Arbeitsschutz

Mann über Bord: Einsatz von Wärmebildkameras bei der Suche nach vermissten Personen auf See

Zusammenfassung Die Zahl der Beschäftigten, die über Bord von Handelsschiffen gehen, nimmt in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich ab. Dennoch sterben immer noch Menschen, weil sie nach dem Sturz von Bord nicht oder nicht rechtzeitig gefunden werden bzw. aufgrund der langen Verweildauer im Wasser nach Auffinden dennoch aufgrund von Verletzungen oder Unterkühlung versterben. Frühzeitiges Auffinden über Bord gegangener Personen ist daher essentiell. Als zusätzliche Hilfsmittel können Infrarot-Kameras oder Restlichtverstärker die Wahrscheinlichkeit des Auffindens erhöhen. Da Wärmebildkameras bereits auf einigen Schiffen in der Brandbekämpfung eingesetzt werden, sollte in dieser Untersuchung herausgefunden werden, inwieweit IR-Kameras an Bord verbreitet sind und ob sie beim Mann-über-Bord-Manöver eingesetzt werden. Schlüsselwörter

· Mann-über-Bord

· Infrarot-Kamera

· Wärmebildkamera

· Auffinden

· Hypothermie

· Man overboard

· Person overboard

· Infrared camera

· IR

· Detection

· Hypothermia

Einführung
„Matrose … vor Helgoland vermisst”: Solche oder ähnliche Überschriften sind gelegentlich in allgemeinen Zeitungen zu lesen.1 Etwas öfter tauchen sie in maritimen Journalen wie zum Beispiel „The Sea“ oder in Datenbanken wie der der Marine Accident Investigation Branch (MAIB) auf.

Häufigkeit
Aktuelle Daten, wie viele Menschen jährlich als Mann über Bord (MOB oder inzwischen häufig, vor allem in der Schriftform auch POB für Person-over-Board) gehen, sind schwer zu erhalten. Lucas und Lincoln fassen in ihrem Artikel über tödliche Ausgänge von überbordgegangenen Fischern in Alaska Zahlen der NIOSH bis 2005 zusammen.2 Danach seien in den 16 Jahren seit 1990 ein Viertel der 293 Todesfälle bei Fischern durch Stürze von Bord begründet. Damit läge die Todesrate aufgrund von POB bei Fischern in Alaska bei 29/100.000 pro Jahr. Die Todesrate in Deutschland aufgrund beruflich bedingter Unfälle lag im Jahr 2013 bei 0,9/100.000 (386 tödliche Arbeitsunfälle bei 42,2 Mio Erwerbstätigen3).

Neuere Daten, Angaben von allen, auch nicht tödlich endenden POB und Zahlen für die gesamte Schifffahrt oder gar für den Nord- und Ostseeraum werden scheinbar nicht flächendeckend erhoben. Weder der International Maritime Rescue Federation (IMRF) als internationaler Organisation für die Rettung von Menschen auf See noch der Berufsgenossenschaft für Verkehr und Transportwirtschaft, in der im Jahr 2010 die ehemalige See-Berufsgenossenschaft aufgegangen ist, liegen diesbezügliche Statistiken vor.4 Seit 2008 mit der Umstellung der internen Berechnungen von „Pro-Kopf“-Ereignissen hin zur Ermittlung auf den Vollarbeitnehmer werden diesbezüglich gar keine Daten mehr erhoben.5

Bei der britischen MAIB waren aggregierte Daten für die Jahre 1991 bis 2011 zu erhalten.6 Demnach sind in den Jahren 1991-2011 von britischen Fischereibooten und Handelsschiffen 710 Personen aktenkundig über Bord gegangen. Nach Erhebungen von Klein sind in den Jahren 2000 bis zum Ende des ersten Quartals 2015 insgesamt 250 Passagiere und Crew-Mitglieder von Kreuzfahrtschiffen und Fähren über Bord gegangen.7

Ursachen
Als häufigste Ursache werden Unfälle genannt, häufig verbunden mit Alkohol oder schwerer See.8 Allerdings werden die wenigsten Menschen beim Überbordgehen beobachtet.1,9,10 Das heißt, viele Personen sind beim Sturz über Bord alleine an Deck. Eine Häufigkeitsverteilung zwischen Unfällen, Suiziden oder kriminellen Handlungen lässt sich daher nicht mit Sicherheit darstellen.11

Schwierigkeiten
Im Umgang mit POBs ergeben sich verschiedene Herausforderungen. Zu allererst muss das Überbordgehen bemerkt werden. Anschließend muss die Person gefunden werden, bevor sie gerettet und medizinisch versorgt werden kann.

1. Fälle von POB können unterschieden werden in diejenigen, bei denen die Person von einem Besatzungsmitglied oder Passagier beobachtet wird, während sie über Bord geht oder sie wenigstens kurz darauf noch im Wasser treibend gesehen wird. In diesen Fällen ist eine Rettung sehr viel wahrscheinlicher.12 Viele der über Bord Gegangenen werden jedoch erst nach einer Weile vermisst, häufig wenn sie von einer Aufgabe, die sie erledigen sollten, nicht zurückkehren oder wenn sie zum Wachwechsel nicht auf ihrer Station erscheinen.13

2. Selbst bei beobachteten Stürzen über Bord ist es häufig schwer, eine schwimmende Person im Auge zu behalten. Als eine der ersten Maßnahmen muss hier ein Ausguck bestimmt werden, der den Verunfallten dauerhaft bis zur Rettung visuell fixiert. Ein Mensch, der ohne Auftriebsmittel im Wasser treibt, versinkt allerdings bis zu den Schultern, und nur der Kopf schaut etwa 25 bis 30 Zentimeter über der Wasseroberfläche hervor. Schon Wellen von geringer Höhe lassen Köpfe daher „verschwinden“. Bei zunehmender Wellenhöhe, schlechter Sicht durch Nebel, Gischt oder Dunkelheit verringern sich die Chancen, einen Menschen bis zur Rettung im Auge zu behalten, drastisch. Ein weiteres Problem ist die Notwendigkeit, das Schiff zu wenden, weil dabei häufig die Schiffsaufbauten das Sichtfeld des Ausgucks versperren und damit zumindest kurzzeitig die POB aus den Augen verloren wird. Das passiert auch immer wieder, wenn die die Aufmerksamkeit des Beobachters durch weitere Aufgaben abgelenkt wird. Im Falle eines POB-Ereignisses müssen viele Aktivitäten sehr strukturiert in kurzer Zeit ablaufen. Alarm geben, Ausguck mit 1 – 2 Personen besetzen, Position in der elektronischen Seekarte notieren, Wende einleiten, Notruf absetzen, medizinisches Personal alarmieren, Fast-Rescue-Boat besetzen etc. Bei diesen Abläufen kann der eingeteilte Beobachter in Versuchung kommen, die anderen Besatzungsmitglieder unterstützen zu wollen. Nur eine kurze Unaufmerksamkeit führt dann zum Verlieren des MOB und damit zu einer erheblichen Verschlechterung der Rettungschancen. Bessere Chancen haben Menschen, die mit angelegter Rettungsweste, besser noch in einem Kälteschutzanzug mit Leuchtmittel und Reflektor und idealerweise einem PLB (Personal Locator Beacon) über Bord gegangen sind. Die Vorteile sind evident: Der geregelte Auftrieb einer Weste fördert eine ohnmachtssichere Lage und hebt den Kopf aus dem Wasser, ein Kälteschutzanzug reduziert die Auskühlung, Leucht- und Reflexionsmittel erhöhen die Sichtbarkeit bei schlechtem Wetter und nachts, und Peilsender arbeiten nahezu wetterunabhängig und sind je nach Bauart heutzutage in der Lage, die Position der POB im Radar oder auf der elektronischen Seekarte anzuzeigen und Rettungsfahrzeugen das genaue Anpeilen zu ermöglichen.Wenn Personen erst nach einer unbestimmten Zeit vermisst werden und damit der Ort eines Sturzes ins Wasser nicht genau bestimmt werden kann, haben sich verschiedene Manöver bewährt, die ein Schiff möglichst schnell wieder auf den alten Kurs zurück und damit idealerweise in die Nähe des MOB führen. Bekanntestes Manöver in der Berufsschifffahrt ist der sogenannte Williamson-Turn. Häufig genutzt werden auch der Sharnow-Turn oder der Single-Turn bzw. die Wende (siehe Abbildung 1).14

3. Selbst bei schnell gefundenen Personen gestaltet sich die Rettung häufig schwierig.16 Crew-Mitglieder, die schon fast wieder an Bord waren, gehen häufig aufgrund von Kraftmangel oder aufgrund ihrer Verletzungen wieder verloren.17 Zur Rettung von POB werden in der Regel verschiedene Beiboote genutzt. In letzter Zeit sind die sogenannten Fast Rescue Boats auf dem Vormarsch, aufgrund der hohen Preise und des zusätzlichen Platzbedarfs aber bei Weitem noch nicht auf allen Schiffen vorhanden. Die Bundesmarine wählt bei Booten und Schiffen mit niedrigem Freibord ein Kletterrettungsnetz, mit dem Verunfallte liegend aus dem Wasser wieder an Bord geholt werden können (Abbildung 2). Alle Verfahren erfordern einen hohen Personalaufwand. Besonders auf Handelsschiffen, auf denen mit möglichst geringen Besatzungsstärken gefahren wird, ist das eine besondere Herausforderung. Aber egal, ob Beiboot oder Kletterrettungsnetz verwendet wird: Problematisch ist immer das Einholen bei größeren Wellenhöhen. Je nach Wiederaufnahmedavit, einer Art Kran zum Aussetzen und Einholen der Rettungsboote, kann bereits eine Wellenhöhe von 1,5 Metern ein Aussetzen des Bootes verbieten. Auch viele der neu auf dem Markt angepriesenen Rettungsgeräte für Sport- und Berufsschifffahrt überzeugen bei Produktdemonstrationen vorwiegend bei schönem Wetter.

4. Sobald der Überbordgegangene dann wieder zurück auf dem Schiff ist, stellt sich die Frage nach einem schonenden, dem medizinischen Zustand angepassten Transport innerhalb des Schiffes. Das jeweilige Transportsystem muss hierbei sorgfältig nach verschiedenen Kriterien ausgewählt werden.18

5. Häufig führen Unfälle an Bord mit den dabei erlittenen Verletzungen zu einem Sturz ins Wasser. Andererseits können Verletzungen auch beim Sturz vom Schiff mit zum Teil großen Höhen bis über 20 Metern entstehen oder von Berührungen mit den Schiffspropellern herrühren.

Suche mithilfe von Infrarot-Kameras
Aufgrund der genannten Schwierigkeiten ergibt sich die Notwendigkeit, über Bord Gegangene so schnell wie möglich wieder sicher an Deck zu bekommen. Für den Aspekt des Wiederfindens verloren gegangener Besatzungsmitglieder oder Passagiere wird als aussichtsreichste Methode der Einsatz von Wärmebildkameras – idealerweise kombiniert mit einer speziellen Software – genannt.19,20 Hersteller von solchen Kamerasystemen werben bereits für die Nutzung ihrer Produkte bei der POB-Suche.

Vereinzelt finden sich schon Berichte über den Einsatz, seltener über den erfolgreichen Einsatz von IR-Kameras. Beim Sydney-Hobart-Race 1999 z. B. sind Überlebende gesunkener Yachten mit Infrarot-Kameras vom Helikopter und PC-3 Orion entdeckt und über Bord gegangene Segler einer weiteren Yacht von einem Polizei-Helikopter mit IR an Bord gefunden und gerettet worden.21

Da Infrarot-Thermographie an Bord bereits gelegentlich im Rahmen der Brandbekämpfung zur Detektion von brandbedingten Wärmenestern, aber auch zum Auffinden vermisster Besatzungsmitglieder genutzt wird, sollte in dieser Untersuchung festgestellt werden, inwiefern Wärmebildkameras an Bord vorhanden sind und wie häufig sie dann auch zur POB-Suche genutzt werden.

Methoden
Vom Kapitän bzw. einem Offizier von 60 Booten und Schiffen wurde ein Fragebogen ausgefüllt, in dem neben Angaben zum jeweiligen Schiff insbesondere Fragen zur Organisation des Mann-über-Bord-Manövers beantwortet werden sollten. Die Teilnehmer erhielten den Fragebogen je nach Vorliebe entweder in deutscher oder englischer Sprache. Für die Fragen des deutschsprachigen Bogens siehe Abbildung 3.

Die beteiligten Schiffstypen sind in Tabelle 1 zusammengefasst. In der Kategorie „Verschiedene“ finden sich Polizeiboote, Forschungsschiffe, Schlepper, ein Ölwehrschiff, ein Vermessungsschiff und eine Jack-up-Plattform (Hubinselschiff). Aufgrund der sehr unterschiedlichen Schiffe streut sowohl die Größe gemessen an der Verdrängung (4 bis 69200 BRZ) und der Länge über alles (10 bis 336 m) als auch die Besatzungsanzahl von einem Besatzungsmitglied auf einem Traditionssegler bis über 600 Crewmitglieder auf einem Kreuzfahrtschiff (Tabelle 2).

Der Fragebogen wurde in 24 Fällen vom Kapitän selbst ausgefüllt, 20 Bögen wurden vom 1. Nautischen Offizier, 12 vom 2. Offizier und zwei vom 3. Offizier ausgefüllt. In einem Fall wurden die Fragen vom Navigationsoffizier und einmal durch den Bootsmann eines Traditionsseglers (entspricht 1. Offizier auf diesem Typ, siehe Abbildung 4).

Von den 60 in die Befragung aufgenommenen Schiffen segelten mit 27 fast die Hälfte unter deutscher Flagge. Den zweitgrößten Anteil nahmen die zehn Schiffe und Boote unter holländischer Flagge ein. Die Verteilung der restlichen Flaggenstaaten zeigt Abbildung 5.

Suchverfahren
Von den 60 Teilnehmern gaben 52 an, für die Rolle Mann-über-Bord spezielle Suchverfahren zu nutzen. Auf acht Schiffen waren spezielle Verfahren nicht etabliert. Ein Kapitän begründete das damit: „Alle sind erfahrene Seeleute, die wissen, was sie zu tun haben.“ Aber auch 24 der Befragten, die die Frage nach speziellen Suchverfahren positiv beantworteten, führten die Folgefrage nach ihren Verfahren an Bord nicht weiter aus.

Elf Nautiker von Motorschiffen gaben als Such-Manöver explizit den Williamson-Turn an, weitere vier gehen nach dem International Aeronautical and Maritime Search and Rescue Manual (IAMSAR) Vol. III vor, in dem auch der Williamson-Turn an erster Stelle der Standardmethoden zur Rettung steht.15 Ein Offizier gab an, das Merchant Ship Search and Rescue Manual (MERSAR), das Vorgängerdokument zum IAMSAR-Manual, zu nutzen.22 Alternativ werden je nach Situation und Wetterlage auch Scharnow-Turns oder Single-Turns gefahren. Auf einem Schiff wird ein U-Turn vorgezogen.

Zu den weiter genannten Aspekten beim POB-Manöver gehörten das Werfen eines Rettungsrings oder einer Rettungsboje zum Teil mit Licht- und/oder Rauchsignal, in einem Fall werde bei Nacht eine Doppelreihe Leuchtbojen geworfen. Es werde mit Hilfe der MOB-Funktion im GPS die Position der Unfallstelle markiert und Schiffe in der Nähe über Kanal 16 mit der Bitte um Hilfe angerufen.

Wenn die POB im ersten Anlauf nicht gefunden wird, werde eine Quadratische Suchfolge (Expanding square search) oder die Raster-Suche (Parallel sweep search) gemäß IAMSAR Manual Vol. II angewendet.23

Anzahl Beobachter (Ausguck)
Auf die Frage, wie viele Besatzungsmitglieder den Auftrag bekommen, den POB im Auge zu behalten, variierte die Anzahl von „ein Crewmitglied“ über „alle verfügbaren“ bis hin zu „allen außer dem POB“. Ein Kapitän gab keine fixe Zahl an, sondern verpflichte nach Generalalarm „möglichst viele“ Besatzungsmitglieder für diese Aufgabe.

Die maximale Anzahl von Ausguck haltenden Personen lag damit im Kollektiv bei 20. Im Median sollten drei Crew-Mitglieder den über Bord Gegangenen im Auge behalten. Einige der Skipper von Traditionsseglern setzen aufgrund der geringen Besatzungsstärke auch Passagiere als Ausguckposten ein. Von 21 Befragten wurde diese Frage nicht beantwortet.

Nutzung Fernglas
Auf mehr als drei Viertel (49) der Schiffe wird zur Suche oder, um den POB im Auge zu behalten, ein Fernglas genutzt. Drei Teilnehmer verneinten diese Frage und 8 machten dazu keine Angaben.

Infrarot-Kamera
Auf zehn Schiffen gebe es eine Infrarot-Kamera (IR), 42 haben keine und acht beantworteten diese Frage nicht. Auf die Frage nach dem Typ der verwendeten Kamera wurde nur einmal geantwortet. Auf diesem Schiff werde das UCV 7000 der Firma Dräger im Rahmen der Brandbekämpfung eingesetzt. Auf einem Marine-Schiff stehe zur POB-Suche ein Helikopter mit Infrarot- und Restlichtverstärker zur Verfügung.

Auf fünf der teilnehmenden Schiffe werde zur Suche von POB eine Wärmebildkamera eingesetzt. Auf 47 Schiffen wird dieses Hilfsmittel nicht genutzt, acht Befragte machten dazu keine Angaben.

Nachtsichtgerät/Restlichtverstärker
Auf sieben der teilnehmenden Schiffe stehen – wenigstens gelegentlich – Restlichtverstärker (NVG) zur Verfügung und werden dann bei POB-Suche auch eingesetzt. 45 Besatzungen stehen keine Nachtsichtgeräte zur Verfügung, acht machten zu dieser Frage keine Angaben.

Ein Nautiker beurteilte den Einsatz von Nachtsichtgeräten skeptisch. Sie „haben sich nicht bewährt“, da sie nur bei glatter See und ausreichender Restbeleuchtung nutzbar seien.

Theoretisch
Auf vier der teilnehmenden Schiffe werden POB-Manöver nicht theoretisch durchgesprochen. Demgegenüber wird auf zwei Traditionsseglern mit jedem Gästewechsel das Verfahren bei POB besprochen, sodass sich eine maximale Anzahl von 50 pro Jahr ergab. Im Median wurden sechs theoretische Ablaufbesprechungen pro Jahr angegeben. Zehn Befragte machten keine Angabe.

Praktisch
Auf zwei Schiffen werden keine praktischen POB-Übungen durchgeführt. Auf einem davon werde theoretisch darüber gesprochen, auf dem anderen wisse die Besatzung, „was zu tun“ sei. Auch praktisch würden auf zwei Traditionsseglern 50 POB-Übungen pro Jahr durchgeführt. Über alle Schiffe ergaben die Antworten im Median vier Übungen pro Jahr. Zwölf Mal wurde diese Frage nicht beantwortet.

Limitationen
Die Befragung mit Informationen über 60 Schiffe ist nicht repräsentativ. Aufgrund weniger stringenter Sicherheitsanforderungen segeln im Bereich Traditionssegler viele Schiffe unter holländischer Flagge, sodass der Anteil der Befragten in diesem Bereich annähernd repräsentativ ist.

Ein Autor (FF) hat die Fragebögen während seiner Tätigkeit als Lotse beantworten lassen. Dabei fielen ihm zum Teil stark korrodierte Davids der Fast Rescue Boote auf, zum Teil waren eigentlich bewegliche Teile der Davids mit Farbschichten bedeckt, sodass die angegebenen Zahlen für MOB-Übungen in einigen Fällen kritisch hinterfragt werden müssen.

Diskussion
Einigkeit herrscht in der Literatur, dass Menschen, die über Bord eines Schiffes gegangen sind, so schnell wie möglich gerettet werden sollen20,24, denn aufgrund der nur selten genutzten Rettungswesten (<1% bei25, 5% bei8) reduziert sich die Schwimmfähigkeit schnell. Bei allen über Bord Gegangenen muss zudem eine drohende Hypothermie verhindert werden. Auch, wenn insgesamt die Zahl der Todesfälle in der Handelsschifffahrt zurückgeht9, endet doch weiterhin ein Großteil der POB-Fälle tödlich (MAIB-Investigation). Beste Überlebens-Chancen haben POB, wenn sie schnell entdeckt werden und die Verfahren zur Wiederaufnahme und Versorgung von der restlichen Besatzung beherrscht werden. Aufgrund der sehr heterogenen Ergebnisse der Befragung lässt sich hier noch deutliches Optimierungspotential vermuten. Der Einsatz von technischen Hilfsmitteln von der Überwachung des Oberdecks über Detektion der POB durch automatisierte digitale Bildauswertung bis zu automatisierter Navigation wird propagiert.20 Aufgrund von Sparzwängen ist aber eine flächendeckende Ausrüstung mit der zum Teil sehr kostenintensiven Ausrüstung nicht zu erwarten. Eine relativ kostengünstige Unterstützung bei der Suche können IR-Kameras sein, die schon teilweise an Bord von Schiffen zur Brandbekämpfung eingesetzt werden. Auch bei optimalen Sichtbedingungen sind POB optisch ohne Hilfsmittel wie Rettungswesten mit Leuchtmitteln oder Reflektoren auf mittlere bis längere Distanzen nicht wahrzunehmen (Abbildung 7). Mittels IR-Kamera lässt sich die Wärmesignatur des Kopfes im Kontrast zur umgebenden Wasserfläche gut erkennen (Abbildung 8). Dieser Kontrast lässt sich durch die Einstellung des darzustellenden Temperaturspektrums in der Kamera weiter erhöhen. Das menschliche Gehirn, das besonders gut Bewegungen wahrnimmt, kann unterstützt durch das IR-Bild auch bei schlechtem Wetter mit höheren Wellen POB, die nur kurz zwischen zwei Wellenbergen auftauchen, detektieren. Das „Aufblinken“ der weißen Wärmequelle im ansonsten kälteren, dunkel dargestellten Wasser wird wie eine Bewegung interpretiert und die POB dadurch schneller entdeckt als mit bloßem Auge. Eine weitere Optimierung kann durch spezielle Erkennungssoftware erreicht werden, mit deren Entwicklung sich schon seit einigen Jahren Wissenschaftler vor allem aus dem asiatischen Raum beschäftigen.19,26 IR wird bei der Polnischen Seenotrettung bereits eingesetzt. Bei der DGzRS sollen die Rettungskreuzer der nächsten Generation ebenfalls mit IR-Kameras ausgerüstet werden. In Folgestudien sollten IR-unterstützte Suchverfahren entwickelt und evaluiert werden. Wenn sich dann die Effektivität und der Zusatznutzen erwiesen hat, sollte der IR-Einsatz zusätzlich mit für die Ferne optimierter Optik erprobt werden. Literatur 1. Seidler C. Deutsches Forschungsschiff: Matrose der „Heincke“ vor Helgoland vermisst. Spiegel online 2012. 2. Lucas DL, Lincoln JM. Fatal falls overboard on commercial fishing vessels in Alaska. American journal of industrial medicine 2007;50: 962–8. 3. Gesundheit: Todesursachen in Deutschland. Wiesbaden, 2014. 4. Jardine-Smith D. Man-overboard-statistics. email. Stonehaven 2012. 5. BG Verkehr. Todesfälle durch MOB in der Berufsschiffahrt. Hamburg 2013. 6. Hill T, Marine Accident Investigation Branch. Accidents 1991 to 2011 where people have gone overboard. Where Person Overboard was the main event that occurred. email 2013. 7. Klein R. Cruise and Ferry Passengers and Crew Overboard 1995 – 2015, 2015. www.cruisejunkie.com/Overboard.html (accessed 4 Apr 2015). 8. O’Connor PJ, O’Connor N. Work-related maritime fatalities. 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