Arbeitsschutz

Paradigmenwechsel in der Auffassung von Burnout

Das Problem eines Burnout beschäftigt Mediziner, Gesundheitsforscher, Arbeitgeber und Gewerkschaften unverändert, ohne dass es zu einer Eindämmung des Problems oder Formulierung einer einheitlichen Behandlungsempfehlung gekommen ist. Es gibt zwar zunehmend mehr Kliniken und therapeutische Einrichtungen, die sich speziell mit dieser Störung befassen, aber der Trend bleibt dennoch erhalten und eine einheitliche Definition steht weiterhin aus. Geteilte Meinung ist, dass das Phänomen definitorisch unscharf ist, dass die Behandlung sich eher nach dem Verständnis von Burnout ausrichtet als an allgemeinen Empfehlungen, dass aber auf jeden Fall ein starker Bezug zu den persönlichen Umfeldbedingungen (meistens den Arbeitsbedingungen) angenommen werden kann. Ist die Zunahme von Burnout also die Folge bestimmter externaler Arbeitsbedingungen und Organisationsmerkmale? Dann wäre es unlogisch bei der Behandlung den Arbeitgeber außen vor zu lassen. Ist Burnout eine psychische Erkrankung, die im Individuum zu verorten ist, also eher eine persönliche, pathologische Reaktion auf Belastungen? Unlogisch als Einzelerklärung: Das ist nicht mit der statistischen Häufung innerhalb der letzten Jahre zu vereinbaren. Es müsste zu einem Epidemie-ähnlichen Wandel der individuellen Stressverarbeitung gekommen sein. Ist Burnout ein sozial akzeptiertes Geschehen im Sinne eines Trends, der das Labeling anderer Störungen erlaubt? Oder führt die Akzeptanz gar dazu, dass es unter diesem Begriff leichter geworden ist, eine längere Auszeit im Rahmen einer Krankschreibung zu erhalten? Wie sollte von ärztlicher und betrieblicher Seite mit diesen Unschärfen umgegangen werden?

Der Burnoutpatient in der medizinischen und therapeutischen Praxis
Das Erscheinungsbild von Burnout in der Praxis ist vielfältig. Auffällig ist für Niedergelassene, dass Burnout-Erkrankte oft schon mit dieser selbstgestellten Diagnose vorstellig werden. Das passiert aber nicht immer. Einige Klienten fragen sogar explizit nach einer längeren Krankschreibung, andere erscheinen fremdmotiviert in der Praxis und spielen die Schwere der Beeinträchtigung herunter. Diagnostisch wird in aller Regel zunächst eine organische Erkrankung ausgeschlossen und überprüft, ob eine andere Erklärung für die gestörte Befindlichkeit vorliegt, wie beispielsweise eine Depression, die einer pharmakologischen Intervention und ggf. einer Krankschreibung bedarf. Bei einer beachtlichen Anzahl von Betroffenen führt das umgehend zur Entlastung, zur umgehenden Aufnahme privater Aktivitäten und Normalisierung des psychopathologischen Befundes. Thematisch stehen in der Behandlung typischerweise der Umgang mit Stress und mit persönlichen Problemen, die Erhöhung der Entspannungsfähigkeit, der Aufbau von Ressourcen und die kognitive Umstrukturierung dysfunktionaler Leistungsnormen im Vordergrund. Je nach Arbeitsstatus, kann der Betroffene nach der Behandlungszeit an den Arbeitsplatz zurückkehren oder die Betroffenen orientieren sich beruflich neu. Die Autoren des aktuellen HTA-Berichtes kommen zu dem Schluss, dass die Therapie davon abhängig ist, was unter Burnout verstanden wird.1 Fakt ist zusammenfassend, dass das Problem individuell gelöst wird, obwohl die Ursachen auch im Umfeld liegen.

Burnout – Ein randunscharfes Konstrukt
Das heutige terminologische Verständnis von Burnout sowie die Popularisierung des Begriffs in der medizinisch-psychologischen Forschung gehen maßgeblich auf die im Jahr 1974 parallel veröffentlichten Arbeiten von Freudenberger2 und Ginsburg3 zurück. Seither konnte sich jedoch noch nicht auf eine allgemeingültige und international anerkannte Definition von Burnout verständigt werden. Einigkeit besteht derzeit lediglich über die Gültigkeit einiger Kernsymptome bei von Burnout Betroffenen. Darunter fallen eine emotionale Erschöpfung, eine verringerte Zufriedenheit mit der eigenen Leistung, ein beeinträchtigtes Verhältnis zur Arbeitsumgebung sowie ein genereller Arbeitsüberdruss4. Burnout wird heutzutage des Weiteren nicht mehr als bloßer Zustand, sondern als individuell verlaufender Prozess verstanden. Als Grundlage eines Burnout-Prozesses wird das Vorhandensein eines Misfits, also dem Zusammenkommen eines gefährdeten Individuums mit gefährdenden Umweltbedingungen angenommen.5 Die derzeit anerkannteste Definition von Burnout, erarbeitet von Schaufeli und Enzmann, fasst diese Erkenntnisse wie folgt zusammen: „Burnout ist ein dauerhafter, negativer, arbeitsbezogener Seelenzustand „normaler“ Individuen. Er ist in erster Linie von Erschöpfung gekennzeichnet, begleitet von Unruhe und Anspannung, einem Gefühl verringerter Effektivität, gesunkener Motivation und der Entwicklung dysfunktionaler Einstellungen und Verhaltensweisen bei der Arbeit. Diese psychische Verfassung entwickelt sich nach und nach, kann dem betroffenen Menschen aber lange unbemerkt bleiben. Sie resultiert aus einer Fehlpassung von Intentionen und Berufsrealitäten. Burnout erhält sich wegen ungünstiger Bewältigungsstrategien, die mit dem Syndrom zusammenhängen, oft von selbst aufrecht.“6 Die Gemeinsamkeiten dieses und aller weiteren Definitionsansätze sind der klare Bezug zur Arbeitswelt, das Vorhandensein von überhöhten Ansprüchen der Betroffenen an sich selbst und ihre Umgebung sowie ein daraus möglicherweise resultierender Erschöpfungszustand.

Unter Berufung auf die Tatsache, dass die vorgestellten Kernaspekte von Burn-out von einer weiteren Vielzahl an individuellen Abweichungen geprägt sein können, wurde in die Diskussion um Burnout und dessen Ausprägungen der Begriff einer Randunscharfen Menge eingebracht. Dieser Begriff der Mengenlehre beschreibt den Umstand, dass es neben eindeutig dazugehörigen Elementen eine weitere Vielzahl an nicht eindeutig zugehörigen Elementen gibt.7 Folglich wird zur Beschreibung des Burnout-Syndroms aktuell vielfach auf den bildhaften Vergleich einer Wolke zurückgegriffen. Aufgrund der begrifflichen Unschärfe von Burnout bestehen inhaltliche Überschneidungen mit dem Krankheitsbild Depression sowie anderen stressassoziierten Krankheitsbildern.

Hinsichtlich der medizinischen Klassifizierung wird das Burnout-Syndrom in der ICD-10 in Kapitel XXI. unter dem Schlüssel Z73.0 eingeordnet. Dieser umfasst „Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung“.8 Gemäß der ICD-10 ist von Burnout nur zu sprechen, wenn keine Berufsunfähigkeit oder keine andere psychiatrisch definierte Krankheit wie Neurasthenie (F48.0), Panikattacke (F41.0) und keine allgemeine Ermüdung (R53), die nach schwerer Arbeit oder zu kurzem Schlaf auftritt, besteht.9 Letztlich bedeutet dies, das Burnout zwar „…einen gewissen Krankheitswert besitzt, aber keine anerkannte somatische oder psychiatrische Krankheit [ist]“.10 Die Tatsache, dass Burnout somit per Definition kein eigenständiges Krankheitsbild ist, wird in der öffentlichen und medialen Diskussion jedoch mehrheitlich verdrängt oder sachlich falsch dargestellt.

Burnout als Ausdruck spezifischer Organisationsmerkmale
Seelische Gesundheit ist ein Zustand, der sich auf einem Kontinuum befindet und bestimmt wird durch Belastungen und Ressourcen.11 Auch wenn in der Diskussion um Burnout mehrheitlich die negativen Wirkfaktoren von Arbeit im Mittelpunkt stehen, sollte nicht übersehen werden, dass Arbeit als solche ein gesundheitsförderlicher Faktor ist und die Rate beispielsweise von Depressionen bei Arbeitsplatzverlust ungleich höher ist.12 Interessant ist also die Frage, welche Bedingungen es sind, die zu seelischer Belastung führen. Zu den gründlich erforschten Einflüssen gehören:

· Geringe Kontrolle über die eigene Arbeit bei hohen Anforderungen

· Physiologische Auswirkungen

· Psychische Auswirkungen

· Überforderung im Sinne von erlebter Hilflosigkeit und fehlender Partizipation

· Subjektiv empfundene Imbalance von Verausgabung und Gratifikation

· Fehlende soziale Unterstützung und soziale Belastung

· Zusammenhang zwischen Burnout und Arbeitsunzufriedenheit

Zunächst mit dem Ziel die Risikofaktoren für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung aufzuklären, untersuchte Karasek in Langzeitstudien Arbeitsbedingungen und fand, dass hohe Anforderungen bei niedriger Entscheidungsfreiheit das entsprechende Erkrankungsrisiko erhöhten.13 Dieser Zusammenhang wurde viele Jahre später auch für psychische Erkrankungen bestätigt.14 Als modulierender Faktor für arbeitsbedingten Stress stellte sich „soziale Unterstützung“ heraus: Unterstützung durch Kollegen oder die Führungskraft scheint eine Pufferfunktion zu erfüllen.15 Neuere Studien zu diesem Modell weisen darauf hin, dass die Anforderungsintensität diesbezüglich den stärksten Vorhersagewert hat.16

Einer der vermittelnden Mechanismen einer Depression ist erlebte Hilflosigkeit. Stress ist insbesondere dann ein Risikofaktor, wenn er nicht bewältigt werden kann.17 Sei es dadurch, dass die fachlichen Voraussetzungen beim Arbeitnehmer nicht ausreichend sind oder dadurch, dass die für die Bewältigung zur Verfügung stehenden Ressourcen nicht ausreichen oder (aber) die kommunikative „Teamchemie“ nicht stimmt. Mitarbeiter lernen unter derartigen Bedingungen, dass – egal, wie sehr sie sich bemühen – Probleme unlösbar bleiben. In der psychologischen Fachsprache nennt man diesen Zustand „erlernte Hilflosigkeit“ und er gilt als ein ernstzunehmender Risikofaktor für Depressionen.18 Aktuellere Übersichten gehen davon aus, dass fehlende Partizipationsmöglichkeiten das Risiko für eine psychische Erkrankung um das 2,5 – 3,5 – fache erhöhen.19

Des Weiteren zeigt sich, dass sich hinter einem Burnout oft eine chronische Arbeitsunzufriedenheit verbirgt. Eine Metaanalyse, die 485 Studien mit knapp 268.000 Probanden auswertete, bestätigt diese Annahme.20 Burnout wird also zu einem beachtlichen Anteil durch Arbeits-unzufriedenheit erklärt. Diese zu kommunizieren könnte aber für Mitarbeiter deutlich schwieriger sein als einen Erschöpfungszustand für einen Ausstieg anzuführen, zumal wenn Mitarbeiter davon ausgehen, dass die individuellen Möglichkeiten an diesem Zustand etwas zu ändern eher gering sind.

Ein weiterer arbeitsbezogener Faktor, der die seelische Befindlichkeit formt, ist die Balance von Verausgabung und Gratifikation.21 Neuere Studien ergänzen die ursprüngliche Modellierung: Der stärkste Effekt auf die seelische Befindlichkeit geht von der Gratifikation aus. Die Belohnung für die Anstrengung vermittelt den Effekt durch die objektiv vorhandene Arbeitsintensität.22 Vereinfacht formuliert: Bei angemessener Belohnung wird eine hohe Arbeitsintensität besser ertragen.

Sogenannte „weiche Faktoren“ – gemeint ist hier die Kommunikation im Unternehmen – haben einen erheblichen Einfluss auf die gesundheitliche Situation von Mitarbeitern: Ein schlechtes Betriebsklima wird von Beschäftigten als wichtigste Gesundheitsbeeinträchtigung bewertet, wie eine repräsentative Erhebung des Robert-Koch-Institutes belegt.23

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es eine mittlerweile 50-jährige Forschungstradition im Themenfeld „Arbeit und Gesundheit“ gibt, die eine überschaubare Menge an Risikofaktoren valide definiert. Mit Anstieg der Fehlzeiten aufgrund psychischer Störungen fokussierten sich diese Bemühungen auf Zusammenhänge von klinisch relevanten psychischen Störungen und Arbeitsbedingungen. Die Bedeutung sog. „weicher Faktoren“ wie subjektiv erlebte korrekte Gratifikation, Kommunikation und Partizipation gerät in den Blickpunkt. Die Auffassung, dass es sich im weitesten Sinne um eine ungünstige Wechselbeziehung zwischen Arbeitssituation und persönlichem Bewältigungsstil handelt, kann bestätigt werden. Die beiden Aspekte fallen im Einzelfall unterschiedlich stark ins Gewicht. Bestimmte Situationen sind für viele Mitarbeiter schwierig (z. B. Arbeitsplatzunsicherheit), andere werden besser ertragen. Die Umfeldbedingungen in der Behandlung außen vor zu lassen, ist also problematisch. Einige Programme greifen diesen Aspekt auf und beziehen den Betrieb stärker mit ein.24

Burnout als Trend
Der Anstieg der Burnout-bedingten Krankheitstage liegt bei über 1000 % innerhalb weniger Jahre.25 Medizinisch lässt sich dies wohl kaum erklären, es sei denn, man geht von einer Epidemie bzw. Ansteckung aus (Letzteres gilt aber als unwahrscheinlich). Wie erklären sich derartige Steigerungsraten eines Phänomens? Das Trendkonzept schließt über die biomedizinische Erklärung hinaus das Umfeld als soziales Referenzsystem mit ein.

Im Zusammenhang mit Burnout ist vielfach von einer Modeerscheinung die Rede, was dem Duden nach bedeutet, dass etwas „… einem zeitbedingten verbreiteten Interesse, Gefallen, Verhalten entspricht“.26 Diesbezügliche Tendenzen lassen sich sowohl hinsichtlich der Entwicklung der Burnout-Forschung, der Akzeptanz als medizinische Pseudodiagnose, sowie der medialen Darstellung und gesellschaftliche Wahrnehmung von Burnout erkennen.

In Bezug auf die Burnout-Forschung ist das Entstehen einer Modeerscheinung durch mehrere Faktoren bedingt. Allem voran war und ist eine umfassende Burn-out-Forschung durch die zunehmend starke öffentliche Präsens und Relevanz auf einfache Weise zu legitimieren gewesen. Dieser Umstand begünstigte die einfache Verfügbarkeit von Forschungsgeldern. Ebenso trug die frühe Entwicklung und allgemeine Akzeptanz eines Burnout-messenden Fragebogens (Maslach-Burnout-Inventory, MBI) dazu bei, dass mithilfe desselben fortan eine unüberschaubare Anzahl an Korrelations-Studien veröffentlicht wurde, obwohl eine Definition von Burnout bis heute aussteht.27 Eine weitere Konsequenz, die sich hieraus ergeben hat ist, dass in der internationalen Burnout-Forschung das Potenzial zu methodischen Verbesserungen bislang nur wenig ausgeschöpft wurde. Dementsprechend besteht auch ein Nachholbedarf hinsichtlich der inhaltlichen Ergiebigkeit wissenschaftlicher Veröffentlichungen zum Thema Burnout.28

Auch im klinischen Alltag unterliegt das Burnout-Syndrom in der Funktion einer Pseudodiagnose einem Trend. Mit steigender Häufigkeit wird das Burnout-Syndrom als Begründung für Krankschreibungen herangezogen. Exemplarisch für diese Entwicklung ist eine Erhebung der Betriebskrankenkassen für den Zeitraum von 2004 bis 2011. Die Ergebnisse der Untersuchung besagen, dass es in diesem Zeitraum zu einem Anstieg der durch Burnout bedingten Krankheitstage um etwa den Faktor 17 gekommen ist. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt die DAK in einer Untersuchung aus dem Jahr 2013. Im untersuchten Zeitraum von 2004 bis 2012 konnte ebenfalls eine Zunahme der AU-Tage um etwa das siebzehnfache festgestellt werden. Aufgrund der stark zunehmenden Häufigkeit der ärztlichen Feststellung einer Arbeitsunfähigkeit von Versicherten aufgrund eines Burn-out-Syndroms kann von einem gehäuften, zeitbedingten Verhalten und somit einer Mode gesprochen werden.

Vor allem aufgrund der Darstellung als ein die Gesellschaft bedrohendes Phänomen, ist Burnout in den letzten Jahren zu einem in den Medien populär diskutierten Thema geworden.29 Im Zeitraum von 2004 bis 2011 hat sich die Häufigkeit der Berichterstattung über Burnout verzehnfacht. Aufgrund dieser Zunahme der Berichterstattungen und Veröffentlichungen vor allem in der Boulevardpresse, wird folglich vom Bestehen eines Medien-Hypes hinsichtlich des Burn-out-Syndroms gesprochen.30 Viele Prominente bekennen sich öffentlich zu ihrem Burnoutsyndrom. Seit dem Jahr 2010 ist zudem eine Häufung der Berichterstattung über das Thema Burnout in sog. Meinungsführermedien feststellbar.31 Aufgrund dieser Tatsache lässt sich ein Framingeffekt hinsichtlich der Bewertung des Themas Burnout und somit eine Multiplikatorfunktion der medialen Berichterstattung vermuten. Das Burnout-Phänomen wird in der öffentlichen Diskussion folglich noch stärker wahrgenommen und als wichtig und beachtenswert eingestuft.

Die Kriterien einer Modeerscheinung hinsichtlich des Burnout-Syndroms, allen voran das zeitbedingte Interesse, bestätigen sich somit auch in Hinsicht auf das öffentliche Interesse und die mediale Verbreitung. Der Großteil solcher Veröffentlichungen geht jedoch mehrheitlich undifferenziert mit den Begriffen Burnout, Depression und Stress um. Die daraus resultierende Begriffsvermischung wird als eine weitere problematische Entwicklung in der Diskussion um Burnout angemahnt.32

Fazit
Psychische Störungen sind derzeit die Erkrankungsgruppe mit der größten Dynamik. Burnout, mit subjektiver Erschöpfung als Leitsymptom, ist ein Teil davon. Der Burnoutbegriff ist bis heute unscharf definiert, was einerseits die Vielseitigkeit der Verwendung erklärt, andererseits aber auch die Unklarheit in den Ansatzpunkten: Die Therapie des Burnout hängt – so der HTA–Bericht – stark von der jeweiligen Betrachtungsweise ab. Burnout hat seine Ursachen in bestimmten Arbeitsbedingungen und in der Person, das sog. Misfit wird diesbezüglich betont. Arbeitspsychologische Modellbildungen zur Entstehung von chronischem Stress liegen vor, ebenso Untersuchungen, die eine Verbindung zu Arbeitsunzufriedenheit feststellen. Ungeklärt bleibt aber die Frage, wie es zu einer Fehlzeitensteigerung wegen Burn-out in diesem Ausmaß kommt. An dieser Stelle bietet das Trendkonzept einen nützlichen Bezug. Es könnte also sein, dass es sich bei den Häufungen an Erkrankungsfällen nicht um eine plötzliche Verschlechterung der Arbeitsbedingungen als eine von zwei Achsen des Misfits handelt und ebenso wenig um einen plötzlichen Verlust der persönlichen Belastungsfähigkeit. Vielmehr scheint es so zu sein, dass die Unschärfe des Konstruktes in der Weise genutzt wird, hierdurch über einen arbeitsbedingten Erschöpfungszustand hinaus etwas anderes zum Ausdruck zu bringen (z. B. Arbeitsunzufriedenheit) oder zu kommunizieren (z. B. Depression). Probleme, die sich daraus ergeben, sind kausale Fehleinschätzungen, quantitativ oder qualitativ unzureichende Interventionen und Schwierigkeiten, Maßnahmen zu evaluieren.

Weitere Schlussfolgerungen sind, dass in Deutschland die individuellen Therapien der Betroffenen bevorzugt werden und dass das Problem individuell, ggf. auch mit Wechsel des Arbeitsplatzes, gelöst wird, dass diese aber, berücksichtigt man den arbeitsbezogenen Charakter der Störung – möglicherweise nicht nachhaltig sein können. Es ist daher wichtig, dass die pathogenen Faktoren am Arbeitsplatz sichtbar gemacht werden. Das kann entweder im Rahmen eines verstärkten Einbeziehens der Arbeitgeberseite in den Verlauf (s. o.), oder aber auch im Rahmen des betrieblichen Wiedereingliederungsmanagements geschehen. Zur besseren Prävention von Burnout sind eine umfassende und sorgfältige arbeitsmedizinische Beurteilung und eine hinreichende Gefährdungsanalyse zu fordern. Darüber hinaus stellen Erhebungen zur Arbeitszufriedenheit einen bedeutenden Frühindikator dar, der betrieblicherseits gut nutzbar ist. Erhebungen können mittlerweile auf einfache Weise anonym und auch per App erfolgen.

Claudia Schulte-Meßtorff

Literatur

1. Korczak et al., 2012

2. Freudenberger, Herbert J., Staff burn-out. Journal of Social Issues 1974, 30/1, 159–165.

3. Ginsburg, Sigmund G., The problem of the burned out executive, Personnel Journal 1974, 53, 598–600.

4. Vgl. Koch, 2012, S. 161.

5. Vgl. Burisch, 2014, S. 170ff.

6. Schaufeli, 1998, S. 36.

7. Vgl. Burisch, 2014, S. 15.

8. ICD-10, 2015

9. Vgl. Korczak, 2010, S. 13.

10. Känel, 2008, S. 478.

11. Vgl. Antonovsky, 1997, S. 25

12. Vgl. McKee-Ryan, 2005

13. Vgl. Karasek, 1981

14. Vgl. Sanne, 2005

15. Vgl. Richter, 1998, S. 29

16. Vgl. Rau, 2010, S. 54

17. Vgl. Ulich, 1998, S. 435

18. Vgl. Seligmann, 1967

19. Vgl. Ulich, 2008

20. Vgl. Faragher, 2005

21. Vgl. Siegrist, 1996

22. Vgl. Rau, 2010, S. 60

23. Vgl. Kroll, 2011

24. Vgl. Hätinen et al., 2009

25. Vgl. Bühring, 2012

26. Duden, Rechtschreibung, 2015.

27. Vgl. Rösing, 2003, S. 248f.

28. Vgl. Burisch, 2014, S. 238.

29. Vgl. Hillert, 2014, S. 11.

30. Vgl. Lövelt, 2013, S. 47.

31. Vgl. Roschker, 2014, S. 7.

32. Vgl. Hillert, 2006, S. 305.

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