10_Aktuelles Recht

Das neue Arbeitsschutzkontrollgesetz – Auswirkungen auf alle Arbeitgeber

Foto: © Alex Goldenshtein – stock.adobe.com

Ganz im Gegenteil werden von vielen Änderungen alle Branchen betroffen sein. Die wesentlichen zu erwartenden Änderungen für alle Arbeitgeber werden nachfolgend dargestellt.

Der Gesetzentwurf wurde am 29. Juli 2020 vom Bundeskabinett beschlossen und soll geplant zum 1. Januar 2021 in Kraft treten. Derzeit werden allerdings Vorwürfe gegen die CDU/CSU laut, das Gesetzgebungsverfahren im Interesse der Fleischindustrie zu blockieren. Daher ist zurzeit nicht absehbar, ob der Zeitplan tatsächlich eingehalten werden kann. Bei dem aktuell veröffentlichten Gesetzesentwurf handelt sich um ein sogenanntes Artikelgesetz, durch das verschiedene Gesetze und Verordnungen im Bereich des Arbeitsschutzes angepasst werden sollen. In der Öffentlichkeit wurde bislang insbesondere über die beabsichtigten Beschränkungen in der Fleischindustrie diskutiert, die vor allem das Verbot von Arbeitnehmerüberlassung und Werkverträgen in der Schlachtung betreffen.

Diese Änderungen für die fleischverarbeitenden Betriebe sind jedoch nicht Gegenstand der nachfolgenden Betrachtung. Vielmehr werden diejenigen Änderungen aufgezeigt, die für alle Branchen und alle Arbeitgeber losgelöst von der Fleischindustrie relevant sein werden. Diese Änderungen betreffen insbesondere die Einführung einer behördlichen Mindestbesichtigungsquote für alle Betriebe, die besonderen Anforderungen an Gemeinschaftsunterkünfte für Arbeitnehmer, Dokumentationspflichten von Arbeitsschutzmaßnahmen mehrerer Arbeitgeber an einem Arbeitsplatz und die Erhöhung (Verdopplung) der Bußgelder bei Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz.

Mindestbesichtigungsquote für alle Branchen

Der Gesetzgeber möchte die bisher recht unterschiedliche Überwachungspraxis durch die Landesbehörden im Bereich des Arbeitsschutzes angleichen. Jährlich sollen mindestens fünf Prozent aller Betriebe in den jeweiligen Bundesländern durch die zuständigen Arbeitsschutzbehörden auf die Einhaltung der arbeitsrechtlichen Vorschriften überprüft werden. Diese Besichtigungsquote wird durch den neu einzuführenden § 21 Abs. 1a ArbSchG-E eingeführt. Es soll eine Bundesfachstelle bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) geschaffen werden, um die Einhaltung der Quote zu sichern. Soweit bisher die Überwachungsquote in den Ländern unterhalb von fünf Prozent liegt, soll die Kontrolldichte bis zum Jahr 2026 schrittweise angeglichen werden. Wichtig ist, dass sich die Besichtigungsquote nicht nur auf Betriebe der Fleischwirtschaft bezieht, sondern branchenunabhängig sicherstellen soll, dass einheitliche Arbeitsschutzstandards eingehalten werden.

Besondere Anforderungen an Gemeinschaftsunterkünfte sowie Dokumentationspflicht

Die Bundesregierung wird zukünftig ermächtigt, Verordnungen mit dem Zweck zu erlassen, dass für bestimmte Beschäftigte angemessene Unterkünfte bereitzustellen sind, wenn dies aus Gründen der Sicherheit, zum Schutz der Gesundheit oder aus Gründen der menschengerechten Gestaltung der Arbeit erforderlich ist. Diese Verordnungen sollen ebenfalls regeln, welche Anforderungen dabei zu erfüllen sind. Erreicht wird dies durch eine Ergänzung der Verordnungsermächtigung in § 18 ArbSchG. Gleichzeitig soll der Arbeitsstättenbegriff in der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) um den Begriff der Gemeinschaftsunterkünfte innerhalb und außerhalb des Betriebs erweitert und der Begriff der Gemeinschaftsunterkünfte zugleich näher definiert werden. Solche Gemeinschaftsunterkünfte, für die dann die Festlegungen des Anhanges der Arbeitsstättenverordnung und die dazu bekanntgemachten Regeln (die Arbeitsstättenregeln) zu berücksichtigen sind, werden künftig in § 2 Absatz 8 ArbStättV-E bezeichnet als „Unterkünfte innerhalb oder außerhalb des Geländes eines Betriebes oder einer Baustelle, die den Beschäftigten durch den Arbeitgeber oder auf dessen Veranlassung durch
Dritte entgeltlich oder unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden, von mehreren Beschäftigten und insgesamt von mindestens vier Personen gemeinschaftlich genutzt werden sowie zeitlich befristet für die Dauer der Erbringung der Arbeitsleistung zur Verfügung gestellt werden“. Für diese ist dann auch eine Gefährdungsbeurteilung zu erstellen, unabhängig davon, ob der Arbeitgeber diese Unterkunft selbst zur Verfügung stellt oder dies auf seinen Auftrag hin durch Dritte geschieht. Diese Unterkünfte müssen – so der zukünftige Verordnungstext – „angemessen“ sein (Anhang Nr. 4.4 Abs. 1 S. 1 ArbStättV-E). Thematisch neu wird in die Norm auch eine Dokumentationsverpflichtung eingefügt. In dieser Dokumentation sind die Adressen, die Unterbringungskapazitäten der Gemeinschaftsunterkünfte, die Zuordnung der untergebrachten Beschäftigten zu den Gemeinschaftsunterkünften sowie der Zeitraum der Unterbringung anzugeben. Die Dokumentation muss ab Beginn der Bereitstellung verfügbar sein und ist nach Beendigung der Unterbringung vier Wochen aufzubewahren. Ein Verstoß gegen diese Verpflichtungen zur Gewährleistung der Mindestanforderungen an Unterkünfte beziehungsweise der Dokumentationspflicht stellt zukünftig eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einem Bußgeld von bis zu 5.000 Euro geahndet werden kann. Wer durch einen vorsätzlichen Verstoß Leben oder Gesundheit eines Arbeitnehmers gefährdet, muss sogar mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe rechnen.

Mehrere Arbeitgeber an einem Arbeitsplatz

Die zuständigen Behörden können gemäß § 22 Abs. 1 S. 2 ArbSchG-E künftig von den Arbeitgebern oder von den verantwortlichen Personen verlangen, dass das Ergebnis der Abstimmung über die zu treffenden Maßnahmen nach § 8 Absatz 1 Arbeitsschutzgesetz schriftlich vorgelegt wird, wenn Beschäftigte mehrerer Arbeitgeber an einem Arbeitsplatz tätig werden. Die Dokumentation der Abstimmung durch die Arbeitgeber war auch zuvor empfohlen, abgesehen von einigen spezifischen Regelungsbereichen (z.B. § 15 GefStoffV) jedoch gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehen.

Verdopplung der Bußgelder bei Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz

Der Regierungsentwurf sieht zudem eine Verdopplung der Höchstsätze für die Bußgelder nach dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG) vor. Zukünftig werden bei Verstößen gegen das ArbZG Geldbußen bis zu 30.000 Euro fällig (bisher 15.000 Euro). Der Verstoß gegen den Aushang des ArbZG und der geltenden Rechtsverordnungen nach § 22 Abs. 1 Nr. 8 ArbZG kann mit einer Geldbuße bis zu 5.000 Euro geahndet werden (bisher 2.500 Euro).

Fazit

Das geplante Arbeitsschutzkontrollgesetz zielt zwar in erster Linie darauf ab, Arbeitnehmerrechte in der Fleischindustrie zu stärken. Die gesetzlichen Änderungen betreffen jedoch nur auf den ersten Blick lediglich die kleine Zielgruppe von Arbeitnehmern in fleischverarbeitenden Betrieben. Daher sollten Arbeitgeber und Arbeitsschutzexperten aller Branchen die neuen Regelungen im Blick haben und sich auf die geplanten Maßnahmen einstellen. Gerade mit Blick auf die drohenden Bußgelder und die verstärkten Überprüfungen durch die Behörden gilt es, notwendige Anpassungen rechtzeitig vorzunehmen.


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