Sonstiges

Übersicht über ausgewählte Aspekte des gesundheitsrelevanten Verhaltens und beanspruchender Arbeitsanforderungen bei Polizeibeamten/innen im Reviereinsatzdienst der Polizeidirektion Halle des Landes Sachsen-Anhalt

Im Rahmen einer Mitarbeiterbefragung zur betrieblichen Gesundheitsförderung wurden erstmals Daten zum derzeitigen gesundheitsrelevanten Verhalten und beanspruchenden Arbeitsanforderungen bei Polizeibeamten/innen im Reviereinsatzdienst der Polizeidirektion Halle des Landes Sachsen-Anhalt erhoben. In die Vollerhebung wurden
295 Polizeivollzugsbeamte/innen der Polizeidirektion einbezogen, die ausschließlich im Reviereinsatzdienst (Schutzpolizei) tätig sind. Davon waren 257 Männer und 38 Frauen. Befragt wurden die Sachbearbeiter Streifendienst, die Dienstabteilungs- und die Streifen- und Einsatzführer. Die Ergebnisse zeigen einige ausgewählte Aspekte des Gesundheitsverhaltens und der beanspruchenden Arbeitsanforderungen auf.
Die Mehrheit der Beamten/innen schätzte ihren Gesundheitszustand subjektiv als „gut“ ein. Bei den wahrgenommenen Beschwerden (nur „mäßig“ und „stark“) stehen die Kreuz- oder Rückenschmerzen, Nacken-/Schulterschmerzen sowie Ein- und Durchschlafschwierigkeiten im Vordergrund. Als oft/sehr oft beanspruchende Arbeitsanforderungen wurden insbesondere psychosoziale Aspekte wie fehlende Informationen, fehlende Anerkennung der Leistung, störende Unterbrechungen bei der Arbeit, Zeit- und Leistungsdruck, ferner die fehlenden Möglichkeiten eigener Arbeitseinteilung und die große Arbeitsmenge genannt. Auch physikalisch-räumliche Umgebungseinflüsse und Arbeitszeitformaspekte wie Schichtarbeit, Wechselschicht (nur Angaben „oft“ und „sehr oft“) wurden mit > 25% als beanspruchend empfunden.
Perspektivisch können im Rahmen des landesweiten Projektes „Gesundheitsmanagement“ aus diesen Ergebnissen Maßnahmen zur Verhaltensprävention (z.B. Stressmanagement, Raucherentwöhnung, Rückenschule) und zur Verhältnisprävention (z.B. gesundheitsorientiertes Führungsmanagement, Verbesserung der Arbeitsorganisation, des Arbeitsklimas, Optimierung des Arbeitsschutzes durch gesundheitsorientierte Schichtplangestaltung und Einrichtung ergonomischer (Bildschirm-) Arbeitsplätze) abgeleitet werden.

Schlüsselwörter: Gesundheitsverhalten – beanspruchende Arbeitsanforderungen – Gesundheitsbeschwerden – Gesundheitsmanagement

Summary
Within the framework of an employee survey on occupational health promotion data were gathered for the first time showing the present health behaviour and job strains of shift working police officers of the Police Headquarters Halle, Saxony-Anhalt.
The study in total covers 295 exclusively shifts working police officers (uniform police); 257 male and 38 female, team leaders, deputy team leaders and officers.
The survey’s results present some selected aspects about health behaviour and job strains. The majority of shift working police officers see their physical condition as good. Central perceivable discomforts (“moderate” and “strong”) are neck- and shoulder ache, backache and problems in getting to sleep. Job strains (“often” / “very often”) represented psychosocial aspects like lack of information, deficiency of acknowledged performance, disturbances at work, pressure of time and performance, workload and so on. Physical environment and working in shift itself (“often” / “very often”) were represented with > 25% as job strains.
The country-wide health management project within the police based on the results presented can in the future conduct both to activities of behaviour prevention (stress-management, withdrawal from smoking, backschool) and activities of relation prevention (improvement of directors management, improvement of the working organisation, working atmosphere and maintenance of health and safety standards by adapting work and working conditions to
suit the officers).
Key words: health behaviour – job strains – health complaints – health management

Einleitung
Die Arbeitswelt ist, bedingt durch den wissenschaftlich-technischen Fortschritt, den Globalisierungsprozess und den sich verschärfenden Wettbewerb, einem tief greifenden Wandel unterworfen. Die Personalressource rückt in den Mittelpunkt des Managements, da sie zum entscheidenden Faktor der Produktion von Gütern und Dienstleistungen geworden ist. Auch der öffentliche Dienst, insbesondere die Polizei, ist von diesen Vorgängen betroffen. Die Vielzahl und das Tempo der Umstrukturierungs- und Veränderungsprozesse werden von vielen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten als psychomentale Belastung empfunden, besonders dort, wo sie mit Stellenabbau und der Unsicherheit über den künftigen Einsatz verbunden sind. Bei fehlenden individuellen Bewältigungsstrategien der Beamten/innen können sich Belastungen wie z.B. aus der Arbeitsaufgabe, der Arbeitszeitform oder der sozialen Arbeitsumgebung unmittelbar zu gesundheits- und entwicklungsbeeinträchtigenden Beanspruchungsfolgen ausprägen. Nicht nur Leistungsabnahme und Unzufriedenheit im Beruf, vor allem auch psychische und psychosomatische Krankheiten, Suchtverhalten, hohe Fehlzeitenraten und vorzeitige Versetzungen in den Ruhestand stellen langfristige Folgen hoher Belastungen dar.
Im Rahmen des landesweiten Projektes „Gesundheitsmanagement in der Polizei“, kurz genannt „GIP“ wurden erstmals Daten (als so genannte „Ist-Zustands-Analyse“) zum derzeitigen gesundheitsrelevanten Verhalten und beanspruchenden Arbeitsanforderungen bei Polizeibeamten/innen im Reviereinsatzdienst der Polizeidirektion Halle des Landes Sachsen-Anhalt erhoben.

Methoden und Durchführung
Die Datengewinnung über das gesundheitsrelevante Verhalten erfolgte durch schriftliche Befragung mit einem standardisierten Fragebogen.
Zielgruppe dieser Studie waren Polizeivollzugsbeamte/innen der Polizeidirektion Halle im Süden des Landes Sachsen-Anhalt.
Um Daten einer homogenen Gruppe zu erhalten, die statistische Zusammenhangsanalysen erlauben, wurden in die Vollerhebung 295 Polizeivollzugsbeamte/innen der Polizeidirektion einbezogen, die ausschließlich im Reviereinsatzdienst (Schutzpolizei) tätig sind. Davon waren 257 Männer und 38 Frauen. Befragt wurden die Dienstabteilungs-/Streifen- und Einsatzführer und Sachbearbeiter im Streifendienst. Ausgeschlossen wurden die Leiter der Polizeireviere, da diesen eine andere Tätigkeit obliegt.
Die Polizeivollzugsbeamten/innen der Polizeireviere Mitte, Ost, Neustadt, Süd und Silberhöhe wurden über die Studie und die Freiwilligkeit der Teilnahme informiert.
Die Datenerhebungen erstreckten sich in den einzelnen Polizeirevieren von Mitte September bis Ende Dezember 2002. Von den 295 Beamten/innen nahmen an der Befragung 181 Bedienstete teil. Davon waren 154 Männer und 27 Frauen. Die Teilnahmequote betrug insgesamt 61,4%.
Tabelle 1 zeigt die Teilnahme der Bediensteten der einzelnen Polizeireviere.
Um das gesundheitliche Befinden der Polizeibeamten/innen zu erheben, wurden unter anderem Fragen zum allgemeinen Gesundheitszustand (BUNDES-GESUNDHEITSSURVEY 1998), zu physischen und psychischen Beschwerden (V. ZERSSEN 1975) und Fragen zur subjektiven Einschätzung von beanspruchenden Arbeitsbelastungen (SLESINA 2000) gestellt.

Ergebnisse (Auszüge aus einem Promotionsvorhaben)
Ihren allgemeinen Gesundheitszustand schätzten die Probanden auf einer Skala mit den Merkmalsausprägungen von 1 = ausgezeichnet bis 5 = schlecht ein (BUNDESGESUNDHEITSSURVEY 1998). 21% der Probanden beurteilten ihren Gesundheitszustand als ausgezeichnet oder sehr gut (Männer: 18,8%, Frauen 33,3%), weitere 66,3% als gut (Männer: 68,2%, Frauen 55,6%). 12,7% schätzten ihren Gesundheitszustand als weniger gut oder schlecht ein (Männer: 8,4%, Frauen: 11,1%) (Abb. 1). Der wahrgenommene Gesundheitszustand unterscheidet sich statistisch weder nach Geschlecht, noch nach dem Berufsstatus der Probanden signifikant.
Für die Bewertung der subjektiven Gesundheit ist das Erfassen von Beschwerden besonders wichtig.
Auf einer Skala mit den Merkmalsausprägungen 1 = gar nicht; 2 = kaum; 3 = mäßig; 4 = stark (V. ZERSSEN 1975) konnten die befragten Beamten und Beamtinnen die Intensität der Beschwerden bewerten. Wie Abbildung 2 zeigt, gaben die Bediensteten in den Kategorien „mäßige“ und „starke Beschwerden“ mit 51,1% Kreuz- und Rückenschmerzen an, gefolgt von Nacken- und Schulterschmerzen mit 42,4%.
Ein- und Durchschlafschwierigkeiten wurden von den Bediensteten mit 11,2% als „starke“ Beeinträchtigung empfunden. Durch weitere psychische Beschwerden wie innere Unruhe, Reizbarkeit, Grübelei fühlten sich die Beamten/innen weniger stark beeinträchtigt. Diese Merkmale variierten in der Beschwerdekategorie „mäßig“ zwischen 19,7% bis 22,6%.
Unspezifische Beschwerden wie übermäßiges Schlafbedürfnis und Mattigkeit teilten in der Kategorie „mäßig“ 28,1% bzw. 25,1% der Bediensteten mit. Druck- oder Völlegefühl im Leib wurde von 19,7% genannt.
In der Befragung wurde außerdem nach Arbeitsanforderungen aus dem Tätigkeitsbereich der Probanden gefragt, die sie persönlich belastend empfanden.
Die Einschätzung erfolgte auf einer Skala mit den Merkmalsausprägungen „nie“, „selten“, „oft“, „sehr oft“ (SLESINA 2000). Abbildung 3 zeigt, dass viele Beamte und Beamtinnen „oft“ oder „sehr oft“ Ereignisse und Situationen aus der sozialen Arbeitsumgebung als beanspruchend empfanden. Dabei standen Informationsmangel und fehlende Transparenz mit 64,2% an erster Position. Fehlende Anerkennung der Leistung durch Vorgesetzte und Kollegen bzw. Kolleginnen schlossen sich mit 59,3% an. Belastend wurden durch die Bediensteten auch die häufigen Unterbrechungen bei der Arbeit (52,3%) empfunden. Unergonomisch eingerichtete Computerarbeitsplätze, erfragt durch belastendes Flimmern auf Bildschirmoberflächen, zählten ebenfalls zu den Störfaktoren. Physikalisch-räumliche Umgebungseinflüsse wie schlechte Luft, bedingt auch durch das Rauchen am Arbeitsplatz, das Raumklima / Zugluft wurden von 48,6% bzw. 43,7% der Befragten „oft“ bzw. „sehr oft“ als störend empfunden.
Als Beeinträchtigung wurde von den Beamten und Beamtinnen mit 43,9% Zeit- und Leistungsdruck angesehen. Weiterhin teilten 36% fehlende Möglichkeiten eigener Arbeitseinteilung und 30,7% zu hohe quantitative Arbeitsanforderungen mit. Ca. 30% der Befragten nannten das Arbeiten im Schichtsystem, im Wechselschichtrhythmus und am Wochenende belastend.
Eher weniger beeinträchtigt fühlten sich die Bediensteten durch Konflikte mit Vorgesetzten, Kollegen und Kolleginnen. Hohe Konzentration und Aufmerksamkeit im Dienst, mögliche Folgen von Fehlern (Verantwortung) wurden lediglich mit 18,5% bzw. 17,5% als geringe Belastungen erfasst.
Zwischen Männern und Frauen zeigte sich in der Häufigkeit beanspruchender Arbeitsaspekte kein statistisch signifikanter Unterschied.

Diskussion
Diese Ergebnisse stellen eine erste innerbetriebliche Bestandsanalyse über einige ausgewählte Aspekte gesundheitsrelevanten Verhaltens und über beanspruchende Anforderungen bei Polizeibeamten/innen des Reviereinsatzdienstes der Polizeidirektion Halle dar. Diese erhobenen Daten wurden zunächst im Gesundheitsbericht des landesweiten Projektes „Gesundheitsmanagement in der Polizei“ des Landes Sachsen-Anhalt veröffentlicht. Perspektivisch werden diese Daten mit weiteren Studienergebnissen aus unterschiedlichen geographischen Bereichen des Landes verglichen und dem Beratungsteam des Projektes Gesundheitsmanagement vorgestellt. Auf der Grundlage dieser Bestandsanalysen, verknüpft mit erhobenen Daten zu Krankenstand und Krankheitsgeschehen, ferner Expertenmeinungen aus verschiedenen Bereichen kann sich das Beratungsteam ein komplexes Bild zum derzeitigen Gesundheitszustand, zur Leistungsfähigkeit, Motivation und Mitarbeiterzufriedenheit der Bediensteten in der Landespolizei zusammenfügen. Ferner sollen diese Ergebnisse Denkanstöße für die Auswahl möglicher Maßnahmen der Gesundheitsförderung in der Polizei geben. Dabei gilt es eine landesweit einheitliche und abgestimmte Vorgehensweise zu finden. Maßnahmen der Verhaltensprävention wie z.B. Ernährungsumstellung, Stressmanagement, Raucherentwöhnung, Rückenschule als auch Maßnahmen der Verhältnisprävention wie gesundheitsorientiertes Führungsmanagement, Verbesserung der Arbeitsorganisation, des Arbeitsklimas und Schaffung von Handlungsspielräumen für die Beamten/innen jeder Hierarchie-ebene, ferner Optimierung des Arbeitsschutzes durch gesundheitsorientierte Schichtplangestaltung und Einrichtung ergonomischer (Bildschirm-) Arbeitsplätze stehen dabei zeitgleich im Fokus der Veränderung. Gemeinsames Ziel ist es, den Gesundheitszustand aller Beschäftigten der Landespolizei zu erhalten und zu verbessern, um den gestiegenen Anforderungen der Arbeitswelt besser gerecht zu werden.

Beitrag aus einem Dissertationsvorhaben. Betreuer: Herr Prof. Dr. med. W. Slesina, Leiter der Sektion Medizinische Soziologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

Literatur

ROBERT-KOCH-INSTITUT (Hrsg.): Fragebogeninstrument aus dem Public Use File
Bundes-Gesundheitssurvey 1998, Berlin, 1998

SLESINA, W.: Fragebogen zur subjektiven Einschätzung der Belastungen am Arbeitsplatz (FEBA), 2000. In: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Hrsg.):
Instrumente zur Erfassung psychischer Belastungen. http://baua.de/toolbox

V. ZERSSEN, D. unter Mitarbeit von Koeller, D.-M.: Manual – Die Beschwerdenliste. Beltz Test Gesellschaft mbH, Weinheim, 1975

Anschrift der Verfasserin:
Kathrin Rüllich
Medizinalrätin, FA für Allgemeinmedizin / Betriebsmedizin,
Landesbereitschaftspolizei des Landes Sachsen-Anhalt,
Polizeiärztlicher Dienst Halle
Huttenstr. 58, 06110 Halle

K. Rüllich1

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