Rubriken

Beratungsangebot für längerfristig erkrankte Lehrkräfte und Pädagogische Fachkräfte in Rheinland-Pfalz

Zusammenfassung Ziel dieses Artikels war es, die Erfahrungen, die im Rahmen eines Beratungsangebotes des Projektes Lehrergesundheit für längerfristig erkrankte Lehrkräfte und Pädagogische Fachkräfte in Rheinland-Pfalz im Schuljahr 2011/2012 gewonnen wurden, darzustellen. Es wurden Daten von 122 beratenen Lehrkräften und Pädagogischen Fachkräften ausgewertet. 75% der Beratenen waren Frauen, das Durchschnittsalter lag bei 51 Jahren (SD = 8). Psychische/psychosomatische (35%) und körperliche Beschwerde (34%) waren zu nahezu gleichen Anteilen die Ursache der Dienst-/Arbeitsunfähigkeit. Nach sechs Monaten war bei 20% der Beratenen die Dienst-/Arbeitsfähigkeit wieder voll hergestellt, eine teilweise Wiederherstellung der Dienst-/Arbeitsfähigkeit einhergehend mit Wiedereingliederung wurde von 35% der Beratenen erreicht. Bei 45 % bestand die Dienst-/Arbeitsunfähigkeit weiterhin. Es wird deutlich, dass für die Wiederherstellung der Dienst- oder Arbeitsfähigkeit im Schulbereich spezifische Bedingungen (z. B. Beamtenstatus, Berücksichtigung der Schulart, berufsspezifische Behandlungsangebote) berücksichtigt werden müssen, die sich von anderen betrieblichen Kontexten deutlich unterscheiden. Psychische Erkrankungen sind häufig für Dienst- und Arbeitsunfähigkeit bzw. Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit/Erwerbsminderungsrente verantwortlich und bedürfen besonderer Aufmerksamkeit, um ihnen präventiv vorzubeugen. Schlüsselwörter

· Lehrergesundheit

· Betriebliches Eingliederungsmanagement

· Schule

· Teachers health

· Integration management

· School

Einleitung
Seit 2004 sind mit der Einführung des § 84 Abs.2 SGB IX alle Arbeitgeber in Deutschland verpflichtend aufgefordert, bei gesundheitlichen Beeinträchtigungen von Arbeitnehmern ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anzubieten. Es gibt kein verbindliches Konzept für solch ein BEM. Betriebe müssen eine ihren spezifischen Anforderungen entsprechende Umsetzungsform erarbeiten und entwickeln. BEM ist für Beamtinnen und Beamte nicht gesetzlich gefordert, ist jedoch zur Verhinderung oder Überwindung einer Dienstunfähigkeit sowie zur Vorbeugung einer erneuten Dienstunfähigkeit eine sinnvolle Maßnahme.

Das Land Rheinland-Pfalz hat sich demnach entschieden, für die beim Land beschäftigten Lehrkräfte und Pädagogischen Fachkräfte – unabhängig vom Beschäftigungsverhältnis – ein BEM zu etablieren. Das BEM gilt für alle für alle – behinderten oder nichtbehinderten – staatlichen Beschäftigten im Schuldienst Rheinland-Pfalz, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeits- oder dienstunfähig waren. Eine Dienstvereinbarung zwischen dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur (MBWWK) und den zuständigen Hauptpersonalvertretungen zum BEM wurde 2014 verabschiedet.

Neben BEM spielen bei längerfristiger Erkrankung die Regelungen und Vorgehensweisen bei langfristiger Erkrankung eine wichtige Rolle. Während der überwiegende Teil der Lehrkräfte in Rheinland-Pfalz im Beamtenverhältnis steht, stehen Pädagogische Fachkräfte im Beschäftigungsverhältnis. Für Beamte und Angestellte unterscheiden sich die Regelungen und Vorgehensweisen bei langfristiger Erkrankung.

Auf Veranlassung des Dienstvorgesetzten (Schulreferenten der ADD) kann die Dienstfähigkeit der verbeamteten Lehrkräfte gemäß § 47 Landesbeamtengesetz Rheinland-Pfalz (LBG) in den Fällen der §§ 26, 27, 28, 29 Beamtenstatusgesetz (BeamStG) in Verbindung mit § 44 LBG durch eine ärztliche Untersuchung des Landesbeamten (Lehrkraft) durch die Zentrale Medizinische Untersuchungsstelle (ZMU) des Landesamtes für Soziales, Jugend und Versorgung festgestellt werden.1 Die Arbeitsfähigkeit der Pädagogischen Fachkräfte und beschäftigten Lehrkräfte wird in amtsärztlichen Untersuchungen bei den zuständigen Gesundheitsämtern überprüft (§ 3 Abs. 5 TV-L).2

Alle Lehrkräfte und Pädagogischen Fachkräfte, die im Schuljahr 2011/2012 zur Überprüfung der Dienstfähigkeit oder der Arbeitsfähigkeit durch die Zentrale Medizinische Untersuchungsstelle (ZMU) bzw. die Gesundheitsämter untersucht werden sollten, erhielten das Angebot, sich mit der Ansprechpartnerin des Projektes Lehrergesundheit, einer Einrichtung an der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier, zu beraten, welche Möglichkeiten die Betroffenen hinsichtlich einer Unterstützung und Entlastung in ihrer gesundheitlichen und beruflichen Situation erfahren könnten. Das Angebot ist freiwillig, vertraulich und kostenlos. Möglicherweise haben die Bedingungen und Belastungen in der Schule mit zur Entstehung und Aufrechterhaltung der Krankheit oder Behinderung beigetragen. Mit Zustimmung und unter Beteiligung der Betroffenen wurde geklärt, wie die Dienst- oder Arbeitsfähigkeit möglichst überwunden und mit welchen Leistungen und Hilfen einer erneuten Dienst- oder Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt werden kann. Der auch im Schulbereich zunehmenden Bedeutung psychischer Beanspruchung kommt dabei besondere Aufmerksamkeit zu, da 71 % der von der ZMU im Schuljahr 2011/12 in Auftrag gegebenen Gutachten von verbeamteten Lehrkräften einen psychischen/psychiatrischen Hintergrund hatten (Institut für Lehrergesundheit, 2013).

Das Beratungsangebot des Projektes Lehrergesundheit kann als zusätzliches Angebot zu einem systematischen BEM gesehen werden. Ziel des folgenden Beitrags ist es, die Erfahrungen mit der praktischen Umsetzung des Beratungsangebotes im Schuljahr 2011/12 in RLP darzustellen. Hierbei wird auf die Beschreibung der Stichprobe eingegangen, sowie ein Überblick über das Erkrankungsspektrum der Betroffenen, empfohlene Maßnahmen und Prozessbeteiligte sowie über die Evaluation dieser Prozesse gegeben.

Es stellt sich die Frage, welche Besonderheiten im BEM im Schulbereich zu berücksichtigen sind, und ob sich aus den Beratungsergebnissen Indikatoren für drohende dauerhafte Dienst- oder Arbeitsunfähigkeit ableiten lassen.

Ablauf der Beratung
Die Beratungsgespräche dienten der Klärung, ob der Dienstherr/Arbeitgeber dazu beitragen kann, dass die Dienst- oder Arbeitsfähigkeit wieder hergestellt wird.

Mit einem Anschreiben (siehe Anhang A) erhielten alle Lehrkräfte und Pädagogischen Fachkräfte, die zur Überprüfung der Dienst- oder Arbeitsfähigkeit im Schuljahr 2011/12 durch die ZMU oder das Gesundheitsamt untersucht wurden, das Angebot der Beratung durch das Projekt Lehrergesundheit. Die Betroffenen wurden über die Freiwilligkeit der Teilnahme und die damit verbundenen Möglichkeiten informiert. Verweigert die/der Betroffene die Zustimmung zu einem Beratungsgespräch, darf und wird ihm das nicht zum Nachteil ausgelegt. Sollte in den Monaten nach der Untersuchung ein Beratungsbedarf bei den Betroffenen entstehen, müssen diese sich eigeninitiativ an die Beraterin wenden.

Ausgangspunkt eines Beratungsgespräches ist die jeweilige einzelfallbezogene gesundheitliche Situation der Betroffenen (u. a. aktuelles Befinden, Selbstbericht, eventuell Einbezug von Befunden). Durch die Analyse der erlebten Belastungen in der Schule und der Fähigkeiten (bzw. krankheitsbedingten Einschränkungen) der Lehrkraft wird ein Vergleich mit den Anforderungen des Arbeitsplatzes in der konkreten Schulart möglich.

Gemeinsam mit den Betroffenen werden strukturierte Lösungsschritte hin zu gesundheitsförderlichen Veränderungen erarbeitet. Diese Vorschläge und empfohlenen Maßnahmen, wie z. B. stufenweise Wiedereingliederung, Anpassung der Arbeitsaufgaben, Maßnahmen zur gesundheitlichen Stabilisierung, Reduktion der Arbeitsbelastung, Konfliktmediation, werden besprochen, durchgeführt und beobachtet. Besonders berücksichtigt werden müssen dabei der Beamtenstatus der überwiegenden Zahl der Betroffenen und die spezifischen Rahmenbedingungen der jeweiligen Schulart.

Dokumentationsbogen der Beratungen
Die Datengrundlage bildete ein standardisierter, anonymisierter Dokumentationsbogen (siehe Anhang B), der unmittelbar nach dem Beratungsprozess entsprechend der datenschutzrechtlichen Bestimmungen durch die Beraterin ausgefüllt wurde. Erhoben wurden u. a. soziodemographische Daten (Alter, Geschlecht), Schulart, Beschäftigungsverhältnis, Voll- oder Teilzeittätigkeit, Grund der Arbeits- oder Dienstunfähigkeit, Schwerbehindertenstatus, empfohlene Maßnahmen und Prozessbeteiligte. Die Evaluation der Maßnahmen wurde sechs Monate nach dem ersten Beratungstermin erfasst.

Lehrkräfte und Pädagogische Fachkräfte, die die Beratung angeboten bekamen
Im Schuljahr 2011/12 erhielten n = 728 Lehrkräfte und Pädagogische Fachkräfte das Beratungsangebot des Projektes Lehrergesundheit. Das entspricht rund 2 % aller 41.404 Bediensteten, die im Schuljahr 2011/12 an den Schulen in RLP tätig waren (Institut für Lehrergesundheit, 2013).

Lehrkräfte und Pädagogische Fachkräfte, die keine Beratung in Anspruch genommen haben
Ein Gespräch abgelehnt hatten n = 135 (18 %) mit Gründen, wie beispielsweise in medizinischer und/oder psychotherapeutischer Behandlung zu sein, Mehrfachbelastung vermeiden zu wollen, zu weite Entfernung des Beratungsortes Trier, Forderung nach Verhältnismanagement oder unheilbare Erkrankungen. Keine Rückmeldung gaben n = 463 (64 %) der Lehrkräfte und Pädagogischen Fachkräfte.

Lehrkräfte und Pädagogische Fachkräfte, die eine Beratung des Projektes Lehrergesundheit in Anspruch genommen haben
In n = 130 (18 %) Fällen stimmten die Betroffenen einem Beratungsgespräch zu, das ausführlich telefonisch oder im persönlichen Kontakt geführt wurde. Zum Teil fanden mehrfache Beratungen mit Folgeterminen statt (siehe Abbildung 1 für einen Gesamtüberblick).

Stichprobencharakteristik der Beratenen
Die Ergebnisse beziehen sich auf n = 122 Dokumentationsbögen. In acht Fällen wurden keine Dokumentationsbögen ausgefüllt.

Beraten wurden 92 Frauen (75 %) und 30 Männer (25 %). Das durchschnittliche Alter lag bei 51 Jahren (SD = 8), wobei der überwiegende Teil (61 %) der Ratsuchenden zur Altersgruppe der über 50-Jährigen gehörte. Unter den Beratenen waren Lehrkräfte und Pädagogische Fachkräfte aller Schularten vertreten, wobei die größten Gruppen der Beratenen an Grundschulen (28 %), Realschulen plus (22%) sowie Gymnasien (22 %) tätig waren.

Überwiegend arbeiteten die Lehrkräfte im Beamtenstatus (89 %). In Vollzeit arbeiteten 42 % und 23 % gaben eine Teilzeitbeschäftigung an, bei 35 % der Beratenen fehlte diese Angabe. Bei 38 Lehrkräften (31 %) lag ein Grad der Behinderung zwischen 20 und 100 vor.

Ergebnisse aus der Beratung
Das Morbiditätsspektrum der Beratenen beinhaltete psychische/psychosomatische Beschwerden (35 %), körperliche Beschwerden (34 %), psychische/psychosomatische und körperliche Beschwerden gemeinsam (21 %) und psychosoziale Schwierigkeiten im Schulkontext (10 %), z. B. Probleme bei Anerkennung eines Dienstunfalls, bisher ungeklärtes Mobbing.

Einen Schwerpunkt stellte die Diagnose depressiver Störungen dar (n = 25). Im Bereich der somatischen Erkrankungen dominierten Muskel-/Skeletterkrankungen (n = 15) sowie onkologische Erkrankungen (n = 12). Ein Überblick der bei den Beratenen aufgetretenen Krankheitsbilder findet sich in Tabelle 1 (Mehrfachnennungen waren möglich).

Orientiert am Beratungs- und Unterstützungsbedarf der Beratenen zeigten sich als Anliegen des/der Betroffenen folgende Themenschwerpunkte der Beratungsgespräche.

Informationssuche zu:

· Störungen/Krankheitsbilder

· Therapieansätze/ergänzende Verfahren

· Behandlungsangebote (berufsspezifisch)

· Literatur

Kommunikation individueller Erfahrungen:

· Darstellung des Krankheitsbildes und -verlaufes

· Krankheitsmanagement an der eigenen Schule

· Erörterung krankheitsspezifischer dienstlicher Regelungen

· Auseinandersetzung mit beruflichen Veränderungen infolge der Erkrankung

Schulspezifische Fragen:

· Umgang der Schulleitung mit Erkrankungen

· schulinterne Entlastungsmöglichkeiten

· Verfahren und Umsetzung der Wiedereingliederung.

Mit den Betroffenen wurden unterschiedliche Angebote und Maßnahmen zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, Wiedereingliederung oder Regelungen im Fall dauerhafter Dienstunfähigkeit/Arbeitsunfähigkeit abgestimmt und umgesetzt. Das Maßnahmenspektrum umfasste eine dem individuellen Bedarfsfall angemessene Auswahl aus den im Folgenden dargestellten konkreten Handlungsstrategien.

Personenbezogene Maßnahmen:

· Einleitung/Intensivierung (berufsspezifischer) Behandlungen

· Beantragung von Rehabilitationsmaßnahmen

· Antrag auf vorübergehend verminderte Dienstfähigkeit (§ 11 Lehrerarbeitszeitverordnung RLP) – nur für Beamtinnen und Beamte möglich

· Altersteilzeit beantragen

· stufenweise Wiedereingliederung planen

· Antrag auf Anerkennung einer Schwerbehinderung

· Überprüfung zusätzlicher Aufgaben (z. B. Abgabe oder vorübergehende Verlagerung, Rückgabe von Funktionsstellen)

· Stundenreduktion

· gesundheitsbezogene Fortbildungen (z. B. Stimmbildung) planen

· Entlastungsmöglichkeiten im Alltag verankern (z. B. Teilnahme an Selbsthilfegruppe)

· Bereitstellung von Hilfsmitteln (z. B. Stehpult)

· Klärung, ob Verbleib im Berufsleben möglich ist

Schulbezogene Maßnahmen:

· Absprachen zur Stundenplangestaltung

· Änderung des Einsatzes (z. B. vorübergehende Entbindung von Klassenleitung, Teamarbeit, Aufsicht, Klassenfahrten)

· Abordnung oder Versetzung (mit Zustimmung der Betroffenen)

· auf Wunsch Betroffener Information des Kollegiums über krankheitsbedingte Einschränkungen und Unterstützungsmöglichkeiten des Betroffenen

· berufsbegleitende Beratung, Coaching, Supervision

Externe Maßnahmen:

· rechtliches Vorgehen (z. B. Strafanzeige bei Mobbing)

· Widerspruch einlegen bei Ablehnung einer Rehabilitationsmaßnahme

· Hilfen am Arbeitsplatz einrichten

· Einbezug externer Träger der Rehabilitation (z. B. Unfallkasse, Rentenversicherung, Krankenkasse)

Entsprechend der individuellen Situation der Betroffenen waren an dem Prozess der Wiederherstellung der Gesundheit zahlreiche weitere Ansprechpartner aktiv beteiligt. Dazu zählen bezogen auf die berufliche Situation vor allem die Schulleitungen vor Ort, der Personalrat und die Schwerbehindertenvertreter.

Evaluation nach sechs Monaten
Die Ergebnisse der Evaluation nach sechs Monaten zeigt Tabelle 2. Die volle Dienst- bzw. Arbeitsfähigkeit wurde von 18 Lehrerinnen/Pädagogischen Fachkräften und 6 Lehrern/Pädagogischen Fachkräften (20 % der Beratungsstichprobe) im Zeitraum von sechs Monaten nach dem ersten Beratungsgespräch wieder erreicht, wobei sich keine Geschlechtsunterschiede zeigten. Während in der Altersgruppe der 50– bis 60-Jährigen 15 % wieder die volle Dienst- und Arbeitsfähigkeit erreichten, waren es bei den über 60-Jährigen 46 %. Vor allem in der Gruppe der Beratenen aus Förderschulen und aus Grundschulen konnte mit 36 % bzw. 30 % die volle Dienst- oder Arbeitsfähigkeit wieder erreicht werden. Bei körperlichen Beschwerden (58 % der wieder vollständig Dienst- oder Arbeitsfähigen) konnte die vollständige Dienst- oder Arbeitsfähigkeit eher als bei psychischen Beschwerden (25 % der wieder vollständig Dienst- oder Arbeitsfähigen) wieder hergestellt werden. Innerhalb der Gruppe mit körperlichen Beschwerden haben 34 % der Betroffenen die Dienst- und Arbeitsfähigkeit wieder erlangt, innerhalb der Gruppe mit psychischen Beschwerden waren es 14 %.

Die teilweise Wiederherstellung der Dienst- bzw. Arbeitsfähigkeit wurde von 35 % der beratenen Lehrkräfte und Pädagogischen Fachkräfte im Zeitraum von sechs Monaten nach dem ersten Beratungsgespräch erreicht. Der Frauenanteil lag mit 36 % leicht über dem Anteil der Männer (33 %). In der Altersgruppe der 50– bis 60-Jährigen erreichten 30 % die teilweise Dienst- oder Arbeitsfähigkeit, bei den über 60-Jährigen waren es 23 %. Beratene aus Berufsbildenen Schulen (50 %) und Gymnasien (40 %) wiesen den höchsten Anteil an der teilweisen Wiederherstellung der Dienst- oder Arbeitsfähigkeit auf. Bei körperlichen Beschwerden (29 % der teilweise wieder Arbeits- oder Dienstfähigen) trat die Teildienstfähigkeit seltener auf als bei psychischen Beschwerden (38 % der teilweise wieder Arbeits- oder Dienstfähigen). Innerhalb der Gruppe mit körperlichen Beschwerden haben 29 % der Betroffenen die Arbeits- oder Dienstfähigkeit teilweise wieder erreicht, innerhalb der Gruppe mit psychischen Beschwerden waren es 39 %.

Dienst- oder Arbeitsunfähigkeit bestand weiter bzw. trat dauerhaft bei 45 % der beratenen Lehrkräfte und Pädagogischen Fachkräfte im Zeitraum von sechs Monaten nach dem ersten Beratungsgespräch auf. Der Männeranteil lag mit 47 % leicht über dem Frauenanteil (44 %). In der Altersgruppe der 50– bis 60-Jährigen blieben 55 % in der Dienst- oder Arbeitsunfähigkeit, bei den über 60-Jährigen waren es 31 %. Beratene aus Integrierten Gesamtschulen (70 %) sowie aus Gymnasium und Realschule plus (jeweils 52 %) blieben anteilsmäßig am häufigsten dienst- bzw. arbeitsunfähig. Bei psychischen Beschwerden trat dieser Ausgang häufiger ein (36 % der weiterhin Dienst- oder Arbeitstunfähigen) als bei körperlichen Beschwerden (28 % der weiterhin Arbeits- oder Dienstunfähigen). Innerhalb der Gruppe mit körperlichen Beschwerden blieben 37 % arbeits- oder dienstunfähig, in der Gruppe mit psychischen Beschwerden waren es 46 %. Am höchsten war der Anteil in der Gruppe mit psychosozialen Schwierigkeiten im Schulkontext (64 %).

Diskussion
Ziel dieses Beitrages war es, erste Ergebnisse eines Beratungsangebotes für Lehrkräfte und Pädagogische Fachkräfte, die zur Dienstfähigkeitsprüfung bzw. zur Überprüfung der Arbeitsfähigkeit geladen wurden, darzustellen. Die Ergebnisse beziehen sich auf das Schuljahr 2011/2012.

Hinsichtlich der Akzeptanz des Beratungsangebotes zeigte sich, dass es von etwa einem Fünftel der von einer längerfristigen Erkrankung Betroffenen in Anspruch genommen wurde. Der hohe Anteil der Nichtinanspruchnahme basiert auf sehr unterschiedlichen Gründen, z. B. Selbsthilfe der Betroffenen, sehr schweren Erkrankungen, mangelndes Vertrauen, Befürchtung negativer Konsequenzen, oder dem eventuell ungünstigen Zeitpunkt des Angebotes. Hieraus lässt sich ableiten, dass Lehrkräfte und Pädagogische Fachkräfte über die Chancen einer Beratung als Teil eines umfassenden Gesundheitsmanagements noch transparenter und umfassender informiert werden müssen. In Rheinland-Pfalz wurde 2014 zwischen dem MBWWK und den zuständigen Hauptpersonalvertretungen eine Dienstvereinbarung zum BEM getroffen, in der u. a. Ziele, Ablauf, Maßnahmen und mögliche Prozessbeteiligte beschrieben werden, sodass sich betroffene Lehrkräfte und Pädagogische Fachkräfte genau informieren können, Unsicherheiten reduziert werden, der Nutzen des BEM deutlich wird und ein verbindliches Vorgehen für alle Betroffenen und Mitwirkenden resultiert.

Die Altersgruppe der über 50-Jährigen bildete die größte Gruppe der Beratungsfälle. Dies lässt sich auf die Gruppe aller von längerfristigen Erkrankungen betroffenen Lehrkräfte und Pädagische Fachkräfte generalisieren. Für die Gruppe der Lehrkräfte besteht in RLP ein Altersteilzeitmodell, das Lehrkräften bereits in den letzten Dienstjahren ermöglicht, in einem Teilzeit-Arbeitsmodell zu arbeiten.3

Lehrkräfte und Pädagogische Fachkräfte aus Grundschulen und Realschulen plus waren im Schuljahr 2011/12 besonders in der Beratung vertreten. Gründe für eine häufigere Inanspruchnahme der Beratung durch Erkrankte dieser Schularten könnten sein, dass diese Schularten strukturelle Bedingungen (z. B. kleine Kollegien in Grundschulen, dislozierte Standorte in Realschulen plus) aufweisen, die eine Wiedereingliederung schwieriger machen und betroffene Erkrankte sowie die Schulen vor große Herausforderungen beim Einsatz stellen. Eine Beratung und Begleitung kann dabei benötigt werden, um praktikable Lösungen gemeinsam mit allen Beteiligten zu entwickeln.

Der überwiegende Teil der Beratenen arbeitet im Beamtenstatus. Dadurch ergeben sich Besonderheiten, die im Beratungsprozess berücksichtigt werden müssen, wie z. B. die Finanzierung von Rehabilitationsmaßnahmen und die Art der Wiedereingliederung.

Bezüglich der Erkrankungen der Beratenen sind körperliche und psychische Beschwerden mit einem Anteil von jeweils gut einem Drittel gleich häufig vertreten. Ein Fünftel leidet sowohl unter physischen als auch psychischen Beschwerden. Diese Verteilung macht deutlich, dass die Möglichkeit bestehen sollte, dass in das BEM sowohl Psychologen als auch Betriebsärzte/Arbeitsmediziner involviert werden können. Welche Professionen letztlich am BEM mitwirken, entscheidet der jeweilige Betroffene. Entsprechend der Situation und des Wunsches der Betroffenen sollten weitere Ansprechpartner (z. B. Fachkräfte für Arbeitssicherheit, Schwerbehindertenvertreter) einbezogen werden.

Die professionelle Begleitung und persönliche Beratung der längerfristig erkrankten Lehrkräfte und Pädagogischen Fachkräfte erfordert Kenntnisse in zahlreichen Themenbereichen, z. B. Psychologie, Medizin, Kommunikation, Schulsystem, Krankenversicherung, Recht. Die Bereitschaft zur Vernetzung aller an der Wiederherstellung der Dienst- oder Arbeitsfähigkeit Beteiligten ist erforderlich, um die für den Einzelfall passenden Unterstützungsmaßnahmen wählen und umsetzen zu können.

Die Halbjahreskatamnese zeigt, dass bei einem Fünftel der Beratungsstichprobe die volle Wiederherstellung der Dienst- oder Arbeitsfähigkeit gelingt. Bei körperlichen Erkrankungen liegt der Anteil der wieder voll dienst- oder arbeitsfähigen mit einem Drittel höher als bei psychischen Erkrankungen.

Nach längerfristigen Erkrankungen hat sich auch im Schulbereich eine schrittweise Heranführung an die volle Arbeitsfähigkeit unter Weiterführung der Behandlungen in Form der Wiedereingliederung bewährt. Die teilweise Wiederherstellung der Dienst- und Arbeitsfähigkeit einhergehend mit einer Wiedereingliederung gelingt bei gut einem Drittel der Beratenen. Bei psychischen Erkrankungen wird fast 40 % häufiger die teilweise Wiederherstellung der Dienst- oder Arbeitsfähigkeit erreicht. In der Beratung zeigte sich, dass Lehrkräfte mit psychischen Erkrankungen vermehrt Aufmerksamkeit, sowohl hinsichtlich ihrer individuellen Problemsituation als auch als Aufgabenfeld des schulischen Arbeits- und Gesundheitsschutzes bedürfen. Die Berücksichtigung krankheitsbedingter psychischer Einschränkungen – besonders bei rezidivierenden Verläufen – im Schulalltag stellt eine besondere Herausforderung dar. Die Vermeidung von Einsatzproblemen setzt eine zwischen den Betroffenen und der Schulleitung eng abgestimmte Planung der Wiederaufnahme voraus. Sinnvolle anderweitige innerschulische Einsatzmöglichkeiten (z. B. Betreuung der Bibliothek, Einzelförderung) sind kaum vorhanden, zeitlich begrenzt und bringen – vor allem in kleineren Kollegien – die Gefahr der vorübergehenden Mehrbelastung anderer Kollegen mit sich. Im Zusammenhang mit der Ausgestaltung der Wiedereingliederung an der Schule vor Ort wird deutlich, dass Schulleitungen eine wesentliche Funktion im Umgang mit längerfristig erkrankten Lehrkräften/Pädagogischen Fachkräften haben. Die Schulleitung sollte daher durch entsprechende Fortbildungsangebote (z.B. Führungskompetenz im Gesundheitshandeln) gestärkt werden.

In knapp der Hälfte aller Fälle blieb die Dienstunfähigkeit nach einem halben Jahr bestehen. Dies tritt häufiger bei psychischen Erkrankungen als bei körperlichen Erkrankungen auf. Es zeigt sich, dass der Anteil in der Altersgruppe zwischen 50 und 60 Jahren besonders hoch ist. In weiteren Untersuchungen sollte der Frage nachgegangen werden, ob u. a. andere Maßnahmen, eine intensivere Begleitung der Betroffenen oder das BEM, dazu beitragen könnten, die Dienst- oder Arbeitsfähigkeit der Lehrkräfte/Pädagogischen Fachkräfte wieder herzustellen.

Limitationen
Bei der vorliegenden Stichprobe handelt es sich um eine selektive Stichprobe der längerfristig erkrankten Lehrkräfte und Pädagogischen Fachkräfte, die eine Aufforderung zur Dienst- oder Arbeitsfähigkeitsprüfung durch die ZMU bzw. das Gesundheitsamt erhalten haben und das Beratungsangebot des Projektes Lehrergesundheit in diesem Zusammenhang genutzt haben.

Aufgrund der Selektivität der Stichprobe und der geringen Fallzahlen ist eine Generalisierung der Ergebnisse eingeschränkt. Die Ergebnisse bieten jedoch einen interessanten Einblick in das Erkrankungsspektrum längerfristig erkrankter Lehrkräfte und Pädagogischer Fachkräfte, empfohlene Maßnahmen und Prozessbeteiligte sowie über die Evaluation dieser Prozesse. Diese können genutzt werden, um den Beratungsprozess weiterzuentwickeln und zu gestalten. Nur ein an die Bedürfnisse der Betroffenen sowie an die schulischen Rahmenbedingungen angepasstes Beratungsangebot kann Betroffene erfolgreich unterstützen und deren Dienst- oder Arbeitsfähigkeit sichern. Ab 2014 haben alle beim Land beschäftigten Lehrkräfte und Pädagogischen Fachkräfte in Rheinland-Pfalz die Möglichkeit, ein systematisches BEM in Anspruch zu nehmen. Die Erfahrungen und Ergebnisse aus dem vorgestellten Beratungsangebot konnten zu der Entwicklung und Gestaltung des BEMs wichtige Hinweise liefern.

Literatur
Institut für Lehrergesundheit (Hrsg.) Dudenhöffer, S., Claus, M., Schöne. K. , Vives Pieper, P., Spahn, D. Rose, D.-M. & Letzel, S. (2013) Gesundheitsbericht der Lehrkräfte und Pädagogischen Fachkräfte in Rheinland-Pfalz. Mainz: Universitätsmedizin, 2013.

Fußnoten

1. Landesbeamtengesetz RLP: Abschnitt 3 (Dienstunfähigkeit) § 47 (Ärztliche Untersuchung); Beamtenstatusgesetz RLP: § 26 (Dienstunfähigkeit), § 27 (begrenzte Dienstfähigkeit), § 28 (Ruhestand bei Beamtenverhältnis auf Probe), § 29 (Wiederherstellung der Dienstfähigkeit); Landesbeamtengesetz RLP: § 44 (Verfahren bei Dienstunfähigkeit und begrenzter Dienstfähigkeit)

2. § 3 Abs.5 TV-L: „Der Arbeitgeber ist bei begründeter Veranlassung berechtigt, Beschäftigte zu verpflichten, durch ärztliche Bescheinigung nachzuweisen, dass sie zur Leistung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit in der Lage sind. Bei dem beauftragten Arzt kann es sich um einen Amtsarzt handeln, soweit sich die Betriebsparteien nicht auf einen anderen Arzt geeinigt haben. Die Kosten dieser Untersuchung trägt der Arbeitgeber.“

3. Beschäftigte – Altersteilzeitgesetz in der Fassung vom 28. März 2009; Beamtete – § 75 a,b Landesbeamtengesetz (LBG) Rheinland-Pfalz

Aktuelle Ausgabe

Partnermagazine

Akademie

Partner