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11. Bundesweiter Betriebsärztetag: Die Abstracts zu den Vorträgen

Der Bundesweite Betriebsärztetag 2015 in Dresden wurde zum ersten Mal in Kooperation mit der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) durchgeführt und war ein voller Erfolg. Wir haben uns sehr darüber gefreut, wie viele von Ihnen den Weg nach Dresden in den Konferenzbereich des IAG gefunden haben. Im Programm ging es sowohl um Berufserkrankungen, Sicherheit beim Umgang mit Gefahrstoffen, Betriebliches Gesundheitsmanagement, Reisemedizin, Infektiologie im Gesundheitswesen und vieles mehr. Der interdisziplinäre Austausch wurde durch die Teilnahme von Experten aus verschiedenen Professionen bereichert.

Auf den folgenden Seiten finden Sie die Abstracts der meisten Beiträge zur besseren Nachbearbeitung der Veranstaltung. Die Folien der Vorträge finden Sie zum Download auf den Seiten unseres Partners RG GmbH, insofern das Einverständnis der Dozenten vorlag (ansonsten wenden Sie sich bei weiteren Fragen zu den Vorträgen per E-Mail an die wissenschaftliche Leitung der Betriebsärztetage unter siegmann@uni-duesseldorf.de).

Einstellungs- und Eignungsuntersuchungen
Einstellungs- und Eignungsuntersuchungen sind keine rechtsfreien Räume. Vielmehr zwingen die in der Verfassung niedergelegten Wertentscheidungen zu einem maßvollen Umgang mit diesem „Instrument“. Sofern Eignungsuntersuchungen nicht unmittelbar rechtlich geregelt sind (z. B. § 11ff FeV, Nr. 3.4 Abs. 5 Nr. 3 Anhang I GefStoffV, §§ 5 Abs. 1 Nr. 3, 11 TfV) sind sie in ihrem Umfang streng am Verhältnismäßigkeitsmaßstab auszurichten. Dies bedingt im Rahmen der Prüfung der „Geeignetheit“ und „Angemessenheit“ auch, dass sich ärztliche Untersuchungen eng an der konkreten Tätigkeit zu orientieren haben (Grundsatz der Arbeitsplatzbezogenheit).

Hieraus wird sich z. B. auch regelmäßig ergeben, dass bei Bürosachbearbeitern eine Blutentnahme im Rahmen von Einstellungsuntersuchungen als nicht rechtskonform einzustufen ist. Auch der Body-Mass-Index ist (anders als bei Beamten) für Angestellte grundsätzlich ein ungeeignetes Kriterium (vgl. LAG Rheinland- Pfalz v. 29.08.2007 – 7 Sa 272/07).

Außerhalb der rechtlich definierten Eignungsuntersuchungen ist stets die datenschutzrechtliche Zulässigkeit zu prüfen, welche regelmäßig aber dann vorliegt, wenn es sich bei den abzuklärenden Gesundheitsaspekten um eine wesentliche und entscheidende Anforderung an den konkreten Arbeitsplatz handelt. Weiterhin ist zu bedenken, dass ein Beschäftigter regelmäßig aber gar nicht verpflichtet ist, an einer entsprechenden Eignungsuntersuchung teilzunehmen. Neben der Prüfung der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit ist es hier somit ferner notwendig, auch arbeitsrechtlich eine entsprechende Grundlage zu schaffen, welche die Beschäftigten verpflichtet, an einer entsprechenden Eignungsuntersuchung teilzunehmen. In der Regel wird dies im Arbeitsvertrag oder einer Betriebsvereinbarung geregelt. Zwar kann in einer arbeitsrechtlichen Streitigkeit der streitgegenständliche Umstand („Teilnahme“ an einer Eignungsuntersuchung) nicht zwangsvollstreckt werden (§ 888 Abs. 3 ZPO), allerdings setzt ein Beschäftigter verhaltensbedingt dann arbeitsrechtliche Ansatzpunkte, sofern er die Teilnahme an einer rechtmäßigen Eignungsuntersuchung verweigert, zu welcher er z. B. durch eine Betriebsvereinbarung verpflichtet ist.

Bestehen begründete Zweifel an der Eignung eines Arbeitnehmers, den Anforderungen seines Arbeitsplatzes aus gesundheitlichen Gründen auf Dauer gerecht zu werden, so kann dies einen sachlichen Grund darstellen, auch ohne Verpflichtung z. B. in einem Arbeitsvertrag eine Eignungsuntersuchung einzufordern.

Patrick Aligbe

Literatur

1. Aligbe, Rechtshandbuch Arbeitsmedizinische Vorsorge, Verlag C. H. Beck 2014

2. Aligbe, Einstellungs- und Eignungsuntersuchungen, Verlag C. H. Beck 2015 (ab April)

Die neuen DGUV Grundsätze für arbeitsmedizinische Untersuchungen
Mit der sechsten Auflage steht der Betriebsärzteschaft wieder ein aktuelles und praxisnahes Kompendium zur Verfügung.

Auch die Neuauflage der DGUV Grundsätze wurde im Ausschuss Arbeitsmedizin der Gesetzlichen Unfallversicherung (AAMED-GUV) von Fachleuten aus Arbeitsmedizin, betrieblicher Praxis, Wissenschaft, medizinischen und technischen Sachgebieten sowie von Sachverständigen der Länder und der Unfallversicherungsträger erarbeitet. Es handelt sich um Empfehlungen nach dem allgemein anerkannten Stand der Arbeitsmedizin, die keine Rechtsverbindlichkeit besitzen. Sie geben Hinweise im Sinne von „Best Practice“ und lassen den Betriebsärztinnen und -ärzten den im Einzelfall notwendigen Spielraum, die Untersuchungen so zu gestalten, wie es aufgrund der jeweiligen Gegebenheiten optimal erscheint.

Die Neuauflage entkoppelt die DGUV Grundsätze von der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) und anderen Rechtsgrundlagen: Die Grundsätze orientieren sich nun am Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) sowie am Siebten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Damit können die DGUV Grundsätze bei den verschiedensten Anlässen für arbeitsmedizinische Untersuchungen angewendet werden, zum Beispiel auch bei Eignungsuntersuchungen.

Die Beurteilungskriterien sind erhalten geblieben, da sie Anhaltspunkte für die Bewertung der Untersuchungsergebnisse bieten. Denn auch bei Untersuchungen nach ArbMedVV kann ggf. eine schriftliche Ergebnismitteilung an die Beschäftigten erforderlich sein. So können Betriebsärztinnen und -ärzte ihrer Pflicht zur umfassenden Beratung der Beschäftigten nachkommen.

Walter Eichendorf

Umgang mit Gefahrstoffen in Arztpraxen
Die Tätigkeit niedergelassener Ärztinnen und Ärzte ist ohne einen regelmäßigen Umgang mit chemischen Produkten fast undenkbar: Sowohl diagnostische als auch therapeutische Verfahren können auf Chemikalien nicht vollständig verzichten und auch die nicht-medizinischen Routinetätigkeiten in den Arztpraxen wie z. B. Reinigung und Desinfektion werden mit Produkten auf der Basis chemischer Wirkstoffe durchgeführt.

Die grundsätzlichen Maßnahmen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz der Beschäftigten in Arztpraxen sind allgemein bekannt und in diversen Broschüren der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) erläutert. Dies betrifft auch die elementaren Maßnahmen zum richtigen Umgang mit Gefahrstoffen. Allerdings ergeben sich regelmäßig Änderungen im normativen Schutzsystem, welche es Praktikern schwer machen, das Gefahrstoffmanagement in der Arztpraxis „up to date“ zu halten.

So wurden die Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) 525 „Gefahrstoffe in Einrichtungen der medizinischen Versorgung“ 2014 umfangreich überarbeitet und im Geltungsbereich über die humanmedizinischen Einrichtungen hinaus auf die Veterinärmedizin ausgedehnt. Die Regelungen für Tätigkeiten mit Arzneimitteln mit und ohne krebserzeugende, erbgutverändernde und fortpflanzungsgefährdende Eigenschaften (CMR-Eigenschaften) wurden dabei erweitert. Dies gilt auch für Tätigkeiten mit Inhalationsanästhetika sowie für medizinische Tätigkeiten, bei denen Rauche entstehen können, z. B. Chirurgische Rauchgase bzw. Rauche im Rahmen der alternativen Medizin, insbesondere der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM).

Weiterhin stellt sich die Frage, ob ein Umgang mit krebserzeugenden Stoffen wie z. B. Formaldehyd oder aber manchen Zytostatika ausreichend ist, eine Meldung der Praxisinhaberin oder des Praxisinhabers an die neue „Zentrale Expositionsdatenbank (ZED)“ bei der DGUV auszulösen. Damit verbunden ist auch eine Meldung an ODIN, den Organisationsdienst für nachgehende Untersuchungen. Udo Eickmann

Reise-Risiko-Management in Unternehmen – Was kann der Betriebsarzt tun?
Dieser Vortrag erörterte die Themen des Reise-Risiko-Managements in Unternehmen und die Rolle und die Möglichkeiten des Betriebsarztes.

Es soll dabei um weit mehr gehen als eine Untersuchung nach G35 der DGUV oder eine Pflichtvorsorge gemäß ArbMedVV.

Wichtig für Betriebsärzte ist es, zu realisieren, dass Gesundheitsrisiken, die durch Auslandseinsätze oder Geschäftsreisen entstehen, zu den Aufgaben des Unternehmens bei der Vorbereitung von Einsätzen dazu gehört. Das Unternehmen wird diese Aufgabe, wenn es sie denn ernst nimmt, an den betriebsärztlichen Dienst, an seine Sicherheitsexperten oder einen externen Dienstleister delegieren.

Der Betriebsarzt sollte die Möglichkeiten kennen, hier eine fachlich versierte Antwort geben zu können. Hierzu gehören eben nicht nur Hinweise auf mögliche Infektionsrisiken im Ausland, sondern auch Kenntnisse über die medizinischen Versorgungsmöglichkeiten am Einsatzort und Versorgungspläne für Verkehrs- und Arbeitsunfälle sowie Kenntnisse über die Sicherheitslage.

Eine 24-stündige Erreichbarkeit eines medizinischen Ansprechpartners in Deutschland, ob unternehmensintern oder ausgegliedert an externe professionelle medizinische Anbieter, sollte im Sinne der Fürsorgepflicht von Unternehmen gegenüber ihren Mitarbeitern dabei selbstverständlich sein.

Die reisemedizinische Beratung ist häufig auf Impfempfehlungen reduziert. Interessanterweise stehen dabei oft exotische Tropenkrankheiten im Mittelpunkt des Interesses und nicht so sehr der „banale“, aber oft lästige und manchmal gefährliche Reisedurchfall. Manche reisemedizinische Nachschlagewerke beschränken sich auf die Graduierung von Impfnotwendigkeiten und die Einnahme von Malariaprophylaxe. Dies ist unbestritten wichtig und sinnvoll, aus den Erfahrungen von reisemedizinischen Assistancen in Deutschland und Europa wissen wir aber, dass Verkehrs- und Arbeitsunfälle sowie Herz-Kreislauferkrankungen ebenfalls ein hohes Reiserisiko darstellen.

Die Anzahl der Verkehrsunfälle bezogen auf die Bevölkerung ist in Asien oder Afrika deutlich höher als in Europa und Nordamerika, wie die WHO immer wieder publiziert hat. Diesem erhöhten Unfallrisiko stehen schlechte medizinische Versorgungsmöglichkeiten, insbesondere ein in vielen Ländern nicht existierendes Rettungssystem (pre-hospital system) gegenüber. Krankenwagen, sofern sie verfügbar sind, verfügen oft nicht über brauchbares medizinisches Equipment.

Deutsche Arbeiter sind an hohe Standards hinsichtlich der Arbeitssicherheit gewöhnt. Diese Standards werden vertraglich auch von Baustelleninhabern im Ausland erwartet, wenn deutsche Firmen dort als Vertragsnehmer arbeiten. In der Realität werden diese vertraglichen Zusagen nicht immer erfüllt. Arbeitsunfälle aufgrund von ungewohnten Risiken am Arbeitsplatz sind daher nicht selten. Die Unternehmensführung auf diese Lücken und Lösungsmöglichkeiten hinzuweisen, ist eine wichtige Aufgabe des Betriebsarztes, ebenso wie auf eine strenge Fahrsicherheitsregelung zu verweisen.

Ähnlich wie bei privat Reisenden sind auch bei beruflich Reisenden Magen-Darm-Erkrankungen mit infektiöser Ursache die häufigsten Probleme. Eine Schulung zu ernährungshygienischem Verhalten und ggf. Impfungen sind hier die Aufgaben des Betriebsarztes.

Vor allem bei Langzeitaufenthalten sind psychische Erkrankungen der Reisenden oder Expats nicht selten ein Grund, die Reise oder den Auslandsaufenthalt vorzeitig abzubrechen. Der Kulturschock, die ungewohnte Umgebung, die fremde Sprache, Einsamkeit und das Gefühl der Überforderung können latent vorhandene psychische Störungen verstärken oder neu auslösen.

Psychische Grunderkrankungen auszuschließen und das Unternehmen über psychische Risiken bei Langzeitaufenthalten hinzuweisen, ist hierbei eine wichtige Aufgabe des Betriebsarztes. Ob das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch Auslandseinsätze steigt, ist nicht ausreichend belegt bzw. untersucht. Da aber zunehmend ältere Mitarbeiter als Spezialisten auch in entlegene Gebiete entsandt werden, ist zumindest das allgemeine Risiko von kardiovaskulären Erkrankungen in Betracht zu ziehen. Hier kann die Vorsorge und ggf. die betriebsmedizinische Untersuchung vor dem Einsatz häufig Risikopatienten erkennen und entsprechend beraten oder vom Einsatz ausschließen.

Herz-Kreislauferkrankungen ausschließen oder eine stabile Behandlungsmöglichkeit auch für die Dauer der Reise sicherzustellen, ist eine wichtige Aufgabe des Betriebsarztes.

In wenigen Ländern außerhalb Westeuropas, Nordamerikas und Australiens ist das öffentliche Gesundheitssystem qualitativ vergleichbar dem in Deutschland. Dies betrifft auch die Notfallversorgung und das Rettungssystem. Die sorgfältige Auswahl der medizinischen Einrichtungen, in denen die ins Ausland entsandten Mitarbeiter versorgt werden sollen, ist eine wichtige Arbeit des Betriebsarztes, der Unternehmen bei der Entsendung berät. Sinnvollerweise wird ein medizinischer Versorgungsplan erstellt und eine „Hotline“ zur Verfügung gestellt, über die die Auslandsreisenden und die Expats 24h am Tag Informationen einholen können bei medizinischen Fragen. Eine solche Hotline kann in großen Unternehmen durch den eigenen betriebsärztlichen Dienst bereitgestellt werden oder teilweise oder komplett an professionelle medizinische Anbieter delegiert werden. Während der Auslandsreise benötigt der Mitarbeiter reisemedizinische Assistance. Bei größeren und längeren Einsätzen kann es sinnvoll sein, vor Ort eigene medizinische Infrastruktur aufzubauen. Die Assistancemedizin umfasst die Leistungen, die im Rahmen der medizinischen Reiseassistance erbracht werden. Sie beziehen sich auf die medizinische und psychologische Betreuung erkrankter oder verletzter Menschen in deren Ausland sowie deren Krankenrücktransport, den Versand von Medikamenten oder auch die Überführung im Todesfall. Weiterhin kann sie Informationsleistungen umfassen, wie etwa die medizinische Beratung vor oder während einer Reise. Assistancemedizin wird von modernen Dienstleistern organisiert über Assistance Centres, die an 365 Tagen im Jahr 24 Stunden pro Tag erreichbar sind und qualifiziertes, auch ärztliches Personal dazu vorhalten. Von hier werden alle Patienten betreut, die sich mit medizinischen Fragen oder Problemen an die Assistance Centers wenden. Die Nennung von geeigneten medizinischen Versorgungsmöglichkeiten gehört genauso zu den Aufgaben wie das nachfolgende Fall-Management oder im Notfall auch die Repatriierung nach Hause. Eigenes medizinisches Personal, qualifizierte nichtmedizinische Koordinatoren und der Zugang zu einem Netzwerk evaluierter medizinischer Dienstanbieter weltweit gehört zu den wichtigsten Voraussetzungen, solch ein Assistance Center zu betreiben.

Bei größeren Projekten lohnt die Stellung von eigenem medizinischen Personal und Material vor Ort, dazu gehört dann eine eigene Erste Hilfe-Ausstattung, eventuell zumindest eine lokale Krankenschwester sowie ein Rettungsfahrzeug und Rettungssanitäter oder gegebenenfalls auch eigene Ärzte oder eine kleine Klinik vor Ort.

Die Unternehmensführung auf solche Lücken in der Versorgung vor Ort aber auch auf die Lösungsmöglichkeiten hinzuweisen, ist eine wichtige Aufgabe des Betriebsarztes, ebenso wie bei der Auswahl medizinischer Dienstleister am Einsatzort zu unterstützen.

Auch ein Sicherheitsrisiko und ein politisches Risiko am Einsatzort sollte dem Betriebsarzt vom Ansatz her zumindest bekannt sei.

Der Betriebsarzt muss in Zusammenarbeit mit der Unternehmensführung eine wesentliche Rolle beim Management der Reiserisiken spielen.

Stefan Eßer

Von Mephedron bis Badesalz – neue „legale” Drogen in Deutschland
Die Zahl neuartiger psychoaktiver Substanzen in Europa befindet sich auf einem historischen Höchststand. Der europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (European Monitoring Center for Drugs and Drug Addiction) wurden im Jahr 2013 81 verschiedene neuartige psychoaktive Substanzen durch das EU-Frühwarnsystem gemeldet. Diese waren überwiegend aus den Gruppen der synthetischen Cannabinoide (39 %), der synthetischen Cathinone (16 %), der Phenylethylamine (14 %), sowie seltener Piperazine und Tryptamine. Oft sind es experimentelle Substanzen aus der medizinischen Forschung, deren Derivate oder ehemals zugelassene Arzneimittel. Die Einteilung erfolgt nach vorwiegender Wirkung in „downer“ (Sedativa), „upper“ (Stimulanzien) und „all arounder“ (Halluzinogene).

Der Handel mit diesen Substanzen bewegt sich in einem rechtlichen Graubereich: Substanzen zur Anwendung am Menschen sind in Deutschland durch Arzneimittelgesetz und Betäubungsmittelgesetz geregelt. Um die geltenden Gesetze zu umgehen, werden die Substanzen als „Forschungschemikalien“, „Badesalz“ oder „Räuchermischung“, die „nicht zum menschlichen Verzehr geeignet“ sind, fehldeklariert.

Bisweilen ist die chemische Struktur unbekannt. Da nur Einzelsubstanzen namentlich ins BtMG aufgenommen werden und keine Substanzgruppen, bieten nach erfolgtem Verbot einer Substanz die Händler den Konsumenten bereits neue Derivate an. Eine Prävention wäre theoretisch durch die Änderung des Betäubungsmittelgesetzes hinsichtlich des Verbots von Substanzgruppen möglich. Der Begriff „legal highs“ hat für dieses Phänomen Eingang in die Medien gefunden.

Die Konsumenten tauschen sich in Internetforen über neue Substanzen, Dosierungen und Nebenwirkungen aus. Webshops ermöglichen die Onlinebestellung. Die Drogen sind somit relativ leicht verfügbar, haben eine ansprechende Verpackung und wirken auf den Konsumenten, durch vermeintliche Legalität sowie ein falsches Sicherheitsgefühl bezüglich der Risiken, sehr attraktiv.

Die genannten Substanzen entgehen in der Regel den beim „Drogenscreening“ verwendeten Immunoassays. Das Wissen über viele dieser neuartigen Drogen ist noch unvollständig. Vorhandene Daten stammen aus retrospektiven oder prospektiven Analysen von Intoxikationsfällen oder Interviews von Drogenanwendern und sind deshalb wissenschaftlich nur bedingt fundiert. Stellt man die aktuellen Zahlen zur Prävalenz des Konsums unter Jugendlichen den Berichten aus Deutschland gegenüber, so existiert vermutlich eine erhebliche Dunkelziffer.

Ein Missbrauch solcher Substanzen bei der Arbeit führt in der Regel zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen, da durch den Konsum die Fähigkeit, die Arbeit verrichten zu können, ohne andere oder sich selbst zu gefährden, in aller Regel beeinträchtigt ist. Diese Übersicht soll den Arbeitsmediziner/Betriebsarzt mit diesen neuen „alten“ Substanzen auf dem illegalen Markt vertraut machen.

Michael Kretzschmar

Hautreinigung: Worauf kommt es an? – Workshop Handschutz
Der Reinigungserfolg und die Hautverträglichkeit sind zentral für die Bewertung von Hautreinigungsmitteln. Eine gute Hautverträglichkeit wird in verschiedenen Vorschriften und Fachinformationen für Hautreinigungsmittel gefordert, wobei der Reinigungserfolg als selbstverständlich angenommen und nicht thematisiert wird.

Eine aktuelle Marktbewertung der Universität Osnabrück für Hautreinigungsmittel ergibt bereits eine hohe Hautverträglichkeit. Gebräuchliche Tenside in aktuellen Hautreinigungsmitteln sind Ethersulfate, Betaine und Zuckertenside.

Tenside unterscheiden sich deutlich in ihrer Hautverträglichkeit und Reinigungskraft. Die sinnvolle Kombination verschiedener Tenside ergibt unterschiedlichste Qualitäten.

Reibekörper sind ein weitere wichtiger Bestandteil von Hautreinigungsmitteln für den gewerblichen Bereich mit höherem Schmutzanfall. Aktuell werden bevorzugt Kunststoff- und Naturstoff-Reibekörper verwendet. Reibekörper werden zur Schmutzauflockerung benötigt und das Reibegefühl wird von vielen Anwendern erwartet. Lösemittel sind bevorzugt in Spezial-Hautreinigungsmitteln angebracht und lösen stark haftende Verschmutzungen. Lösemittel sind wegen den stark hautentfettenden Eigenschaften ein kritischer Bestandteil von Hautreinigungsmitteln. Viele Anwender bevorzugen die schnelle, aggressive Hautreinigung mit starken, oft lösemittelhaltigen Hautreinigungsmitteln in Unkenntnis der Nebenwirkungen (Provokation von Berufsdermatosen, Austrocknungsekzem).

Die Darbietungsform ist für Hautreinigungsmittel aus hygienischen Gründen wichtig und es sollten daher Spendersystem bei Mehrpersonennutzung verwendet werden. Die modernste Spenderform sind luftabsperrende, kontaminationssichere Flaschensysteme (Ventilflaschen) und die günstigste Form sind die offenen Eimer- oder Dosensysteme zur direkten, händischen Entnahme. Anforderungen an Hautreinigungsmittel sind:

· hohe Hautverträglichkeit

· ausreichende Reinigungskraft

· hoher Hygieneanspruch an die Darreichungsform

· verschmutzungsangepasste Auswahl auch von Flüssigreinigern statt nur Handwaschpasten

· Teil eines Hautschutzkonzeptes mit Hautschutz- und Hautpflegemitteln.

Michael Lange

Versicherungsschutz im Ausland
Die Entsendung von Mitarbeitern ins Ausland gewinnt in einer Zeit der Globalisierung und Internationalisierung des Wirtschaftslebens zunehmend an Bedeutung. Die Unternehmen können sich am Markt nur behaupten, wenn sie entweder standortnah produzieren oder zumindest durch Kundendienst- oder Vertriebsniederlassungen kundennah vertreten sind. Um dies zu gewährleisten, setzen die Unternehmen an diesen Standorten qualifiziertes Personal aus den deutschen Stammhäusern ein. Die entsandten Mitarbeiter werden in aller Regel nur vorübergehend, aber durchaus längerfristig im Ausland tätig.

Der Auslandseinsatz der Mitarbeiter dient neben den unternehmerischen Interessen dabei auch wesentlich der Qualifizierung der Mitarbeiter für einen weiteren Einsatz im inländischen Unternehmen. Da es sich in aller Regel um einen vorübergehenden Auslandseinsatz handelt, sind sowohl die Unternehmen als auch die entsandten Mitarbeiter daran interessiert, für diese Zeit weiter dem deutschen Sozialversicherungssystem anzugehören. Teilweise wird der Versicherungsschutz durch die Regelungen der Ausstrahlung weiter bestehen. Die Zahl der Fälle, in denen auch bei großzügiger Auslegung der Ausstrahlungsregelungen in Verbindung mit den bi- und multilateralen Sozialversicherungsabkommen kein Versicherungsschutz mehr besteht, nimmt stetig zu.

Hierfür sind unterschiedliche Gründe verantwortlich: Viele Unternehmen werden auf dem wichtigen US-amerikanischen Markt tätig. Das dortige Produkthaftungsrecht erlaubt einen Durchgriff auf den deutschen Mutterkonzern, wenn bei Herstellung oder Entwicklung eines in den USA vertriebenen Produkts ein dem deutschen Recht unterliegender Beschäftigter beteiligt war. Um dies zu vermeiden, gehen die Unternehmen dazu über, deutsche Arbeitnehmer zu einer amerikanischen Tochter zu „entsenden“; sie aber durch einen Arbeitsvertrag mit der US-Tochter in das amerikanische Unternehmen einzugliedern. Damit wird die Haftung des deutschen Mutterkonzerns ausgeschlossen. Bei Eingliederung der Beschäftigten in das amerikanische Unternehmen kann kein Versicherungsschutz nach deutschem Recht mehr bestehen. Viele Unternehmen sind nachhaltig daran interessiert, für ihre Beschäftigten den Versicherungsschutz nach deutschem Recht durchgehend zu gewährleisten. Dabei bevorzugen die Unternehmen die gesetzliche Unfallversicherung sowohl wegen des Umfanges des Versicherungsschutzes (z. B. Berufskrankheitenrisiko) als auch wegen des Leistungsumfanges gegenüber privaten Unfallversicherungen.

Raimond Polak

Betreung schwangerer Mitarbeiterinnen im Ausland
Zielsetzung: Das deutsche Mutterschutzgesetz (MuSchG) gilt für alle mit einem deutschen Arbeitsvertrag beschäftigten Mitarbeiterinnen, auch wenn deren Einsatzort im Ausland liegt. Damit ist die Beratung für im Ausland beschäftigte Mitarbeiterinnen eine Herausforderung für den Betriebsarzt, da eine entsprechende Gefährdungsanalyse nach Bekanntwerden der Schwangerschaft erforderlich ist und ggf. auch die Frage nach Beschäftigungsverboten, bedingt durch Arbeiten, bei denen für die Schwangeren eine erhöhte Gefährdung oder eine Gefahr für die Leibesfrucht besteht, zu klären ist. Daher sollte untersucht werden, ob es bei im Ausland unter anderen hygienischen und medizinischen Standards arbeitenden Schwangeren besondere Risiken gibt, die eine entsprechende Beratung erforderlich machen.

Methoden: Alle Schwangeren im In- und Ausland der GIZ, des Auswärtigen Amtes und der KfW Bankengruppe erhielten seit Januar 2013 von ihren Betriebsärzten das Angebot, an einer zwei-zeitigen anonymisierten Online-Befragung zum Verlauf ihrer Schwangerschaft, Schwangerschaftsvorsorgen, Aufklärung zu Risiken und Prophylaxemöglichkeiten über eine Internetplattform der Universitätsmedizin Mainz teilzunehmen. Die erste Befragung erfolgte während der Schwangerschaft ab dem 4. Monat und die 2. Befragung innerhalb der ersten 4 Monate nach der Entbindung. Der Untersuchung wurde von der Ethik-Kommission der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz zugestimmt. Vergleiche der Gruppen erfolgten mittels Pearson’s Chi²-Test.

Ergebnisse: Bisher haben 177 Schwangere (davon 101 (57 %) in Deutschland und 76 (43 %) im Ausland (aus mehr als 30 Ländern der Welt) an der 1. Befragung und 33 (11 aus D und 22 aus dem Ausland) an der 2. Befragung teilgenommen. Es zeigten sich keine Unterschiede in den Schwangerschaftsverläufen im In- im Vergleich zum Ausland. Die medizinischen Betreuungsmöglichkeiten und die Erreichbarkeit waren aber im Ausland signifikant schlechter (Frauenärzte, Hebammen, Krankenhäuser mit geburtshilflicher Abteilung oder mit Neugeborenen-Intensivstationen). Entsprechend fühlten sich die Schwangeren im Ausland nicht ganz so wohl mit der Versorgung wie die Schwangeren in Deutschland, würden sich mehrheitlich bei einer weiteren Schwangerschaft wieder für eine Austragung der Schwangerschaft im Ausland entscheiden.

Schlussfolgerung: Die bisherigen Ergebnisse zeigen keinen Unterschied hinsichtlich medizinischer Komplikationen bei Schwangerschaften im Inland im Vergleich zum Austragen der Schwangerschaft im Ausland. Die Schwangeren im Ausland wünschen aber intensivere spezifisch auslandsbezogene und leicht verfügbare Beratung zu Fragen der Schwangerschaftsvorsorge und zu medizinischen Betreuungsmöglichkeiten vor Ort und zu praktischen Fragen nach der Geburt, wie z. B. zur Anmeldung des Kindes bei Behörden in Deutschland, wenn die Schwangere zwar in Deutschland entbindet, ihren Wohnsitz aber im Ausland hat.

Dirk-Matthias Rose*

* vertretend für die Arbeitsgruppe der Betriebsärzte der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), des Auswärtigen Amtes (AA), der KfW-Bankengruppe und des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin (ASU) der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Arbeitsschutz in Kindertagesstätten aus der Sicht der BGW
Erzieherinnen und Erzieher erleben im Arbeitsalltag oft hohe physische und psychische Belastungen. Untersuchungen zu Muskel-Skelett-Belastungen bei pädagogischem Personal in Kitas lagen bisher kaum vor. Zudem war nicht bekannt, wie sich die strukturellen Rahmenbedingungen (beispielsweise Anzahl und Altersverteilung der betreuten Kinder, Betreuungsschlüssel oder Ausstattung) oder Lärm auf die Belastungssituation auswirken.

Projekt ErgoKiTa (Ergonomie in Kindertagesstätten)
Anlass für die Durchführung des Projekts ErgoKiTa war die in Deutschland geführte Diskussion zur (Verbesserung der) Güte der Erziehung und Bildung und zur Situation des pädagogischen Personals in der vorschulischen Erziehung.

Zur Erfassung des aktuellen Kenntnisstandes und zur Planung geeigneter Präventionsmaßnahmen gründete das Instituts für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) eine Expertengruppe, bestehend aus Vertretern der Unfallkassen Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Hessen, der BGW, der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), des Instituts für Arbeitswissenschaft der Technischen Universität Darmstadt (IAD) sowie des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Goethe-Universität Frankfurt (ASU). Von dieser Expertengruppe wurden in einem ersten Schritt der Erkenntnisstand zu muskuloskelettalen Belastungen von Erzieherinnen und Erziehern erhoben sowie mögliche Präventionsmaßnahmen zusammengetragen. Darauf aufbauend wurde vom 01.06.2011 bis 31.12.2013 eine Studie zur Überprüfung der Effekte von Interventionsmaßnahmen zur Vermeidung von muskuloskelettalen Erkrankungen in KiTas aus drei Bundesländern durchgeführt. Ziel war es, mögliche Präventionsansätze abzuleiten. Als Ergebnisse gab etwa die Hälfte der befragten Beschäftigten an, unter muskuloskelettalen Beschwerden im Bereich des Rückens und der Knie zu leiden. Knapp 40 % litten unter Beschwerden in insgesamt drei Körperregionen. Beschäftigte aller Altersgruppen gaben an, dass es zu wenig erwachsenengerechtes Mobiliar in Gruppenräumen gebe und dass sie sich außerdem durch Personalmangel sowie hohe Fluktuation des Personals beansprucht fühlten. Bei Messungen mit dem CUELA-Messsystem zeigten sich Belastungsschwerpunkte während der Arbeitsschicht (z. B. Rumpfneigungen >20° in 16–35 % Zeitanteil pro Schicht). Durch eine ergonomische Schulung als Interventionsmaßnahme konnten Belastungsschwerpunkte reduziert werden.

Studien aus verschiedenen Ländern haben den Dauerschallpegel über 8 Stunden in Kindergärten, Kindertagesstätten und Vorschulen untersucht. Lärm in KiTas zeigte sich als belastend, jedoch nicht gehörschädigend.

Studie zu Lärmbelastung in KiTas in Hamburg: Stress Monitoring bei Erzieher/-innen- eine Querschnittsstudie
Anhaltende Lärmbelastung nach akustischen Verbesserungsmaßnahmen waren der Anlass für die Durchführung einer Studie in Hamburg. Im Rahmen einer Befragungsstudie wurde die Stressbelastung von Erzieherinnen und Erziehern in KiTas erhoben. Die Untersuchung wurde durch Wissenschaftler des CVcare am Universitätsklinikum Eppendorf in Hamburg begleitet. Es zeigte sich, dass sich die befragten Erzieherinnen insbesondere durch die Lautstärke bei der Arbeit, durch zu große Gruppenstärken und Personalmangel belastet fühlten.

Wie kommen die Ergebnisse der wissenschaftlichen Studien in die Praxis?
Zum Einen werden Ergebnisse in Form von Publikationen in Fachzeitschriften veröffentlicht. Zum Anderen ist geplant, Handlungshilfen für die Praxis abzuleiten. Diese Handlungshilfen können z. B. von Aufsichtspersonen der Unfallversicherungsträger in die Betriebe transportiert werden oder Grundlagen in themenbezogenen Tagungen und Seminaren darstellen.

Das BGWmobil: Von der Theorie in die Praxis
Eine weitere Form der Übertragung von Ergebnissen und Erkenntnissen aus wissenschaftlichen Untersuchungen in die Praxis stellt das BGWmobil dar. Dieses Best-Practice-Modell aus dem Programm des BGWforums – Gesundheitsschutz in der pädagogischen Arbeit – wird als Roadshow-Konzept direkt in die Kindertagesstätten vor Ort transportiert. Das BGWmobil ist als Modellprojekt in Kooperation mit dem Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) mit Informationsmaterialien zum Thema „Erzieherinnengesundheit in der Kita“ ausgestattet. Eine Gesundheitspädagogin fährt mit dem BGWmobil zur Kita, gestaltet einen Aktionstag mit den Erzieherinnen und Erziehern und führt Beratungen zur Verhältnis- und Verhaltensprävention von Führungskräften und Fachpersonal durch. Am 01.07.2014 wurde das Projekt gestartet. Innerhalb von 2 Jahren werden ca. 250 KiTas beraten, davon ca. 220 ASB-Einrichtungen und ca. 10 % Kitas anderer Trägerschaft.

Grita Schedlbauer

Gefährdungsbeurteilung Nanomaterialien
Nanomaterialien spielen in der Wirtschaft eine immer größere Rolle. Nahezu in allen Produktvarianten werden Nanomaterialien in der einen oder anderen Form eingesetzt. Im Gegensatz zu der bereits weiten Verbreitung sind die Gefährdungen durch Nanomaterialien aber nur in Ansätzen verstanden.

Trotz dieser Wissenslücken sind sowohl die Arbeitsmediziner als auch die Fachkräfte für Arbeitssicherheit gehalten, die Gefährdungen durch die jeweiligen Materialien zu erkennen und mit entsprechenden Schutzmaßnahmen zu beantworten.

Im Vortrag wurden zunächst einige wichtige toxikologische Aspekte vorgestellt, die für die Gefährdungsbeurteilung eine Rolle spielen. Darauf aufbauend wurden zwei Verfahren zur Gefährdungsbeurteilung vorgestellt. Das Vorgehen nach der Bekanntmachung zu Gefahrstoffen BekGS 527 sowie ein Verfahren, das der Autor vor einigen Jahren entwickelt hat.

Gerald Schneider

Zytomegalieninfektionsrisiko am Arbeitsplatz
Im Vortrag ging es um die Interpretation aktueller betriebsepidemiologischer Statistiken über die CMV-Seroprävalenz von Beschäftigten in Kindergärten und der Pädiatrie. Bei schwangeren Hamburger KiTa-Erzieherinnen zwischen 2010–13 bestehen keine wesentlichen Unterschiede der Seroprävalenzen mit Hamburger Blutspenderinnen, die angaben, jemals schwanger gewesen zu sein. Das schließt ein individuell erhöhtes Risiko für den Einzelfall nicht aus. Die Mutterschutzreferate der Gewerbeaufsichten empfehlen als Konsequenz Beschäftigungsbeschränkungen nach § 4 Mutterschutzgesetz für seronegative Krippenmitarbeiterinnen. Es fehlt zur weiteren Bewertung eine CMV-Serokonversionsstudie, die den Zusammenhang zwischen Arbeitsschutzstandards und CMV-Seroprävalenz untersucht.

Hintergrund: Zytomegalieviren werden im Rahmen von sozialen Kontakten übertragen, bei Kleinkindern hauptsächlich über Urin und Speichel. Die CMV-Infektion verläuft bei 75 % der immunkompetenten Kinder und Erwachsenen symptomarm. Immunsupprimierte können jedoch lebensbedrohliche Krankheitsverläufe erleiden. Schwangere können die Infektion transplazentar übertragen. Sie müssen über Präventionsstrategien informiert werden, da die konnatale CMV-Infektion in Europa als die häufigste Ursache der angeborenen Taubheit, Blindheit und geistigen Retardierung angesehen wird. Konnatale Schädigungen durch Primärinfektionen sind zwar seltener als durch Sekundärinfektionen der Schwangeren, haben aber gravierendere Behinderungen der Kinder zur Folge.

Die Frage, wie häufig Kleinkinder ausscheiden und wie oft der berufliche Kontakt mit Kleinkindern in Westeuropa tatsächlich zu CMV-Infektionen führt, ist offen. Allerdings geht aus US-Amerikanischen Studien hervor, dass 20–80 % der Kleinkinder in Kinderkrippen CMV in Urin und Speichel ausscheiden. In einer internationalen Literaturübersicht aus 2010 werden für Beschäftigte in Kindertagesstätten Serokonversionsraten mit einer großen Streuung von 0 bis 12,5 % angegeben. Die höchste Rate wurde vor 1996 bei jungen kanadischen Erzieherinnen unter 30 Jahren gefunden, die bei Pflegetätigkeiten keine Handschuhe trugen. In Deutschland stehen nur Studien über die Serokonversionsraten bei Blutspendern zwischen 1992 bis 2002 zur Verfügung.

In den Hygieneplänen und Arbeitsanweisungen der KiTas sollte auf einfache Verhaltensregeln hingewiesen werden, mit denen das Übertragungsrisiko für CMV und andere Kontaktinfektionen reduziert werden kann:

· mit den Händen nicht das Gesicht berühren

· häufige und sorgfältige Händehygiene betreiben

· besonders nach dem Windelwechsel bei Kleinkindern

· besonders nach Speichelkontakt bei der Unterstützung bei der Nahrungsaufnahme,

· nach dem Naseputzen und nach dem Berühren von Spielsachen

· kein gemeinsamer Genuss von Nahrungsmitteln

· keine gemeinsame Nutzung von Handtüchern, Essbesteck und Trinkbechern

· Verzicht auf Küsse direkt auf den Mund.

Johanna Stranzinger

Hepatitis C: Vorsorge und aktueller Stand der Therapie
In Deutschland sind ca. 500.000 Menschen nach Schätzung des Robert-Koch-Institutes mit Hepatitis C infiziert. Die Übertragung erfolgt hauptsächlich über Blutkontakt.

Im Gegensatz zur Hepatitis B verläuft eine akute Hepatitis C in ca. 85 % aller Infektionen chronisch, d. h. es kommt nicht zur spontanen Viruselimination. Bei 20 % der chronisch Erkrankten kommt es langfristig, etwa in einem Zeitraum von 20–30 Jahren, zu einer Leberzirrhose. Die jährliche Rate der Leberkrebserkrankungen dieser Patienten liegt bei 1–5 %. Insbesondere im Jahr 2014 stieg die Heilungsrate der chronischen Hepatitis C durch neue Therapieoptionen auf 70–100 % an.

Besonders gefährdet ist jeder Arbeitnehmer, der Kontakt mit Kanülen, Braunülen, Lanzetten, Bohrern, Nadeln, scharfen Pinzetten oder Skalpellen hat, also Ärzte, Zahnärzte, Krankenschwestern, Arzthelferinnen, Hebammen, Putzfrauen, Bettenaufbereiter, Abfalltransporteure usw. Berufsrechtlich ist der HCV-Test vor Arbeitsaufnahme sinnvoll. Bislang steht keine Schutzimpfung gegen Hepatitis C zur Verfügung. Nach bisherigem Kenntnisstand verleiht zudem selbst eine ausgeheilte Infektion keine bleibende Immunität gegen den Erreger. Insofern ist man alleine auf Sorgfalt und Hygiene angewiesen. Grundsätzlich gelten zur Vermeidung einer Hepatitis C-Infektion ähnliche Vorsorgemaßnahmen wie bei der Hepatitis B. Halten Sie im Umfeld von infizierten oder gefährdeten Personen unbedingt folgende Schutzmaßnahmen ein:

· Mundschutz und Handschuhe vor Kontakt mit virushaltigen Körperflüssigkeiten

· Sichere Entsorgung von mit Blut und anderen Körperflüssigkeiten verseuchten Gegenständen: Vermeidung von Nadelstichverletzungen

· Desinfektion der Hände und Oberflächen durch geeignete Mittel

· Erhitzen von Instrumenten auf 90° C für mindestens 5 Minuten

Neue Therapieoptionen der Hepatitis C
Seit Zulassung der ersten direkt antiviral wirkenden Medikamente (DAA) für Patienten mit chronischer Hepatitis C findet ein grundlegender Wandel dieser Therapien statt. Vorteil sind die verbesserten virologischen Ansprechraten, verkürzten Therapiedauern und günstigeren Verträglichkeitsprofile.

Im Januar 2014 wurde mit Sofosbuvir der erste Vertreter zugelassen, es folgten im Mai 2014 Simeprevir, im August 2014 Daclatasvir und im November die erste Fixkombination aus Ledipasvir und Sofosbuvir in einer Tablette am Tag.

Nach Meinung einer Expertengruppe könne die Triple-Therapie aus PEG-Interferon, Ribavirin und den Protease-Inhibitoren Boceprevir oder Telaprevir nicht mehr als Standardtherapie in Deutschland empfohlen werden. Die Empfehlungen der deutschen Experten zu u. a. interferonfreien Therapie wurden zuletzt im Herbst geändert und werden derzeit nach Zulassung dreier weiterer Substanzen im Januar 2015 erneut überarbeitet (Z Gastroenterol 2014; 52: 749–756). Dank der interferonfreien Kombinationstherapie sind jetzt auch Patienten mit fortgeschrittener Leberzirrhose oder vorherigen Kontraindikationen (z. B. Autoimmunerkrankungen) behandelbar. Eine komplette Viruseradikation ist bei immer mehr behandelten Menschen möglich und senkt somit auch das Infektionsrisiko für die gesamte Bevölkerung in den nächsten Jahren.

Kerstin Stein

MIAS – Moderner integrierter Arbeitsschutz
Moderner Integrierter Arbeitsschutz geht im Vergleich zu dem traditionellen Arbeitsschutz weit über die öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzverpflichtungen hinaus. Denn neben dem traditionellen Arbeits- und Gesundheitsschutz hat sich MIAS die Förderung der Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter zum Hauptziel gesetzt. MIAS strebt die Verschmelzung der korrektiven Perspektive des klassischen Arbeitsschutzes, zur Verhinderung gesundheitlicher Schädigungen, mit der präventiven Sichtweise der Gesundheitsförderung, zur Stärkung bestehender Gesundheitsressourcen und –potenziale, an.

Vorgehensweise
Grundlage des Konzeptes ist die Verpflichtung des Unternehmens auf vordefinierte Ziele zur Sicherheit, Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter sowie deren Gewichtung nach Relevanz für das Unternehmen. Anhand standardisierter Analysemethoden (Checkliste/Befragungsbögen) kann anschließend der Zielerreichungsgrad gemessen und als Kennzahl für die innerbetriebliche Sicherheits- und Gesundheitsperformanz genutzt werden. Inhaltlich werden dabei sowohl gesetzliche Vorgaben zur Arbeitssicherheit sowie übergesetzliche Verpflichtungen des Unternehmens zum gesundheitsförderlichen Fokus auf die Mitarbeiter erfasst. Dem klassischen Managementzyklus folgend, werden auf der Grundlage der Analyseergebnisse Strategien und Maßnahmen geplant, umgesetzt, evaluiert und anschließend in einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess überführt.

Beteiligungsmöglichkeiten für Betriebsärzte
Die Vorschrift 2 der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung beschreibt als betriebsspezifisches Aufgabenfeld der Betriebsmediziner u. a. die Unterstützung bei der Weiterentwicklung eines Gesundheitsmanagements sowie bei Maßnahmen und Aktionen zur Gesundheitsförderung. Ansatzpunkte zur Erfüllung der Anforderungen nach Beteiligung und Beratung von Betriebsärzten finden sich im ganzheitlichen MIAS Konzept in verschiedenen Phasen des Ablaufes. Das Wissen über den gesundheitlichen Zustand der Mitarbeiter im Unternehmen versetzt die Betriebsmediziner in eine Expertenrolle, welche auch für die betriebliche Gesundheitsarbeit unverzichtbar ist. So ist die Beteiligung bei der Zieldefinition und -gewichtung eine wesentliche Unterstützungsleistung für das strategische Vorgehen des Unternehmens bezüglich Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Sicherheit der Mitarbeiter.

Die Verdichtung und Interpretation aggregierter betriebsmedizinischer Daten kann darüber hinaus der Analyse zur Bestimmung der bisherigen Zielerreichung der Ziele zum Arbeits- und Gesundheitsschutz dienlich sein.

Spezifisches Wissen über Gesundheit und deren Förderungsmöglichkeiten machen die Betriebsmediziner zudem zu einem wichtigen Partner in der Planung, Unterstützung und Umsetzung gesundheitsbezogener Maßnahmen wie Check-Ups, Gesundheitstage und Workshops.

Die Umsetzung gesetzlich geforderter Arbeitsschutzinhalte mit indirektem Gesundheitsbezug sind weitere Beteiligungsmöglichkeiten für Betriebsärzte, etwa bei der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen. Hierbei ist es den Betriebsärzten möglich, sich bei der Ermittlung und Beurteilung von psychischen Gefährdungspotenzialen zu beteiligen, beispielsweise durch den Einsatz des Work-Ability-Index während der arbeitsmedizinischen Vorsorge.

Denny Wihan

Gefährdung durch Desinfektionsmittel im Gesundheitsdienst
Bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden Sauberkeit und Desinfektion in der Medizin nicht als notwendig angesehen.

Heute sind im Gesundheitsdienst wirkungsvolle Desinfektionsmaßnahmen zum Erreichen der im Gesundheitsdienst notwendigen Hygiene elementar.

Jedes Desinfektionsmittel enthält mindestens eine chemische, biologisch aktive Substanz. Diese biologisch aktiven Substanzen sind in der Regel Gefahrstoffe im Sinne des Gefahrstoffrechts, wobei es sich bei den meisten Desinfektionsmitteln um Stoffgemische handelt. Mischungen unterschiedlicher biologisch aktiver Substanzen bzw. Hilfsstoffe erweitern in der Regel das Wirkungsspektrum oder den Einsatzbereich des Desinfektionsmittels.

Aus der Verwendung von Gefahrstoffen und Gemischen aus bzw. mit Gefahrstoffen resultieren zwangsläufig Gefahren. Beispielsweise können die Substanzen oder Gemische brennbar, umweltgefährdend, reizend oder auch giftig sein, wobei der Anwender vor den resultierenden Gefährdungen geschützt werden muss. Die Aussagen der heute geltenden Regeln und Empfehlungen zu Schutzmaßnahmen bei Desinfektionsarbeiten basieren auf dem Wissen über die Gefährdungen durch die gebräuchlichen Desinfektionsmittel der 1990er Jahre. Damals wurden die Gefährdungsbeurteilungen überwiegend anhand der Stoffgruppen der Aldehyde und der Alkohole vorgenommen, da eine systematische Aufbereitung der in Desinfektionsmitteln neben den Wirkstoffen auch noch vorhandenen Gefahrstoffe in Desinfektionsmitteln noch nicht vorlag.

Da Aldehyde jedoch in den damaligen Empfehlungen kritisch gesehen wurden, wurden diese von den Anwendern teilweise gemieden und die Stoffgruppe der Aldehyde von den Herstellern in den Jahren danach durch andere Inhaltsstoffe, beispielsweise quaternäre Ammoniumverbindungen, ersetzt (Substitution) bzw. ergänzt.

Bislang fehlen in den auch heute noch geltenden Empfehlungen tragfähige Gefährdungsermittlungen, -beurteilungen für diese „moderneren“ Inhaltsstoffe, ebenso in den darauf gestützten Empfehlungen zu Schutzmaßnahmen.

Im Rahmen des hier vorgestellten Kooperationsprojekts der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Fachbereich Gefahrstoffe und Toxikologie, und der Bergischen Universität Wuppertal, Fachgebiet Technischer Infektionsschutz, erfolgte eine systematische Recherche der veröffentlichten Literatur zu den Themenfeldern „Gefährdende Eigenschaften von Desinfektionsmittelwirkstoffen“, „Arbeitsplatzbezogene Expositionen von Desinfektionsmitteln“ und „Gefährdungen und Schutzmaßnahmen bei Desinfektionsarbeiten“. Ausgewertet wurden hierfür ca. 300 relevante Literaturstellen.

Die geplante Aktualisierung bzw. Neufassung der bisherigen, über 10 Jahre alten Regeln zu Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Desinfektionsarbeiten im Gesundheitsdienst kann erst dann wissenschaftlich begründet erfolgen, wenn die genannten Quellen ausgewertet und in ein möglichst evidenzbasiertes System von Schutzmaßnahmen eingebettet werden konnten. Dazu sollte dies einen Beitrag leisten.

Andreas Wittmann

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