01 Originalarbeit

Kontrollierte Freigabe von Cannabis schützt besser als Prohibition

Foto: Jiri Hera/adobe.stock.com

Seit Januar ist in Kalifornien der Anbau und Verkauf von Marihuana legal, im Juli wird auch Kanada nachziehen. Damit wird erstmals in einem westlichen Industrieland Cannabis landesweit legalisiert. Auch In Deutschland sind die Befürworter einer Legalisierung auf dem Vormarsch. Nicht nur in Medien und Öffentlichkeit hat die Debatte über den Sinn und Zweck der Verbotspolitik Fahrt aufgenommen, auch im Bundestag wurden im Februar neue Vorstöße zum Umgang mit Cannabis beraten. Anträge der FDP für Cannabis-Modellprojekte und der Linken zur Legalisierung des Cannabisbesitzes zum Eigenbedarf sowie ein Gesetzentwurf der Grünen für ein Cannabiskontrollgesetz standen am 22. Februar 2018 im Zentrum einer Bundestagsdebatte. In 21 deutschen Städten fanden Anfang Mai Demonstrationen und Kundgebungen zur Legalisierung von Cannabis statt.

Auch viele Ökonomen treten schon lange für eine kontrollierte Freigabe ein, da diese zwar nicht als perfekt, aber doch als besser als die bisherige Prohibitionspolitik bewertet wird. Anders als oft vermutet wird, treten Ökonomen jedoch nicht primär deswegen für die Cannabis-Freigabe ein, weil sie die gesundheitlichen Risiken ignorieren und kaltblütig nur an mögliche Steuereinnahmen und (legale) Arbeitsplätze denken, wenngleich beides positive Nebeneffekte einer Legalisierung wären. Ganz im Gegenteil, gerade weil Cannabis – sofern es nicht gerade für medizinische Zwecke eingesetzt wird – gesundheitsgefährdend ist, treten viele Ökonomen dafür ein, dem organisierten Verbrechen die Kontrolle über den Markt wirksam zu entziehen und stattdessen eine behördliche Kontrolle des Marktes mit strengen Regeln einzuführen.

Das Hauptargument der Ökonomen für die Freigabe liegt – und hier sind sich Ökonomen mit vielen Strafrechtlern und Suchforschern einig – darin, dass eine kontrollierte Freigabe insbesondere problematische Nutzer besser schützt als die Prohibition, so paradox es sich anhören mag. Faktisch ist Cannabis heute völlig problemlos vielerorts zu bekommen, auch und gerade für Jugendliche. Illegale Dealer haben jedoch weder ein besonders ausgeprägtes Interesse am Jugendschutz noch an einer Qualitätssicherung im Sinne eines Verbraucherschutzes. Vielmehr werden immer wieder extrem gesundheitsschädliche Substanzen beigemischt, von der Pestizidbelastung ganz abgesehen. Staatliche Qualitätsvorgaben und -kontrollen finden naturgemäß nicht statt.

Zugleich haben Dealer tendenziell ein Interesse, ihren Kunden auch härtere Drogen zu verkaufen, da diese regelmäßig eine höhere Profitmarge aufweisen als Cannabis, das nahezu jeder auch leicht selbst anbauen kann. Die Profite aus dem Drogengeschäft finanzieren wiederum die Tätigkeiten von Rockerbanden, Mafia und Terrororganisationen.

Nur eine Legalisierung und kontrollierte Freigabe kann diesen Sumpf trockenlegen. Wird Cannabis legalisiert, werden Nutzer ihre Nachfrage lieber bei legalen Händlern befriedigen als auf dem Schwarzmarkt, solange das legale Cannabis nicht zu teuer ist, denn bei legalen Händlern kann der Kunde von einer gesicherten Qualität ausgehen. Erfahrungen aus Colorado zeigen, dass für legales, kontrolliertes Cannabis durchaus Preise verlangt werden können, die 10–20% über den Schwarzmarktpreisen liegen. Letztlich verhält es sich genau wie beim Alkohol. Trotz Alkoholsteuer kauft der gang ganz große Teil der Bevölkerung den Alkohol aus legalen Quellen und nicht aus Schwarzbrennereien.

Legale Cannabis-Händler sollten sich jedoch einem Lizenzierungsprozess unterziehen, sodass die Lizenz auch entzogen werden kann, wenn etwa Jugend- und Verbraucherschutzbestimmungen nicht eingehalten werden. Legale Cannabis-Händler dürften ebenso geringe Anreize haben, ihre Lizenz zu riskieren, indem sie Kunden parallel auch härtere illegale Drogen anbieten, wie heute Wein- oder Spirituosenhändler auch nicht parallel illegale Produkte anbietet. Das Problem des „Anfixens“ würde so erheblich reduziert.

Natürlich würde der problematische Cannabis-Konsum so nicht völlig verschwinden und auch das Problem, dass schon Jugendliche heute Cannabis konsumieren, wäre nicht völlig behoben, ebenso wie auch heute Jugendliche faktisch doch an Spirituosen kommen (etwa weil 18-jährige Bekannte die Einkäufe vornehmen). Gleichwohl würde der illegale Markt weitgehend verschwinden und das Cannabis-Geschäft somit für Dealer und die organisierte Kriminalität weitgehend uninteressant, da das illegale Cannabis-Geschäft weitgehend unprofitabel wird, wenn legale, qualitätsgesicherte Markenprodukte auf dem Markt erhältlich sind. Zudem sollte nicht nur die gewerbliche, sondern auch die private Weitergabe von Cannabis an Jugendliche in einem regulierten Markt mit hohen Bußgeldern oder Strafen sanktioniert werden.

Der Cannabis-Verkauf sollte zudem mit verpflichtenden Hinweisen auf gesundheitliche Gefahren und Beratungsangebote für Problemkonsumenten verbunden werden. Im heute illegalen Markt ist es hingegen viel schwieriger die Nutzer direkt zu adressieren. Auch für die gezielte Aufklärung wäre eine kontrollierte Freigabe daher besser.

Letztlich sprechen auch finanzielle Aspekte für eine kontrollierte Freigabe. Erstens könnten so erhebliche Steuereinnahmen generiert werden, zum einen durch die direkte Besteuerung von Cannabis-Produkten, zum anderen durch Gewerbe- und Lohnsteuern im Bereich Cannabis-Anbau und -Handel. Zum anderen würden auch Polizei und Staatsanwaltschaft erheblich entlastet, denn durch die Verfolgung von Bagatelldelikten im Zusammenanhang mit Cannabis, bei den die Verfahren letztlich eingestellt werden, entstehen heute unnötige Kosten. Diese Ressourcen könnten bei Polizei und Staatsanwaltschaft im Falle einer Freigabe sinnvoller eingesetzt werden. Belastbare Studien über die Höhe der möglichen Steuereinnahmen sowie die Kosteneinsparungen bei Polizei und Justiz fehlen bisher für Deutschland, jedoch darf angesichts der sehr positiven Erfahrungen aus den USA und auf Basis internationaler Berechnungen erscheint ein Milliardenbetrag als Untergrenze durchaus realistisch. Diese Einnahmen könnten unter Anderem für präventive und kurative Maßnahmen eingesetzt werden.

Gegen die Freigabe spricht letztlich nur die Befürchtung, dass bei einer Legalisierung der gesundheitsschädliche Konsum zunehmen könnte. Die Evidenz aus Staaten mit einer liberalen Drogenpolitik wie etwa Portugal oder dem US-Bundesstaat Colorado ist jedoch ermutigend. Zwar ist teilweise eine leichte Zunahme des Konsums messbar, jedoch nimmt gerade der Problemkonsum von Jugendlichen dort tendenziell eher ab. Hinzu kommt – wie schon erwähnt – eine bessere Qualitätskontrolle, die verhindert, dass andere gesundheitsschädliche Substanzen beigemischt werden. Gerade aus gesundheitspolitischer Sicht spricht also vieles für eine kontrollierte Freigabe.

Insgesamt gibt es nur wenig Argumente, die gegen eine Cannabis-Freigabe sprechen. Die Hoffnung, dass Prohibition und Repression helfen, das Problem zu lösen, hat sich inzwischen sehr deutlich zerschlagen. Im Gegenteil: Die Prohibition ist auf ganzer Linie gescheitert, es ist nicht gelungen den Konsum merklich einzudämmen. Einziger Profiteur der repressiven Drogenpolitik ist die organisierte Kriminalität. Die Zeit ist reif, es anderen nachzumachen, und Cannabis endlich kontrolliert freizugeben.


Autor:

Prof. Dr. Justus Haucap

Direktor des Düsseldorf Institute for Competition Economics (DICE)

Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

Universitätsstr. 1

40225 Düsseldorf

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