05-Corona

Erste Hilfe während der Pandemie

Das Interview führte Dr. Joerg Hensiek

Welche Auswirkungen hat Corona auf den betrieblichen Gesundheitsschutz? Welche Änderungen wird die Organisation der Ersten Hilfe dadurch erfahren?

Die Corona-Thematik hat und wird auch zukünftig Einfluss auf grundlegende personenbezogene und organisatorische, aber auch technische Maßnahmen des betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes haben. Aufgrund zunehmender Arbeit im Homeoffice reduziert sich die Zahl der gleichzeitig im Betrieb anwesenden Beschäftigten. Dies betrifft auch Ersthelfende, die im Homeoffice arbeiten. Das Unternehmen muss sicherstellen, dass jederzeit unverzüglich Erste Hilfe vor Ort im Betrieb geleistet wird und über die gesamte Arbeitsschicht Ersthelfende in ausreichender Zahl anwesend sind. Stehen Erste-Hilfe-Aus- bzw. Fortbildungen im Unternehmen an, sollte zunächst geprüft werden, ob diese in Form von Inhouse-Schulungen durchgeführt werden können, um Außenkontakte und Dienstreisen auf das notwendige Maß zu beschränken. Die Zurverfügungstellung entsprechender Räumlichkeiten und die Einhaltung der hygienischen Voraussetzungen liegen bei Inhouse-Schulungen im Verantwortungsbereich des Unternehmers. Die Ersthelfenden sollten mit zusätzlichem persönlichen Schutzmaterial ausgestattet werden zum Beispiel medizinischen Gesichts- oder FFP 2-Masken.

Bei der anlassbezogenen Unterweisung sollten den Versicherten die Unterschiede zum Normalbetrieb erläutert werden, insbesondere in Bezug auf die hygienischen Maßnahmen.

Welche Aufgaben kommen dabei den Corona/Pandemie-Krisenstäben in Hinsicht auf die Erste Hilfe zu?

Corona- und Pandemie-Krisenstäbe unterstützen den Unternehmer bei der Umsetzung einschlägiger Verordnungen und Regelungen. Diese müssen jeweils auf die spezifischen betrieblichen Gegebenheiten heruntergebrochen werden und beispielsweise in einem entsprechenden Hygienekonzept verankert werden. Auch das Thema „Testung“ und der Umgang mit geimpften und genesenen Personen sind hierbei zu berücksichtigen.

Sollten die Kriterien zur Auswahl der Ersthelfer vor diesem Hintergrund zumindest teilweise modifiziert werden?

Bei der Auswahl von Ersthelfenden sind Risikogruppen gemäß dem Risikoprofil des Robert-Koch-Institutes, zum Beispiel Versicherte mit einschlägigen Vorerkrankungen besonders zu bewerten und gegebenenfalls nicht als Ersthelfende zu benennen. Bei der Auswahl der Ersthelfenden kann betriebsärztliche Expertise hilfreich sein.

Welches zusätzliche Material sollte zur Grundausstattung der Ersthelfer gehören?

Die Ersthelfenden sollten zusätzlich mit mindestens zwei medizinischen Gesichts- oder FFP 2-Masken ausgestattet werden. Empfehlenswert sind auch die Ausstattung mit ausreichend Einmalhandschuhen und Hautdesinfektionsmittel. Seitens der Unternehmen sollte geprüft werden, ob ergänzend als Hilfsmittel für die Beatmung zum Beispiel Beatmungsmasken mit Ventil vorgehalten werden. In Bezug auf das Infektionsrisiko und die Anwendung sollten detaillierte Informationen beim Hersteller der Beatmungsmasken eingeholt werden. Die Ersthelfenden müssen dann zusätzlich über den Gebrauch dieser Beatmungsmasken unterwiesen werden.

Welche neuen und zusätzlichen Inhalte sollte die Unterweisung für die Ersthelfer aufweisen?

Im Rahmen der Unterweisung sollten die Ersthelfenden über die besonderen Hygienemaßnahmen informiert werden. Beispielsweise bei direktem Kontakt mit der hilfsbedürftigen Person sollten die Ersthelfenden darauf achten, sich selbst und auch die betroffene Person so gut wie möglich durch Tragen eines Atemschutzes zu schützen. Es sollte selbstverständlich sein, dass nach einer Erste-Hilfe-Leistung die Hände gründlich gewaschen werden und ergänzend desinfiziert werden sollten. Wird im Betrieb eine Beatmungsmaske vorgehalten müssen die Ersthelfenden in deren Handhabung unterwiesen werden.

Sollten Ersthelfer bei Sofortmaßnahmen nun anders vorgehen als vor Corona?

Dies betrifft insbesondere das Thema „Beatmung“. Die Maßnahmen der Ersten-Hilfe sehen grundsätzlich bei der Wiederbelebung die Herzdruckmassage im Wechsel mit der Beatmung vor und, falls vorhanden, ergänzend die Anwendung eines Automatisierten Externen Defibrillators. Es liegt im Ermessen der handelnden Personen unter Beachtung des Eigenschutzes insbesondere bei unbekannten Hilfebedürftigen auf die Beatmung zu verzichten. Bei Kindern, die wiederbelebt werden müssen, spielt die Atemspende eine besondere Rolle. Daher ist die Atemspende beim Kind, besonders zu Beginn der Wiederbelebung, wichtiger als beim Erwachsenen.

Wie geht man mit den Mitarbeitern um, die im Homeoffice arbeiten? Wie werden sie versorgt?

Da Ersthelfende erst ab zwei anwesenden Versicherten zur Verfügung stehen müssen, ist bei allein von zu Hause aus Arbeitenden kein Ersthelfender notwendig. Arbeiten von zu Hause aus stellen in der Regel keine gefährliche Alleinarbeit dar. Deshalb ist es ausreichend, wenn die Möglichkeit besteht, erforderlichenfalls einen Notruf per Festnetz- oder Mobiltelefon absetzen zu können.

Wie sollte die Gefährdungsbeurteilung in Bezug auf die Erste Hilfe angepasst werden?

Um die Erste Hilfe im Betrieb, auch in der Corona-Pandemie sicherzustellen muss von Seiten des Unternehmens die Gefährdungsbeurteilung angepasst werden und eventuelle personelle, materielle und organisatorische Maßnahmen ergriffen werden. Das betriebliche Hygienekonzept spielt hierbei eine tragende Rolle. Es ist wichtig das betriebliche Krisenmanagement und Hygienekonzept den Beschäftigten in geeigneter Weise zugänglich zu machen.

Welche Angebote und Maßnahmen hat bzw. wird seitens der Unfallversicherungsträger unternommen, um die Erste Hilfe in den Betrieben auf die „neue Normalität“ vorzubereiten?

Der Fachbereich Erste Hilfe der DGUV hat sehr schnell zielgruppenspezifisch Handlungshilfen zur Ersten Hilfe im Umfeld der Corona-Virus-Pandemie erstellt sowie ständig kurzfristig aktualisiert – und zwar für Unternehmen, für betriebliche Ersthelfende und für ermächtigte Ausbildungsstellen. Diese Handlungshilfen berücksichtigen unter anderem die jeweils aktuelle Fassung der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung. In der Handlungshilfe für Unternehmen ist deshalb zum Beispiel die Erweiterung der pandemiebedingten Fortbildungsfrist für Ersthelfende auf drei Jahre berücksichtigt worden. Die seit 2020 andauernde epidemische Lage von nationaler Tragweite macht es den Unternehmen schwerer ihre Ersthelfenden in den für Normalzeiten vorgesehenen Zeitabständen von zwei Jahren fortbilden zu lassen.

Vielen Dank für das interessante Gespräch.

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