Arbeitsschutz

Kommentar zur neuen Artikelverordnung zur Änderung von Arbeitsschutzverordnungen

Mit dem Referentenentwurf einer neuen Artikelverordnung zur Änderung von Arbeitsschutzverordnungen soll nach dem Willen des zuständigen Arbeitsministeriums das bisherige Arbeitsstättenrecht modernisiert werden. Die geänderte Verordnung soll künftig helfen, die Auslegung und Anwendung der ArbStättV in den Betrieben zu verbessern, wobei betont wird, dass viele der aufgenommenen Änderungen aus der Praxis sowie aus dem „Ausschuss für Arbeitsstätten“ in den Entwurf eingeflossen sind.

Dabei ist neben einer Reihe von Änderungen und Anpassungen im bisherigen Rechtstext der Arbeitsstättenverordnung insbesondere im Artikel 3 die Aufhebung der bislang eigenständigen Bildschirmarbeitsverordnung und in Artikel 1 ihre Übernahme in die neugefasste Arbeitsstättenverordnung von einiger Bedeutung. Artikel 2 des Verordnungsentwurfs enthält eine Anpassung der Arbeitsschutzverordnung zu künstlicher optischer Strahlung bezüglich der Sachkunde von Laserschutzbeauftragten.

Endlich wird das Werk wieder rund, möchte man sagen, nachdem mittlerweile mehr als zehn Jahre vergangen sind, in denen man sich in Deutschland – in Anpassung an europäische Gepflogenheiten, nur unbestimmte Rechtsbegriffe in Gesetzeswerke aufzunehmen – mit einem seinerzeit gleichfalls als „modernisiert verkauften“ Arbeitstätten-Rumpf-Werk zufrieden geben musste, in dem den Beschäftigten zwar das Recht auf eine eigene Kleiderablage, nicht jedoch auf einen angemessen großen Arbeitsplatz und Arbeitsraum eingeräumt wurde.

Inzwischen haben die neuen, langjährig diskutierten „Arbeitsstättenregeln“ wenigstens annähernd den rechtlichen Zustand wiederhergestellt, der bis vor gut einem Jahrzehnt schon einmal allgemeingültiger Standard an den Arbeitsstätten in Deutschland gewesen war. Doch ist damit wirklich alles gut?

Insbesondere die Frage der Büroflächengrößen, damit verbunden auch des Mindest(luft)raumes, scheint noch immer für erheblichen interessengesteuerten Diskussionsstoff zu sorgen. Und selbst bei der Anzahl der zur Verfügung zu haltenden Toiletten scheint sich mancher Arbeitgeber immer weniger den hygienischen Standards einer hochentwickelten Industriegesellschaft, als vielmehr seinem betriebswirtschaftlich möglichen Einsparpotenzial verpflichtet zu fühlen, natürlich alles unter strikter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben – versteht sich.

„Der größte Knüller“ ist allerdings mit der nun erfolgten Einbeziehung der bislang eigenständigen Bildschirmarbeitsverordnung gelungen. Diese Einbeziehung geschieht so gründlich, dass selbst antiquierte Formulierungen („Darstellung alphanumerischer Zeichen“) unverändert übernommen wurden, angeblich, weil die Inhalte der europäischen Bildschirmrichtlinie nicht anders als 1:1 übernommen werden dürfen. Ob es dafür dann überhaupt nötig war, die Anforderungen der Bildschirmrichtlinie zu zergliedern, um sie nunmehr einer anderen deutschen Verordnung einzuverleiben, sei dahingestellt.

An diesen urdeutschen Weg, alle Brüsseler Richtlinien bis zur Unkenntlichkeit in das vorhandene Korsett vorhandener deutscher Rechtsverordnungen einpassen zu wollen, hat man sich ja mittlerweile fast schon gewöhnt. Da wäre es dann allerdings folgerichtig gewesen, gleich noch einen Schritt weiter zu gehen und den eigentlichen „Geburtsfehler“ der bisherigen Bildschirmarbeitsverordnung mit zu beseitigen:

Insbesondere der Anhang der BildscharbV enthielt nämlich eindeutig eine Reihe von Beschaffenheitsanforderungen, die mit einem betrieblichen Arbeitsschutz nur am Rande zu tun haben. Hierfür wäre dann aber eigentlich das Produktsicherheitsgesetz zuständig und nicht das Arbeitsschutzgesetz mit seiner Arbeitsstättenverordnung. Warum dies nicht geschehen ist, kann nur einen einzigen Grund haben: Die derzeitige völlige Zersplittertheit des deutschen Produktsicherheitsrechts auf unterschiedliche Bundesressorts.

So lange es selbst in Deutschland so ist, dass die Zuständigkeiten für die neue europäische Marktüberwachungsverordnung im Wirtschaftsministerium, die für eine neue allgemeine Produktsicherheitsverordnung beim Verbraucherschutzministerium und die Umsetzung (einiger) unterfallender New Approach-Richtlinien in deutsches Recht federführend beim Arbeitsministerium liegt, in dem wiederum unterschiedliche Referate für Betriebssicherheit, Arbeitsstätten oder Produktsicherheit zuständig sind (von den für Gesundheit, Bauprodukte, Medizinprodukte oder Verkehrsmittel zuständigen anderen Bundesressorts sowieso einmal ganz abgesehen), braucht sich auch niemand über Rivalitäten zwischen den verschiedenen, für die Produktsicherheit zuständigen Brüsseler Generaldirektionen GD Sanco und GD Enterprise zu wundern.

Und auch nicht darüber, dass auch die Inhalte der BildscharbV eher zufällig in die Arbeitsstättenverordnung eingegliedert werden und es zu einer fachlich sinnvollen Einbindung ihrer Inhalte in das jeweils hierfür relevante Gesetzeswerk aber eben wohl wieder nicht kommen wird. Darauf zu setzen, dass sich an der Verordnung, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf, im Rahmen dieses Verfahrens noch etwas in diesem Sinne ändern wird, wäre allerdings etwas abenteuerlich, soll die Verordnung doch noch in dieser Legislaturperiode in Kraft treten…

Dr. Hans-Jörg Windberg, Dortmund

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