Arbeitsschutz

Ergebnisse eines Interventionsprogramms zur betrieblichen Gesundheitsfürsorge: Signifikante Reduktion von Rückenbeschwerden, subjektive Abnahme von Stress-Symptomen und Reduzierung von Fehlzeiten

Zusammenfassung Einleitung: In einem deutschen Großunternehmen aus der Versicherungsbranche ergab eine Mitarbeiterbefragung, dass sich die Arbeitnehmer ein Programm zur Prävention und Beseitigung von Rückenschmerzen wünschten. Der Arbeitgeber startete daraufhin ein 12-monatiges Projekt zur betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF). Das Projektziel lautete, Gesundheit und Wohlbefinden der Belegschaft zu verbessern und auf diese Weise gleichzeitig Fehlzeiten zu reduzieren. Methoden: Bei einer initialen Statusanalyse in Form eines Rückenscreenings mit integrierter Teilnehmerbefragung wurden Personen mit Rückenschmerzen und Defiziten im Bereich der Rumpfmuskulatur identifiziert und einem Programm in Form von Bewegungs-, Entspannungskursen und Coachings unterworfen. Die Abschlussanalyse erfolgte erneut in Form eines Rückenscreenings mit Post-Befragung der Teilnehmer. Daneben wurde der Fehlzeitenverlauf der Probanden über einen Zeitraum von drei Jahren ausgewertet. Ergebnisse: Es kam bei der Interventionsgruppe zu einer signifikanten Verbesserung der physikalischen Fitness der Rumpfmuskulatur, verbunden mit einer subjektiven Abnahme von Stress-Symptomen und dem Rückgang von Rückenbeschwerden. Die Fehlzeitenquote der Teilnehmer sank zudem um 22 Prozent. Diskussion: Von diesem Projekt profitierten sowohl die Programmteilnehmer als auch der Arbeitgeber. Während sich bei den Mitarbeitern Gesundheit und Wohlbefinden verbesserte, erzielte das Unternehmen ökonomische Vorteile. Betriebliche Gesundheitsförderung dürfte in Zukunft eine immer wichtigere Rolle spielen, um den gesundheitlichen Belastungen bei zunehmender Arbeitsverdichtung und alternden Belegschaften entgegenzuwirken. Abstract Introduction: A survey among employees in a large German insurance company revealed that employees were interested in programs for the prevention and treatment of back pain. The employer started a 12-month-project of company health care. The objective was to improve health and well-being among employees and thereby reduce absenteeism. Methodology: An initial status analysis consisting of a back-screening and an integrated qualitative interview was used to identify employees with back pain and deficits in the trunk musculature. Those employees were then subjected to a program of activity, relaxation and coaching courses. After the program, a final analysis was done, again consisting of a back-screening and an interview. In addition the absent times of the participants were monitored over a period of three years. Results: The physical fitness of the trunk musculature of the participants improved significantly. Additionally a subjective reduction of stress symptoms and a reduction of perceived back pain could be found. The rate of absenteeism was reduced by 22 percent. Discussion: Both employees and employer benefited from the project. There was an improvement of health and well-being in the employees and an economic advantage for the employer. It seems as if company health programs are an effective tool to prevent health risks caused by the growing work strain and problems of an aging staff in the future.

Einleitung
Gesundheit und Wohlbefinden bei der Arbeit sind wichtige Voraussetzungen für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von Unternehmen1. Nach wie vor sind Rückenschmerzen die Volkskrankheit Nummer eins, die zugleich die meisten Krankheitstage verursacht. Heute geben fast 70 % der Bundesbürger an, dass sie unter Rückenbeschwerden leiden, wenn auch die meisten nur gelegentlich2.

Rückenbeschwerden können sehr vielfältige Ursachen haben. Untersuchungen weisen darauf hin, dass bei 80% der Beschwerdefälle ein direkter Zusammenhang mit muskulären Insuffizienzen besteht3. Eine ausgewogen ausgebildete Rumpfmuskulatur ist in der Lage die Wirbelsäule im Sinne eines Muskelkorsetts zu entlasten sowie einseitigen Fehlbelastungen und daraus resultierende Verspannungen und Rückenschmerzen vorzubeugen4. In diversen nationalen und internationalen Studien erwiesen sich Trainings- und Bewegungsprogramme als erfolgreicher Ansatz zur Prävention von Rückenschmerzen und deren Folgen 5-7.

Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) ist ein integrativer betrieblicher Ansatz zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden am Arbeitsplatz mittels geeigneter Maßnahmen. Hierzu gehören vor allem die Verhältnisprävention im Sinne einer Optimierung der Arbeitsverhältnisse – insbesondere Arbeitsgestaltung, Arbeitsorganisation und Arbeitsumgebung – sowie im Rahmen der Verhaltensprävention die Schaffung von Anreizen für ein gesundheitsbewusstes Verhalten der Beschäftigten.

Bedarfsgerechte Angebote zur Gesundheitsförderung im direkten Arbeitsumfeld fördern die Identifikation der Belegschaft mit dem Unternehmen und erhöhen die Mitarbeiterbindung8,5. Darüber hinaus können durch betriebliche Gesundheitsförderung die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit spürbar gesenkt werden10-15.

Das hier dargestellte Projekt zur BGF wurde bei der Gothaer Krankenversicherung durchgeführt. Eine initiale Befragung der Mitarbeiter des Unternehmens (n=650) ergab, dass sie sich von ihrem Arbeitgeber ein Programm zur Prävention und Beseitigung von Rückenschmerzen wünschten. Das Unternehmen startete daraufhin ein 12-monatiges Pilotprojekt für die Beschäftigten.

Das Projektziel lautete, Gesundheit und Wohlbefinden der Arbeitnehmer zu verbessern, und auf diese Weise gleichzeitig Fehlzeiten zu reduzieren und die Produktivität zu erhöhen.

Unter Anwendung wesentlicher Prinzipien der Gesundheitsförderung, insbesondere des Prinzips der Salutogenese, sollten möglichst viele Mitarbeiter des Unternehmens befähigt werden, Gesundheitspotentiale im eigenen Tätigkeitsbereich aufzuspüren und zu nutzen. Aus diesem Grund wurde das Angebot zur Teilnahme allen 650 Beschäftigten im Unternehmen unterbreitet. Die Rekrutierung der Teilnehmer erfolgte über einen Aufruf per Email.

In enger Abstimmung mit den Kompetenzträgern im Unternehmen (siehe Abb. 1) – die ebenfalls Teilbereiche der BGF abdecken – wurde ein Maßnahmenkatalog entwickelt und geeignete Instrumente und Methoden zur Evaluation ausgewählt.

Methodisches Vorgehen
Das Konzept zur betrieblichen Gesundheitsförderung wurde 2004 in den Betriebsräumen der Gothaer Krankenversicherung umgesetzt.

Den Auftakt bildete eine Statusanalyse in Form eines Rückenscreenings mit integrierter Teilnehmerbefragung. Die Durchführung der Screeningmaßnahme sowie der anschließenden individuellen Fachberatung, erfolgte durch einen Dipl.-Sportwissenschaftler. Im Rahmen der Beratungsgespräche wurden die Messergebnisse erläutert und anhand eines Rasters Probanden mit Funktionsdefiziten im Bereich der Rumpfmuskulatur und Rückenschmerzen identifiziert. Per Empfehlung erfolgte bei diesen Probanden die direkt Kanalisierung in spezifische Gesundheitsförderungsmaßnahmen.

Die Intervention umfasste schwerpunktmäßig Fitness- und Entspannungsangebote im Unternehmen. Diese bestanden jeweils aus 10 einstündigen Übungseinheiten in einem Quartal. Inhaltlich fokussierte sich das Bewegungsangebot auf die Reduzierung von muskulären Dysbalancen im Bereich des Rumpfes durch gezielte Kräftigung abgeschwächter Muskelgruppen. Hinzu kamen Übungsinhalte zur Haltungsschulung, Muskeldehnung sowie Übungen zur aktiven Mobilisierung und Entspannung.

Auf den Transfer der Übungsinhalte in den Berufsalltag wurde besonderen Wert gelegt. So erfolgte beispielsweise die Vermittlung von speziellen „Büro-Übungen“ für kurze, aktive Bewegungspausen am Bildschirmarbeitsplatz. Um für den Mitarbeiter den Anreiz zur Teilnahme zu erhöhen, übernahm der Arbeitgeber einen wesentlichen Anteil der Kurskosten in Höhe von 80 Prozent.

Neben den Kursen schaffte die Gothaer weitere Beratungsangebote und Coachings für die Belegschaft zu den Themenbereichen ergonomische Gestaltung von Arbeitsplätzen („ErgoCoaching“) und Ernährung. Diese dienten in erster Linie der gesundheitsgerechteren Gestaltung der Arbeitsumgebung, sowie dem Empowerment der Mitarbeiter, also ihrer Befähigung zur Selbsthilfe.

Das 12-monatige Pilotprojekt schloss mit einer Abschlussanalyse und der Evaluation des Programms. Für die Probanden der Trainings- und Kontrollgruppe erfolgte ein erneutes Rückenscreening (Re-Check). Zudem wurden die Teilnehmer einer Post-Befragung unterzogen, um subjektive Veränderungen erfassen und dokumentieren zu können.

Bei der Auswertung der Programmeffekte standen die Teilnehmer an den regelmäßigen Fitness- und Entspannungsangeboten im Fokus der Betrachtung. Sie wurden der Trainingsgruppe (TG) zugeordnet. Alle anderen Mitarbeiter, welche nicht an den oben genannten Kursangeboten im Rahmen des Programms teilnahmen, wurden der Kontrollgruppe (KG) zugeteilt. Diese Einteilung lag darin begründet, dass die Fitness- und Entspannungsangebote den Kern des Programms bildeten und durch ihre Regelmäßigkeit nachhaltige Effekte versprachen.

Von einer dezidierteren Clusterung nach Umfang und Regelmäßigkeit privater Bewegungsaktivitäten außerhalb des Betriebs wurde abgesehen, um die Aussagefähigkeit der Stichprobe nicht weiter einzuschränken.

Sowohl die Teilnahme an den Messungen als auch am Interventionsprogramm erfolgte ausschließlich auf freiwilliger Basis.

Methoden zur Evaluation
Die Evaluation aller Maßnahmen zur Gesundheitsförderung sollte ein regelmäßiges Controlling beinhalten, mit Hilfe dessen es bei einfachen Mitteln gelingt, die qualitativen und quantitativen Effekte von betrieblicher Gesundheitsförderung für Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu erfassen.

Im Fokus der Betrachtung des BGF-Projekts standen die Teilnehmer der in wöchentlichem Turnus angebotenen Bewegungs- und Entspannungskurse. Bei diesen war auf Grund der Regelmäßigkeit des Trainings der größte Interventionseffekt innerhalb des Projektzeitraums zu erwarten. Zur Erfassung aussagekräftiger Parameter wurden im dargestellten Projekt verschiedene Controlling-Instrumente verwendet.

Zur Erfassung des Funktionszustandes der wirbelsäulenumgebenden Rumpfmuskulatur wurde der „IPN Back Check“ (IPN, Köln) eingesetzt. Dieses einfache apparative Screeningverfahren hat sich in verschiedenen Studien5,16 als geeignetes Testsystem zur Früherkennung von muskulären Defiziten sowie zur Identifizierung und Quantifizierung muskulärer Dysbalancen bewährt. Gemessen wird hierbei die isometrische Kraft der Rumpfflexoren und Rumpfextensoren im aufrechten Stand (0-Grad Position). Beide Maximalkraftwerte können aufgrund des einheitlichen Ansatzpunktes des Kraftaufnehmers bei der Auswertung unmittelbar miteinander verglichen werden (Proportion). Die Beurteilung erfolgt auf Basis von Normwerten, die in Abhängigkeit zum Geschlecht, Alter und Gewicht des Probanden stehen. Bei der Bewertung wird der Proband einer von fünf Kategorien zugeordnet, von 1 („ungünstig“) bis 5 („sehr gut“). Die Kategorie 3 („durchschnitt“) entspricht der Norm.

Nach dem Eingangscheck zum Zeitpunkt t1 wurden die Probanden in Trainings- und Kontrollgruppe unterteilt und beim Re-Check zum Projektabschluss (Zeitpunkt t2) erneut getestet.

Die Erfassung der subjektiven Parameter, der sogenannten „weichen“ Faktoren, erfolgte in Form einer anonymisierten Teilnehmerbefragung zu Beginn (t1) und zum Ende (t2) des Programms. In diesem Rahmen wurden neben dem Wohlbefinden und den körperlichen Beschwerden der Probanden die Lebensgewohnheiten in Bezug auf sportliche Aktivitäten im täglichen Leben erhoben. Bei Abschluss des Programms erfolgte zusätzlich eine Bewertung des Kursangebotes. Diese Fragebögen wurden im zeitlichen Ablauf sowohl den Mitgliedern der Interventionsgruppe als auch der Kontrollgruppe zugeführt.

Die Evaluation der quantitativen Effekte in Form eines ökonomischen Controllings erfolgte auf Basis einer Fehlzeitenanalyse. Anhand anonymisierter Daten wurde der Fehlzeiten-Verlauf der Trainingsgruppe (n=65) im Verhältnis der Gesamtbelegschaft (n=650) dargestellt. Die Verlaufskontrolle wurde durch Auswertung von drei vor Projektbeginn definiert Zeiträumen vorgenommen. Der erste Zeitraum (Z1) stellte das Jahr vor Projektstart dar, der zweite Zeitraum (Z2) das Projektjahr und der dritte Zeitraum (Z3) das Jahr nach Projektabschluss. Anschließend wurde die Einsparung der indirekten Kosten (Produktivitätsausfall durch Arbeitsunfähigkeit) berechnet.

Ergebnisse
Nachdem 650 Beschäftigten das offene Angebot zur Teilnahme unterbreitet wurde, entschieden sich 192 Personen (30%) auf freiwilliger Basis für die Teilnahme an der initialen Statusanalyse (Back Check) mit integriertern Befragung. 65 Mitarbeiter (10%) besuchten anschließend die Präventionskurse im Unternehmen und wurden der Trainingsgruppe (TG) zugeordnet. An der Post-Befragung der Kursteilnehmer nahmen 52 Personen teil, was einer Rücklaufquote von 80% der TG entspricht. Bei der Abschlussanalyse (Re-Check) gelang es, trotz telefonischer Rekrutierung der Trainingsgruppe und dem Angebot von Ausweichterminen nicht, mehr als 32 Probanden zu erfassen, welche bereits an der Statusanalyse teilgenommen hatten. Von diesen 32 Personen konnten 18 Probanden der TG und 14 Probanden der KG zugeordnet werden. Die 18 Personen der TG entsprechen hierbei einer Quote von 28%.

Zur Fehlzeitenauswertung wurden die anonymisierten Daten aller 65 Kursteilnehmer (TG) sowie der kompletten Kontrollgruppe herangezogen.

Die Probanden der Trainingsgruppe zeigten von der ersten Back Check Messung (Zeitpunkt t1: Mittelwert (x)=2,17; Standardabweichung (s)=0,79) zur zweiten (Zeitpunkt t2: x=3,06; s=1,16) eine deutliche Verbesserung des Funktionszustandes der Rumpfmuskulatur . Bei der Kontrollgruppe der Nicht-Kursteilnehmer zeigte sich dagegen eine leichte Verschlechterung der Rumpfmuskelkraft von t1 (x=2,79; s=1,19) zu t2 (x=2,50; s= 0,94) (s. Abb. 2).

Auf Grund der Freiwilligkeit der Teilnahme handelt es sich bei den Ergebnissen um eine Stichprobe, die nur einen Teil der Mitarbeiter im Unternehmen umfasst.

Von den Teilnehmern der Statusanalyse zum t1 (n=192) nahmen 32 Probanden an der Abschlussanalyse zum t2 teil. Diese Stichprobe unterteilt sich in Trainingsgruppe (n=18, Durchschnittsalter 33 Jahre) und Kontrollgruppe (n= 14, Durchschnittsalter 37,5 Jahre). Ergebnisse nach IPN Back Check (siehe Methoden zur Evaluation).

Bei der Eingangsbefragung der Probanden (n=192), die zeitlich direkt vor dem ersten Rückenscreening Termin t1 lag, gaben 60% der Befragten an, „immer“ (6%), „häufig“ (18%) oder „manchmal“ (36%) unter Rückenbeschwerden zu leiden.

An der freiwilligen und anonymen Abschlussbefragung zum Zeitpunkt t2 nahmen 52 Personen der Trainingsgruppe (Rücklaufquote 80%) teil. Es zeigte sich eine deutliche Abnahme von körperlichen Beschwerden und Stress-Symptomen (siehe Abb. 3). Daneben hatten die Befragten das Gefühl, den Anforderungen des jeweiligen Aufgabenbereiches subjektiv besser entsprechen zu können. 94% gaben zudem an, ihr Training fortsetzen zu wollen. Die Qualität des Kursprogramms wurde von 95 % der Teilnehmer mit „sehr gut“ (67%) oder „gut“ (27%) bewertet.

Die Fehlzeitenanalyse ergab, dass vermehrt Mitarbeiter mit höherem Krankenstand den Weg in die Kursprogramme fanden (siehe Abb. 4). Im ersten Auswertungszeitraum (Z1), der die 12 Monate vor Programmbeginn umfasste, lag die Fehlzeitenquote der späteren Kursteilnehmer 4,5 Prozent über dem Wert der Gesamtbelegschaft. Während der 12 Programm-Monate (Z2) lag die Fehlzeitenquote der Kursteilnehmer bereits um 4,7 Prozent unterhalb des Niveaus der Gesamtbelegschaft und sank im Verlauf des nachfolgenden Jahres nochmals um 13,2 Prozent ab. Die durchschnittliche jährliche Steigerung betrug somit 11,2 Prozent bei einem Gesamtwert von 22,4 Prozent.

Bei der anschließenden Berechnung des ökonomischen Nutzens wurde der Fokus auf die Einsparung von indirekten Kosten gelegt, welche durch Produktivitätsausfall auf Grund von Arbeitsunfähigkeit entstehen. Die Reduzierung der Fehlzeitenquote bei den Kursteilnehmern um 22,4 Prozent entspricht einer Reduzierung der Fehltage pro Proband um 1,5 Tage. Bei 65 Personen ergibt sich somit insgesamt eine Verringerung der Gesamt-Fehltage in Höhe von 97,5 Tage (1,5 x 65 = 97,5). Bei einem Personalkostensatz von 350 EUR pro Tag (Kennzahl Deutsche Versicherungswirtschaft 2005) spart das Unternehmen Kosten in Höhe von 34.125 EUR (97,5 x 350 = 34.125) ein. Dem gegenüber steht eine Investition in Höhe von 31.200 Euro für das Gesamtpaket „Betriebliches Gesundheits-Management“.

Diskussion
Zunehmende Arbeitsverdichtung, Arbeitsüberlastung, Hektik und Termindruck führen heute vermehrt zu Überforderung und Stressbelastungen bei Arbeitnehmern, was bis zum Burnout-Syndrom führen kann17,18. Diese Entwicklung erfordert zunehmende Betreuung der Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber, um Langzeitausfälle und damit verbundene Produktionsausfälle und Kosten zu vermeiden. BGF bietet dazu geeignete Maßnahmen neben anderen Ansätzen der Personalentwicklung, wie zum Beispiel flexible Arbeitszeitmodelle sowie bedarfsgerechter Weiterqualifizierung von Beschäftigten.

Mit der Einführung von betrieblicher Gesundheitsförderung (BGF) bei der Gothaer Krankenversicherung wurde dem Wunsch vieler Mitarbeiter entsprochen, ein Angebot zur Verbesserung ihrer Gesundheit zu schaffen.

Mit einem interdisziplinären Expertenteam gelang die Planung und Umsetzung eines ganzheitlichen BGF-Programms als Pilotprojekt.

Die Ergebnisse zeigen eine Zunahme der körperlichen Fitness, eine größere Zufriedenheit mit dem Arbeitsplatz und die Zunahme der Anwesenheit bei den Kursteilnehmern. Anhand der quantitativen Ergebnisse konnte ein „Return Of Investment“ (ROI) nachgewiesen werden. Diese Erkenntnisse decken sich mit den Zahlen aus den spärlichen verfügbaren Studien10-13.19.

Die Auswertung und Evaluation der Rückenscreening Messdaten (Vorher-Nachher-Vergleich) ergab bei der Trainingsgruppe eine deutliche Verbesserung von einem unterdurchschnittlichen auf einen durchschnittlichen Wert (siehe Abb. 2), die sich zudem noch als statistisch signifikant herausstellte. Dieser Interventionseffekt weist auf ein sehr effizientes Trainingsprogramm hin. Diese Effizienz wurde durch die durchweg positive Resonanz der Teilnehmer bei der finalen Befragung (Schmerzreduktion, Verbesserung des Entspannungszustandes) noch unterstrichen. Die Zielsetzung „Transfer der Übungsinhalte“ in den Berufsalltag ist laut Ergebnis der Mitarbeiterbefragung ebenfalls gelungen. Dies wurde dadurch belegt, dass der Großteil der Teilnehmer angab, für sich aus den BGF-Maßnahmen einen direkten Nutzen zur Bewältigung des Berufsalltags ziehen zu können (siehe Abb. 3).

Trotz begrenzter Teilnehmerzahl am Re-Check „Rückenscreening“ wird hiermit eine positive Entwicklung aufzeigt, die durch die Befragungsergebnisse bestätigt wird.

Bemerkenswert bleibt der Nachweis einer hohen Nachhaltigkeit, der sich darin äußert dass sich der Anstieg der Anwesenheitsquote nach Abschluss des Piloten weiter fortsetzte (siehe Abb. 4). Der hohe Prozentsatz der Probanden, die angaben, ihr Training eigenständig fortsetzen zu wollen (94%), zeigt, dass die Überführung der Projektmaßnahmen in eine Alltagsroutine gelungen ist. Somit ist das Ziel Empowerment der Mitarbeiter (Befähigung zur Selbsthilfe) ebenfalls erreicht worden.

Diese Studie hat natürlich auch ihre Grenzen. So erwies sich beispielsweise die Rekrutierung von Trainings- und Kontrollgruppe zur Abschlussanalyse als problematisch. Das Prinzip der Freiwilligkeit der Teilnahme führte dazu, dass trotz eines erheblichen Aufwands von den 192 Teilnehmern der Eingangsanalyse nur 32 Probanden zum Re-Check Rückenscreening motiviert werden konnten. Dies resultierte unter anderem daraus, dass das Programm vom Grunddesign her nicht als wissenschaftliches Forschungsprojekt konzipiert und kommuniziert wurde sondern als zielorientierte Unternehmensmaßnahme.

Bei der umfassenden Nutzenbetrachtung der BGF dürfen neben den harten Zahlen, welche den Anwesenheitsanstieg der Probanden dokumentieren, auch die weichen Faktoren, wie gesteigerte Mitarbeiterzufriedenheit und Identifikation mit dem Unternehmen nicht außer Acht gelassen werden.

Welches Gewicht diese Faktoren einnehmen, zeigt die im jährlichen Turnus erscheinende „Gallup Studie“. In dieser repräsentativen Studie wird auf Basis von Befragungen von Arbeitnehmern in der Bundesrepublik Deutschland ein Engagement-Index berechnet. Das Ergebnis für 2005 fiel erschreckend aus: 18% der Arbeitnehmer seien „ohne emotionale Bindung“ zu ihrem Arbeitgeber und hätten die innere Kündigung bereits vollzogen. Neben der Tatsache, dass ein wirtschaftlicher Schaden in beträchtlicher Höhe entsteht – der Unternehmensverlust in Deutschland aufgrund niedriger Produktivität wird in einer Studie auf einen Betrag zwischen 250,6 und 254,2 Milliarden Euro pro Jahr beziffert20 – ist es auch aus Sicht eines betroffenen Arbeitnehmers eine enorme mentale Belastung, die lange Zeitstrecke bis zum Erreichen des Rentenalters ohne ausreichende Motivation zu bewältigen.

Leider liegen auf dem Markt bis zum heutigen Zeitpunkt keine ausgereiften Instrumente vor, um alle weichen Faktoren in ökonomische Kennzahlen umrechnen zu können. Aus diesem Grund musste von einer exakten Berechnung des ROI im Rahmen dieser Studie abgesehen werden.

Obwohl der gesundheitliche und ökonomische Nutzen betrieblicher Gesundheitsförderung und Prävention heute unter Fachleuten unumstritten ist, zögern viele Unternehmen immer noch mit der konsequenten Einführung. Ein häufiger Grund hierfür ist das Fehlen von unternehmensinternen Kompetenzen, was dazu führt, dass Gesundheitsfördermaßnahmen durch unsystematisches Vorgehen – ohne Statusanalyse und Evaluationskonzept – in Misskredit geraten.

Vorstände und Geschäftsführer stehen in der heutigen Zeit unter einem enormen Druck und können es sich nicht mehr leisten, Budgets ohne greifbaren Nutzen einzusetzen. Hier sollten sich Unternehmen nicht scheuen, bei Bedarf auf die Unterstützung von externen Experten zurückzugreifen.

Alleine durch die demografische Entwicklung in Deutschland ist es nur eine Frage der Zeit, bis Arbeitgeber gezwungen werden, sich aktiv für den Erhalt der Leistungsfähigkeit ihrer Arbeitnehmer einzusetzen. Hier nimmt betriebliche Gesundheitsförderung die Rolle eines wichtigen Handlungsfeldes ein21. Auch der Gesetzgeber hat dies erkannt. Mit der Einführung des GMG am 1.1.2004 wurden weitere Instrumente installiert, die den Anreiz für den Arbeitgeber, BGF zu implementieren, unterstützen sollen22.

Ausblick
Die Aufarbeitung dieser erhobenen Daten und Informationen und nicht zuletzt der großen Zuspruch seitens der Mitarbeiter führt zur Fortsetzung und zur Ausweitung des Projektes zur betrieblichen Gesundheitsförderung innerhalb des Gesamtkonzerns. Die Fortführung der Evaluation in den kommenden Jahren wird weitere Aufschlüsse geben.

Es bleibt zu wünschen, dass durch das Berichtete auch andere Unternehmen verschiedensten Branchen zur Durchführung von Maßnahmen zur Gesundheitsvorsorge ermutigt werden.

· Literatur

Appell, H.-J.: Muskeln lassen sich im Alter noch aufbauen. In N. Nollau: Gesundheits-Check. München: Gräfe und Unzer 2005

BKK Faktenspiegel: Schwerpunktthema Rückengesundheit. Essen: Oktober 2006

Brand, R.; Schlicht, W.; Grossmann, K.; Duhnsen, R.: Effects of a physical exercise intervention on employees’ perceptions of quality of life: a randomized controlled trial. Sozial- und Präventivmedizin 51 (2006): 14–23

Burisch, M.: Das Burnout Syndrom. Theorie der inneren Erschöpfung. 3. Aufl. Springer 2006

Enterprise for Health: Psychosoziale Gesundheit und Führung. Essen 2005.

Fritz, S.: Mehrebenen-Evaluation von Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung. Dissertation an der Technischen Universität Dresden 2004.

Gallup GmbH Deutschland: Engagement Index 2005 http://www.presseportal.de/story.htx?nr=719311&firmaid=9766

Gerst, T.: Betriebliche Gesundheitsförderung: Lohnende Investition in Mitarbeiter. Deutsches Ärzteblatt, Jg. 103,Heft 15, 14. April 2006:

GKV-Modernisierungsgesetz-GMG, § 65a

Heaney, C.A.; Goetzel, R.Z.: A Review of Health-related Outcomes of Multi-component Worksite Health Promotion Programs. American Journal of Health Promotion 1997; 11(4):290–307.

Helmenstein, C.; Hofmarcher, M.; Kleissner, A.; Riedel, M.; Röhrling, G.; Schnabl, A.: IHS / ESCE: Endbericht Research Report: Ökonomischer Nutzen Betrieblicher Gesundheitsförderung. Wien 2004.

Hentze, H.; Hinkelmann D.: Gutachten der Industrie- und Handelskammer Nord Westfalen: Alternde Belegschaften – Herausforderung für die betriebliche Personalpolitik der Zukunft. Münster 2005

Hinrichs, H. U.: Sportherapeutisches Lauftraining für Patienten mit Bandscheibenschäden und Wirbelsäulenleiden. Gesundheitssport und Sporttherapie 2, 44–54 (1987)

Kreis, J.; Bödeker, W.: IGA-Report 3: Gesundheitlicher und ökonomischer Nutzen betrieblicher Gesundheitsförderung und Prävention – Zusammenstellung der wissenschaftlichen Evidenz. Essen: BKK Bundesverband (Hrsg.) 2003

Lahad, A.; Malter, A. D.; Berg, A. O.; Deyo, R. A.: The effectiveness of four interventions for the prevention of low back pain. JAMA – Journal of the American Medical Association 272 (1994): 1286 – 1291.

Lowe, G.S.; Schellenberg, G.; Shannon, H.S.: Correlates of employees” perceptions of a healthy work environment. American Journal of Health Promotion 2003 Jul-Aug; 17(6):390–9.

Lühmann, D.; Müller, V. E.; Raspe, H.: Prävention von Rückenschmerzen. Expertise im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung und der Akademie für Manuelle Medizin, Universität Münster – Abschlussbericht 2004. http://www.bertelsmann-stiftung.de/bst/de/media/xcms_bst_dms_15515__2.pdf

Meggeneder, O.; Pelster, K.; Sochert R. (Hrsg.): Betriebliche Gesundheitsförderung in kleinen und mittleren Unternehmen. Bern: Huber 2005

Ochs, S.; Froböse, I.; Trunz, E.: Einsatzmöglichkeiten und Perspektiven eines neuen Screeningsystems zur Objektivierung des Funktionszustandes der Rumpfmuskulatur (IPN Back Check). Gesundheitssport und Sporttherapie 14 (1998)

Pelletier, K.R.: A Review and Analysis of the Clinical and Cost-effectiveness Studies of Comprehensive Health Promotion and Disease Management Programs at the Worksite: 1998–2000 Update. American Journal of Health Promotion 2001; 16(2):107–116.

Pelletier, K.R.: A Review and Analysis of the Clinical and Cost-effectiveness Studies of Comprehensive Health Promotion and Disease Management Programs at the Worksite: 1995 – 1998 Update (IV). American Journal of Health Promotion 1999; 13(6):333–345.

Pelletier, K.R.: A Review and Analysis of the Clinical and Cost-effectiveness Outcome Studies of Comprehensive Health Promotion and Disease Prevention Programs at the Worksite: 1993 – 1995 Update. American Journal of Health Promotion 1996; 10(5):380–388.

Shepard, R.J.: Worksite Fitness and Exercise Programs: A Review of Methodology and Health Impact. American Journal of Health Promotion 1996; 10(6):436–452.

Volkmar Benner, Marco Burnus, Sebastian Ochs

Aktuelle Ausgabe

Partnermagazine

Akademie

Partner