04-Corona

Zu laut für den Unterricht

Geschichtlicher Ablauf

Im Frühjahr 2020 griff die Corona-Pandemie auch auf Deutschland über. In der Folge wurde beim harten Lockdown der Präsenzunterricht an den Schulen eingestellt. Überlegungen, wie man diesen wieder möglich machen kann, führten unter anderem dazu, dass ein Hersteller von Lüftungsgeräten an der Universität der Bundeswehr in München-Neubiberg eine Untersuchung über die Filterleistung von Umluft-Filteranlagen beauftragte. Der Bericht6 wurde im August 2020 veröffentlicht. Demnach sollen solche Anlagen geeignet sein, die Virenbelastung der Innenraumluft erheblich zu reduzieren. In der Folge wurden Forderungen erhoben, die Schulen mit solchen Umluft-Filteranlagen auszustatten. Vorreiter soll – für den Schutz der Pädagog:innen – aussagegemäß die GEW gewesen sein. Das veranlasste wiederum zahlreiche Firmen, ohne lange vorangehende Entwicklungen und sorgfältige Untersuchungen, solche Geräte zu produzieren und anzubieten. Wenn diese Geräte in den Klassenräumen im Soll-Betriebszustand laufen, beklagen sich Lehrer und Schüler über die zu lauten Geräusche mit der Folge, dass die geförderte Luftmenge reduziert wird. Vermittelt durch das Referat „Lärm“ bei der DGUV erhielt der Verfasser die Anfrage aus einer süddeutschen Kreisstadt, welche sich schon vor der Bestellung der Geräte mit dem Geräuschproblem befasste. Zum damaligen Zeitpunkt lagen nur Ergebnisse von in-situ-Kurzmessungen mit geringer Aussagekraft vor. Deshalb basierte die erste Stellungnahme[5] ausschließlich auf (wenigen) Schallmessungen im Prüfstand. Dieser Bericht führte zu Anfragen direkt von einigen Schulen (nicht den Schulträgern) und daraus ergaben sich dann, verstreut über das Bundesgebiet, etliche Schallmessungen, über die hier anhand einzelner Beispiele berichtet wird.

In zwei Fällen wurde von den städtischen Verwaltungen berichtet, man habe vorab umfangreiche Untersuchungen vorgenommen, weil man von der Geräusch-Problematik wusste. Dennoch sei – gegen deren Rat – von den Politikern entschieden worden, die Geräte anzuschaffen, um Lehrer und Eltern zu beruhigen. Dabei wurde nicht nur unsachlich argumentiert, sondern zum Teil auch polemisiert: Weile statt Eile bzw. das große Nichts für unsere Schulkinder!

Die Messergebnisse aus den verschiedenen Schulen sind zwar relativ ähnlich, aber doch immer wieder unterschiedlich. Das ist durch folgende Umstände begründet:

  • Die Besetzungsdichte mit Tischen und Stühlen reicht von 7 bis zu 28 Plätzen.
  • Dadurch sind nicht überall freie Messpfade vorhanden.
  • Die Möblierung variiert von „Halbkreis“ über „in-Reih-und-Glied“ bis zur „freien Aufstellung“.
  • Dadurch gab es nur in wenigen Fällen geordnete Messpunkte.
  • Die Aufstellung der Raumluft-Filteranlagen in den Klassenräumen ist sehr unterschiedlich nach dem Motto „wo ist denn noch Platz“?
  • Sie stehen deshalb in Raumecken, mittig vor der Rückwand oder der Flurwand, in einem Fall sogar am Fenster.
  • Auch die Aufstellung zwischen Schränken und Regalen ist nicht selten (mit entsprechender Beeinträchtigung der Luftströmung auf der Ansaugseite).

Die Auswahl der hier vorgestellten Beispiele erfolgte im Hinblick auf eine gute Nachvollziehbarkeit für die Leserschaft.

Untersuchungen an der UNI-BW

Die von einem Geräte-Hersteller am Institut für Strömungsmechanik und Aerodynamik der Universität der Bundeswehr in München-Neubiberg beauftragten Untersuchungen zur Wirksamkeit der Umluft-Filterung erfolgten an einer Raumluft-Filteranlage TROTEC TAC V+, der die folgenden Merkmale aufweist7:

  • Maximaler Volumenstrom etwa 1500 m³/h.
  • Filter der Klasse F7 und H14.
  • Reinigung der Filter durch Erhitzung auf über 100°C.
  • Trotz des Gewichts von 89 kg auf Rollen leicht verfahrbar.
  • Grundfläche etwa 0,5 m x 0,5 m bei einer Höhe von 1,3 m.
  • Die Luft wird von unten angesaugt und nach oben ausgeblasen.
  • Die Angaben zur Geräuschentwicklung des Gerätes auf der Internetseite des Herstellers sind ohne jede Aussagekraft.

Die Untersuchungen erfolgten in einem quadratischen Raum, der bei 9 m Kantenlänge mit 81 m² eine etwas größere Grundfläche als ein üblicher Klassenraum hat (65 bis 70 m²). Bei nur 2,5 m Höhe (üblich ca. 3 m) liegt aber etwa das entsprechende Volumen von 200 m³ vor. In dem Bericht wird ausgesagt, dass für eine sachgerechte Virenreduktion eine sechsfache Luftumwälzung je Stunde, also ein Luftvolumenstrom von 1200 m³/h, notwendig sei. Das ist die dreifache Menge dessen, was man bei konventionellen zentralen Lüftungsanlagen mit Frischluft-Fortluft-Betrieb für die Kohlendioxid(CO2)-Abfuhr benötigt. Die Raumluft-Filteranlagen beseitigen aber kein CO2, lüften muss man also zusätzlich.

Empfehlungen von UBA und VDI

Das UBA8 hat im Juli 2021 eine Empfehlung veröffentlicht, die auf einer Zusammenarbeit mit der VDI-KRdL9 basieren. Von dieser wurde die Empfehlung VDI-EE 4300–1410 herausgegeben. Darin heißt es u. a: Neben dem Lüften über Fenster kann zusätzlich eine Unterstützung der Virenreduktion über die Installation einfacher Zu-/Abluftanlagen oder den Einsatz mobiler Luftreiniger erfolgen. Mobile Luftreiniger stellen dabei keinen Ersatz des Lüftens über Fenster, sondern gegebenenfalls eine sinnvolle Ergänzung dar. Die VDI-Expertenempfehlung11 legt Prüfbedingungen für mobile Luftreiniger in Bezug auf ihre Wirksamkeit zur Reduktion der Virenbelastung in einem realen Raum fest.

In VDI-EE 4300–14 sind u. a. folgende Vorgaben aufgeführt:

  • Aufstellpositionen im Raum entsprechend der Anweisungen der Hersteller
  • Filterklassen wie HEPA H13
  • Sicherheit und Schutz vor Vandalismus
  • Luftvolumenstrom für mobile Luftreinigungsgeräte, der mindestens dem 4-fachen Luftwechsel pro Stunde entspricht
  • Geräuschentwicklung bei dem geforderten Luftvolumenstrom nach ASR A3.7 (z. B. für Schulen Schalldruckpegel kleiner/gleich 35 dB(A))
  • Behaglichkeitsaspekte (Vermeiden von Zugluft)
  • Reinigungsleistung bei Filtergeräten (Effizienz der Filterung 90%, Prüfung im Labor unter realraumähnlichen Bedingungen)

Die leichte Verfahrbarkeit der Geräte, wie sie bei dem von der UNI-BW getesteten vorliegt, führt dazu, dass die Geräte sich nicht (mehr) am optimalen Standort befinden, sondern nach einiger Zeit offenbar nach Bedarf umgestellt werden.

Geräuscherzeugung

Kenngröße für die Geräuschabgabe von Lüftungsgeräten ist der sogenannte „Schallleistungspegel“ LW (Emission). Er ist nur vom Betriebszustand, insbesondere vom Volumenstrom und der Pressung, abhängig und wird aus Messwerten im reflexionsfreien Schallmessraum errechnet. Typischerweise werden die Schallleistungspegel in Prüfberichten für verschiedene Leistungsstufen getrennt aufgeführt. Nur dadurch kann man die Gerätedaten auch leistungsbezogen vergleichen.

In den untersuchten Geräten einiger Hersteller sind zusätzlich auch Grob- und Feinstaub- sowie Aktivkohle-Filter eingebaut. Die Überwindung jeder Filterstufe benötigt zusätzlichen Luftdruck, erhöht also bei gleichem Volumenstrom die „Pressung“. Bezogen auf eine bestimmte Filter-Kombination ist die Angabe des Volumenstromes zum Schallleistungspegel ausreichend.

Direkt messbar ist mit einem Schallpegelmesser aber nicht der Schallleistungspegel, sondern nur der „Schalldruckpegel“ Lp an einem bestimmten Punkt im Raum (Immission). Dieser ist zusätzlich zum Volumenstrom auch abhängig vom Messraum-Volumen, der Nachhallzeit und dem Abstand zwischen dem Lüftungsgerät und dem Schallpegelmesser. Fehlen eine oder mehrere der vier Angaben, so sind die Messergebnisse von Schalldruckpegeln wertlos. Dagegen kann man bei bekanntem Schallleistungspegel für einen Raum mit bekanntem Volumen und bekannter Nachhallzeit den in einem bestimmten Abstand vom Gerät zu erwartenden Schalldruckpegel errechnen.

Beim Volumenstrom besteht ein linearer Zusammenhang zum Schallleistungspegel, bei der Pressung jedoch ein quadratischer: jede Verdoppelung des Volumenstromes erhöht also den Schallleistungspegel um 3 dB, jede Verdoppelung der Pressung erhöht ihn aber um 6 dB. Weil die Pressung mit zunehmenden Volumenstrom auch größer wird, erhöht sich der Schallleistungspegel bei Volumenstrom-Verdoppelung also zwischen 6 und 10 dB, je nach Filtern. Deshalb werden bei einigen Herstellern augenscheinlich nur HEPA-Filter eingebaut, aber weder Staub- noch Aktivkohle-Filter. Der Verzicht auf Staubfilter dürfte aber auf Dauer wegen der Luft-Ansaugung direkt über dem Fußboden ungünstig sein, weil dadurch die HEPA-Filter verschmutzen und somit die erforderliche Pressung doch wieder ansteigt oder der Luftvolumenstrom abnimmt.

Klassenräume haben typischerweise ein Raumvolumen von ca. 200 m³. Bei einem sechsfachen Luftwechsel müssen also 1200 m³/h Luft bewegt werden. Demnach sind in jeder Sekunde 1200 m³/h / 3600 s/h = 1/3 m³/s zu bewegen. Die Anlagen müssen also in jeder Sekunde etwa den Luftinhalt von zwei Badewannen fördern. Dass so etwas nicht geräuschlos vonstattengehen kann, müsste jedem klar sein.

Besonderheiten dezentraler Anlagen

Lüftungsanlagen mit Zu- und Abluft, Frisch- und Fortluft müssen für hygienische Verhältnisse die Raumluft in jeder Stunde zweimal austauschen, um die CO2-Konzentration ausreichend niedrig zu halten. Das sind bei den typischen Klassenraumgrößen etwa 400 m³/h. Für Raumluft-Filteranlagen im Umluft-Betrieb wird nach den UNI-BW-Untersuchungen aber ein sechsfacher Luft-Umlauf gefordert, also 1200 m³/h (nach UBA/VDI nur mindestens vierfach). Die Luft muss zudem mit einem hohen Druck durch die sehr feinen HEPA-Filter gepresst werden. Beides führt gegenüber normalen Lüftungsanlagen zu einer deutlich erhöhten Geräuschentwicklung. Der Schall wird auch nicht nur aus den Ansaug- und Ausblasöffnungen abgestrahlt, sondern zum Teil auch vom Geräte-Gehäuse. Normale Lüftungsanlagen stehen meist in einer Technikzentrale, also weit weg von den Klassenräumen, und in die Kanäle sind zusätzliche Schalldämpfer eingebaut. Alles das fehlt bei den dezentralen Raumluft-Filteranlagen.

Einzuhaltender Schallpegel

Im Juni 2021 veröffentlichte die DGUV eine sogenannte „Gefährdungsbeurteilung“ für Luftfilteranlagen in öffentlichen Gebäuden12. Enthalten ist auch ein Absatz zum Thema „Lärmschutzanforderungen“. „Bereits bei der Anschaffung von Geräten muss darauf geachtet werden, dass die angegebenen Schallleistungen auch bei der angestrebten Leistungsstufe eingehalten werden“, heißt es dort als Empfehlung. Und: „Viele Hersteller geben die Schallleistung nicht bei der maximalen Einstellung an.“ Diese Hinweise bieten den Nutzern/Käufern aber nur wenig Hilfestellung.

In der Richtlinie des BMWI13 werden allerlei Förder-Voraussetzungen aufgeführt. Angaben zu den einzuhaltenden Schallleistungs- oder Schalldruckpegeln sind aber auch dort nicht zu finden.

Die Schalldruckpegel, welche in Klassenräumen während des Unterrichts auf die Schüler:innen einwirken dürfen, sind in verschiedenen Regelwerken einheitlich aufgeführt. In DIN 4190–114 und in DIN 1804115 sind die Anforderungen bzgl. maximal zulässiger Geräusche von gebäudetechnischen Anlagen in Unterrichtsräumen mit LAF,max,n ≤ 35 dB(A) bzw. LNA,Bau ≤ 35 dB(A) vorgegeben. Während nach DIN 4109 „etwa in Raummitte“ gemessen werden soll, ist in DIN 18041 ausdrücklich festgelegt, dass der Schalldruckpegel an dem der Schallquelle nächstbenachbarten Zuhörerplatz zu erfassen ist. VDI 208116 benennt diesen Schallpegel für die Lüftungsanlagen-Geräusche und in der ASR A3.717 ist er als zulässiger „Hintergrund-Schallpegel“ angegeben. Dieser Wert ist auch in der Experten-Empfehlung VDI-EE 4300–14 aufgeführt.

Die BSB18 benennt als „idealen Schallpegel“ einen Wert von 40 dB(A) und gibt als „Toleranzgrenze“ sogar 45 dB(A) an. Der Freistaat Bayern hat seine Förderrichtlinie19 novelliert. Waren dort zunächst ebenfalls bis zu 40 dB(A) zulässig, heißt es jetzt: Der Schalldruckpegel muss im Normalbetrieb mit den Anforderungen an einen geordneten Unterrichts- und Kitabetrieb vereinbar sein. Die Geräte dürfen im Dauerbetrieb einen Schalldruckpegel möglichst von 35 dB(A), jedenfalls aber von 40 dB(A) nicht überschreiten. In etlichen anderen Vorschriften ist der Grenzwert von 45 dB(A) aufgeführt. Das geschah offenbar vor dem Hintergrund, dass die meisten am Markt erhältlichen Geräte um etwa 10 dB lauter sind als die sachgerechten 35 dB(A).

In der BSB-Handreichung heißt es beschwichtigend: Die Geräte senden ein sonores Brummen / Rauschen zwischen 35 Dezibel und 45 Dezibel und sind wie Tischventilatoren mehrstufig oder stufenlos einstellbar. Ein Hersteller schreibt auf seiner Webseite: Der Geräuschpegel im Dauerbetrieb bei 1.150 m³/h Nennvolumenstrom liegt bei angenehmen 50 dB(A). In der zugehörigen Betriebsanleitung sind dagegen – etwas ehrlicher – 55 dB(A) aufgeführt. Zu demselben Gerät heißt es in einem Zeitungsbericht: Schüler eines münsterischen Berufskollegs scherzten von „der Turbine“, wenn die Filteranlage loslegte.

Weil die Schallpegel-Sollwerte bei sachgerechtem Luftvolumenstrom nicht einzuhalten sind, wird vielfach die Luftmenge so weit reduziert, dass die Lautstärke erträglich bleibt; dann fördern die Geräte aber zu wenig Luft, um die angestrebte Virenarmut sicherzustellen. Hier wiegen sich alle Nutzer in falscher Sicherheit. Die Geräte laufen völlig nutzlos, kosten aber Strom. Dazu schätzt BSB in der Handreichung[18] einen Jahresstromverbrauch von 2860 MWh allein für Hamburg. Offen bleibt, ob sich dieser Wert auf den Volllast- oder sogar nur den empfohlenen Teillast-Betrieb bezieht. Während die Anschaffung der Geräte vielerorts bezuschusst wird, müssen die Schulen sämtliche Betriebskosten (Strom, Filtertausch, Wartung) selbst bezahlen.

Einige Hersteller haben ihre Geräte bereits werksseitig gedrosselt. Eigentlich könnte das Gerät eines bestimmten Herstellers 1600 m³/h leisten, ist aber begrenzt auf 750 m³/h. Einige Bundesländer sind von der Forderung eines sechsfachen Luftwechsels abgerückt und fordern nur noch fünffach, UBA und VDI sogar nur noch „vierfach“. BSB-Handreichung: Für leisen Unterricht (z.B. Klassenarbeit) sollten 45 Dezibel nicht überschritten werden, viele Geräte sollten daher nicht auf der höchsten Stufe, sondern im mittleren Lastbereich eingestellt werden.

Schallleistungspegel der Geräte

Aus einigen wenigen erhältlichen Messberichten über die Messung von Schallleistungspegeln sind die Messwerte in der Abbildung 1 in Abhängigkeit vom Volumenstrom dargestellt. Bei der rot gestrichelten Kurve musste die Zuordnung geschätzt werden, weil die Schallleistungspegel dort nur in Relation zur Drehzahl angegeben sind, nicht jedoch zum Luftvolumenstrom. Ein Hersteller war nicht bereit, die (offenbar vorhandenen) Schallleistungspegel-Angaben zur Verfügung zu stellen: Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir über die Informationen, die wir in Datenblättern und auf der Homepage zur Verfügung stellen, hinaus pauschal keine weiteren Dokumente zur Verfügung stellen können.

Die beiden blauen Linien kennzeichnen die Messwerte an Geräten von zwei verschiedenen Baugrößen desselben Herstellers. Deutlich kann man erkennen, dass das größere Gerät bei gleichem Volumenstrom um etwa 7 dB leiser ist. Auch dieses erfüllt aber noch nicht die Anforderungen, selbst dort ist bei 1200 m³/h ein erheblicher Abstand von der grünen Soll-Linie vorhanden. Das größere Gerät ist nicht nur leiser, sondern es benötigt auch weniger als 50% der elektrischen Leistung des kleinen, ist allerdings in der Anschaffung teurer.

Schallpegelmessungen in Klassenräumen

Die Klassenräume der eigenen Schallmessungen hatten durchgängig ein Volumen von etwa 200 m³, zwei Pausenhallen jeweils etwa 350 m². In 1,0 m Abstand von der Gerätevorderseite wurden die Schallpegel in 1,2 m Höhe (entspricht der Ohrhöhe sitzender Personen) gemessen. Soweit möglich erfolgten die Messungen auch bei verschiedenen Luftvolumenströmen. Beispielhaft sind in Abbildung 2 die Messergebnisse eines Gerätes mit drei Schaltstufen und ungünstiger Luftführung aufgrund scharfer Kanten dargestellt. Der maximale Volumenstrom beträgt nach Hersteller-Angabe ca. 600 m³/h. Gegenüber dem Grundgeräuschpegel im Raum von 24 dB(A) ergeben sich in den drei Schaltstufen 32, 42 und 56 dB(A). Das Spektrum wird immer breiter; die Zisch-Geräusche an den scharfen Kanten nehmen deutlich zu. Die damit verbundene Auswirkung auf die Sprachverständlichkeit wird weiter unten beschrieben.

Deutlich günstiger ist die Situation bei dem Gerät (mit nachträglich aufgesetztem Schalldämpfer) eines anderen Herstellers mit sechs Stufen nach Abbildung 3. Durch eine günstigere Luftführung tritt das Zischen nicht auf. Dennoch werden auch hier 57 dB(A) erreicht, allerdings in der höchsten Stufe bei ca. 1100 m³/h. Für diese beiden Geräte sind keine Hersteller-Angaben zu den Volumenströmen der verschiedenen Schaltstufen erhältlich. Nur die maximalen Volumenströme sind den Datenblättern zu entnehmen.

Ein weiterer Hersteller zeigt an einem Display die Luftvolumenströme in 5%-Schritten der maximalen Leistung von 740 m³/h an. Zwischen 40 % und 100 % steigt der Schallpegel von 43 dB(A) auf 56 dB(A). Bei diesem Gerät treten kaum Zisch-Geräusche auf, weil direkt unter dem Ausblas-Gitter noch ein Vlies angebracht ist. Auffällig ist bei diesem Gerät in Abbildung 4, dass bei 16.000 Hz der Schallpegel kräftig ansteigt (bis auf 26 dB). Solche Pfeif-Geräusche können für gesunde junge Ohren, bei denen der Hörbereich noch bis 20.000 Hz reicht, ausgesprochen störend wirken.

Anlässlich der Schallpegelmessungen stand kein Messgerät zur Ermittlung des tatsächlich vorhandenen Luftdurchsatzes zur Verfügung. Einige Regler arbeiten in Stufen, andere stufenlos. Deshalb war der Volumenstrom lediglich „gezielt zu schätzen“ oder den teilweise vollmundigen Hersteller-Angaben zu vertrauen. Auch die Filter-Zustände und die ggf. durch Verschmutzung bewirkte Reduzierung der Luftmenge sind unbekannt. Nicht in jedem Fall erscheinen die Hersteller-Angaben (im Verhältnis zum gemessenen Schallpegel) glaubhaft.

Der Abschlussbericht des IGTE20 an der Uni-Stuttgart zu einem Pilotprojekt an Stuttgarter Schulen kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Bei insgesamt 11 untersuchten Klassenräumen waren nur in zweien die Schallpegel kleiner als 40 dB(A), in sieben Fällen wurden aber mehr als 45 dB(A) gemessen.

Schallpegel-Abnahme im Raum

Auch die Schallpegel-Abnahme innerhalb des Klassenraumes gegenüber den Werten in 1 m Abstand ist von Interesse, um die Geräusch-Einwirkungen an verschiedenen Sitzplätzen errechnen zu können. Dazu wurden in gegenseitigen Abständen von jeweils 1,0 m – wiederum auf Ohrhöhe sitzender Personen – die dort vorhandenen Schallpegel gemessen. Für einen guten Signal-Rausch-Abstand (Abstand des zu messenden Schallpegels vom im Raum vorhandenen Fremdgeräusch) erfolgten diese Messungen grundsätzlich bei der höchsten Fördermenge, teilweise zusätzlich auch bei der vorgefundenen Einstellung. Die Abbildungen 5a und 5b zeigen beispielhaft solche Messergebnisse für die vorgefundene und die maximale Einstellung.

Deutlich ist zu erkennen, dass die Schallpegelabnahme innerhalb des Klassenraumes gegenüber den Werten in 1 m Abstand hinten vor dem Gerät (also an den Schüler-Sitzplätzen) bis hin zu 6 m Abstand vorne vor der Tafel (beim Lehrer-Standort) relativ gering ist. Hier liegt also eine sogenannte „Hallfeld-Situation“ vor. In Abbildung 6 sind die A-bewerteten Gesamtschallpegel der obigen Spektren in Abhängigkeit vom Abstand vom Gerät dargestellt. In beiden Fällen nimmt der Schallpegel von 1 m bis 6 m Abstand nur um etwa 3,5 dB ab. Als grüne horizontale Linie ist der Sollwert für den im Klassenraum einzuhaltenden Störgeräusch-Schallpegel von maximal 35 dB(A) nach DIN 4109, DIN 18041 und VDI 2081 bzw. ASR A3.7 ebenfalls eingetragen.

Anhand der roten Kurve im Vergleich mit der grünen 35 dB-Linie in der Grafik wird erkennbar, warum dieses Gerät herstellerseitig auf nur 750 m³/h gedrosselt wurde: dann kann nämlich ab etwa 3 m Abstand vom Gerät der Wert von 35 dB(A) eingehalten werden. Dabei nimmt man dann offenbar billigend in Kauf, dass die geforderte sechsfache Luftumwälzung nicht erreicht wird. Würde man zwei dieser Geräte im Raum aufstellen, dann wären durch die Überlagerung der Geräusche überall im Klassenraum die 35 dB(A) überschritten. Zwei Geräte wären dann verbunden mit doppelten Anschaffungs- und auch doppelten Betriebskosten (bei unveränderter finanzieller Förderung).

Etliche Hersteller beschreiben im Internet eine Schallpegelabnahme, welche sich an der Situation im akustischen Freifeld (Abbildung 7, graue Kurve) orientiert. Danach soll der Schallpegel bis 10 m Abstand um 20 dB geringer werden. In typischen Klassenräumen liegt die maximale Mess-Entfernung bei etwa 6 oder 7 m, in großen Räumen auch mal 8 m (und je nach Position des Gerätes im Raum auch weniger). 10 m werden aber nie erreicht. Deshalb liegen für diesen Abstand keine eigenen Messwerte vor. Die Differenz zwischen Theorie (Freifeld) und Realität (Hallfeld) ist dennoch sehr gut erkennbar. In realen Räumen nimmt der Schallpegel also deutlich weniger ab als im Freifeld (im Freien oder im reflexionsfreien „schalltoten“ Schallmessraum).

Mit dieser Internet-Darstellung entsprechend der unteren grauen Kurve wird den Käufern der Geräte vorgegaukelt, auch bei voller Leistung sei ab etwa 3 m Abstand von der Raumluft-Filteranlage „die Welt wieder in Ordnung“. Tatsächlich ist das hier betrachtete Gerät dort aber noch um 7 dB zu laut. Auch sitzen die Schüler teilweise wenige als 1 m vom Gerät entfernt, denn die Geräte werden im Klassenraum nicht unter akustischen Aspekten aufgestellt, sondern dort, wo noch Platz ist.

Die Tabelle 1 gibt eine Übersicht über die in den verschiedenen Schulen bzw. Raumen – teilweise bei unterschiedlichen Betriebszuständen – aufgenommenen Schalldruckpegel-Messwerte. Die zugehörigen Volumenströme entstammen Hersteller-Angaben und/oder Anzeigen am Lüftungsgerät. Auch die Messwerte für 5 m Abstand und die Differenz zu 1 m sind für die entsprechenden Messungen aufgeführt. Alle Messwerte sind auf volle dB gerundet. Die farbigen Markierungen kennzeichnen den jeweiligen Betriebszustand, der beim Betreten des Raumes vorgefunden wurde.

Nachhallzeit-Messungen

Für die Charakterisierung der akustischen Situation im Messraum ohne Personen erfolgten Nachhallzeit-Messungen21. In diesem Zustand des Raumes für das hier beispielhaft vorgestellte Gerät beträgt die über den gesamten ausgewerteten Frequenzbereich gemittelte Nachhallzeit Tm = 0,65 s. Diese Messungen sind für die Umrechnung der Gerätedaten vom Schallleistungspegel (Geräte-Kenngröße) auf den Schalldruckpegel im Raum (Immissions-Kenngröße) erforderlich. Bei einem Volumen des Raumes S3 K1 von etwa V = 200 m² errechnet sich nach der „Sabineschen Nachhallgleichung“ eine vorhandene äquivalente Schallabsorptionsfläche von etwas mehr als A = 50 m².

Der Hallradius rH in der letzten Spalte der Tabelle 2 kennzeichnet den Abstand, in dem bei einer punktförmigen Schallquelle der Direktschallpegel und der von den Schallreflexionen an den Raumbegrenzungsflächen erzeugte Diffusschallpegel gleich groß sind. Außerhalb des Hallradius nimmt der Schallpegel kaum noch ab. Anhand der farbig markierten Zeilen ist zu erkennen, dass auch für sehr unterschiedliche Nachhallzeiten (0,38 / 0,65) die Hallradien nur wenig variieren (1,25 / 0,98).

Schallleistungspegel /
Schalldruckpegel

Die Differenz zwischen Schallleistungspegel und Schalldruckpegel wird für punktförmige Schallquellen wie folgt errechnet:

Der erste Term in der Klammer beschreibt die durch den Abstand r bewirkte Pegelminderung, der zweite die Pegelminderung durch die Schallabsorption A. Im Freifeld ist die Schallabsorptionsfläche A „näherungsweise unendlich“, der zweite Term also nahe bei 0, der erste Term dominiert. In geschlossenen Räumen wird dagegen der erste Term schon bei geringen Abständen deutlich kleiner als der zweite, sodass letzterer voll wirksam ist. Dann befindet man sich außerhalb des Hallradius. Dadurch sind die extrem unterschiedlichen Ausbreitungsbedingungen im Freifeld und im Raum begründet.

Bei Aufstellung des Gerätes vor zwei schallharten Flächen (auf dem Fußboden, vor einer Wand) beträgt der Richtungsfaktor Q = 4. Rechnerisch erhält man damit bei A = 50 m² für verschiedene Abstände von einer näherungsweise punktförmigen Schallquelle folgende Pegelminderungen LW – Lp: (siehe Tabelle 3)

Gut ist zu erkennen, dass bei 2 m Abstand beide Summanden gleich groß sind und ab 3 m Abstand der zweite Klammer-Term dominiert. Bei dem Richtungsfaktor Q = 4 verdoppelt sich der Hallradius. Für S3 K1 wurde er oben mit knapp 1 m errechnet, hier beträgt er entsprechend 2 m.

Nach der „reinen Physik“ dieser Berechnung ist die Pegelabnahme zwischen den Abständen von 1 m und 6 m mit 10,4 dB – 4,0 dB = 6,4 dB augenscheinlich doch größer als im Raum S3 K1 gemessen. Das ist aber nicht etwa durch fehlerhafte Messungen begründet, sondern durch Abweichungen der physikalischen Annahmen von der Realität:

  • Die Raumluft-Filteranlage ist keine punktförmige, sondern eine großflächige Schallquelle
  • Die maßgeblichen schallabstrahlenden Öffnungen der Raumluft-Filteranlage befinden sich nicht direkt vor dem Messmikrofon, sondern am Fußboden und (bei dem hier betrachteten Gerät) in etwa 2 m Höhe.

Dadurch liegen die ersten Messpunkte noch im Nahfeld des Gerätes, wo die Pegelabnahme deutlich geringer ist als bei einer Punkt-Schallquelle. Zwischen 3 m und 6 m Abstand nimmt der Schallpegel rechnerisch um 10,4 dB – 9,4 dB = 1,0 dB ab. Das stimmt wiederum mit der messtechnischen Wirklichkeit nach Abbildung 7 gut überein.

Der Bedienungsanleitung ist für den Luftvolumenstrom von etwa 750 m³/h ein Schallleistungspegel von LWA = 45 dB(A) zu entnehmen. Mit der obigen Berechnung für den hier vorhandenen Klassenraum ergibt sich, dass der Schalldruckpegel in 3 m Abstand von der Schallquelle um etwa 9 dB und bei größeren Abständen um bis zu 11 dB geringer ist als der Schallleistungspegel. Mit Lp = 45 dB(A) – 9 dB = 36 dB(A) und 45 dB(A) – 11 dB = 34 dB(A) ist eine gute Übereinstimmung zu den Messwerten nach Abbildung 6, untere Kurve, vorhanden.

Rechnet man die Nachhallzeit nach DIN 18041, Anhang A3 vom unbesetzten auf den zu 80% besetzten Zustand um, so erhöht bei Kindern der Primarstufe die äquivalente Schallabsorptionsfläche für den besetzten Zustand um etwa ∆A = 5 m². Damit errechnet sich für das Fernfeld eine Pegelminderung LW – Lp = 11,3 dB. Gegenüber dem in der Tabelle (letzte Zeile, rechte Spalte) errechneten Wert von 10,8 dB ist das Gerät dann also nur um 0,5 dB leiser.

Sprachverständlichkeit

In Bezug auf den Unterrichts-Erfolg ist die Veränderung der Sprachverständlichkeit unter Einwirkung der dauerhaften Störgeräusche besonders interessant. Deshalb wurde bei den beiden Betriebsstufen der Sprachübertragungsindex (STI = Speech Transmission Index22) sowohl ohne als auch mit Störgeräuschen in der Ausbreitungsrichtung vom Lehrerstandort mittig vor der Tafel nach hinten in der Nähe der Raumluft-Filteranlage gemessen. Um in verschiedenen Schulen und verschiedenen Klassenräumen dennoch vergleichbare Ergebnisse zu erhalten, erfolgten die Messungen jeweils auf einer geraden Ausbreitungslinie. Sie ist in dem Foto markiert. Im gelben Kreis befindet sich der Mess-Lautsprecher (die Lehrer-Nachbildung), der senkrechte Pfeil weist auf die Raumluft-Filteranlage hin, die grüne Linie zeigt den Mess-Pfad.

Ohne die Geräuscheinwirkungen der Raumluft-Filteranlage ist der STI nach Abbildung 9 auch über große Entfernungen sehr gut und sinkt auch bei 7 m Abstand nur knapp unter STI = 0,75 ab. Geringfügig schlechter wird die Situation mit den Geräuschen der Luftfilter-Anlage. Bei der (gedrosselten) Betriebsstufe mit 750 m³/h mit einem Schalldruckpegel im Raum um etwa 35 dB(A) wirkt sich die Raumluft-Filteranlage nur in den großen Abständen vom Lehrer-Standort aus. Dort ist der Sprachpegel des Lehrers am geringsten und die Geräuscheinwirkung der Luftfilteranlage am höchsten. STI = 0,75 wird ab etwa 4,5 m unterschritten. Daraus ergibt sich der interessante Hinweis, dass die Vorgabe von LNA,Bau ≤ 35 dB(A) in der Raumakustik-Norm DIN 18041 offenbar sachgerecht ist.

Bei Schallpegeln der Raumluft-Filteranlage zwischen 41 dB(A) vorne in Lehrer-Nähe und 44 dB(A) hinten in der Nähe des Gerätes wird die Situation deutlich schlechter. Bereits in 1 m Abstand ist die Veränderung von 0,90 auf 0,87 nachweisbar, welche mit zunehmendem Abstand vom Lehrer aber geringerem vom Lüftungsgerät deutlich anwächst. In 7 m Abstand wird statt STI = 0,74 nur noch 0,57 erreicht. Insbesondere beim Fremdsprachen-Unterricht, sowie für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache oder mit Hörschädigung sind solche Störgeräusche und damit verbundenen Verschlechterungen der Sprachverständlichkeit nicht akzeptabel und gefährden erheblich den Unterrichts-Erfolg. Dabei ist die hohe Betriebsstufe dieses Gerätes noch nicht einmal ausreichend, die geforderte sechsfache Luftumwälzung sicherzustellen.

In einer anderen Schule (S1 K1) stehen mehrere kleine Raumluft-Filteranlagen mit maximalen Volumenströmen von jeweils 600 m³/h im Raum verteilt. Dadurch befinden sie sich näher an den Schüler-Plätzen und wirken sich noch stärker auf die Sprachverständlichkeit aus. Ohne die Geräuscheinwirkungen der Luftfilter-Anlagen ist der STI auch hier hervorragend und sinkt bis hinten nicht unter 0,75 ab. Das ist bei der ausgesprochen günstigen Nachhallzeit-Situation in dieser Förderschuleinrichtung für Kinder mit Hörschädigung (Tm = 0,39 s, A = 73 m²) auch nicht anders zu erwarten.

Deutlich schlechter wird die Situation aber sofort, wenn die Geräusche der Raumluft-Filteranlagen hinzukommen. Die Messungen wurden bei der höchsten Betriebsstufe ausgeführt, weil diese für eine sachgerechte Luftumwälzung erforderlich ist (zwei Geräte je 600 m³/h). Bei den Messungen war aber nur eine der beiden Anlagen in Betrieb, damit die Mess-Situation übersichtlich blieb. Im tatsächlichen Betriebsfall sind die Werte also noch ungünstiger als hier gemessen. Sie sinken bereits mit nur einem Gerät unter STI = 0,45 ab (teilweise deutlich), fallen also für Guthörende in die Kategorie „schlecht“ und sind für die dortigen Kinder mit Hörschädigung völlig inakzeptabel! Der rot markierte Messpfad führt in Richtung zu den Sitzplätzen in der Nähe der Raumluft-Filteranlage, der grün markierte schräg davon weg zur Tür. Der Messlautsprecher strahlte geradeaus von der Tafel nach hinten.

Das hier aufgestellte Gerät hat am Ausblasgitter scharfe Kanten, an denen die Zisch-Geräusche entstehen, auf die bereits im Zusammenhang mit der Abbildung 2 hingewiesen wurde. Während bei der Situation nach Abbildungen 8 und 9 mit einem mehr niederfrequenten Rauschen „nur“ eine Verschlechterung auf STI = 0,57 gemessen wurde, verringert sich der Sprachübertragungsindex durch die starken Zisch-Geräusche nach Abbildung 11 bis herab auf STI = 0,34.

In diesem Raum konnte auch mit Bezug auf die Sitzplätze gemessen werden. Weil die sieben Sitzplätze im Halbkreis aufgestellt sind, bestand eine sehr übersichtliche Situation. In Abbildung 10 ist auch gut zu erkennen, dass die Luftfilteranlage in der Nähe der Sitzplätze 1 und 2 steht. Entsprechend ist dort nach Abbildung 12 beim Einschalten dieser Anlage der STI am schlechtesten.

Prüfung der Luftströmungen

Die Untersuchungen zur Reinigungsleistung dezentraler Raumluft-Filteranlagen[5] fanden zwar in einem Klassenraum-ähnlichen Raum mit 200 m³ Luftvolumen statt, aber anders als dort hatte dieser Raum eine größere Grundfläche aber geringere Höhe. Er war (mit Ausnahme der Messgeräte) völlig leer. Dem UNI-BW-Bericht ist die Abbildung 13 (dort Abbildung 12) entnommen. Das ist aber keine „Prüfung im Labor unter realraumähnlichen Bedingungen“, wie in VDI-EE 4300–14 gefordert.

Für die dortigen Untersuchungen wurde ein Lüftungsgerät mit einer Bauhöhe von 1,3 m, unterer Ansaugung und oberem Ausblas „in alle vier Himmelsrichtungen“ verwendet. Bei den eigenen Messungen waren die größten Geräte knapp 2,3 m hoch und die kleinsten nur 0,7 m. Alle saugen ebenfalls in Fußbodennähe an und blasen nach oben aus. Geräte weiterer Hersteller saugen seitlich an und blasen auch seitlich aus. Bei einer Bauhöhe von nur etwa 1,0 m geht deren Luftströmung direkt in Richtung der Kinder, sodass Zugluft-Erscheinungen zu erwarten sind. Auch wird die freie Abströmung der Luft in die Raumtiefe hinein durch Tische, Stühle, Schultaschen und Beine unterbunden. In dem Forschungsbericht wird darauf hingewiesen, dass sogar Leuchtenbänder (wie auf dem Foto abgebildet) die Luftströmung abwärts lenken und nicht in die Raumtiefe kommen lassen. In einer Schule hingen gebastelte Lampions unter der Decke, welche sich in der großen Leistungsstufe im Luftstrom bewegten, in der reduzierten jedoch nicht.

Oben wurde bereits mehrfach auf den eigentlich erforderlichen Luftdurchsatz der Anlagen für eine sechsfache Luftumwälzung je Stunde hingewiesen. Weil die überprüften Geräte alle im vorgefundenen Zustand deutlich niedriger eingestellt waren (und zum Teil sogar begrenzt sind), war auch die Frage interessant, wie weit die an der Oberseite ausgeblasene Luft in die Raumtiefe geblasen wird und wie weit sich echte Luftströmungen anstelle turbulenter Luftwirbel nachweisen lassen. Hierzu wurden mit Dräger-Prüfröhrchen über/neben der Ausblasseite sowie in Fußbodennähe an der Ansaugseite Rauchschwaden erzeugt und die Luftbewegungen beobachtet. Dabei waren in jeder Schule auch weitere Beobachter anwesend. Ansonsten war der Raum aber unbesetzt. Bei Betrieb des Gerätes mit Teillast war oben bis etwa 1 m Abstand eine Luftbewegung zu beobachten, unten bewegte sich die Luft völlig ungerichtet, sodass sie nur aus nächster Nähe angesaugt wurde.

Im Volllast-Betrieb der Geräte war in Deckennähe bis etwa ein Drittel der Raumtiefe eine gewisse horizontale Luftbewegung zu beobachten, dort zeigte sich aber bereits eine Abwärts-Bewegung. Der übrige Raumteil erhält demnach auch bei der Soll-Betriebsstufe keine gefilterte Luft. Auch hinter den Lampions war keine nennenswerte Luftströmung mehr erkennbar.

Noch ungünstiger als im unbesetzten Raum wird die Situation, sobald auch die Kinder anwesend sind und dadurch zusätzliche Luft-Turbulenzen und Thermik entstehen. Auch in dem Forschungsbericht wird auf den negativen Einfluss von Thermik hingewiesen, welche eine reguläre Luftströmung zunichtemachen könne. 25 Kinder erzeugen im Unterricht eine thermische Leistung von 2,5 bis 3,0 kW, also eine durchaus maßgebliche Größenordnung. Auch die Energie-Zufuhr von natürlicher und künstlicher Beleuchtung blieb unberücksichtigt.

Ein Hausmeister wies darauf hin, dass er das nur 0,7 m niedrige Gerät geradezu als gefährlich empfinde, weil die Ausblasöffnung noch unter der Kopfhöhe von Kindern liegt. Sollte ein Kind in Richtung zum Gerät niesen, dann würden die Viren vom Luftstrom mitgerissen und erst recht im Raum verteilt. Sie seien also eher „Viren-Schleudern“ als Viren-Filter.

Zusammenfassung und Ausblick

Die überprüften Raumluft-Filteranlagen fördern bei Einstellung auf vertretbare Schallpegel an den Schüler-Sitzplätzen nicht den Luftvolumenstrom von 1200 m³/h, welcher in 200 m³ großen Klassenräumen für einen sechsfachen Luftwechsel für erforderlich gehalten wird.

Bei nur etwa 700 bis 800 m³/h wird unter günstigen räumlichen Situationen ab etwa 3 m Abstand von den Anlagen der für einen sachgerechten Unterricht maximal zulässige bauseitige Störgeräuschpegel von LNA,Bau = 35 dB(A) gerade eingehalten. In diesem Zustand ist die Verschlechterung des Sprachübertragungsindex STI gering und akzeptabel.

Bei der Soll-Luftmenge von (etwa) 1200 m³/h betragen die Störgeräuschpegel teilweise über 45 dB(A). Dann verschlechtert sich der STI in nicht mehr akzeptabler Größenordnung. Dadurch ist insbesondere beim Fremdsprachen-Unterricht, sowie für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache oder mit Hörschädigung der Unterrichtserfolg erheblich gefährdet.

Bei der Überprüfung mit Rauchfahnen war auch bei der höchsten Luftmenge in den unbesetzten Räumen keine gezielte Durchlüftung des Gesamtraumes nachweisbar. Bei gedrosselter Luftmenge, Anwesenheit von Personen mit den von diesen bewirkten Verwirbelungen sowie Thermik wird die Situation noch ungünstiger.

In den „Empfehlungen des Umweltbundesamtes zu Luftaustausch und effizientem Lüften zur Reduzierung des Infektionsrisikos durch virushaltige Aerosole in Schulen“23 vom 22. Dezember 2021 heißt es u. a.:

Nur eine Kombination von möglichst vielen dieser Maßnahmen erzielt einen wirksamen Infektionsschutz:

  • Maskentragen (bestenfalls vom Typ FFP 2)
  • Verbesserung der Luftqualität in Innenräumen durch intensive Zuführung von Außenluft (Lüften, RLT-Anlagen)
  • Zusätzlich zum Lüften können unterstützend auch mobile Luftreinigungsgeräte zum Einsatz kommen
  • Abstandhalten
  • Einhaltung von Hygienemaßnahmen, insbesondere Händehygiene

Bereits im Sommer 2020 hat das UBA Empfehlungen herausgegeben, welchen man dem Sinne nach entnehmen konnte: lüften – lüften – lüften! Das ist mit Sicherheit die bessere Methode, als sich in der falschen Sicherheit zu wiegen, die Raumluft-Filteranlage beseitige eventuell vorhandene Viren in ausreichendem Maße.

Die Filteranlagen können weder überschüssiges CO2 noch ausgeatmeten Wasserdampf aus der Raumluft entfernen. Gelüftet werden muss also trotz solcher Filteranlagen. Deshalb wäre der (dann allerdings längerfristig zu realisierende) Einbau zentraler Lüftungsanlagen wesentlich sinnvoller, weil man sie bei Bedarf im reinen Frischluft-Fortluft-Betrieb fahren kann. Bei mehreren Zuluft- und Abluftöffnungen gewährleisten solche Anlagen die vollständige Luft-Durchspülung des gesamten Raumes.

Dass richtiges und ausrechend häufiges Lüften den Unterrichtserfolg verbessert, belegt ein Forschungsbericht des ISF24 aus dem Jahr 2008, also lange vor der derzeitigen Corona-Pandemie, sehr deutlich. Dort wird geschlussfolgert:

  • die CO2-Konzentration der Atemluft im Unterricht sollte den Pettenkofer-Wert von 1000 ppm nicht überschreiten,
  • Lüften vor dem Unterricht – und Stoßlüftung nach 20 Minuten für 2 bis 3 Minuten – ist geeignet, den im Unterrichtsprozess ansteigenden Ermüdungsfaktor der schlechten Atemluft zu senken oder gar zu minimieren,
  • Lüften während des gesamten Unterrichts mit Fenstern in Kippstellung ist ungeeignet, erhöht aber das von außen hereindringende Störgeräusch.

Der Vorschlag für eine kurze Lüftungspause in der Mitte einer 45-minütigen Unterrichtsstunde (und bei Doppelstunden entsprechend öfter) liegt also schon lange vor, nicht zur Verringerung eines Viren-Anteils, sondern des CO2-Anteils. Siehe hierzu auch die Druckschrift des Hessischen Kultusministeriums „Frische Luft für frisches Denken“25, ebenfalls von 2008. Als kurzfristig hilfreich (und deutlich kostengünstiger als die Raumluft-Filteranlagen) können sich in diesem Zusammenhang empfindlich eingestellte CO2-Ampeln erweisen, welche an das erforderliche Querlüften erinnern.

1 Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft

2 https://www.gew.de/corona/forderungen

3 Deutsche Gesetzliche Unfall-Versicherung

4 Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin

5 Zu laute Luftfilteranlagen, Spektrum Hören 2021–6, Seiten 5 bis 7

6 Christian J. Kähler et al.: Können mobile Raumluftreiniger eine indirekte SARS-CoV-2 Infektionsgefahr durch Aerosole wirksam reduzieren? https://www.unibw.de/lrt7/raumluftreiniger.pdf

7 https://de.trotec.com/produkte-services/maschinen-highperformance/luftreinigung/raumluftreiniger-tac-v/

8 Umwelt-Bundesamt: Lüftung, Lüftungsanlagen und mobile Luftreiniger an Schulen https://www.umweltbundesamt.de/themen/lueftung-lueftungsanlagen-mobile-luftreiniger-an

9 VDI/DIN-Kommission Reinhaltung der Luft https://www.vdi.de/news/detail/anforderungen-an-mobile-luftreiniger

10 VDI-EE 4300–14:2021–09 Messen von Innenraumluftverunreinigungen – Anforderungen an mobile Luftreiniger zur Reduktion der aerosolgebundenen Übertragung von Infektionskrankheiten

11 https://www.vdi.de/fileadmin/pages/mein_vdi/
redakteure/publikationen/Informationen_zum_
Einsatz_von_mobilen_Luftreinigern.pdf

12 https://publikationen.dguv.de/detail/index/
sArticle/4289

13 Richtlinie für die Bundesförderung Corona-gerechte Um- und Aufrüstung von raumlufttechnischen Anlagen in öffentlichen Gebäuden und Versammlungsstätten vom 13. Oktober 2020 https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/P-R/richtlinie-bundesfoerderung-corona-gerechte-um-und-aufruestung-von-raumlufttechnischen-
anlagen.pdf?__blob=publicationFile&v=8

14 Schallschutz im Hochbau, 2018–01

15 Hörsamkeit in Räumen, 2016–03

16 Geräuscherzeugung und Lärmminderung
raumlufttechnischer Anlagen

17 Technische Regeln für Arbeitsstätten,
Lärm 2018–05

18 Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde für Schule und Berufsbildung, Handreichung „Mobile Luftreinigungsgeräte für die Unterrichtsräume“
vom 27. August 2021

19 Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen … vom 30. September 2021 https://www.verkuendung-bayern.de/baymbl/2021–712/

20 Experimentelle Untersuchung zum Infektionsrisiko in Klassenräumen in Stuttgarter Schulen https://www.stuttgart.de/service/aktuelle-meldungen/juli-2021/studie-mobile-luftreiniger-sind-keine-universalloesung-im-unterricht-stadt-plant-anschaffung-nur-fuer-schlecht-belueftbare-unterrichtsraeume.php.media/229720/2021–07–06-Abschlussbericht_Pilotprojekt_Luftreiniger_Klassenraum_Stuttgart_Finale-Version_06.07.2021.pdf

21 DIN EN ISO 3382–2:2008–09 Akustik, Messung von Parametern der Raumakustik, Nachhallzeit in gewöhnlichen Räumen,

22 DIN EN 60268–16:2012–05 Elektroakustische Geräte, Objektive Bewertung der Sprachverständlichkeit durch den Sprachübertragungsindex

23 https://www.umweltbundesamt.de/richtig-lueften-in-schulen#warum-ist-ein-regelmassiger-luftaustausch-in-klassenzimmern-grundsatzlich-wichtig-und-in-der-pandemie-umso-mehr

24 G. Tiesler, H.-G. Schönwälder, F. Stöver: Gesundheitsfördernde Einflüsse auf das Leistungsvermögen im schulischen Unterricht, Institut für interdisziplinäre Schulforschung (ISF) der Universität Bremen https://www.isf-bremen.de/app/download/15595860025/Wb_30.pdf?t=1493828565

25 https://www.landkreis-pfaffenhofen.de/media/9581/frische_luft_fuer_frisches_denken.pdf

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