Betriebliches Gesundheitsmanagement

Fitte Mitarbeiter sind produktive Mitarbeiter

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Befragungen in Unternehmen zeigen, dass neben Übergewicht und Adipositas auch Diabetes mellitus Typ 2, Rücken- und Kreuzschmerzen, Bluthochdruck sowie psychische Erkrankungen (Burnout, Depressionen) zu den häufigsten Ursachen für längere Arbeitsunfähigkeitszeiten (AU) zählen. Dabei ist unstrittig, dass Übergewicht und Adipositas, insbesondere in Kombination mit einer nichtalkoholischen Fettleber (NAFLD) nicht nur das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Herzinfarkt und Schlaganfall), Fettstoffwechselstörung und Diabetes mellitus Typ 2 erhöhen, sondern auch ursächlich an der Entstehung von Gelenk- und Rückenschmerzen wie auch Kopfschmerzen beteiligt sind. In neueren Studien konnte ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Adipositas und der Zunahme von Fehlzeiten, insbesondere länger als sieben Tage andauernden Krankschreibungen, nachgewiesen werden.1

Zusätzlich führen Übergewicht und insbesondere Adipositas zu einer verminderten Leistungsfähigkeit, welche neben den Kosten für Arbeitsausfallzeiten (Absenting) deutlich höhere Kosten durch verminderte Produktivität bei Anwesenheit am Arbeitsplatz (Presenting) bedingen.

Ziel der betrieblichen Gesundheitsförderung muss es daher sein, neben präventiven Maßnahmen durch gezielte Intervention auch bestehende Risikofaktoren abzubauen bzw. Krankheiten zu verbessern und damit nicht nur die Gesundheit der einzelnen Mitarbeiter, sondern auch die Leistungsfähigkeit dieser Mitarbeiter und damit die Produktivität im Unternehmen zu erhöhen. Damit profitieren von Gesundheitsförderungsmaßnahmen nicht nur unmittelbar die Arbeitnehmer selbst, sondern mittelbar auch das Unternehmen. Diese Erfolge sind über unterschiedliche Scores messbar.

In einem groß angelegten Projekt der internationalen Vereinigung für soziale Sicherheit (IVSS) der Deutschen gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) und der Berufsgenossenschaft Energie, Textil, Elektro, Medienerzeugnisse (BGETEM), welche 2010 bis 2011 durchgeführt wurde, wurden die betriebswirtschaftlichen Effekte von Investitionen in Gesundheit, Prävention und Arbeitssicherheit in Betrieben untersucht. Es ergab sich hierbei ein „Return on Prevention“ (ROP) von 2,2. Dies bedeutet, jeder Euro, den ein Unternehmen in betriebliche Prävention investiert, zahlt sich in einem ökonomischen Erfolgspotential von 2,20 Euro aus.2

Andere Autoren gehen sogar von einem Return on Invest von 4 bis 5 aus. Zudem können Unternehmen einen Teil der Kosten über § 34 Einkommensteuergesetz gegenfinanzieren, indem sie für Maßnahmen der Betrieblichen Gesundheitsförderung bis zu 500 Euro pro Mitarbeiter und Jahr steuer- und sozialversicherungsfrei in solche Projekte investieren können.

Wird z. B. Ernährungsberatung von entsprechend qualifizierten Ärzten (Ernährungsmedizinern) oder zertifizierten Ernährungsfachkräften (Oecotrophologen, Diätassistenten) durchgeführt und liegen bestimmte, von den Krankenkassen definierte Erkrankungen vor („Notwendigkeitsbescheinigung“), kann der Arbeitnehmer bzw. auch der Arbeitgeber für solche Schulungsmaßnahmen von den Krankenkassen Zuschüsse bis zu 100 % der Schulungskosten erhalten. Es hat sich gezeigt, dass dies nicht nur für den Arbeitgeber attraktiv ist, sondern dass durch die Einbindung anerkannter qualifizierter Fachkräfte und insbesondere von Ärzten, welche die Zusatzbezeichnung Ernährungsmediziner erworben haben, auch die Akzeptanz solcher Maßnahmen deutlich steigt und dass solchen Anbietern insbesondere ein deutlich größeres Vertrauen als den üblichen kommerziellen Anbietern entgegengebracht wird. Es werden bei BGF-Maßnahmen häufig sensible medizinische Daten erfasst und es besteht grundsätzlich zumindest zu Beginn der Maßnahme ein Misstrauen der Belegschaft, dass diese Daten, wenn sie denn dem Arbeitgeber bekannt werden, zu beruflichen Nachteilen des Betroffenen führen könnten.

Die Erfahrung zeigt zudem, dass Gesundheitsförderungsmaßnahmen primär von solchen Arbeitnehmern wahrgenommen werden, welche von sich aus bereits einen gesunden Lebensstil führen und diesen durch diese Maßnahmen zusätzlich noch steigern wollen. Mitarbeiter, welche die Maßnahmen am notwendigsten hätten, stehen solchen Angeboten zu Beginn eher ablehnend gegenüber. Es hat sich aber gezeigt, dass mit entsprechend qualifizierten und seriösen Angeboten auch diese Mitarbeiter in der Folge erreicht werden können. Dies wird erheblich erleichtert, wenn die Führungskräfte ohne Einschränkung hinter den Projekten stehen und es gelingt, Meinungsbildner wie Betriebsräte etc. für die ersten Maßnahmen zu gewinnen. Zu Beginn sollten die Maßnahmen der gesamten Belegschaft an einem Sensibilisierungstag vorgestellt werden. An einem solchen „Gesundheitstag“ können sich die Anbieter präsentieren, ihre Maßnahmen erläutern und insbesondere den Nutzen für die Mitarbeiter durch diese Maßnahmen anhand von konkreten Fallbeispielen darstellen. An diesem Tag sollten auch erste Screeningmaßnahmen (Körperfettmessung, Berechnung des Fatty-Liver-Index, Handkraftmessung o. Ä.) durchgeführt werden. Die Ansprache wie auch die Maßnahmen müssen auf die Belegschaft des Unternehmens abgestimmt sein. Eine vorwiegend männliche Belegschaft im Baugewerbe benötigt völlig andere Maßnahmen und auch eine andere Ansprache als zum Beispiel eine gemischte Belegschaft in Verwaltungen.

Grundsätzlich ist der Setting-Ansatz, also die Durchführung der Maßnahme im Unternehmen, am effektivsten, da viele Arbeitnehmer nicht bereit sind, nach der Arbeit noch Gesundheitsangebote des Unternehmens in Anspruch zu nehmen. Dabei sollte ein „Geben und Nehmen“ praktiziert werden, d. h. die Maßnahme sollte zumindest zu 50 % während der Arbeitszeit angeboten werden, 50 % Freizeit steuert der Arbeitnehmer bei. Da Schichtarbeiter besonders von gesundheitlichen Problemen betroffen sind, sollten für diese spezielle Maßnahmen angeboten werden. Wegen der wechselnden Arbeitszeiten hat sich der frühe Nachmittag, z. B. 14.00 Uhr zur Zeit des Schichtwechsels, bewährt, da hier sowohl Frühschicht als auch Mittagsschicht dran teilnehmen können – jeweils mit „50 % Eigenanteil.

Das Bodymed-Ernährungskonzept ist das erfolgreichste ärztlich geleitete Ernährungskonzept in Deutschland und wird flächendeckend von über 500 Ärzten bzw. qualifizierten Ernährungsfachkräften angeboten.

Es liegen nicht nur Langzeitdaten über die erzielte Gewichtsreduktion vor, sondern auch Laborwerte im Langzeitverlauf, welche eine Besserung sämtlicher Stoffwechselparameter belegen. Für eine spezielle Zielgruppe (nicht-alkoholische Fettleber) wurde das Leberfasten nach Dr. Worm entwickelt, welches sich gerade im BGM-Alltag bewährt hat und insbesondere Männer als Zielgruppe anspricht. Mit diesem innovativen Konzept gelingt es innerhalb kurzer Zeit (14 Tage) eine beeindruckende Reduktion des Bauchumfangs mit deutlicher Besserung der wichtigsten Stoffwechselparameter wie auch neuerer Risikofaktoren, wie z. B. den Fatty-Liver-Index (FLI), zu erzielen.

Eine Umstellung der Kantine hin zu einer modifizierten mediterranen Kost (z. B. LOGI-Kost) ist zur Sicherung des Langzeiterfolges genauso notwendig wie das Coaching der Führungskräfte zur Etablierung einer gesunderhaltenden Führungskultur.

Alle Gesundheitsmaßnahmen bedürfen einer Nachhaltigkeit, d. h. die Maßnahmen sollen mindestens für ein Jahr, besser drei Jahre angeboten werden. Neben der Gewichtsreduktion muss natürlich die Langzeitbetreuung der Teilnehmer ebenso gesichert sein wie das Angebot gezielter Bewegungsprogramme, welche auch Gelenk- oder Rückenbeschwerden berücksichtigen. Diese Bewegungsprogramme können mit lokalen Anbietern umgesetzt werden und über § 20 SGB V zum Teil von den Krankenkassen gegenfinanziert werden.

In 2011 wurden bei dem Energieunternehmen Steag in Kooperation mit einem anderen Anbieter (TerraSana) und der Bodymed AG an zehn Standorten Ernährungskurse angeboten. Mit dem Bodymed-Konzept konnten im ersten Jahr 163 Teilnehmer erreicht werden, d. h. an jedem Kurs nahmen im Mittel 16 Mitarbeiter teil, davon 72,4 % Männer und 27,6 % Frauen. Die Kurse waren primär auf 12 Wochen angelegt, wobei eine mittlere Gewichtsabnahme von 8,6 kg (106,1 auf 97,5 kg) erzielt wurde, die zu über 80 % durch den Abbau von Körperfett erfolgte (im Mittel 8,9 kg).

Mit der Gewichtsabnahme ging eine deutliche Verbesserung von Bauchumfang sowie aller relevanten Stoffwechselparameter einher. Der Bauchumfang nahm im Mittel 11,8 cm ab, parallel dazu sank der Blutdruck im Mittel um 16,2 mm Hg systolisch und 8,3 mm Hg diastolisch. Zudem verbesserte sich das Gesamtcholesterin um 43 mg%, wobei insbesondere das LDL-Cholesterin um 34,1 mg sank, während das gesundheitsfördernde HDL-Cholesterin leicht anstieg. Ein deutlicher Abfall fand sich auch bei den Triglyceriden von im Mittel 141,8 auf 91,0 mg%.

Neben diesen messbaren beeindruckenden Zahlen wurde über Fragebögen auch die Zufriedenheit der Teilnehmer erfasst. Dabei bestätigten alle Teilnehmer, dass für sie das Programm erfolgreich war und sie mit der erzielten Gewichtsreduktion zufrieden oder sogar sehr zufrieden waren. Fast drei Viertel der Teilnehmer (73,3 %) waren der Meinung, dass sich ihr Gesundheitszustand verbessert hat. Die Mehrheit der Teilnehmer nahm auch an den Nachhaltigkeitskursen teil, so dass das Programm bis Ende 2013 lief und erfolgreich abgeschlossen werden konnte.

Da die Ernährungskurse in Gruppen durchgeführt wurden, förderte dies zusätzlich die Teamfähigkeit der einzelnen Teilnehmer und stärkte das Zugehörigkeitsgefühl zum Unternehmen. Als Nebeneffekt der Umstellung der Kantine wurde das LOGI-Menü, obwohl im Durchschnitt 1,50 EUR teurer als die übrige Kost, von deutlich mehr als den Kursteilnehmern am Standort in Essen bevorzugt.

Die Steag wurde u. a. aufgrund dieser Maßnahmen vom Handelsblatt mit dem Corporate Health Award als gesündestes Energieunternehmen Deutschlands ausgezeichnet.

Mittels eines cloud-basierten Gesundheitsportals ist seit 2013 ein nachhaltiges E-coaching der Teilnehmer möglich. Drei-dimensionale Bewegungssensoren können ebenso eingebunden werden wie WLAN-fähige Körperfett- und Gewichtswaagen. Da die Teilnehmer auch selbst Daten in das Portal eingeben und ihre Gesundheitserfolge dokumentieren können, sind diese Maßnahmen gerade in Betrieben, welche viele Computerarbeitsplätze haben, sehr Compliance-fördernd. Zudem kann dieses Portal als Kommunikationssystem wie auch zur Stabilisierung der Lernerfolge genutzt werden.

Mit solchen Maßnahmen gelingt zudem eine festere Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen und ein Loyalitätszugewinn (Reduktion des Verlustes an Leistungsträgern). Der Zugewinn an Image und öffentlichem Ansehen des Unternehmens in der Bevölkerung hat nicht nur einen nicht zu unterschätzenden Marketingwert, sondern steigert insgesamt die Attraktivität eines Unternehmens und erleichtert somit auch die Gewinnung neuer qualifizierter Arbeitskräfte.

Das genannte Beispiel mit den Gesundheits- und Ernährungsangeboten von Bodymed belegt, dass Gesundheitsförderungsmaßnahmen nicht nur Kosten verursachen, sondern dass diese Maßnahmen ein Invest in die Gesundheit und Zufriedenheit der Arbeitnehmer sind und damit die Zukunftssicherheit eines Unternehmens sichern.

Hardy Walle,

Bodymed AG

Literatur

1. International Journal of Obesity (2009) 33, 807–816: Relationship between overweight and sick leave: a review; DC van Duijenbode et al.

2. (Bräuning, D. und Kohlstadt, T.: Prävention lohnt sich: Kosten und Nutzen von Präventionsmaßnahmen zur Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz für die Unternehmen; Internationale Vereinigung für soziale Sicherheit, Genf, 2011).

3. Chefsache Gesundheit, Peter Buchenau Herausgeber, Der Führungsratgeber fürs 21. Jahrhundert, Springer Gabler Verlag, Seite 213, Kapitel 12, Leistungsfähiger, erfolgreicher und glücklicher durch intelligente Ernährung, Hardy Walle, Seite 213 – 239

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