um in dieser Zeit erfolgreich zu sein, braucht es ein Vertrauens- und Transparenzverhältnis zwischen Mitarbeitern und Führungskräften, das arbeitsmedizinisch unterstützt wird und einen besonderen Schwerpunkt auf den sozialen Dialog legt.“

Der neue SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard der Bundesregierung hilft den Arbeitgebern bei der Umsetzung der Schutzmaßnahmen, die beim Wiederhochfahren der Betriebsabläufe einzuhalten sind. Gemäß dem Standard hat der Arbeitgeber die Verantwortung für die Umsetzung notwendiger Infektionsschutzmaßnahmen entsprechend dem Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung. Der Arbeitgeber hat sich von den Fachkräften für Arbeitssicherheit und Betriebsärzten beraten zu lassen sowie mit den betrieblichen Interessensvertretungen abzustimmen. Möglicherweise sind externe Experten für Infektionskrankheiten einzubeziehen.

Über die grundlegenden Hygiene- und Abstandsregeln hinaus (die zum Beispiel für die Reinigung von Räumen und die Anordnung der Arbeitsplätze eine Rolle spielen), sehen die Experten von International SOS zehn große Herausforderungen, die sich in der ersten Phase des Wiederhochfahrens stellen und die die besondere Aufmerksamkeit der Führungskräfte und Manager benötigen.

  1. Arbeitsumgebung anpassen: Unternehmen müssen Strategien dafür entwickeln, wie die Arbeit und die vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen aufeinander abzustimmen sind. Die Wege zur Arbeit und nach Hause sind als Bestandteile der Arbeitsumgebung zu verstehen – auch hier sollte das Management dafür Sorge tragen, dass die Mitarbeiter ihr Risiko begrenzen. Maßnahmen zur Eindämmung des Risikos sind z. B. Social Distancing bzw. Isolierung, grundlegende Hygiene-, Gesundheits- und medizinische Maßnahmen sowie Gesundheitsfragebögen.
  2. Kommunikation und Transparenz. Die Mitarbeiter brauchen absolutes Vertrauen in die Sicherheit ihres Arbeitsumfelds und das Gefühl, dass ihre Gesundheit für das Management oberste Priorität hat. Das bedeutet kontinuierliche, transparente und objektive Informationen über die Maßnahmen, die das Unternehmen ergreift, um alle Arbeitskräfte vor der Übertragung der Krankheit zu schützen.
  3. Nur gesicherte Informationen. Die Angst vor einer zweiten COVID-19-Welle hat Fehlalarme und unvollständige Informationen zur Folge. Das kann den reibungslosen Betrieb der Unternehmen stören und die Entscheidungen des Managements wie auch das Verhalten der Belegschaft auf falsche Weise beeinflussen. Es ist daher wichtig, Informationen über die tatsächliche Lage ausschließlich aus seriösen Quellen zu beziehen.
  4. Zentrale Rolle für die Arbeitsmedizin. Wenn die lange Zeit der Unsicherheit zum Ende kommt, sollte die Arbeitsmedizin eine zentrale Rolle im Prozess des Wiederhochfahrens spielen. Sie kann als vertrauenswürdige Verbindung zwischen Mitarbeitern, Betriebsrat und Management von entscheidender Bedeutung sein, wenn es um Beratung, Information und die Verwaltung persönlicher Gesundheitsdaten geht, insbesondere in Bezug auf Tests.
  5. Psychisches Wohlbefinden schützen. Viele Menschen kommen destabilisiert aus der Zeit der Isolierung, der Kurzarbeit im Homeoffice und der verminderten körperlichen Aktivität. Das führt zu Stress oder sogar zu Suchtverhalten. Für gefährdete Mitarbeiter sollten daher die notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, mit denen ihre psychische Gesundheit gefördert werden kann. Sofern es ein Konzept für das Wohlbefinden der Mitarbeiter am Arbeitsplatz gibt, sollte dieses Element integriert werden.
  6. Fehlzeiten im Auge behalten. Es gibt während der Epidemie eine Vielzahl von Gründen, warum Mitarbeiter nicht am Arbeitsplatz sind – medizinische, persönliche oder familiäre, Selbstisolation, Quarantäne oder Homeoffice. Dadurch haben Unternehmen häufig kein klares Bild über Abwesenheitsgründe. Daher ist eine Überprüfung der Arbeitsdynamik und der einzelnen Funktionen im Betrieb sinnvoll, um für diese Ausnahmesituation erforderliche Anpassungen vorzunehmen.
  7. Entsendete und beruflich Reisende besonders schützen. Viele Unternehmen haben Mitarbeiter, die dauerhaft im Ausland arbeiten und das auch während der bisherigen Coronavirus-Pandemie getan haben. Dort hat sich die Situation verändert: In einigen Ländern Lateinamerikas und Afrikas hat die Coronavirus-Krise zu wirtschaftlichen Konsequenzen geführt, die soziale Spannungen und höhere Kriminalität nach sich gezogen haben. Die Sicherheit entsandter Mitarbeiter und ihrer Angehörigen sowie international Reisender muss daher mehr denn je Priorität haben.
  8. Arztgeheimnis beachten. Die immunologische Disposition jedes Mitarbeiters, das persönliche Risikoprofil und der mögliche Kontakt mit dem Virus Sars-CoV-2 können Informationen sein, die für die Wiederaufnahme der Arbeit von Bedeutung sind. Allerdings fallen sie unter die ärztliche Verschwiegenheitspflicht. Um den vertrauensvollen Umgang miteinander zu wahren, ist das Management daher gut beraten, datenschutzrechtliche Vorschriften und die Rechte der Mitarbeiter zu respektieren.
  9. Soziale Verantwortung stärken.
    Unternehmen müssen auf die Sicherheit ihrer Lieferanten und Kunden achten. Allgemeiner gesagt tragen sie eine Verantwortung für Unternehmen und gesellschaftlichen Gruppen, mit denen sie in Kontakt kommen, insbesondere in Gebieten im In- oder Ausland, die von Coronavirus- und Wirtschaftskrise stark betroffen sind. Das sollte die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen wieder in den Vordergrund rücken, insbesondere Punkt 3: „ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters.“
  10. Stärkung der Cybersicherheit. Telearbeit und der vermehrte Einsatz digitaler Tools im Homeoffice haben zu einem starken Anstieg potenzieller Schwachstellen in den Computernetzen der Unternehmen geführt. Außerdem nehmen Online-Betrugsversuche zu, die sich die Situation zunutze machen wollen (falsche Angebote zum Kauf von Masken, Desinfektionsmitteln oder Hygieneprodukten). Diese Punkte brauchen gerade in den ersten Tagen, wenn ein Betrieb wieder hochgefahren wird, besondere Aufmerksamkeit.

Kontinuierlich aktualisierte Materialien und Informationen zum COVID-19-Ausbruch stehen unter

www.internationalsos.com/client-magazines/novel-coronavirus zur Verfügung.


Insbesondere Kleinst-Unternehmen sowie kleine und mittelständische Unternehmen verfügen häufig nicht über die Instrumente und Ressourcen, die in Zeiten einer Pandemie eine Risikoplanung zum Schutz der Beschäftigten ermöglichen. Die Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM) und der Verband für Sicherheit, Gesundheit und Umweltschutz bei der Arbeit (VDSI) bieten jetzt Hilfe an: In Zusammenarbeit mit der Universitätsmedizin in Mainz und der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf wurden kostenfreie Planungstools entwickelt, um die Rechtssicherheit für Unternehmer*innen und den Schutz der Beschäftigten in diesen Unternehmen gleichermaßen zu verbessern. Es stehen ab sofort drei web-basierte Anwendungen in Form von Checklisten zur Verfügung, die eine Hilfestellung bei der Rückkehr aus dem Shutdown (RecoveryPlan) sowie bei der Planung und Vorbereitung von dienstlichen Auslandsreisen (RABiT) und der Pandemieplanung (PanPlan) geben.

Alle drei Tools finden Sie unter www.gesundekmu.de.

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