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Editorial: Die drohende Selbstabschaffung der Arbeitsmedizin

Am 31.12.2011 waren 53 % der Ärzte mit der Gebietsbezeichnung Arbeitsmedizin und der Zusatzbezeichnung Betriebsmedizin älter als 60 Jahre, 39 % waren sogar über 65 Jahre alt. Auf dem 115. Deutschen Ärztetag wurde beschlossen, dass die Arbeitsmedizin und die betriebsärztliche Betreuung zu einer zentralen Säule der Gesundheitsvorsorge ausgebaut werden soll. Die DGUV Vorschrift 2 fordert ebenfalls erweiterte Aufgabengebiete für Betriebsärzte. Die Vorschläge der DGAUM und des VDBW zur Novellierung der Musterweiterbildungsordnung „Arbeitsmedizin“ (MWBOA) lässt keinen Ausweg aus diesem Dilemma erkennen.

Mit den Berufsverbänden als Partner sollte es zu einem Konsens über die Novellierung der MWBOA kommen. Die Vorstandsmitglieder des BsAfB wurden allerdings nie zu den Beratungen geladen. Sie erhielten auch kein Kommentarrecht auf der Wikiplattform der Bundesärztekammer. Wenn ein bedeutender Berufsverband von den Beratungen ausgeschlossen wird, darf es nicht wundern, wenn kein großer Wurf gelingt. Mit Kompetenzblock-Kosmetik allein lässt sich die eklatante Fehlentscheidung von vor zehn Jahren, bereits niedergelassene Ärzte quasi von der Erlangung der Gebiets- bzw. der Zusatzbezeichnung auszuschließen, nicht korrigieren. Um den zu befürchtenden demographischen Super-GAU abzuwenden, muss niedergelassenen Fachärzten wieder die Möglichkeit gegeben werden, die Gebietsbezeichnung Arbeitsmedizin zu erlangen.

DGAUM und VDBW konnten in vielen Punkten Konsens erzielen, z. B. die Änderung der Gebietsbezeichnung in „Arbeitsmedizin und Prävention“ und in der Aufgliederung der Facharztkompetenzen in 15 verschiedene Kompetenzblöcke. Die Prävention als wesentlichen Bestandteil der Arbeitsmedizin auch nach außen darzustellen, wurde bereits in der ErgoMed/Praktische Arbeitsmedizin 5/2012 von unserem Schriftleiter Prof. Andreas Meyer-Falcke im Editorial gefordert.

Die Vorschläge der beiden anderen Verbände werden aber nicht die demographische Katastrophe in der Arbeitsmedizin abwenden können.

Da man auf die Rekrutierung weiterer Arbeitsmediziner aus den Reihen der bereits Niedergelassenen nicht verzichten kann, muss die Definition des weiterbildungsermächtigten Arztes bzw. der Weiterbildungsstelle, geändert werden und damit bereits niedergelassenen Kollegen die Chance gegeben werden, arbeitsmedizinisch tätig zu sein. Vielen ist nicht bewusst, dass ein Kassenarzt bei aktuellem Recht nicht gleichzeitig in der Weiterbildung für eine Gebietsbezeichnung sein darf. Durch das Festschreiben längerer Weiterbildungszeiten in der MWBO wurde vor zehn Jahren der Hauptanteil des arbeitsmedizinischen Nachwuchses obstruiert – die Weiterbildungsakademien hatten einen gravierenden Schwund an Kursteilnehmern.

Die offizielle Stellungnahme des BsAfB-Vorstands zur Novellierung der (Muster) Weiterbildungsordnung „Arbeitsmedizin“ finden Sie am Ende dieser Ausgabe in den BsAfB-News. In den News werden Vorschläge gemacht, wie niedergelassenen Ärzten der Erwerb der Gebietsbezeichnung Arbeitsmedizin ohne Qualitätseinbußen in der Weiterbildung ermöglicht werden kann.

Dem interessanten Fachgebiet „Arbeitsmedizin und Prävention“ bleibt zu wünschen, in Zukunft die an sie gestellten Anforderungen erfüllen zu können und bei der enormen Nachfrage nach Prävention, Betrieblichem Gesundheitsmanagement und Betrieblicher Gesundheitsförderung nicht durch Mangel an Arbeitsmedizinern versagen zu müssen. Sie sollte über genügend Woman- und Manpower verfügen, um als zentrale Säule der Gesundheitsvorsorge ausgebaut zu werden.

Uwe Ricken

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