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Editorial: Wir schaffen das!

Editorial: Wir schaffen das!

Silvester Siegmann

Viele Menschen haben in Deutschland aus den verschiedensten Gründen Zuflucht gesucht. Das hatte deutlich mehr Probleme gemacht, als zunächst erhofft.

Unsere Kanzlerin hatte Zuversicht verbreitend und positiv denkend verkündet: „Wir schaffen das!“ Aber haben wir es geschafft? Einige Einrichtungen sind an ihre Grenzen gestoßen und ehrlicherweise muss man sagen: Wir stecken noch mitten drin „im Schaffen“. Wir haben noch einiges zu tun, um die ganzen Chancen, die uns die aktuelle Situation bietet, auszuschöpfen. Also packen wir es an!

Aber wie sieht es denn nun aus mit den Schutzsuchenden auf dem Arbeitsmarkt? Laut den Angaben der Bundesagentur für Arbeit (Stand Juni 2016) waren 297.000 Geflüchtete als Arbeitsuchende gemeldet, von ihnen waren 213.000 anerkannte Schutzberechtigte, 78.000 Asylbewerber und nur 6.000 geduldete Ausländer.

Von den Flüchtlingen waren 131.000 arbeitslos. Arbeitsuchende Geflüchtete, die nicht arbeitslos sind, nehmen insbesondere an Integrationskursen oder arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen teil, oder gehen einer Erwerbstätigkeit nach.

Arbeitsuchende Flüchtlinge sind weit überwiegend männlich (76 Prozent) und zu einem großen Teil jünger als 30 Jahre (47 Prozent). Von ihnen haben 26 Prozent keinen Hauptschulabschluss und 74 Prozent keine formale Berufsausbildung. 26 Prozent können Abitur bzw. Hochschulreife und 9 Prozent eine akademische Ausbildung vorweisen. Im Vermittlungs- und Beratungsgespräch legen Arbeitsvermittler und Arbeitsuchende einen ersten Zielberuf fest. Danach kommen von den Geflüchteten 58 Prozent für Helfertätigkeiten, 15 Prozent für Fachkraft- und Spezialistentätigkeiten und 4 Prozent für Expertentätigkeiten in Frage.

Sehr schnell hört man immer wieder: „Die haben aber doch gar keine Ausbildung“. So ein Satz ist schnell gesagt, oft wird dabei aber der Hintergrund vergessen.

Zum einen ist das Konzept einer zertifizierten, dualen Ausbildung nur in wenigen Ländern außerhalb Deutschlands bekannt. Flüchtlinge verfügen durchaus über Kompetenzen. Fehlende Nachweise, mangelnde Vergleichbarkeit und die Frage der Verwertbarkeit der Qualifikation auf dem deutschen Arbeitsmarkt führen aber zunächst zu einer Kennzeichnung „ohne abgeschlossene Berufsausbildung“. Zum anderen sind gem. der Bundesagentur für Arbeit arbeitsuchende Flüchtlinge im Vergleich zu deutschen Arbeitsuchenden überdurchschnittlich jung und damit in einem Alter, in dem der Ausbildungsprozess auch unter normalen Bedingungen noch nicht unbedingt abgeschlossen ist. Unter Umständen konnte die Ausbildung im Herkunftsland wegen der politischen bzw. wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht begonnen bzw. abgeschlossen werden.

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung ging Anfang 2017 davon aus, dass der bisherige Verlauf der Arbeitsmarktintegration der kürzlich nach Deutschland Geflüchteten sich mit den Erfahrungen früherer Fluchtepisoden sowie mit Erfahrungen anderer Volkswirtschaften der Europäischen Union wie Schweden deckt. Vor diesem Hintergrund erscheint eine Erwerbstätigenquote von 50 Prozent unter den Geflüchteten nach etwa fünf Jahren realistisch.

Es bleibt noch viel zu tun, also packen wir es an. Dann schaffen wir es!

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