03_Aktuelles

Kommentar zu Kunz et al., ERGOMED

Univ.-Prof. Dr. med. Thomas KrausInstitut für Arbeits-, Sozial- und

UmweltmedizinUniklinik, RWTH Aachen

Der Autor des Artikels „Notwendige Änderungen in der sicherheitstechnischen und arbeitsmedizinischen Betreuung der Betriebe“ propagiert eine zügige Novellierung der DGUV V2.

Die geplanten Änderungen der DGUV V2 wie

1. Abschaffung der Mindesteinsatzzeit von 20% des Anteils an den Grundbetreuungszeiten

2. Erhöhung der Schwellenwerte für die Anwendung des Unternehmermodells

3. Modifizierte Berechnung der Einsatzzeiten bei den Teilzeitkräften

4. Ausweitung von Ausnahmeregeln, wenn keine betriebsärztliche Betreuung vorhanden sei

hätten erhebliche Auswirkungen auf die praktische Tätigkeit für Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit sowie deren Kapazitäten für einzelne Beschäftigte in den Unternehmen. Zu befürchten und vom Autor auch angedeutet ist ein Rückschritt in Zeiten vor Inkrafttreten der ArbMedVV, als betriebsärztliche Versorgung noch verbreitet als reine Untersuchungsmedizin („G-Medizin“) praktiziert wurde. Zudem ist in Zeiten der Pandemie betriebsärztlicher Sachverstand viel mehr in den Betrieben gefragt, und dies gilt sowohl für die Grundbetreuung als auch für die betriebsspezifische Betreuung, z. B. für besonders schutzbedürftige Beschäftigte. Insofern geht die intendierte Novellierung der DGUV V2 am Bedarf vorbei.

Es ist erstaunlich, dass der Autor postuliert, dass die Vorgaben der DGUV Vorschrift 2 aktuell in der Fläche nicht mehr erfüllbar seien. Es fehlen Belege, dass Sie jemals in der Vergangenheit erfüllt wurden und welchen Beitrag die Aufsichtsbehörden zur Erfüllung geleistet haben und leisten.

Zuzustimmen ist dem Autor, dass der Wandel der Arbeitswelt neue Herausforderungen in der arbeitsmedizinischen und sicherheitstechnischen Betreuung mit sich bringt. Es sollte aber nicht verschwiegen werden, dass die genannten Disziplinen sich diesen Herausforderungen seit Jahren stellen, u.a. indem die Curricula der Fort- und Weiterbildungsinhalte angepasst wurden und weitere Fachdisziplinen bei Bedarf mit einbezogen werden. Auch die Novellierung der Musterweiterbildungsordnung für Ärzte hat dazu geführt, dass Mediziner mit vielfältigem fachärztlichen Hintergrund betriebsmedizinisch tätig werden, um sich den Herausforderungen zu stellen.

Weiterhin beschreibt der Autor, dass mehrere Millionen betriebsärztliche Stunden fehlen würden. Diese Annahmen beruhen auf alten Zahlen, die bis 2011 erhoben wurden aus der zitierten Studie von Barth et al.. Es darf an dieser Stelle nicht verschwiegen werden, dass keine der damals erarbeiteten Annahmen sich bewahrheitet haben. Sowohl die Zahl der Betriebsärztinnen und Betriebsärzte als auch die Altersstruktur sind stabil und keines der damals postulierten Szenarien ist eingetreten. Vielmehr haben sich die Zahlen an den Weiterbildungsakademien und bei den neuen Fachärzten sehr positiv entwickelt.

Veraltete und durch die tatsächliche Entwicklung widerlegte Zahlen als Begründung für die Notwendigkeit einer Änderung der DGUV V2 heranzuziehen, ist abzulehnen.

Es sollte ebenfalls nicht verschwiegen werden, dass sich das Betreuungsproblem nachweislich vor allem auf die Klein- und Kleinstbetriebe fokussiert. Hier sollten u.E. innovative Betreuungsmodelle (z.B. Zentrumsmodell, Unternehmermodell, Telemedizin) durchaus interdisziplinär angelegt und unabhängig wissenschaftlich begleitet, erprobt werden. Die Betreuung von Klein- und Kleinstbetrieben muss für die beteiligten Akteure attraktiver werden und der Wert muss für diese Unternehmen besser vermittelt werden.

Aus unserer Sicht sollte zukünftig der Fokus auf eine Verbesserung der Betreuung der Klein- und Kleinstbetriebe gelegt werden, um die zweifellos vorhandenen Versorgungslücken bestmöglich zu schließen. Dazu bedarf es einer engen Zusammenarbeit von Fachgesellschaften und Verbänden, DGUV, BGen, BMAS und BÄK.

Die DGAUM ist zu einer gemeinsamen Entwicklung innovativer Versorgungskonzepte gerne bereit.

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