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„Null Alkohol und Null Cannabis bei Arbeit und Bildung“

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Vor diesem Hintergrund positioniert sich die gesetzliche Unfallversicherung wie folgt:

Positionierung der gesetzlichen Unfallversicherung

Als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung treten Berufsgenossenschaften und Unfallkassen sowie ihr Spitzenverband, die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V. (DGUV) dafür ein, Alkohol und Cannabis am Arbeitsplatz und in Bildungseinrichtungen gleich zu behandeln. Das heißt: In beiden Fällen muss ein Konsum, der zu Gefährdungen an Arbeitsplätzen und in Bildungseinrichtungen führen kann, ausgeschlossen sein. Deshalb:

Null Alkohol und Null Cannabis bei Arbeit und Bildung.

Die Unfallversicherungsträger und die DGUV verweisen in diesem Zusammenhang auf ihre Unfallverhütungsvorschrift „Grundsätze der Prävention“ (DGUV Vorschrift 1). Die Regelungen sind eindeutig: Nach § 15 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1 dürfen Versicherte sich durch den Konsum von Alkohol, Drogen oder anderen berauschenden Mitteln nicht in einen Zustand versetzen, durch den sie sich selbst oder andere gefährden können. Gleichzeitig dürfen Unternehmer nach § 7 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1 Versicherte, die erkennbar nicht in der Lage sind, eine Arbeit ohne Gefahr für sich oder andere auszuführen, mit dieser Arbeit nicht beschäftigen.

Die gesetzliche Unfallversicherung verbindet ihre Positionierung mit folgenden Forderungen an die Politik:

  • Cannabiskonsum darf nicht dazu führen, dass man sich selbst oder andere gefährdet. Hierüber besteht Konsens. Schwierigkeiten bestehen jedoch mit Blick auf die Frage, wie im Verdachtsfall eine Beeinträchtigung des Reaktionsvermögens durch Cannabis festgestellt werden kann. Die Entkriminalisierung von Cannabis ist daher mit der Förderung von Forschungsprojekten zu verbinden, um evidenzbasierte Kriterien für eine Beeinträchtigung des Verhaltens- und Reaktionsvermögens durch den Konsum von Cannabis zu identifizieren, die zu einer Selbst- und/oder Fremdgefährdung führen kann.
  • Die Debatte über die „Freigabe“ von Cannabis darf nicht dazu führen, dass die Wirkung von Cannabis verharmlost wird. Die Entkriminalisierung von Cannabis ist daher mit öffentlichkeitswirksamen Informationskampagnen zu verbinden, die über die Wirkung von Cannabis aufklären und insbesondere klar auf die damit verbundenen Risiken für Sicherheit und Gesundheit hinweisen.

Die gesetzliche Unfallversicherung unterstützt Unternehmen und Einrichtungen bereits seit Jahren mit Beratung und Informationen zur betrieblichen Suchtprävention und zu Auswirkungen des Konsums von Betäubungsmitteln auf Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit. Diese Aktivitäten umfassen heute schon den Konsum von Cannabis. Mit Blick auf die geplanten gesetzlichen Änderungen werden Berufsgenossenschaften, Unfallkassen und die DGUV ihre bestehenden Aktivitäten fortführen – auch im Zusammenspiel mit anderen Akteurinnen und Akteuren in der betrieblichen und schulischen Prävention.

Hintergrund

Höhere Gefährdungen unter Einfluss von Alkohol und Drogen

Alkohol am Arbeitsplatz stellt seit Jahrzehnten ein Problem dar, bei dem niemand wegschauen kann. Untersuchungen zeigen, dass etwa 10 % der Arbeitnehmenden übermäßig viel Alkohol konsumieren [2], wodurch die Konzentration am Arbeitsplatz nachlässt. Nach Schätzungen des Forschungsinstitutes „Sucht Schweiz“ sollen 20 % aller Arbeitsunfälle auf Alkoholkonsum zurückzuführen sein [3]. Cannabis-Konsum kann die Verkehrstüchtigkeit im Straßenverkehr beeinträchtigen. Neben der ggf. adäquaten rechtlichen Behandlung sind bei Cannabis-Konsumenten auch Auswirkungen am Arbeitsplatz und bei Arbeitsunfällen sowie in Bildungseinrichtungen zu erwarten. Bekannte mögliche kurzfristige Auswirkungen des Cannabis-Konsums sind beispielsweise erhöhte Lichtempfindlichkeit, Euphorisierung, die Beeinträchtigung des Kurzzeitgedächtnisses, erhöhte Risikobereitschaft oder Gleichgültigkeit gegenüber Gefahren sowie verlängerte Reaktionszeiten.

In Bildungseinrichtungen führt Cannabis-Konsum zu Beeinträchtigungen des Lernens und zu unmittelbaren Gefährdungen in Schule, Ausbildung und Studium, z.B. im Sportunterricht oder bei der Werkzeugnutzung und Maschinenbedienung. Besonders negative langfristige Folgen sind bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu erwarten [4]. Da das Gehirn sich im Alter zwischen 17 und 25 Jahren in einer komplexen Umstrukturierungsphase befindet, die durch den Konsum von Cannabis beeinträchtigt wird, besteht u. a. die erhöhte Gefahr langfristig eingeschränkter kognitiver Leistungsfähigkeit und damit schlechter oder fehlender Bildungsabschlüsse. Die Wirkungen von Cannabis sind zwar beim Menschen individuell unterschiedlich, aber in jedem Falle sind sie nicht mit einer verantwortungsvollen Ausübung von vielen Tätigkeiten und den Leistungsanforderungen in Straßenverkehr, Schule, Ausbildung, Studium und Beruf vereinbar – dies insbesondere, wenn Dritte wie Kolleginnen und Kollegen und Mitschülerinnen und Mitschüler durch nicht situationsgerechtes wie verzögertes Handeln oder Nichthandeln gefährdet werden können. Gleichwohl besteht hier für viele Tätigkeiten noch Bedarf für Forschung und juristische Begleitung.

Cannabis und Arbeit und Bildung

Ein Cannabis-Konsum in der Freizeit lässt sich am Arbeitsplatz oder einer Bildungseinrichtung im Allgemeinen ohne eine regelmäßige Testverpflichtung nicht nachweisen. Es ist möglich, dass viele Cannabis-Konsumenten ihre Aufgaben am Arbeitsplatz ebenso sorgfältig wie Beschäftigte erledigen, die keine Drogen konsumiert haben. Arbeitgeber können in der Regel nicht erkennen, ob und in welchem Umfang Beschäftigte Cannabis in ihrer Freizeit zum „Genuss“ konsumieren oder nicht. Dennoch stellen diese Beschäftigten für andere auf Grund der häufigen Cannabis-Wirkungen eine potenzielle Gefahr dar.

Ein regelmäßiger Konsum wird insbesondere bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Bildungseinrichtungen durch deutliche Leistungseinschränkungen und Persönlichkeitsveränderungen auffallen. Bildungseinrichtungen sollten dem mit frühen Präventionsangeboten entgegenwirken.

Arbeits- oder Wegeunfälle unter
Cannabis-Einfluss

Derzeit führen in Deutschland Arbeits- oder Wegeunfälle unter Cannabis-Einfluss nicht zwingend zum Leistungsausschluss der gesetzlichen Unfallversicherung (Sozialgericht Osnabrück im Urteil vom 07.02.2019 / S19U40/18 zu einem Radfahrer-Wegeunfall mit unfallverursachendem Fehlverhalten bei 10 ng THC im Blut), da es im Unterschied zu Alkohol keine gesicherte Dosis-Wirkung-Beziehung und damit auch keinen Wert für eine absolute Fahruntüchtigkeit gibt. In Analogie zur Fahrtüchtigkeit unter Alkohol kann für eine Einschätzung und Beurteilung der Arbeitsfähigkeit unter Cannabiseinwirkung – insbesondere bei verantwortungsvollen Tätigkeiten mit Auswirkungen für andere – eine Beeinträchtigung der Leistungs- und Reaktionsfähigkeit angenommen werden.

Grenzwerte

Auf dem Verkehrsgerichtstag in Goslar wurde diskutiert, ob im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht die Möglichkeit einer Gleichbehandlung von Alkohol und Cannabis besteht. Derzeit gibt es für den Straßenverkehr einen Alkohol-Grenzwert von 0,5 Promille und einen nur messtechnisch begründeten Cannabis-Grenzwert von 1 ng THC pro ml Blut, ab denen Fahrten als unter Drogeneinfluss ausgeführt geahndet werden können. Der Verkehrsgerichtstag 2022 hat dem Gesetzgeber deshalb empfohlen, den derzeit angewandten Grenzwert für die THC-Konzentration von 1 ng THC pro ml Blutserum angemessen heraufzusetzen [5]. 4

Festzuhalten ist, dass für viele Tätigkeiten weiterer Bedarf für Forschung und juristische Begleitung insbesondere hinsichtlich der Handhabung möglicher Interventionen besteht.

Weiterführende Informationen

Die DGUV, die BG BAU und die BZgA geben Unternehmen und Bildungseinrichtungen entsprechende Hilfestellungen und Informationen:

[6] DGUV Information 206–009 „Suchtprävention in der Arbeitswelt – Handlungsempfehlungen“ (inkl. beispielhafte Betriebsvereinbarung)

[7] BG BAU: BG Bausteine D 510 „Gefährdung durch stoffgebundene Suchtmittel“.

[8] Informationsportal der BZgA zur Cannabis-Prävention

[1] https://www.bundesgesundheitsministerium.de/infos-cannabis.html

[2] https://www.kenn-dein-limit.de/alkoholkonsum/alkoholkonsum-in-deutschland (BZgA)

[3] https://www.alcoolautravail.ch/de/einige-zahlen-176 (Forschungsinstitut „Sucht Schweiz„)

[4] https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Drogen_und_Sucht/Berichte/Broschuere/BMG_CaPris_A5_Info_web.pdf (Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung: Ergebnisse der CaPRis-Studie – Cannabis: Potential und Risiken. Eine wissenschaftliche Analyse)

[5] https://deutscher-verkehrsgerichtstag.de/media//Editoren/60.%20VGT/Empfehlungen/AK_II_Cannabis_im_Strassenverkehr.pdf (Verkehrsgerichtstag Goslar 2022)

[6] https://publikationen.dguv.de/widgets/pdf/download/article/1268 (DGUV Information)

[7] https://www.bgbau.de/fileadmin/Medien-Objekte/Medien/Bausteine/d_510/d_510.pdf (Baustein BG BAU)

[8] www.cannabispraevention.de (Informationsportal der BZgA)

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