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Abklärung individueller Gesundheitsbeschwerde

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Die Beschwerden traten auf, wenn die Klägerin in Räumen arbeiten musste, die an die Klima- oder Raumbelüftungsanlage angeschlossen waren. Dann war die Arbeitnehmerin nach wenigen Stunden so belastet, dass sie teils längerfristig arbeitsunfähig krank wurde; dafür reichte schon die Teilnahme an Besprechungen. In anderen Räumen kam es nicht dazu, und auch mit anderen Klimaanlagen kam die Frau zurecht. Eine Einschaltung der Betriebsärztin führte nicht zur Klärung, und so verlangte die Mitarbeiterin schließlich mit anwaltlicher Unterstützung eine arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung und die Zuweisung eines Büros ohne Klima- oder Belüftungsanlage. Das lehnte die Arbeitgeberin ab, weil kein Gefährdungspotential erkennbar sei und die arbeitsmedizinische Vorsorge nicht zur Abklärung von individuellen Gesundheitsbeschwerden diene, bei denen kein Zusammenhang mit der Beschäftigung erkennbar sei. Immerhin hätten weder Kollegen noch Vorgesetzte die Beschwerden jemals wahrgenommen, und diese träten auch in der Freizeit auf. Diese Argumente konnten das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (LAG) nicht überzeugen. Arbeitgeber sind durch § 11 ArbSchG und § 5a ArbMedVV verpflichtet, Beschäftigten auf deren Wunsch hin regelmäßig arbeitsmedizinische Vorsorge zu ermöglichen, es sei denn, auf Grund der Beurteilung der Arbeitsbedingungen und der getroffenen Schutzmaßnahmen ist nicht mit einem Gesundheitsschaden zu rechnen. Genau wie in Bezug auf die Gefährdungsbeurteilung sei auch dieser Pflicht nicht nur verwaltungsrechtlich und durch die Arbeitsschutzbehörden durchsetzbar, sondern über § 618 Abs. 1 BGB Teil des individuellen Arbeitsverhältnisses, so dass ein Anspruch der Arbeitnehmer auf arbeitsmedizinische Wunschvorsorge bestehe. Dieser Anspruch sei nicht auf die objektiven Arbeitsbedingungen beschränkt, sondern könne auch eine Untersuchung im Hinblick auf persönliche Verhältnisse und Dispositionen einschließen. Denn letztlich liege der Umfang der arbeitsmedizinischen Untersuchung im Ermessen des untersuchenden Arztes, wie § 6 Abs. 1 Satz 3 ArbMedVV bestimmt.

Vor allem machen beide Vorschriften die arbeitsmedizinische Vorsorge im Ausgangspunkt nur davon abhängig, dass Beschäftigte einen entsprechenden Wunsch äußern. Sie setzen weder ein erhöhtes Gefährdungspotential noch eine konkrete Gesundheitsgefahr oder gar den Nachweis eines Zusammenhangs zwischen Beschwerden und Arbeitsplatzsituation voraus. Eine bloße Vermutung durch Mitarbeiter reicht aus. Es handelt sich eben um eine „Wunschvorsorge“, die Arbeitgeber nur dann verwehren können, wenn sich aus einer hinreichend aktuellen Gefährdungsbeurteilung und getroffenen Schutzmaßnahmen ergibt, dass mit einem Gesundheitsschaden nicht zu rechnen ist. Denn bei aller Wünschbarkeit handelt es sich eben um eine Präventionsmaßnahme, und es wäre nicht gerechtfertigt, Arbeitgeber mit Kosten für Prävention zu belasten, die nachweislich überflüssig erscheint

Ob Arbeitgeber zwingend eine Gefährdungsbeurteilung gemäß § 5 Abs. 1 ArbSchG vorlegen müssen oder auch auf andere Weise die fehlenden Gesundheitsrisiken nachweisen dürfen, um die Wunschvorsorge ablehnen zu können, hat das LAG nicht abschließend entschieden. Im Streitfall gab es nämlich weder eine Gesundheitsgefährdung noch einen anderen Nachweis – die Arbeitgeberin war der Auffassung, die Mitarbeiterin müsse einen Zusammenhang darlegen, und das steht im Widerspruch zu den gesetzlichen Vorschriften.

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