Arbeitsschutz

Was nützt es sich in jemanden hineinzuversetzen, ohne zu handeln? Untersuchung zur Integration des prosozialen Handelns in das westliche Empathiekonzept in Form eines Messinstruments zur ganzheitlichen Erfassung von Empathie

Zusammenfassung Das westliche Empathiekonzept zieht die Komponenten Affektive und Kognitive Empathie in ihre Betrachtung mit ein, ohne das Handeln zu integrieren, welches als Bestandteil der Empathie von südamerikanischen Psychologen und Biologen (R.Toro, F.Varela, H.Maturana, zit. In Stueck, Villegas und Toro, 2010) vorgeschlagen wird. In diesem Artikel wird ein ganzheitliches Empathiekonzept (Stueck, 2010), bestehend aus affektiver, kognitiver und Verhaltenskomponente vorgestellt und ein Meßinstrument zur ganzheitlichen Empathiemessung entwickelt bzw. erste Untersuchungsergebnisse damit vorgestellt. Der Empathiefragebogen (EFB) wurde nach diesem ganzheitlichen Ansatz und auf Grundlage bestehender Fragebogenverfahren (Hogan, 1969, Mehrabian & Epstein, 1972, Sherman & Stotland, 1978 und Davis 1980, 1983) und ihrer Übersetzungen sowie selbst entwickelter Items erstellt. Im ersten Teil der vorliegenden Arbeit erfolgte eine Konfirmatorische Faktorenanalyse mit 221 Kita-Erzieherinnen, Lehrerinnen, Studenten und Sozialarbeitern, die die theoretische dreifaktorielle Form, welche zwischen dem kognitiven, dem affektiven Aspekt von Empathie und empathischem Verhalten differenziert, bestätigen konnte.Der Fragebogen weist gute bis hinreichende Reliabilitäten und Itemstatistiken auf. Einsatzmöglichkeiten werden insbesondere im pädagogischen Bereich, bei Betrachtung möglicher Zusammenhänge zu gesundheitspsychologischen Variablen sowie der Evaluation von Empathie fördernden Maßnahmen gesehen. Differenzierte Zusammenhänge zwischen den Empathiedimensionen, beruflicher Irritation und AVEM-Typen konnten in Teil 2 der vorliegenden Studie an Kita-Erzieherinnen (N=58) nachgewiesen werden. Diese deuten auf eine Protektivwirkung als auch Risikopotential einzelner Empathiekomponenten hin. Schlüsselwörter

· iEmpathie

· Erziehergesundheit

· Fragebogenentwicklung

· gesundheitspsychologische Merkmale

· empathy

· educational health

· questionnaire development

· health-related psychological variables

Zweifelsohne stellt Empathie einen Grundpfeiler des menschlichen Miteinanders dar. Aus wissenschaftlicher Betrachtungsweise setzt sich das Konstrukt Empathie aus verschiedenen Faktoren zusammen, welche je nach theoretischer Ausrichtung verschieden gewichtet werden. Einigkeit besteht darin, dass „[…] Empathiefähigkeit dem menschlichen Grundbedürfnis nach emotionaler Nähe und Verständigung mit anderen Lebewesen, aber auch mit anderen Lebewesen sowie mit Objekten entgegenkommt.Hierzu gehört insbesondere das Bedürfnis, andere Personen in einem sozialen Kontext und auch sich selbst begreifen zu wollen, um Erkenntnisse für ein ganzheitliches Lebensverständnis zu gewinnen.“ (Gassner, 2007, S. 13). Aus psychologischer Perspektive versteht man unter Empathie sowohl die Fähigkeit als auch die Neigung, den psychischen Zustand einer anderen Person intern zu repräsentieren. Dieser Vorgang umfasst einerseits die Perspektiv- oder Rollenübernahme, also den kognitiven Aspekt, andererseits auch das Erleben der psychischen Verfassung des Gegenübers und somit den affektiven Aspekt (vgl. Enzmann, 1996, S. 76). ). In den tradierten Konzepten findet aus Sicht der Autoren des vorliegenden Artikels ein Aspekt zu wenig Eingang: das empathische Verhalten. Dahinter steht die Überlegung, Empathie sei nicht allein ein Produkt von Kognitionen und Emotionen, sondern drücke sich vor allem im Verhalten aus. In Anlehnung an die Santiago-Theorie der Kognition (Maturana & Varela, 1970, 2009) können die kognitiven Prozesse nicht ohne Handeln, also das sog. „ins Tun kommen“ verstanden werden (sh. auch Toro, 2010; zit. in Stueck, Villegas, Toro 2010; Stück, 2010).

Dieses ganzheitliche Empathiemodell wird in Abbildung 1dargestellt. Dass diese ganzheitliche Sichtweise auf Empathie notwendig ist, hat eine ganz praktikable Bedeutung: In einer Untersuchung (Stück, Villegas, Toro 2010) wurden 7000 Personen untersucht, inwieweit sie einer notleidenden Person vor einem Bahnhof helfen. Nur 99 Personen (ca. 1 %) gingen tatsächlich auf die notleidende Person zu und unterstützten sie. Was sich im Kopf und in den Gefühlen der Probanden ereignete, ist aus der Sicht von Stück (2010) nicht das Bedeutendste, sondern die Interaktion. Deshalb wird in dem Interventionskonzept der Empathieschule (sh. Stück, 2010) Empathie zu allererst als biologisch-verhaltensorientierte Interaktion/Ausdruck bzw. Verbindung angesehen, danach erst als gefühlsbasierte und letztlich erst als kogntive.

Diese biolgisch orientierte Verhaltensdimension (Stück, 2010) spiegelt die Basis menschlischer Empathie als Bindungsinteraktion wider.

Allgemein anerkannt ist die Bedeutung empathischer Beziehungen in der frühen Kindesentwicklung. Dabei sind diese wertvollen Bindungen nicht ausschließlich auf die Mutter- (bzw. Vater-) Kind-Beziehung beschränkt, sondern ergeben sich vielfach im weiteren familiären bzw. sozialen Kontext (z. B. Kindertagesstätten, aber auch Schulen und Betriebe). Der Kindheitspädagoge Krenz nennt dies „Ermöglichen von Bildung durch Bindungsangebote“ (Krenz, 2012). Primäre Beziehungserfahrungen sind ohne zweifel äußerst bedeutsam für die Kindesentwicklung, können aber durch spätere Körpertherapieverfahren, wie z. B. Biodanza, oder andere Beziehungen einer Modifikation unterliegen. Auch Kinder mit ungünstigen Beziehungserfahrungen können somit häufig ihre Entwicklung ohne langfristige Schäden fortsetzen, wenn jemand für sie da ist, sich ein Mensch verlässlich um das Kind kümmert (vgl. Volkert, 2008, S. 28). Für das Setting frühkindlicher Bildungseinrichtungen (gilt jedoch auch für aber auch Schulen und Betriebe) bedeutet dies, dass sich dem pädagogischen Personal die Möglichkeit bietet, durch empathischen und wertschätzenden Umgang mit dem Kind, positiv auf dessen Entwicklung einzuwirken. Im Konzept der Empathieschule (Stück, 2010) hat diese Einwirkung einen rationalen (verbal kognitiven) und einen biologisch verhaltensorienierten (nonverbal) Bestandteil. Nach diesem Konzept besitzt Empathie vor allem im Hinblick auf die dreifaktorielle Struktur unter gesundheitspsychologischer Perspektive eine große Relevanz (z.B. Hergesell & Schoppe, 2010, Stück 2010, Stück, Villegas, Toro 2010). Konkret können mit den positiven Effekten auf Seiten der Kinder auch Belastungen bei den Kita-Erzieherinnen auftreten. Enzmann (1996) fand in diesem Zusammenhang heraus, dass einzelne Empathie-Dimensionen möglicherweise stärker mit Stress bzw. Burnout einhergehen, wohingegen andere eher als Ressource anzusehen sind. Ein weiteres Problem, nämlich die psychologische Messung der EMpathiefähigkeit soll in dem vorliegenden Artikel zu einer Lösung geführt werden. Denn zur Messung der Empathiefähigkeit bei Erwachsenen existiert eine Vielzahl von Fragebögen, welche jedoch vor allem aus dem anglo-amerikanischen Sprachraum kommen. Die bekanntesten Verfahren stammen von Hogan (1969), Mehrabian & Epstein (1972), Sherman & Stotland (1978) und Davis (1980, 1983). Dennoch darf bei diesen Erhebungsinstrumenten die Inhalts- bzw. Konstruktvalidität angezweifelt werden. So merken beispielsweise Holz-Ebeling und Steinmetz (1995) an, dass die Items dieser Fragebogenverfahren weder mit den von ihren Autoren formulierten Empathie-Definitionen noch mit dem wissenschaftlichen Verständnis von Empathie vereinbar sind. Aus den bisher genannten Fragebogenverfahren stellt der „Interpersonal-Reactivity-Index“, kurz IRI (Davis, 1980), das Verfahren dar, welches einem mehrdimensionalen Verständnis von Empathie am ehesten Rechnung trägt. Der Fragebogen von Davis (1980) weist relativ gesehen die höchste substanzielle Validität auf. Aus ihrem hohen methodischen wie inhaltlichen Anspruch heraus raten Holz-Ebeling und Steinmetz (1995) jedoch zu einer mehr oder minder starken Itemselektion. So lag es nahe, auf Basis der bestehenden Fragebögen einen ökonomischen und dabei mehrdimensionalen Empathie-Fragebogen zu entwickeln, der darüber hinaus dem Verhaltensaspekt von Empathie Rechnung trägt.

Methodik
Die Untersuchung zu dem o.g. Empathiekonzept besteht aus 2 Teilen. Teil 1 befasst sich mit der statistischen Überprüfung der Empathieskala. Teil 2 überprüft die korrelativen Zusammenhänge mit gesundheitspsychologischen Skalen

Stichprobe
Teil 1: Die Stichprobe der Untersuchung setzte sich aus 221 Probanden zusammen, welche zum Zeitpunkt der Erhebung in der städtischen Region der Stadt Leipzig beschäftigt waren, und aus ausgewählten Kindertagesstätten (1,4 % Erzieherinnen, 75,1 % Kindergärtnerinnen), Schulen (19,9 % Lehrerinnen, 1,4 % Sozialpädagogen) und der Universität (5 % Studenten) rekrutiert wurden. Die Teilnahme an der Untersuchung erfolgte auf freiwilliger Basis und ohne eine finanzielle Aufwandsentschädigung. Das Alter der Probanden lag zwischen 19 und 60 Jahren (M = 42.58, SD = 12,33). Anzumerken ist, dass für die Erhebung nur 8 % männliche Versuchspersonen herangezogen werden konnten.

Teil 2: Die Stichprobe der Untersuchung setzte sich aus 58 Erzieherinnen zusammen, welche zum Zeitpunkt der Erhebung in einer städtischen Region (Stadt Leipzig) beschäftigt waren und aus ausgewählten Kindertagesstätten rekrutiert wurden. Die Teilnahme an der Untersuchung erfolgte auf freiwilliger Basis und ohne eine finanzielle Aufwandsentschädigung. Das Alter der Probanden lag zwischen 22 und 59 Jahren (M = 42.70, SD = 9,9). Anzumerken ist, dass für die Erhebung ausschließlich weibliche Versuchspersonen herangezogen werden konnten.

Erhebungsmethoden
Itemsammlungen zur Messung von Empathie: Die vorgelegte Itemsammlung bestand aus einigen bewährten Items, die existierenden Empathiefragebögen entnommen wurden (Hogan, 1969, Mehrabian & Epstein, 1972, Sherman & Stotland, 1978, Davis, 1980). Daneben wurde die Itemsammlung um selbst erstellte Items theoriegeleitet ergänzt. Im Entwicklungsprozess des Fragebogens wurden insgesamt 9 Items vorgelegt, die es auf einer fünfstufigen Likert-Skala von „trifft überhaupt nicht zu (1)“ bis „trifft völlig zu (5)“ mittels Selbsteinschätzung einzustufen galt. Theoriegeleitet bezogen sich diese Items auf den kognitiven und affektiven Aspekt von Empathie sowie das sog. Empathische Verhalten und wurden so ausgewählt, dass sie der angestrebten dreifaktoriellen Lösung (kognitive, affektive und verhaltensbezogene Komponente) entsprechend zugeordnet werden konnten (siehe Abbildung 2).

Weitere eingesetzte Verfahren
Um mögliche Zusammenhänge zu gesundheitspsychologisch relevanten Größen zu prüfen, fanden der Fragebogen zur Erfassung des sog. Arbeitsbezogenen Verhaltens- und Erlebensmusters (AVEM, Schaarschmidt & Fischer, 1996) und die Irritationsskala zur Erfassung arbeitsbezogener Beanspruchungsfolgen (IS, Mohr, Rigotti & Müller, 2007) Eingang in die Fragebogenbatterie. Ferner wurden zu einer ökonomischen Erhebung des durchschnittlichen Stresserlebens, des durchschnittlichen Verhältnisses von Entspannung und Belastung im Berufsalltag sowie der durchschnittlichen Erholungsfähigkeit drei Fragen verwendet. Dabei sollten sich die Untersuchungsteilnehmer jeweils auf einer siebenstufigen Likert-Skala rückblickend für den Zeitraum von drei Monaten einordnen. In der Frage zum durchschnittlichen Stresspegel reichte die Spanne von minimalem Stresserleben (1) bis zu maximalem Stresserleben (7). Das Verhältnis von Entspannungs- und Belastungszeiten, bezogen auf den Berufsalltag, sollte auf der Skala von ausschließlich Entspannungszeiten (1) über ein ausgeglichenes Verhältnis (4) bis zu ausschließlichen Belastungszeiten (7) eingeordnet werden. Erholungsfähigkeit, als Fähigkeit in Momenten der Ruhe abzuschalten, wurde auf der Skala von keinerlei Problemen abzuschalten (1) bis zu starker gedanklicher Belastung durch unerledigte Dinge (7) gemessen.

Ablauf der Untersuchung
Die Rekrutierung der Stichprobe erfolgte in Kooperation mit verschiedenen Kitas, Schulen und der Universität Leipzig in der Stadt Leipzig im Juli 2009. Nach einer Erläuterung der Untersuchung wurden die Fragebögen den Kita-Erzieherinnen ausgehändigt. Das Bearbeiten der Fragen durch die Erzieherinnen der Einrichtungen erfolgte dabei in Eigenregie.

Statistische Auswertung
Die Daten wurden mittels des Computerprogramms SPSS, Version 22, ausgewertet. Zur Bestätigung der Faktorenstruktur wurde eine Konfirmatorische Faktoranalyse mittels SPSS AMOS 22.00 durchgeführt. Weiter wurden Analysen der Reliabilitäten in Bezug auf die verwendeten Items durchgeführt. Es wurden die Reliabilitäten der Gesamtskala, die der Teilskalen (Kognitive, Affektive Empathie sowie Empathisches Verhalten) und die Itemstatistiken (insbesondere Trennschärfe) ermittelt. Für die Reliabilitäten der Skalen wurde jeweils Cronbachs Alpha als Maß der internen Konsistenz berechnet. Daneben sollten die ausgewählten Items vertretbare Trennschärfen (mindestens rit > .30) aufweisen. Mögliche Zusammenhänge zwischen den Empathiedimensionen und gesundheitspychologischen Variablen sollten mittels Korrelationen (Kreuzkorrelation nach Pearson) hergestellt werden. Das angelegte Signifikanzniveau für die statistischen Kennwerte betrug einheitlich p < .05. Ergebnisse
Teil 1: Ergebnisse der konfirmatorischen Faktorenanalyse. Das verwendete dreifaktorielle Strukturgleichungsmodell wird in Abbildung 2 abgebildet. Hierbei wurden dem Faktor „Affektive Empathie“ die Items 1, 2 und 5, dem Faktor „Kognitive Empathie“ die Items 3, 4 und 6 und dem Faktor „Empathisches Verhalten“ die Items 7, 8 und 9 zugeordnet.

Mit X2(24, N = 221) = 33.73; p < .05 konnte das dreifaktorielle Modell bestätigt werden. Weitere Gütemaße können in Tabelle 1 eingesehen werden. Diese zeigen, dass auf globaler als auch als auf lokaler Ebene das Modell als akzeptabel bis gut eingeschätzt werden kann. Die Regressionsgewichte, Varianzen und Kovarianzen sind in den Tabellen 2a, b und c einzusehen. Für den Gesamtindex Empathie ergibt sich in der dreifaktoriellen Lösung eine Reliabilität von Cronbachs Alpha = .67. Die Reliabilitäten der Einzelskalen schwanken von Cronbachs Alpha = .48 (KE), Cronbachs Alpha = .58 (AE) bis Cronbachs Alpha = .66 (EV). Die getrennt für die drei Subskalen ermittelten Trennschärfen der Items (rit) streuen zwischen .24 und .54. Bis auf die Items 4 und 5 erfüllen alle Items das Kriterium eines vertretbaren Mindestwertes für die Trennschärfe von rit = .30. Die drei Subskalen weisen geringe, jedoch signifikanten Kovarianzen untereinander auf: Affektive Empathie korreliert signifikant mit Kognitiver Empathie (r = -.10, p < .005) und Empathischem Verhalten (r = .16, p < .005), Kognitive Empathie korreliert mit Empathischem Verhalten (r = -.09, p < .005). In Tabelle 3 sind die Mittelwerte, Standardabweichungen und Reliabilitäten (Interne Konsistenzen) bezogen auf die drei Subskalen Affektive, Kognitive Empathie, Empathisches Verhalten dargestellt. Außerdem sind Mittelwerte, Standardabweichungen und Trennschärfen der Items zu sehen. Es ergibt sich kein signifikanter Zusammenhang zwischen Alter und dem Gesamtwert der Empathieskala (r = 1.21, p >. 05).

Teil 2: Ergebnisse bezogen auf Zusammenhänge zu gesundheitspsychologischen Variablen: Tabelle 4 zeigt einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Anzahl der geleisteten Dienstjahre der Erzieherinnen und der Subskala Empathisches Verhalten auf (r = .31, p < .05), was auf eine stärkere Ausprägung von prosozialen Verhaltensweisen wie z. B. Hilfsbereitschaft mit zunehmender Tätigkeitsdauer im Kita-Bereich hindeutet. Signifikante Zusammenhänge zwischen Empathischem Verhalten und den gesundheitspsychologischen Variablen lassen sich nicht feststellen. Für die Skala Affektive Empathie lassen sich einerseits signifikante Zusammenhänge zur Erholungsunfähigkeit (r = .28, p < .05) und zur kognitiven Irritation (r = .32, p <. 05) nachweisen. Somit geht die Tendenz, leichter durch die Gefühle Anderer beeinflussbar zu sein, mit einer verminderten Erholungsfähigkeit einher. Zudem neigen Personen, die in dieser Untersuchung angeben, leichter durch das Befinden bzw. die Gefühle Anderer beeinflussbar zu sein (affektive Empathiedimension), eher zu Grübeleien über berufliche Probleme als auch Gereiztheitszuständen. Des Weiteren kann ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Skala Affektive Empathie und der Wahrscheinlichkeit der Zuordnung zum AVEM-Risikotyp A (r = .29, p < .05) gefunden werden. Demnach weisen Personen mit höherer Ausprägung auf der Skala Affektive Empathie eher Verhaltensweisen auf, die z. B. durch überhöhtes berufliches Engagement, hohe Verausgabungsbereitschaft sowie eine geringe Distanzierungsfähigkeit zu den Problemen von Arbeit und Beruf gekennzeichnet sind. Für die Skala Kognitive Empathie können signifikante Zusammenhänge ausschließlich bezüglich der Zuordnungswahrscheinlichkeiten zu AVEM-Risikotyp B (r = -.47, p < .01) und AVEM-Typ G (r =. 29, p < .05) nachgewiesen werden. Demnach hängt eine größere Neigung bzw. Fähigkeit zu einer Perspektiv- oder Rollenübernahme einerseits mit einer geringeren Tendenz der für Risikotyp B typischen Merkmale wie Resignation, Motivationseinschränkung und einer herabgesetzten Widerstandsfähigkeit gegenüber Belastungen zusammen. Andererseits können den Ergebnissen zufolge Personen mit einer höheren Ausprägung auf der Skala Kognitive Empathie häufiger dem AVEM-Typ G zugeordnet werden, was als Zeichen von Widerstandsfähigkeit und Hinweis auf ein gesundheitsförderliches Verhältnis gegenüber der Arbeit gelten kann. Diskussion
Es kann festgestellt werden, dass es gelungen ist, einen mehrdimensionalen Fragebogen zur Erfassung von Empathie zu entwickeln (sh. Teil 1) und dabei die Ebene des empirischen Verhaltens zu integrieren. Dabei gingen einerseits jene beiden Dimensionen von Empathie ein, die dem wissenschaftlichen Konsens bezüglich des Verständnisses von Empathie entsprechen. Die kognitive Subskala des Fragebogens soll im Wesentlichen die Fähigkeit oder Neigung zur Perspektiv- bzw. Rollenübernahme erfassen, womit das Ausmaß des rationalen Erfassens von Emotionen und Motiven und das Voraussagen von Verhalten gemeint sind. Anhand der affektiven Subskala soll das Ausmaß der Teilhabe an der Gefühlswelt eines anderen Menschen ermittelt werden, also in welchem Umfang eine stellvertretend emotionale Reaktion in Bezug auf das Gegenüber ausgelöst wird. Daneben konnte eine sog. Handlungskomponente („Empathisches Verhalten“), welche in den existierenden Empathiemodellen bisher keine Berücksichtigung findet, in den Fragebogen integriert werden. Diese dimensionale Erweiterung stellt den Versuch dar, die Messung von Empathie um einen Verhaltensaspekt zu ergänzen. Im Wesentlichen entspricht diese Skala prosozialem Verhalten. Demnach werden darunter jene fürsorglichen und auf eine Verringerung des Leidens anderer Personen abzielenden Verhaltensweisen verstanden, welche durch kognitive bzw. affektive Prozesse ausgelöst werden.

Bezogen auf die Gütekriterien ergeben sich für die Subskalen Empathisches Verhalten, Affektive Empathie sowie den Gesamtindex Empathie solide bis gute Reliabilitäten (Interne Konsistenzen gemäß Cronbachs Alpha). Die Reliabilität der Subskala Kognitive Empathie muss als grenzwertig eingestuft werden. Allerdings ließe sich eine Verbesserung der Reliabilitäten erzielen, indem die Itemanzahl pro Subskala im weiteren Entwicklungsprozess des Fragbogens erhöht und ferner eine größere Stichprobe herangezogen würde. Die zu niedrigen Trennschärfen einzelner Items könnten durch eine Überarbeitung der Formulierung verbessert werden. Als weiteres Vorgehen in der Entwicklung des Fragebogens soll eine Validierung und Normierung angestrebt werden. Für eine Validitätsprüfung werden konstruktnahe Verfahren, wie z. B. der Saarbrücker Persönlichkeitsfragebogen zur Messung von Empathie von Paulus (2009), aber auch Verfahren zur Erfassung von Persönlichkeitsmerkmalen vorgeschlagen. Daneben bieten sich Verfahren der Fremdeinschätzung bis hin zu impliziten Verfahren als Möglichkeiten der Validierung an. Einsatzmöglichkeiten des ökonomischen EFBs sehen die Autoren vorrangig in Forschungsfeldern der Pädagogik und Psychologie. So können einerseits differenzierte Zusammenhänge zwischen Empathie und gesundheitspsychologischen Variablen auf Seiten pädagogischen Personals betrachtet werden. Andererseits kann untersucht werden, welche Wirkungen unterschiedlich empathische Erzieher/Pädagogen auf Kinder haben. In der praktischen Anwendung kann der Fragebogen für evaluative Zwecke herangezogen werden. So ließen sich beispielsweise Personalentwicklungsmaßnahmen, die auf eine Förderung von Empathie abzielen, in ihrer Wirksamkeit untersuchen.

In der Betrachtung der Untersuchungsergebnisse hinsichtlich ermittelter Zusammenhänge zwischen den Subskalen des Fragebogens und stressassoziierten Variablen (siehe Teil 2) konnten mehrere interessante Ergebnisse gefunden werden. So deuten die berichteten Korrelationen auf einen differenzierten Zusammenhang zwischen den einzelnen Empathiedimensionen und gesundheitspsychologisch bedeutsamen Erlebens- und Verhaltensmerkmalen hin. Eine höher ausgeprägte Fähigkeit bzw. Neigung zur Perspektiv- und Rollenübernahme (Kognitive Empathie) ging demnach mit aus gesundheitspsychologischer Sicht günstigen Merkmalen, wie einer geringeren Wahrscheinlichkeit dem AVEM-Risikotyp B zugeordnet zu werden und einer höheren Zuordnungswahrscheinlichkeit für den AVEM-Typ Gesundheit, einher. Dieser Befund deutet damit auf eine Tendenz hin, wie sie Enzmann (1996) in eigenen Untersuchungen referiert und sie auch bei Day & Chambers (1991, vgl. Enzmann, 1996) und v. Harscher (1992, vgl. Enzmann, 1996) findet. So besteht in Übereinstimmung mit Vermutungen von Enzmann (1996) ein möglicher Zusammenhang darin, dass eine höher ausgeprägte Neigung bzw. Fähigkeit zum Wechsel von Perspektiven und dem Verständnis des Gegenübers (Kognitive Empathie) eine protektive Wirkung hinsichtlich arbeitsbezogener Stressoren entfaltet. Jedoch macht es keinen Sinn, sich kognitiv in andere Personen hinein zu versetzen ohne zu handeln bzw. ohne zu interagieren, denn die kognitiv empathische Person wird dann zum Beobachter. Oft wird ein hohes Ausmaß an kognitiver Empathie als Ausdruck beruflicher Professionalität verstanden. Das kann in Pädagogik und Psychologie nicht funktionieren, da in diesen Fachbereichen Interaktion die Grundlage für Entwicklung darstellt. Das wird durch Armin Krenz (Krenz, 2012) bestätigt, der den Satz prägte: „Bildung durch Bindung“. Das heißt der Pädagoge oder Psychologe darf im pädagogischen Prozess kein Beobachter sein. Die weiterführenden Befunde in Teil 2 lassen sich auch so interpretieren, als dass Stress und Burnout assoziierte Verhaltensweisen wie Depersonalisierung, Motivationseinschränkungen und Resignationstendenzen die Bereitschaft zur Perspektivübernahme reduzieren. Dafür spricht insbesondere der in dieser Studie nachgewiesene negative Zusammenhang zwischen Kognitiver Empathie und dem AVEM-Risikotyp B. Daneben konnten aus gesundheitspsychologischer Perspektive eher ungünstige Zusammenhänge zwischen einer stärker ausgeprägten Neigung bzw. Fähigkeit die Gefühle anderer Personen bei sich selbst nachzuempfinden bzw. dadurch beeinflusst zu werden (Affektive Empathie) und stressassoziierten Erlebens- und Verhaltensmerkmalen hergestellt werden. So ging in dieser Untersuchung ein Mehr an Affektiver Empathie mit einer geringeren Erholungsfähigkeit, höherer kognitiver beruflicher Irritation und einer höheren Zuordnungswahrscheinlichkeit zum AVEM-Risikotyp A einher. Ähnliche Ergebnisse referiert Enzmann (1996) in Bezug auf die inhaltlich sich überschneidende Dimension des sog. „Empathischen Distress“. Seiner Argumentationslinie folgend legen auch die Ergebnisse dieser Untersuchung folgenden Schluss nahe: Personen, die leicht von Gefühlen anderer Personen angesteckt werden, ohne sich ausreichend davon distanzieren zu können, werden wahrscheinlich zusätzlichen Regulationsaufwand benötigen und in der Konsequenz eher zu emotionaler Erschöpfung, Gereiztheit und verstärkter Grübelneigung tendieren. Ein möglicher Regulationsaufwand ist das empathische Verhalten, d. h. wenn Personen mitfühlen bzw. in diesem Fall auch mitleiden, dann gibt es laut unseren Untersuchungen nur einen Ausweg: empathisch zu handeln. Für diese dritte Subskala des Fragebogens, dem sog. Empathischen Verhalten ließ sich bisher ein aussagekräftiger Zusammenhang zum Dienstalter der Versuchspersonen herstellen (sh. Teil 2). D. h. je mehr Dienstjahre die Versuchspersonen hatten, desto mehr handelten sie auch empathisch. Auch an dieser Stelle gilt, ähnlich der kognitiven Empathie: Was nützt es sich in jemanden hineinzufühlen und -zudenken ohne zu handeln. Aus gesundheitspsychologischer Perspektive ist anzunehmen, dass es sich bei Empathischem Verhalten in Hinblick auf die Bewältigung von Stresssituationen eher um einen Protektivfaktor handelt, der mit zunehmender beruflicher Erfahrung häufiger berichtet wird. Um besser interpretierbare Zusammenhänge oder auch Abgrenzungen herzustellen, bedarf es weiterführender Untersuchungen, die dabei mehr psychische Variablen (auch zu den Konstrukten Altruismus und prosozialen Verhaltens) in die Zusammenhangsbetrachtung mit einbeziehen.

Limitationen der Studie
In der vorliegenden Studie bestand das Sample überwiegend aus weiblichen Versuchspersonen, was üblich im erzieherischen Bereich ist. Jedoch sollten im Sinne der Generalisierbarkeit in künftigen Untersuchungen zum ganzheitlichen Empathiemodell mehr männliche Probanden einbezogen werden.

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