04_Akustik

„Kreative Schulraumakustik“

1. Theoretischer Hintergrund

Das Institut für Lehrergesundheit (IfL) wurde im Januar 2011 in Mainz im Auftrag des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur Rheinland-Pfalz (MBWWK) zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben in der arbeitsmedizinischen und sicherheitstechnischen Betreuung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im staatlichen Schuldienst in Rheinland-Pfalz gegründet. Seit 1997 besteht die gesetzliche Verpflichtung des Arbeitgebers zur Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung am Arbeitsplatz
(§5 ArbSchG). Die Gefährdungsbeurteilung ist der Prozess der systematischen Ermittlung und Bewertung relevanter Gefährdungen der Beschäftigten mit dem Ziel, die erforderlichen Maßnahmen für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit festzulegen (1).

Im Schuljahrzeitraum 2012/13 – 2017/18 wurden 652 Anfragen von rheinlandpfälzischen Schulen an das IfL herangetragen, die den Bereich Arbeitssicherheit betreffen. Insgesamt thematisierten 23,0 % dieser Anfragen den Sachverhalt „Geräuschkulisse“, wobei diese Begrifflichkeit oft mit der Bezeichnung „Lärm“ assoziiert wird. Lärm ist definiert als hörbarer Schall, der die Gesundheit der Menschen in ihrem körperlichen und/oder seelischen Wohlbefinden schädigen, beeinträchtigen oder belästigen kann (2). Die Überprüfung, ob weniger lärmintensive Alternativen bestehen (Substitutionsprinzip), ist zentrale Aufgabe der Gefährdungsbeurteilung. Die Ausschöpfung aller Möglichkeiten, um eine Lärmvermeidung bzw. -minderung zu realisieren, ist anzustreben. Laut der Lärm- und Vibrationsschutzverordnung (LärmVibrationsArbSchV) sind weitere Maßnahmen der Lärmminderung bzw. Risikoüberwachung zur Vermeidung von Gehörschäden zu ergreifen, sofern die Auslösewerte in Bezug auf die Tages-Lärmexpositionspegel überschritten werden (Untere Auslösewerte: 80 dB(A), 8h / Obere Auslösewerte: 85 dB(A), 8h) (3). Fragestellungen bzgl. Lärmminderung markieren gleichzeitig den häufigsten Beratungsanlass und begleiten das Institut für Lehrergesundheit seit seiner Gründung im Jahre 2011 kontinuierlich (vgl. Abb. 1).

Die Studie „Lärm in Bildungsstätten – Ursachen und Minderung“ der Baua (2004) untersuchte die Schalldruckpegelexpositionen (LAeq) in insgesamt 467 Unterrichtsstunden (Klassenstufe 1 – 10). Die Ergebnisse zeigten für den Mittelwert, als auch den Median, einen Wert von 64,5 dB(A). Der mittlere Schalldruckpegel überschritt in 10 % (90. Perzentil) der Stunden 72,6 dB(A) und in 1 % (99. Perzentil) der Fälle sogar 86,3 dB(A). Im Gegenzug wurde in 10 % (10. Perzentil) aller Fälle höchstens 55,8 dB(A) und in 1 % (1. Perzentil) nur 51 dB(A) gemessen (4). Dauerhaft hohe Schalldruckpegel in der Größenordnung 85 dB(A) werden in Schulen für gewöhnlich nicht erreicht. Gleichzeitig kann ein Auftreten dieser Werte laut der Studie „Akustische Situation in Schulen – Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Institut für Lehrergesundheit“ (2016) nicht ausgeschlossen werden (5).

Die Studie des IfL veranschaulichte zudem, in wie fern der Faktor „Lärm“ zu einer Belastung bzw. Störung in der Berufsgruppe der Lehrkräfte beiträgt. Insgesamt nahmen 5434 in Rheinland-Pfalz beschäftigte Bedienstete aller Schularten im Zeitraum 2011 – 2016 an der Online-Mitarbeiterbefragung zur Arbeitssituation und zum individuellen Gesundheitsempfinden teil. Bezüglich des Abfragekriteriums: „Ich empfinde den Lärmpegel an meiner Schule als angemessen und nicht störend“ antworteten 13,2 % mit ja, 28,9 % mit eher ja. Mehr als die Hälfte der Befragten empfanden den arbeitstäglich vorhandenen Geräuschpegel an ihrer Schule als eher störend (30,6 %) bzw. störend (24,4 %), 2,9 % machten hierzu keine Angaben (5).

Hinsichtlich der Gesundheitsgefährdung durch „Lärm“ wird zwischen auralen (z. B. irreversible Gehörschäden) und extra-auralen Lärmwirkungen unterschieden. Extra-Aurale Lärmwirkungen können je nach Situation und Arbeitsaufgabe folgende Beeinträchtigungen hervorrufen (6):

  • Beeinträchtigung der Sprachverständlichkeit und der akustischen Orientierung (z. B. Beeinträchtigung der Sprachkommunikation im Unterricht)
  • Störung der Arbeitsleistung (z. B. Herabsetzung der Aufmerksamkeit und Konzentration)
  • Akute psychische Wirkung (z. B. Belästigung, Ärger, Nervosität)
  • Akute physiologische Wirkung (z. B. Ausschüttung von Stresshormonen)
  • Begünstigung von Arbeitsunfällen
    (z. B. Ablenkung)

Einen wichtigen Einfluss auf die Entwicklung der Geräuschkulisse sowie Sprachverständlichkeit im Unterricht hat die Nachhallzeit (7). Die Nachhallzeit [T] ist ein wichtiger Parameter in der Raumakustik. Dieser Wert ergibt sich aus der Zeitspanne, in der Schallenergie in einem Raum nach dem Verstummen einer Schallquelle auf den tausendsten Teil vom Anfangswert oder mindestens um 60 dB abgesunken ist (8). Gerade in älteren Schulgebäuden entspricht dieser raumakustische Parameter nicht immer den geltenden Vorgaben (5). Eine hohe Nachhallzeit kann u. a. extra-aurale Lärmwirkungen bedingen, da eine erhöhte Halligkeit die Sprachverständlichkeit reduziert. Eine reduzierte Sprachverständlichkeit fördert oftmals Unruhe, die wiederum zu lautem Sprechen führt (Lombard-Effekt). Aufgrund des Ankämpfens gegen die Geräuschkulisse leidet die individuelle Sprachverständlichkeit (9). Die Ergebnisse der Studie „Akustische Situation in Schulen – Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Institut für Lehrergesundheit“ (2016) weißen ebenfalls darauf hin, dass in Unterrichtsräumen mit ungünstiger Nachhallzeit eine deutlich höhere Geräuschkulisse vorherrscht, als in Räumen mit günstigen Nachhallzeiten. Im Durchschnitt war der Unterricht in Räumen mit Nachhallzeiten von mehr als 0,6 Sekunden um 5,1 dB(A) „lauter“ als im Vergleich zu Räumen, die eine Nachhallzeit von 0,6 Sekunden unterschritten (maximale Differenz: 9,7 dB(A)) (5).

Für das Sprachverständnis sind die Frequenzbänder zwischen 125 Hertz (Hz) – 8000 Hz von Bedeutung (10). Die DIN 18041:2016–03 enthält Vorgaben zur Nachhallzeit in Unterrichts- und weiteren Arbeitsräumen, in denen eine ungestörte Sprachkommunikation besonders wichtig ist. Konkrete Vorgaben zur Nachhallzeit für beispielsweise Flure, Treppenhäuser oder Mensen enthält die DIN 18041:2016–03 nicht – in solchen Fällen können lediglich Empfehlungen ausgesprochen werden (7).

2. Motivation

In der Vergangenheit wurden schon zahlreiche Projekte bzgl. dem Thema „Lärm“ an Schulen und Kitas durchgeführt. Dennoch ist das Thema Lärm noch immer ein Hauptthema. In Rheinland-Pfalz wurden z. B. von der Unfallkasse sowohl das Großprojekt „Muster-Kita“ (Neubau), als auch in Andernach das Projekt „Ergonomisches Klassenzimmer“ umgesetzt (11) (12). In den meisten Projekten wurden allerdings Maßnahmen thematisiert, die bauliche Veränderungen nach sich ziehen. Projekte, die eine Verbesserung der Akustik ohne umfangreiche Sanierungsmaßnahmen anstreben, sind weitaus seltener. Ein Beispiel hierfür wäre z. B. das Projekt „Lärmschutz für die kleinen Ohren – Modellprojekte zur akustischen Gestaltung von Kindertagesstätten“, das vom Fraunhofer Institut und dem Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr Baden-Württemberg durchgeführt wurde (13). Abseits von Akustikdecken hat das IfL im Rahmen von Begehungen z. T. provisorische Akustik-Maßnahmen beobachtet (z. B. transportable Absorberkartoons, Schaumstoffelemente an Decken und Wänden). Der Hintergrund solcher Maßnahmen war oftmals eine schlechte Raumakustik und limitierte finanzielle Möglichkeiten.

Nach dem Kenntnisstand des IfL wurde bislang zur Verbesserung der Raumakustik in Schulen noch kein Konzept entwickelt, das eine praktikable Lösung ohne umfangreiches Sanierungsvorhaben darstellt. Die Motivation des Projektes „Kreative Schulraumakustik“ liegt daher in der Kombination vieler Fassetten. Bei älteren Gebäuden ist eine Sanierung teilweise schwierig. Deshalb lag der Fokus auf der Untersuchung einer unkomplizierten und praxistauglichen Variante zur Optimierung der akustischen Situation in Schulen. Maßnahmen, die keine baulichen Veränderungen bedürfen, sind schneller durchzuführen und flexibel in der Umsetzung. Der Anspruch war, im Vergleich zu konventionellen Methoden, eine mögliche Alternative aufzuzeigen. Darüber hinaus war es dem IfL wichtig, die Komponenten Funktion und Design zu verbinden (Funktion meets Design) – bislang konnte noch kein Projekt nach aktueller Recherche ausfindig gemacht werden, das die Kombination dieser beiden Komponenten verstärkt in den Fokus genommen hat.

3. Leitfrage und Zielsetzung

Nach einer gründlichen Materialrecherche (vgl. Kapitel 4. Methodik) wurde sich, im Zuge dieses Projektes, für die Verwendung von Melaminschaumharz-Schallabsorber entschieden. Aus dieser Entscheidung, sowie den aufgezählten Faktoren im Kapitel „Motivation“, leitet sich für das Projekt „Kreative Schulraumakustik“ folgende übergeordnete Leitfrage ab: Ist die Realisierung einer praktikablen Lösung zur Verbesserung der akustischen Situation in Klassenräumen ohne umfangreiches Sanierungsvorhaben durch Melaminschaumharze oder ähnliche Produkte überhaupt möglich?

Aus der übergeordneten Leitfrage, sowie den angeführten Faktoren, leiten sich die Ziele des Projektes „Kreative Schulraumakustik“, wie folgt, ab:

  • Kombination der Themengebiete Funktion und Design bei der Realisierung von Akustikmaßnahmen.
  • Überprüfung der Wirksamkeit von Melaminschaumharz-Schallabsorber hinsichtlich Ihrer schallabsorbierenden Fähigkeit. Priorität liegt auf der Beurteilung, ob eine wahrnehmbare Reduzierung der Nachhallzeit in Unterrichtsräumen erreicht werden kann. Mittels Vorher-/Nachher-Nachhallmessungen soll eine Quantifizierung erreicht werden.
  • Untersuchung der Auswirkung einer reduzierten Nachhallzeit durch Melaminschaumharz-Schallabsorber auf den Schalldruckpegel. Mittels Vorher-/Nachher-Schalldruckpegelmessungen soll quantifiziert werden, ob eine nachhaltige Reduzierung des Schalldruckpegels möglich ist.
  • Erhebung des subjektiven Empfindens bei Lehrkräften für die Faktoren Halligkeit sowie Geräuschkulisse vor und nach der Anbringung der Schallabsorber. Die Überprüfung, ob die technischen Messwerte mit dem subjektiven Empfinden korrelieren, ist ein zentrales Ziel.
  • Herausarbeitung eines Richtwertes hinsichtlich der einzubringenden Absorbermenge, die notwendig ist, um ein adäquate Akustik zu erzielen.
  • Stärkung der Sensibilisierung von Lehrkräften und Schülern für das Thema Akustik mittels direkter Projektpartizipation.
  • Formulierung einer Aussage zur Praxistauglichkeit der Melaminschaumharz-Schallabsorber, resultierend aus direkter Projektbegleitung.

4. Methodisches Vorgehen

Zu Beginn wurde eine umfangreiche Literaturrecherche durchgeführt, um zu überprüfen, ob die Ziele, die mit dem Projekt „Kreative Schulraumakustik“ forciert werden sollten, bereits durch existierende Studien abgedeckt waren (vgl. Kapitel 3 „Motivation“ S. 4).

Da keine relevante Studie recherchiert werden konnte, die dem Zielsetzungsprofil des Projektes „Kreative Schulraumakustik“ entsprach, blieb auch die übergeordnete Fragestellung somit ungeklärt. Im Anschluss wurde eine detaillierte Materialrecherche durchgeführt. Aufgrund der flexiblen Handhabungsmöglichkeiten, sowie eines guten Schallabsorptionsvermögens im mittleren und hohen Frequenzbereich, wurde sich schlussendlich für die Verwendung von Melaminschaumharz-Schallabsorber entschieden. Darüber hinaus gibt es im Wettbewerb auch Produkte mit vergleichbarer Wirkung.

Gleichzeitig wurde die Akquirierung von potentiellen Projekt-Schulen initiiert. Seitens des IfL wurde beschlossen, das Projekt gänzlich an Grundschulen durchzuführen, um die Vergleichbarkeit der Daten sicherzustellen. Es wurde darauf geachtet, Schulen mit Räumlichkeiten, die ein Nachhallprofil zwischen 0,7 – 1,0 Sekunden aufweisen, auszuwählen. Zur Ermittlung des Nachhallprofils wurde der Wert Tmid herangezogen. Es handelt sich dabei um einen Einzahlwert, der durch die Mittelung von T(400 Hz – 1250 Hz) nach DIN EN ISO 3382–1 gebildet wird. Insgesamt konnten vier Schulen mit jeweils einem Raum, der für das Projekt zu Verfügung gestellt wurde, akquiriert werden.

Um die Projektschulen von Anfang an zu partizipieren, konnten sich die Schulen selbst aussuchen, welches Absorber-Design ihnen am besten gefällt
(z. B. Wolken, Sterne, Kreise, Apfelbäume etc.). Den Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich der Form und Farbe sind beinahe keine Grenzen gesetzt. Bis auf das Zuschneiden von Kugeln lassen sich fast alle Formen realisieren (vgl. Abb. 4 „Gestaltungsmöglichkeiten Melaminschaumharz-Schallabsorber in Grundschulen“). Im Anschluss wurden die einzelnen Schallabsorber individuell nach Wunsch angefertigt. Nachdem die Schulen beliefert wurden, konnten diese in Eigenregie die Absorber farblich gestalten (z. B. im Rahmen eines Klassen-/Schülerprojektes). Hinsichtlich der Farbgestaltung sollte auf Dispersionsfarben zurückgegriffen werden, damit sich die Poren der Absorber nicht zusetzen und die Funktion erhalten bleibt. Bezüglich der Anbringung der Absorber unterstütze das IfL von fachlicher Seite, teilweise auch direkt vor Ort. Die Schallabsorber können mittels Acrylharzklebstoff an Decken (ohne Akustikdecke) und/oder Wände angebracht werden. Durch den Umsetzungspartner wurde für jeden Unterrichtsraum eine bestimmte Menge an einzubringenden Absorbern vorgeschlagen. Für die Kalkulation teilte das Institut für Lehrergesundheit dem Umsetzungspartner für jeden Unterrichtsraum die notwendigen Raumcharakteristika im Voraus mit. Eine separate Berechnung wurde hierzu nicht vorgenommen, da u. a. auch geprüft werden sollte, welchen akustischen Mehrwert unterschiedliche Absorbermengen bewirken. Die Anbringung der kalkulierten Mengen konnten jedoch nicht in allen Klassenräumen realisiert werden.

Hinsichtlich der Wirksamkeitsprüfung wurde in allen vier Räumen vor Anbringung der Absorber die Nachhallzeit sowie der Schalldruckpegel gemessen. Die Messung erfolgt mittels Schallanalysator (Klasse 1, Typ Nor140), Leistungsverstärker (Nor 280), Dodekaeder (Nor 276) und Kalibrator Nor1251 der Firma „Norsonic“. Alle Gerätschaften sind nach
Herstellerangaben vorschriftsmäßig geprüft. Nach Anbringung der Absorber wurde die Messung der Nachhallzeit sowie des Schalldruckpegels wiederholt. Bei der Nachhallmessung war das Ziel die Annäherung an TSoll. Bei TSoll handelt es sich um die gemittelte Nachhallzeit, die sich aus der oberen und unteren Grenzkurve ergibt (vgl. Anhänge 1–4). Bei der Schalldruckpegelmessung wurde darauf geachtet, dass die beiden Messungen an denselben Wochentagen mit gleicher Schulklasse, Lehrkraft und Unterricht stattfanden. Der Schalldruckpegel wurde ab Unterrichtsbeginn (08:00 Uhr) bis Unterrichtsende (13:00 Uhr) durchgehend gemessen.

Um die technischen Daten mit dem subjektiven Empfinden der Lehrkräfte bzgl. den Faktoren Halligkeit sowie Geräuschkulisse vergleichen zu können, wurde ein Fragebogen durch das IfL erstellt. Als Grundlage hierfür dienten Frageaspekte des Projektes „Flüsterndes Klassenzimmer“ der UK Hessen (2006) sowie die Pilotstudie „Befragung zur Lärmbelastung und Auswirkungen auf Gesundheitsfacetten bei Lehrern in fünf Kölner Grundschulen“ (2013) (15) (16).

5. Ergebnisse

Die funktionale Wirksamkeit der Melaminschaumharz-Schallabsorber konnte flächendeckend bestätigt werden. In allen vier Räumlichkeiten der jeweiligen Schulen konnte die Nachhallzeit deutlich gesenkt werden. Die Ergebnisse aus Tabelle 1 „Projektergebnisse Kreative Schulraumakustik“ verdeutlichen u. a. die positive Zielerreichung in Bezug auf diesen Aspekt.

Beispielhaft zeigen die folgenden Abbildungen die Vorher-/Nachher-Nachhallmessergebnisse der Grundschule 4 (vgl. Abb. 2 „Ergebnisse Nachhallmessung vor Anbringung der Schallabsorber Grundschule 4“ sowie Abb. 3 „Ergebnisse Nachhallmessung nach Anbringung der Schallabsorber Grundschule 4“).

Festzustellen ist, dass die geplante Menge an Absorbern, die in die Räume eingebracht werden sollte, nicht umsetzbar war. Abbildung 4 „Gestaltungsmöglichkeiten Melaminschaumharz-Schallabsorber in Grundschulen“ visualisiert diesen Sachverhalt. Gründe hierfür sind u. a.:

  • Große Fensterflächen, an denen eine Anbringung nicht möglich ist
  • Teilweise bereits vorhandene Akustikdecken, die nicht überklebt werden sollten
  • Wandflächen die anderweitig genutzt werden (Einrichtungsgegenstände, Waschbecken, Wandflächen für Unterrichtsnutzung)
  • Bei Wandflächen: Die Anbringung der Absorber empfiehlt sich in der oberen Hälfte der Wand, da diese in solchen Höhen schwerer erreichbar sind für Kinder (Vermeidung von Beeinträchtigungen bzgl. Funktion und Erscheinungsbild). Zusätzlich empfiehlt dies die DIN 18041 aus akustischen Gründen.

Aufgrund der Stichprobengröße (vgl. Tabelle 1: „Projektergebnisse Kreative Schulraumakustik“) kann keine wissenschaftliche Empfehlung bzgl. einer optimalen Einbringungsmenge an Melaminschaumharz-Schallabsorbern in Abhängigkeit des Raumvolumens sowie Tmid gegeben werden. Festzuhalten ist jedoch, dass für gewöhnliche Unterrichtsräume (Raumvolumen: 220 – 240 m3) mit einem Nachhallprofil zwischen 0,7 – 1,0 Sekunden bereits geringe Mengen dieser Absorber ausreichen, um sehr gute Ergebnisse zu erzielen. Die Ergebnisse des Projektes zeigen, dass für die betrachteten Räumlichkeiten mit einem Tmid von 0,7 – 0,8 bereits 11 – 14 m2 Absorbermaterial ausreichten, um ein sehr gutes Resultat zu erzielen.

Mittels der reduzierten Nachhallzeit durch die Melaminschaumharz-Schallabsorber konnte der Schalldruckpegel flächendeckend gesenkt werden (vgl. Abb. 5 Auswirkungen der Nachhallzeiten auf die Geräuschkulisse im Unterricht), wodurch die gemittelte Geräuschkulisse über den ganzen Unterrichtstag in allen betrachteten Unterrichtsräumen abnahm.

Die Grafik „Auswirkungen der Nachhallzeiten auf die Geräuschkulisse im Unterricht“ visualisiert die Ergebnisse der Vorher-/Nachher-Nachhallmessungen sowie Schalldruckpegelmessungen und veranschaulicht deren Beziehung zueinander. Die Ergebnisse deuten auf einen Zusammenhang hin.

Die subjektive Befragung der Klassenlehrkräfte zu akustikrelevanten Themen vor und nach der Anbringung der Schallabsorber sollte Aufschluss darüber geben, wie die technisch realisierten Änderungen subjektiv empfunden werden. Der Fokus lag dabei auf der Erhebung klassenraum-spezifischer Faktoren (z. B. Ich empfinde den Raum als hallig) sowie der Erörterung von Belastungen / Beanspruchungen auf Seiten der Lehrkräfte (z. B. das Zuhören in diesem Raum strengt mich an) (vgl. Tabelle 2).

Bei der ersten Schule wurde noch keine subjektive Befragung der Klassenlehrkräfte durchgeführt (alle Messungen wurden bereits 2014 durchgeführt). Die Ergebnisse der restlichen Schulen zeigen, dass klassenraum-spezifische Faktoren (z. B. Halligkeit, Sprachverständlichkeit, Lautstärke) nach der Anbringung der Schallabsorber durchgängig als positiver wahrgenommen wurden.

„Seit Anbringen der Schallabsorber strengt mich das Sprechen weniger an. Auch die Geräusche, welche durch die Kinder verursacht werden, hallen weniger nach.“ [Klassenlehrerin einer Projektschule]

Auch im Bereich der Belastungen / Beanspruchungen konnte ein positiver Trend verordnet werden, jedoch gab es z. T. auch kontroverse Rückmeldungen bei den Items „Es fällt mir schwer, bei größtem Lärm gelassen zu bleiben“ und „Ich schätze mich als lärmempfindlich ein“. Die Gründe hierfür können jedoch sehr vielfältig sein aufgrund der Individualität von Menschen. Auch die Rückmeldungen bei den Freitexten variierte sehr stark.

„Ich konnte keine merkbaren Veränderungen feststellen“ [Klassenlehrer einer Projektschule]

Zusammenfassend kann ausgesagt werden, dass die technisch objektivierten Messergebnisse mit den subjektiven Eindrücken der Lehrkräfte auf einen Zusammenhang hindeuten.

Bezüglich der Gestaltung der Absorber resultierte eine wichtige Erkenntnis hinsichtlich der Praxistauglichkeit: Nach Rücksprache mit den Schulen wurde festgestellt, dass das Anmalen der Absorber sehr zeitaufwändig sei. Die vierte Schule benötigte nach eigenen Angaben für das Anmalen von ca. 7 m2 Absorbermaterial im Rahmen eines Schülerprojektes mehr als einen Schultag. Die dritte Schule malte die Absorber beispielsweise erst gar nicht an, da dies zu aufwändig sei. Um diesen Sachverhalt zu verbessern, wird in Kapitel 7 „Ausblick“ ein Lösungsvorschlag näher erläutert.

6. Diskussion

Insgesamt war die Teilnehmerquote am Projekt „Kreative Schulraumakustik“ niedrig. Obwohl die Zahl der teilnehmenden Schulen“ (vier Schulen mit jeweils einem Raum) gering ausfiel, kann dennoch von richtungsweisenden Ergebnissen ausgegangen werden. Die theoretischen Annahmen bzgl. einhergehender Schalldruckpegelsenkung mittels Nachhallzeitreduzierung konnten restlos, also ohne Ausreißer, bestätigt werden (vgl. Kapitel 1 „Theoretischer Hintergrund“). Ein kongruentes Ergebnis zeigte die im theoretischen Hintergrund thematisierte Studie „Akustische Situation in Schulen – Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Institut für Lehrergesundheit“. Die Ergebnisse sowie Schlüsse dieser Studie und des
Projektes „Kreative Schulraumakustik“ sind in diesem Bezug deckungsgleich und deuten auf einen Zusammenhang hin. Die Nachhallzeit hat also einen entscheidenden Einfluss auf die Geräuschkulisse sowie Sprachverständlichkeit. Weiterdessen weisen die subjektiven Einschätzungen der Klassenlehrkräfte darauf hin, dass die Messergebnisse einer Sinnhaftigkeit unterliegen.

Limitierungen hinsichtlich einer konkreten Aussage zur optimalen Schallabsorbermenge für beliebige Unterrichtsräume (unter Betrachtung von Raumvolumen und Tmid) existieren, aufgrund der geringen Teilnehmerzahl. Dennoch ist eine Einschätzung möglich, wie viel Material in etwa benötigt wird, um sehr gute Ergebnisse zu erzielen. Im Zuge dessen muss natürlich der Umstand mitbetrachtet werden, dass die Einrichtungsgestände je nach Schule variierten (vgl. u. a. Abb. 4 „Gestaltungsmöglichkeiten Melaminschaumharz-Schallabsorber in Grundschulen“). Jeder Einrichtungsgegenstand hat einen individuellen Schallabsorptionskoeffizienten und absorbiert daher einhergehenden Schall mehr oder minder gut. Um eine konkrete Aussage bzgl. der optimalen Schallabsorbermenge für beliebige Unterrichtsräume treffen zu können, wäre einerseits eine größere Stichprobengröße von Nöten gewesen, andererseits eine detaillierte Betrachtung der Einrichtungsgegenstände. Dennoch bieten die Projektresultate sehr gute orientierende Ergebnisse.

Des Weiteren wurde der negative Einfluss der Dispersionsfarben, die fast jede Schule individuell auf die Absorber aufgetragen hatte, nicht untersucht. Teilweise konnte eine Verhärtung des Materials nach der Farbaufbringung beobachtet werden, weshalb eine geringfügige Funktionsreduzierung nicht auszuschließen ist. Nach Herstellerangaben besitzen Melaminschaumharz-Schallabsorber die Brandschutzklasse B1 (schwer entflammbar). Durch eine nachträgliche Anbringung von Farbe, erlische jedoch die Gewährleistung der Brandschutzklasse. Da in Unterrichtsräumen keine expliziten Brandschutzbestimmungen vorgeschrieben sind, ist dieser Sachverhalt in diesem Kontext zu vernachlässigen, da die Absorber als Einrichtungsgegenstände angesehen werden können. Im Bereich von Rettungswegen (Flure, Treppen etc.) ist die Brandschutzklasse jedoch entscheidend. Gemäß Landesbauordnung RLP sind Flucht- und Rettungswege so zu betreiben, dass die Ausbreitung von Feuer und Rauch vermieden und die selbstständige Flucht sowie eine Rettung von Personen ermöglicht wird. Dies bedeutet, dass Flucht- und Rettungswege frei von Brandlasten und in voller Breite benutzbar sein müssen. Ist dies nicht vollständig umsetzbar, sind die Brandlasten auf ein Minimum zu reduzieren und die Gegenstände aus dem Flurbereich zu entfernen. In diesem speziellen Fall sollte der Sachverhalt individuell mit der zuständigen Behörde abgeklärt werden.

Innerhalb dieses Projektes wurde nur mit Melaminschaumharz-Schallabsorbern experimentiert. Insgesamt gibt es jedoch eine Vielzahl an Herstellern, die schallabsorbierende Materialien mit ähnlichen bzw. vergleichbaren Eigenschaften anbieten. Darunterfallen u. a. Polyester, Polyurethan und Polyethylen. Es gibt sogar Hersteller, die eigene Sortimente an Akustikabsorbern speziell für Schulen und Kindergärten anbieten – darunter finden sich Formen wie Eisenbahnen, Wolken, Herze oder Tiere. Die Kombination von Funktion und Design ist also nicht gänzlich neu. Da innerhalb des Projektes kein weiteres Absorberprodukt verwendet wurde, konnte kein Wirksamkeitsvergleich zwischen Wettbewerbsprodukten durchgeführt werden.

Die Diskussion der folgenden beiden Ergebnisse, ist ebenfalls interessant. Bei der zweiten Schule ist die Differenz zwischen Tmid und TSoll in Bezug auf die Nachhallmessung nach Anbringung der Schallabsorber am größten (∆ 0,15 s). Als wichtigsten Faktor für dieses Ergebnis ist die geringe Menge an Schallabsorbern anzuführen, die in den Raum „41 Altbau“ eingebracht wurde. Durch eine Anpassung der einzubringenden Menge an die Verhältnisse der dritten Schule (ähnliche Ausgangsposition Tmid; 16,68 m2 eingebrachte Schallabsorber) könnten vermutlich ähnliche Ergebnisse resultieren. Ein weiterer Aspekt in diesem Kontext ist das Raumvolumen, das in Raum „41 Altbau“ mit 324 m3 wesentlich größer ist, als bei allen anderen betrachteten Unterrichtsräumen (Raumvolumen restliche Räume im Mittel: ca. 233 m3). Je größer das Raumvolumen, desto mehr Schallabsorber werden benötigt, um ein vergleichbares Ergebnis zu erhalten.

Der Raum 03 der dritten Schule zeigte noch trotz der größten eingebrachten Menge an Schallabsorbern eine Differenz von 0,1 Sekunden zwischen Tmid und Tsoll auf. Ausschlaggebend für dieses Resultat ist die höhere Nachhallzeit (Tmid = 1,02 s) vor der Anbringung der Schallabsorber. Je höher Tmid zu Beginn ist, desto mehr Schallabsorber werden benötigt, um bei der späteren Wirksamkeitskontrolle gute Ergebnisse zu erhalten. Um das bereits gute Ergebnis von Raum 03 noch weiter zu optimieren wäre die Einbringung von zusätzlichen 3 – 4 m2 Schallabsorbern zu empfehlen. Für die Mengenplanung der Schallabsorber ist daher die Betrachtung von Tmid ein weiterer wichtiger Faktor.

7. Ausblick

Die Ergebnisse der dritten Schule zeigen, dass eine adäquate Reduzierung des Schalldruckpegels auch ohne eine Akustikdecke möglich ist. Die Anbringung einer Akustikdecke ist trotz allem in jedem Fall als sinnvoll einzustufen, vor allem in Kombination mit weiteren Absorbern an beispielsweise Wandflächen. Interessant wäre auch eine zukünftige Untersuchung von Unterrichtsräumen, die ein Nachhallprofil von über einer Sekunde aufweisen. In diesem Zuge wäre darauf zu achten, dass mehrere Räumlichkeiten mit und ohne Akustikdecke berücksichtigt werden, um eine noch exaktere Aussage bzgl. der Wirksamkeit der Schallabsorber zu erhalten. Dieser Punkt ist auch deshalb interessant, da die zur Verfügung stehenden Flächen für Schallabsorber in Unterrichtsräumen stark begrenzt sein können, wie die Beispielschulen in diesem Projekt oftmals zeigten. Sollte dieser Sachverhalt näher untersucht werden, ist die Einbindung mehrerer Wettbewerber empfehlenswert, wodurch Vor- und Nachteile einzelner Produkte stärker herausgearbeitet werden können.

Ein wichtiger Faktor während der Durchführung des Projektes war der Nachweis der Praxistauglichkeit. Die Melaminschaumharz-Schallabsorber sind leicht anzubringen und auch für Laien geeignet. Der Umgang mit dem Acrylkleber ist einfach. Dieser wird mittels Pistole aufgetragen. Es sollte darauf geachtet werden, dass der Kleber danach z. B. durch einen Spachtel verstrichen wird, um beim Anbringen nicht abzufallen. Wichtig ist auch das schnelle Anbringen, da der Kleber zeitnah trocknet.

Im Kapitel 5 „Ergebnisse“ wurde das zeitaufwendige Anmalen der Absorber thematisiert. Eine Möglichkeit wäre beispielsweise, die Absorberformen bereits vorgefärbt an die Schulen zu liefern. Berücksichtigt werden sollte allerdings immer der Spagat zwischen Zeitersparnis und Sensibilisierung durch Projektpartizipation. Durch die Sensibilisierung sollten u. a. die beiden folgenden Ziele erreicht werden: Einerseits der Erwerb des fachlichen Verständnisses und andererseits der adäquate Umgang mit dem angebrachten Absorbermaterial. Die Klassenlehrerin der vierten Schule hatte u. a. zum Ausdruck gebracht, dass die Kinder z. B. keine Stifte in die Absorber stecken würden, da Sie diese auch selbst angemalt haben. Das Anbringen der Absorber ist im Vergleich zum Anmalen wesentlich weniger zeitintensiv. Im Falle der vierten Schule dauerte dieser Vorgang nur wenige Stunden. Mittels vorgefärbten Absorbern könnten die Schüler trotzdem beim Anbringen partizipiert werden, wodurch ein zeitlich verkürztes Projekt ermöglicht werden könnte.

Zu Beginn des Projektes durften die Schulen über das Design der Absorber komplett frei entscheiden (z. B. Kreise, Sterne etc.). Dies hat sich jedoch nicht als praxistauglich erwiesen, da sich Schulen nicht entscheiden konnten oder es an Kreativität mangelte. Deshalb wurde den übrigen Schulen ein Pool aus möglichen Formen angeboten, was sich aus zeitlicher Sicht wesentlich effektiver herausstellte. In der Praxis wäre demnach das Schnüren von Paketen zu empfehlen. Es könnte beispielsweise drei Pakete geben mit jeweils 3 Formen und einigen Färbemöglichkeiten. Um die Praktikabilität auf ein solides Maß zu heben, sind unkomplizierte Verfahren zu bevorzugen. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass die Kreativität im Regelfall auf ein bestimmtes Level begrenzt werden sollte.

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