Betriebliches Gesundheitsmanagement

Schlechte Chefs kosten deutsche Volkswirtschaft bis zu 105 Milliarden Euro jährlich

In Zeiten guter Konjunktur und fehlender Fachkräfte unternehmen viele Arbeitgeber große Anstrengungen, um Mitarbeiter an sich zu binden. Dennoch stagniert der Anteil der Arbeitnehmer, die eine hohe emotionale Bindung zu ihrem Arbeitgeber aufweisen und dementsprechend mit Hand, Herz und Verstand bei der Arbeit sind, bei 15 Prozent. Ebenso viele Arbeitnehmer haben innerlich bereits gekündigt. 70 Prozent der Beschäftigten sind emotional gering gebunden und machen lediglich Dienst nach Vorschrift. Das sind die zentralen Ergebnisse des Engagement Index 2016, den das Beratungsunternehmen Gallup in Berlin vorgestellt hat. Die Untersuchung belegt auch: Wie lange Mitarbeiter im Unternehmen bleiben und wie produktiv sie in dieser Zeit sind, hängt in erster Linie vom Führungsverhalten des direkten Vorgesetzten ab. Doch in punkto Führungsqualität klaffen die Wünsche der Mitarbeiter und die Wirklichkeit in den Unternehmen weit auseinander. Nach Gallup-Berechnungen kostet die innere Kündigung aufgrund schlechter Führung die deutsche Volkswirtschaft insgesamt bis zu 105 Milliarden Euro jährlich.

Mitarbeiter erkennen
Fehlentwicklungen – und schweigen

Die deutschen Arbeitnehmer sind zufrieden mit sich und ihrem Leben, sie bewerten die ökonomische Lage positiv und fürchten sich kaum um ihren Arbeitsplatz. die Arbeitseinstellung ist positiv: 77 Prozent würden selbst dann weiterarbeiten, wenn sie nicht auf das Geld angewiesen wären (2010: 70 %). Dennoch ist die Mehrheit der Mitarbeiter emotional kaum an ihren Arbeitgeber gebunden und das wirkt sich direkt auf wichtige Wettbewerbsfaktoren wie Fehlzeiten, Produktivität, Rentabilität, Qualität und Kundenbindung aus. Denn Arbeitnehmer, die sich emotional nicht an ihren Arbeitgeber gebunden fühlen, zeigen weniger Eigeninitiative, Leistungsbereitschaft und Verantwortungsbewusstsein – und sie schweigen zudem häufiger zu Fehlentwicklungen. Laut aktuellem Engagement Index hat jeder dritte Mitarbeiter in den letzten zwölf Monaten gegenüber seinem Vorgesetzten mindestens einmal schwere Bedenken nicht geäußert – bei den Mitarbeitern ohne emotionale Bindung schwieg sogar fast jeder Zweite (45 %).

Machtverhältnisse auf dem
Arbeitsmarkt haben sich gedreht

Problematisch ist auch die hohe Fluktuation in einer gering gebundenen Belegschaft. Laut aktuellem Engagement-Index beabsichtigen 84 Prozent der hoch gebundenen, aber nur 31 Prozent der nicht gebundenen Mitarbeiter in drei Jahren noch bei ihrer jetzigen Firma zu sein – jeder Dritte von ihnen ist bereits heute aktiv auf Jobsuche. Und die gute Konjunktur kommt „Jobhoppern“ entgegen. Fast zwei Drittel der Befragten rechnen sich gute bis sehr gute Chancen aus, schnell einen neuen Arbeitsplatz zu finden, sollten sie heute ihren Job verlieren. „Die Machtverhältnisse auf dem Arbeitsmarkt haben sich gedreht. Früher suchten qualifizierte Bewerber nach Stellen, heute suchen Unternehmen händeringend nach qualifizierten Bewerbern. Der Wettbewerb um die besten Köpfe wird immer härter“, erklärt Marco Nink, Senior Practice Consultant bei Gallup. Dazu passt, dass 16 Prozent der Beschäftigten im vergangenen Jahr Angebote von Headhuntern erhalten haben (2010: 12 %).

Unternehmen setzen
an den falschen Hebeln an

Die latente Wechselbereitschaft in der Belegschaft gerade in Zeiten des Fachkräftemangels stellt Unternehmen vor große Herausforderungen. Im Schnitt bleibt eine vakante Stelle derzeit 98 Tage unbesetzt, 35 Tage mehr als 2007. Nink: „Neue Mitarbeiter brauchen meistens Monate, bis sie wirklich produktiv arbeiten. Außerdem bedeutet jeder Weggang den Verlust von Erfahrung, Fachwissen und Kontakten und wirkt sich oft negativ auf Betriebsklima und Kundenbeziehungen aus.“ Viele Firmen unternehmen zwar große Anstrengungen um Mitarbeiter zu halten und zu binden, doch sie setzen offenbar nicht an den richtigen Hebeln an. Nink: „Faktoren wie Arbeitsplatzsicherheit, Entlohnung, Sozialleistungen, flexible Arbeitszeit oder die Zahl der Urlaubstage sind für Mitarbeiter zwar durchaus wichtig, auf deren emotionale Bindung haben sie jedoch kaum Einfluss. So ist beispielsweise „die Möglichkeit, das zu tun, was man richtig gut kann“ fünfmal wichtiger als das Gehalt. Entscheidend sind außerdem Dinge wie Führungsqualität, eine herausfordernde, abwechslungsreiche und als sinnvoll empfundene Tätigkeit und die Kollegen. Emotionale Bindung wird im direkten Arbeitsumfeld erzeugt und der direkte Vorgesetzte ist dabei das A und O.“

Chefs sind sich ihrer
Defizite nicht bewusst

Doch genau hier liegt der Haken. In punkto Führungsqualität klaffen die Wünsche der Mitarbeiter und die Wirklichkeit in deutschen Unternehmen besonders weit auseinander. Insgesamt sagt gerade einmal jeder fünfte Arbeitnehmer (21 %) „die Führung, die ich bei der Arbeit erlebe, motiviert mich, hervorragende Arbeit zu leisten“. Bei den hoch gebundenen sind es 66 Prozent, bei den Arbeitnehmern mit geringer oder ganz ohne Bindung nur 15 bzw. drei Prozent. Fast jeder fünfte Mitarbeiter (18 %) hat in den vergangenen zwölf Monaten wegen seines direkten Vorgesetzten daran gedacht zu kündigen – in der Gruppe der „Inneren Kündiger“ sogar fast jeder Zweite (45 %). Zwei von drei Arbeitnehmern (69 %) hatten im Lauf ihres Arbeitslebens mindestens einmal einen schlechten Vorgesetzten. Doch die Chefs selbst sind sich ihrer Defizite nicht bewusst – 97 Prozent halten sich selbst für eine gute Führungskraft. Dazu passt auch, dass 2016 nur 40 Prozent der Führungskräfte eine Weiterbildung besucht haben, um den Umgang mit ihren Mitarbeitern zu verbessern.

Feedback vielfach Fehlanzeige

Nachholbedarf haben Führungskräfte hierzulande vor allem auch, wenn es um Feedback geht. Gallup-Untersuchungen belegen, dass der kontinuierliche Dialog zwischen Führungskraft und Mitarbeiter einer der wichtigsten Hebel ist, um die emotionale Bindung am Arbeitsplatz zu erhöhen. Doch laut aktuellem Engagement Index hat nur gut jeder zweite Mitarbeiter (56 Prozent) in den letzten zwölf Monaten überhaupt einmal mit seinem Vorgesetzten über seine Leistungen gesprochen. Nur 14 Prozent der Mitarbeiter berichten von einem kontinuierlichen Austausch mit dem Vorgesetzten über das Jahr hinweg. Und selbst dort, wo sie stattfinden, verfehlen Mitarbeitergespräche oft ihr Ziel, die Arbeitsleistung nachhaltig zu verbessern. Nur knapp vier von zehn Beschäftigten (38 %) stimmen der Aussage „die Rückmeldung, die ich zu meiner Arbeit bekomme, hilft mir, meine Arbeit besser zu machen“ ohne Wenn und Aber zu. Nink: „Dieses Ergebnis stellt Führungskräften ein schlechtes Zeugnis aus. Es ist die Aufgabe einer Führungskraft, die individuellen Leistungspotenziale der Mitarbeiter freizusetzen und zur Entwicklung des Einzelnen beizutragen. Es gilt herauszufinden, was ein Mitarbeiter gut kann und mag und wie er dementsprechend eingesetzt werden kann – dies lässt sich am besten im Gespräch herausfinden.“

www.gallup.com/de-de/181871/
engagement-index-deutschland.aspx

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