Arbeitsschutz

Positive Effekte einer Grippeschutzimpfung bei fliegendem Personal (Cockpit und Kabine) *

Zusammenfassung: Vielflieger, Cockpit- und Kabinenpersonal erkranken häufig an Infektionen des oberen Respirationstraktes. Es sollte in dieser Untersuchung geprüft werden, ob sich ebenso positive Effekte einer Grippeschutzimpfung in diesem Kollektiv zeigen lassen wie bei einer vorausgegangenen Studie mit Befragungen von Büromitarbeitern. Dort waren positive Effekte einer Grippeschutzimpfung bezüglich Erkrankungshäufigkeit, Schwere und Dauer der Erkrankung an Infektionen des oberen Respirationstraktes gefunden worden. Bei 1852 Mitarbeitern des fliegenden Personals der Lufthansa AG wurde im Zeitraum März bis Mai 2005 nach Erkrankungen der Luftwege (Grippe, grippale Infekte, Bronchitis) im zurückliegenden Zeitraum bis Oktober 2006 gefragt. 19% der befragten Mitarbeiter (n= 355) waren im Herbst 2004 gegen Grippe geimpft worden. Es zeigten sich keine Unterschiede in der Erkrankungshäufigkeit an grippalen Infekten zwischen geimpften und nicht-geimpften Mitarbeiter. Das Kabinenpersonal hatte aber eine 10% höhere Erkrankungsrate als die Cockpitbesatzungen. Die Schwere der Erkrankungen und Folgeinfektionen war aber bei den Geimpften deutlich geringer, was sich durch geringere Fieberhäufigkeit und am Verbrauch von Medikamenten feststellen ließ. Schleimlösende Medikamente mit Antibiotika wurden nur bei 4,2% der geimpften aber bei 10,2% der nicht-geimpften Mitarbeiter eingesetzt. 48% der Geimpften benötigten zu keinem Zeitpunkt Medikamente (vs. 29,5% bei Nicht-geimpften). Die vermutlich aus einer unspezifischen Stimulation des Immunsystems resultierenden positiven Effekte bei Büromitarbeiter wurden in dieser Studie nicht so ausgeprägt gefunden, da durch regelmäßige Flüge das Immunsystem der in dieser Studie untersuchten Gruppe ständig unspezifisch stimuliert wird. Die geringere Schwere von grippalen Infekten zeigt aber deutlich die Vorteile einer Grippeschutzimpfung bei fliegendem Personal, das durch den Passagierkontakt ein größeres Risiko einer Infektion hat, die nicht nur grippalen Infekte sondern auch die echte Virusgrippe betrifft. Schlüsselwörter: Virusgrippe – Grippeschutzimpfung – fliegendes Personal Positive effects of influenza vaccination in cockpit and cabin crews Summary: Frequent flyers, cockpit- and cabin personnel often complain of recurrent of upper respiratory tract infections (URTI). Thus, effects of influenza vaccination in this group should be investigated in this study, since previous studies in office workers showed positive effects of influenza vaccinations even on the rate, the duration and the severity of URTI. From March to May 2005 1,852 subjects of all flight personnel of Deutsche Lufthansa passing a regular medical check as required filled in a questionnaire for URTI in the last winter season. 19 percent (n=355) had been vaccinated in autumn 2004 against flew. There were no differences in the rate of URTI between vaccinated (v) or not-vaccinated (nv) personnel. However, cabin crews had a 10% higher rate in URTI than cockpit crews. The severity of URTI and the rate of secondary infections were lower in the vaccinated group. Accordingly, fever and the need of medication were less frequent. Mucolytics combined with antibiotics were given only to 4.2% of v but to 10.2% of nv. 48% of v did not need any medication vs. 29.5% of nv. The positive effects of influenza vaccination in office workers on URTI seemed to result from an unspecific immune stimulation. This effect could not be seen to the same extent in flight crews, presumably as their immune system was continuously stimulated in frequent flights. Nevertheless, influenza vaccinations are strongly recommended in flight personnel, since the frequent contact with passengers increases the risk of an infection not only with common colds but with influenza viruses also. Key words: influenza virus – influenza vaccination – aircrews

1. Einleitung

Durch ständigen Kundenkontakt mit Menschen aus aller Welt sind Mitarbeiter im Flugticketverkauf, am Check-In-Schalter und besonders das fliegende Personal gefährdet, an einer Infektion der Luftwege (grippale Infekte, Virusgrippe, Bronchitis u.a.) zu erkranken. Durch diese im Vergleich zur Normalbevölkerung höhere Infektgefährdung fallen diese Mitarbeiter unter die Impfempfehlungen der STIKO bzgl. Grippeschutzimpfung. Daher werden bereits seit 1999 jährlich im Herbst im Medizinischen Dienst der Deutschen Lufthansa AG an den drei Standorten in Deutschland Frankfurt, Hamburg und München Grippeschutzimpfungen angeboten und unter anderem in diesem Mitarbeiterkreis das jährliche Angebot der Grippeschutzimpfung besonders eindringlich beworben.

Durch Kostenfreiheit für die Mitarbeiter, verbesserter Information im Unternehmen zu diesem Angebot und aufgrund der Berichte über sich weltweit ausbreitende Infektionserkrankungen konnte seit 2003 die Impfquote im Unternehmen stetig gesteigert werden (Abb. 1). Im Herbst 2004 nutzten etwa 5% des fliegenden Personals das Angebot der Grippeschutzimpfung.

Da mit der steigenden Nachfrage auch der Aufwand stieg, wurde die Frage von den Beteiligten nach den Vorteilen einer solchen Impfkampagne gestellt. Dieser Frage wurde in 2 Untersuchungen nachgegangen. Zunächst wurde in einer ersten Untersuchung an Büromitarbeitern die Aussagekraft eines selbst entwickelten Fragebogens getestet. Im folgenden Jahr wurde die hier vorgestellte Befragung mit fliegendem Personal durchgeführt.

Die Grippeschutzimpfaktion wurde durch das Zusammenspiel mehrerer Akteure möglich:

· der Arbeitgeber trug die Arbeitsausfallkosten, da die Impfungen während der Arbeitszeit angeboten wurden,

· die gesetzlichen Krankenkassen trugen die Kosten der Impfstoffe,

· der Medizinische Dienst organisierte und trug die Kosten der Organisation der Grippeimpfaktion und stellte die eigentliche Durchführung der Impfaktion sicher,

· das Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Johannes Gutenberg-Universität wertete die Untersuchung aus und trug die dabei anfallenden Kosten selbst und

· die Mitarbeiter nahmen an der Aktion teil und erhofften sich einen gesundheitlichen Benefit.

2. Probanden und Methoden

Eingeschlossen in diese Untersuchung wurden alle Crewmitglieder, die sich zum Routinemedical (Flugdienst- und Fliegertauglichkeitsuntersuchungen) in den Medizinischen Diensten der drei Standorte in der Zeit vom 01. März 2005 bis einschließlich 31. Mai 2005 vorstellten (n= 2.178). Alle in die Studie eingeschlossenen Mitarbeiter erhielten mit den Medicalunterlagen einen Fragebogen mit 11 Fragen zu grippalen Infekten und Grippeimpfung und 4 Fragen zu Alter, Geschlecht, Kinderanzahl und –alter und Arbeitsort (Cockpit oder Kabine). Der ausgefüllte Fragebogen wurde nach Abschluss der Untersuchungen vom Probanden selbst in eine Sammelbox gelegt, so dass Anonymität gesichert war.

1.852 Fragebögen wurden vollständig ausgefüllt und konnten in die Auswertung einbezogen werden, was einer Rücklaufquote von 85% entsprach.

Von den ausgewerteten Teilnehmern waren 19,2% geimpft (n = 355, 235 Männer, 120 Frauen), 80,8% (n = 1497, 977 Männer, 520 Frauen) nicht geimpft worden. Es hatten 1212 Männer und 640 Frauen geantwortet. 1092 gehörten zur Cockpitbesatzung und 757 arbeiteten in der Kabine (Tab. 1). In allen Untergruppen (Männer, Frauen, Cockpit- und Kabinenpersonal) betrug der Anteil der Geimpften jeweils 19%.

Im speziellen Teil des Fragebogens wurde gefragt, ob im vergangenen Winter

· eine Grippeschutzimpfung durchgeführt wurde,

· dabei ggf. Nebenwirkungen aufgetreten waren,

· Infektionskrankheiten und ggf. mit welcher Symptomatik aufgetreten waren,

· Medikamente und wenn ja, welche wegen Infektionskrankheiten benötigt wurden und

· die Mitarbeiter Krankentage, Flugdienstausfälle oder deutliche Störungen beim Druckausgleich bei sich selbst registriert hätten.

Die Auswertung erfolgte deskriptiv. Effekte der untersuchten Variablen wurden mittels logistischer Regressionsanalyse ermittelt.

3. Ergebnisse

Beim fliegenden Personal zeigten sich in dieser Befragung keine Unterschiede in der Infekthäufigkeit zwischen gegen Grippe geimpften und nicht-geimpften Mitarbeitern (Abb. 2). 80% der Befragten hatten im zurückliegenden Winter Symptome eines grippalen Infektes, aber nur 25 % fielen einmal, 6% mehrmals für den Flugbetrieb aus. Es zeigte sich jedoch, dass die Geimpften häufiger keine Ausfallzeiten angaben als die Ungeimpften. Dazu passt, dass 2/3 der befragten Geimpften sich subjektiv gesünder fühlten als in den Jahren vorher ohne Grippeimpfung.

Die Infekthäufigkeit beim Kabinenpersonal lag deutlich höher als beim Cockpitpersonal. Entsprechend der Verteilung der Geschlechter zwischen Cockpit und Kabine zeigte sich eine erhöhte Erkrankungsrate bei Frauen, die weitaus häufiger in der Kabine beschäftigt sind (Abb 2). Es zeigten sich keine Unterschiede in der Impfbereitschaft zwischen Cockpit- und Kabinenpersonal und auch keine zwischen Männern und Frauen. Die Impfbereitschaft war bei den über 50Jährigen größer (25,6%) als bei denen unter 50 Jahren (12,8%). Diejenige, die Kinder über 5 Jahre hatten , ließen sich häufiger impfen (24%) als diejenigen ohne Kinder oder mit Kindern unter 5 Jahren (16%).

Das Erkrankungsrisiko war bei den über 50Jährigen kleiner als bei den unter 30Jährigen, außerdem zeigte sich eine erhöhte Infekthäufigkeit bei den Mitarbeitern, die Kinder im Alter zwischen 1 und 5 Jahren haben.

Nebenwirkungen im Sinne leichter Impfreaktionen, wie milde Schmerzen, Rötung oder Überwärmung an der Impfstelle, traten bei 15,2% der Geimpften auf. Bei 5,4% traten grippeähnliche Symptome auf. Es wurden keine schweren Impfreaktionen beobachtet (Tab. 2).

Infektsymptome wie z.B. Schnupfen, Halsschmerzen, Husten, Fieber zeigten deutliche Unterschiede in der Häufigkeit und Schwere zwischen Geimpften und Nicht-Geimpften (Tab 3). Nur 15,5 % der Geimpften hatten Fieber im Rahmen des Infektes, dagegen 23,3% der Nicht-Geimpften. Ähnliche Unterschiede konnten für Schnupfen, Schnupfen in Kombination mit Halsschmerzen, Hals-schmerzen und Husten aufgezeigt werden, wobei die Geimpften jeweils deutlich weniger betroffen waren.

48% der Geimpften benötigten in der zurückliegenden Wintersaison zu keinem Zeitpunkt Medikamente wegen eines grippalen Infektes. In der Gruppe der Nicht-Geimpften gaben nur 29,5% an, keine Medikamente wegen grippaler Infekte benötigt zu haben.

Dementsprechend wurden in der Gruppe der Nicht-Geimpften mehr Medikamente wie fiebersenkende Mittel, Schleimlöser und auch Antibiotika verbraucht. Bei 6,5 % der Nicht-Geimpften wurden aufgrund der Schwere und der Dauer der Erkrankung und bei Sekundärinfektionen Antibiotika zur Behandlung benötigt, aber nur bei 4,8% der Geimpften (Tab. 4).

Es wollen sich 94,3% der Geimpften wieder impfen lassen. 65,2 % der Geimpften wünschen sich im Folgejahr ein erneutes Angebot der Grippeschutzimpfung im Medizinischen Dienst der DLH und 38,4 % der Nicht-Geimpften.

4. Diskussion

Bei Lufthansa arbeiten rund 4.000 Mitarbeiter im Cockpit und 18.000 in der Kabine. Im Cockpit arbeiten zu 4,15% Frauen, in der Kabine sind es überwiegend Frauen.

Die Fliegertauglichkeitsuntersuchungen des Cockpitpersonals werden alle sechs bis zwölf Monate durchgeführt, je nach Alter des Piloten. Die Kabinenmedicals werden alle vier Jahre terminiert. So erklärt sich, dass obwohl mehr Frauen beim fliegenden Personal arbeiten, Männer und Cockpitbesatzungsmitglieder in unserer Nachbefragung häufiger vertreten waren.

In einer vorhergehenden Untersuchung bei Büroarbeitern desselben Unternehmens zeigte sich eine deutliche Abnahme der Krankheitsfälle und der Krankheitsdauer bei gegen Grippe Geimpften im Vergleich zu Nichtgeimpften. Dieser Effekt deckt sich mit Beobachtungen in anderen Studien, die zeigten, dass Unternehmen die Anzahl der Krankheitstage ihrer Beschäftigten reduzieren können, wenn sie eine Grippeschutzimpfung anbieten4,8, und dass Impfungen von einem pharmakoökonomischen Standpunkt aus das effektivste Mittel zur Prophylaxe der Virusgrippe sind1,3. Der kostensparende Effekt für Unternehmen, die ihren Mitarbeitern die Grippeschutzimpfung anboten, konnte mehrfach nachgewiesen werden5,6.

In der vorliegenden Studie konnte zwar nicht gezeigt werden, dass Krankheitsfälle, jedoch dass Ausfallzeiten reduziert werden. Die Kabinenbesatzung unterliegt offensichtlich einem höheren Infektionsrisiko und hat demzufolge ein erhöhtes Risiko an der echten Virusgrippe zu erkranken durch die Besonderheit ihrer Tätigkeit. Daher ist der Arbeitgeber angehalten Vorsorge im Rahmen eines Impfangebotes zu treffen.

Ein volkswirtschaftlich positiver Effekt, der sich ebenso in der Voruntersuchung wie in der vorliegenden Untersuchung zeigt, ist die Einsparung an Medikamenten. Insbesondere der Antibiotikaverbrauch2,7 ist bei dem geimpften Kollektiv deutlich geringer. Da Antibiotika verschreibungspflichtig sind, ist deren Einnahme auch immer mit einem Arztbesuch kombiniert.

Die Frage nach Benefits für alle an solchen Impfaktion Beteiligten konnte positiv beantwortet werden. Der Impfling fühlt sich gesünder, die Erkrankten sind weniger schwer und weniger lange krank. Der Arbeitgeber profitiert über die geringeren Ausfallzeiten. Die Krankenkasse spart Kosten durch verminderten Medikamentenverbrauch bei grippalen Infekten. Der Medizinische Dienst hat mit der jährlichen Grippeschutzimpfung somit eine sinnvolle, nachhaltige Aktion im Rahmen der Gesundheitsförderung angeboten.

· 5. Literatur

01Gasparini, R., C. Lucioni, et al. “Cost benefit evaluation of influenza vaccination in the elderly in the Italian region of Liguria.” Vaccine 2002; 20 Suppl 5: B50–4.,

02Hara, Y., H. Ikematsu, et al. “[Reduction of medical resources utilization by influenza vaccination for hospitalized elderly patients.]” Kansenshogaku Zasshi 2001; 75: 181–5

03Jahnz-Rozyk, K. [Pharmaco-economics of anti-influenza vaccinations]. Pol Merkuriusz Lek 2003; 14: 678–81,.

04Leighton, L., M. Williams, et al. “Sickness absence following a campaign of vaccination against influenza in the workplace.” Occup Med (Lond) 1996; 46: 146–50

05Muennig, P.A. and K.Khan “Cost-effectvieness of vaccination versus treatment of influenza in healthy adolescents and adults.” Clin Infect Dis 2001; 33: 1879–85

06Nichol, K.L., K.P. Mallon, et al. “Cost benefit of influenza vaccination in healthy, working adults: an economic analysis based on the results of a clinical trial of the trivalent live attenuated influenza vaccine.” Vaccine 2003; 21: 2207–17

07Nishi, K., M. Mizuguchi, et al. “[Effectiveness of influenza vaccine in health-care workers].” Kansenshogaku Zasshi 2001; 75: 851–5

08Tucillo, E., G. Corona, et al. “Evaluation of the efficacy of an influenza vaccine campaign among health personnel for the prevention of influenze-like illness (ILI)].” G Ital Med Lav Ergon 2003; 25 Suppl(3): 155–6,.

S. Wagner2, S. Frey1, U. Stüben2, S. Letzel1, D.-M. Rose1,3

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